AG Karlsruhe verurteilt mit Urteil vom 27.1.2012 – 1 C 147/11 – die HUK-Coburg Allg. Vers. AG zur Zahlung der rechtswidrig gekürzten Sachverständigenkosten und nach Beweisaufnahme auch der Wertminderung gemäß Schadensgutachten.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

wir setzen kurz vor Karneval unsere Deutschlandreise zu den einzelnen Gerichten fort und landen heute im Badischen. Hier nachfolgend nun zur Abwechslung ein Urteil aus Karlsruhe zur Wertminderung und zu den Sachverständigenkosten. Beklagte Versicherung war einmal mehr die HUK-Coburg Allgemeine Versicherungs AG.  Wieder einmal meinte die Coburger Versicherung, eigenmächtig die Schadensposition „Sachverständigenkosten“ kürzen zu können. Dabei verkennt die HUK-Coburg die Rechtsprechung. Es kommt nämlich nicht auf die Angemessenheit oder Üblichkeit im werkvertraglichen Sinne an, sondern im Schadensersatzprozess ist einzig und allein entscheidend, ob die Schadensposition „Sachverständigenkosten“ erforderlich sind und erforderlichen Herstellungsaufwand darstellen. Dies ist seit BGH VI ZR 67/06 (= BGH DS 2007, 144 m. Anm. Wortmann) entschieden. Nur will die HUK-Coburg dieses Urteil nicht akzeptieren und ignoriert penetrant die BGH-Rechtsprechung. Dem Amtsrichter in Karlsruhe konnte sie ihre rechtsirrige Rechtsauffassung nicht verkaufen. Folge war, dass sie antragsgemäß verurteilt werden musste. Das galt auch hinsichtlich der Wertminderung.  Allerdings musste das Gericht insoweit eine Beweisaufnahme durchführen. Der vom Gericht bestellte Sachverständige bestätigte den Minderwert, den der Schadensgutachter bereits in seinem Gutachten aufgeführt hatte. Damit muss die Versichertengemeinschaft der HUK-Versicherten dann auch noch neben den Kosten des sinnlosen Rechtsstreites auch noch die Kosten des gerichtlich bestellten Gutachters tragen. Aber bei den eigenen Versicherten zählt das Kostengeringhaltungsprizip offenbar nicht.  Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße
Euer Willi Wacker

Aktenzeichen: 1 C 147/11

Verkündet am 27.01.2012

Amtsgericht Karlsruhe

Im Namen des Volkes

Urteil

in dem Rechtsstreit

– Kläger –

gegen

HUK Coburg Allgemeine versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand Dr. Wolfgang Weiler, Tattersallstr. 16-17, 68165 Mannheim

– Beklagte –

hat das Amtsgericht Karlsruhe
durch den Richter am Amtsgericht …
am 27.01.2012 ohne mündliche Verhandlung mit Zustimmung der Parteien gemäß § 128 Abs. 2 ZPO

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 720,62 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hierua seit dem 14.05.2011 sowie EUR 61,88 vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seitdem 14.05.2011 zu bezahlen. Im Übrigen wirc! die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Gegenstand der Klage sind restliche Schadensersatzansprüche aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich 19.01.2011 in Karlsruhe ereignete und bei dem das zum damaligen Zeitpunkt knapp 7 Jahre alte Fahrzeug des Klägers durch einen bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw erheblich beschädigt wurde. Die vollmfängliche Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht zwischen den Parteien außer Streit.

Auf die dem Kläger für die Einholung eines Sachverständigengutachtens entstandenen Kosten in Höhe von EUR 949,62 gemäß Rechnung des Sachverständigen … vom 23.012011 (AS 63) erstattete die Beklagte lediglich einen Betrag von EUR 409,–. Der Restbetrag von EUR 540,- ist ebenso Gegenstand des Rechtsstreit wie eine merkantile Wertminderung in Höhe von EUR 200.-.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte die gesamten Sachverständigenkosten zu ersetzen habe, weil die berechneten Kosten dem entsprächen, was auf dem ihm – dem Kläger – zugänglichen freien Markt verlangt werde. Er behauptet außerdem, dass aufgrund des Unfalls eine merkantile Wertminderung in Höhe des von dem Sachverständigen … berechneten Betrag entstanden sei.

Der Kläger beantragt:

1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 740,62 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.01.2011 zu bezahlen.

2.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 120,67 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass die verlangten Sachverständigenkosten nicht der üblichen Vergütung entsprächen; das berechnete Grundhonorar sei bereits übersetzt, zudemseien auch die berechneten Nebenpositionen überhöht und im Übrigen bereits dem Grunde nach nicht erstattungsfähig. Aufgrund des Fahrzeugalters sei auch keine Wertminderung angefallen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die  zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens, Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen … vom 11.07.2011 (AS 201 – 231) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im Wesentlichen begründet.

1.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte gemäß §§ 7 StVG, 115 VVG, 249 BGB ein restlicher Schadensersatzanspruch in Höhe von EUR 720,62 zu.

a) Die Beklagte ist zur Erstattung der gesamten dem Kläger in Rechnung gestellten Sachverständigenkosten verpflichtet. In welchem Umfang Sachverständigenkosten erstattungsfähig sind, beurteilt sich allein nach § 249 BGB; maßgeblich ist dabei, ob sich die an den Sachverständigen bezahlten bzw. von ihm berechneten Kosten nach den anzuwendenden schadensrechtlichen Gesichtspunkten im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen halten (BGH NJW 2007, 1450). Der erforderliche Herstellungsaufwand wird nach allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen nicht nur durch Art und Ausmaß des Schadens und die örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten für seine Beseitigung bestimmt; es ist vielmehr auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten ,  sowie auf möglicherweise gerade für ihn bestehende Schwierigkeiten zu nehmen (vgl. BGH, aaO.). Im Regelfall ist der Geschädigte danach berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung eines Schadensgutachtens zu beauftragen, wobei er grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet ist, um einen für den Schädiger und dessen Haftplichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (vgl. BGH, aaO.). Gerade da, wo der Geschädigte von Fachleuten abhängig ist, die er zur Instandsetzung heranziehen muss, sind seinen Erkenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten regelmäßig Grenzen gesetzt. Mit dem Erfordernis der Einholung eines Sachverständigengutachtens wegen eines Fahrzeugschadens wird ein Autofahrer nur ausnahmsweise konfrontiert, schon aus diesem Grund können von ihm Kenntnisse über die Honorarhöhe und die Honorargestaltung eines Kfz-Sachverständigen nicht erwartet werclen. Er kann namentlich nicht abschätzen, welchen Zeit- und Materialaufwand der von ihm beauftragte Sachverständige hat. Gerade dann, wenn der Geschädigte – wie vorliegend – einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen hinzuzieht, besteht für ihn regelmäßig auch keine Veranlassung, die Honorarberechnung in Zweifel zu ziehen, denn aus Sicht des unbefangenen Geschädigten bietet die öffentliche Bestellung und Vereidigung doch eine besondere Gewähr für die Qualität und Zuverlässigkeit des betreffenden Sachverständigen, die der Geschädigte auch auf die Honorarberechnung bezieht. Solange für den Geschädigten als Laie daher nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung also in einem auffälligen Mißverhältnis stehen, oder ihm ein Auswahlverschulden zur Last fällt oder er grobe und offensichtliche Unrichtigkeiten der Begutachtung oder Vergütungsberechnung missachtet oder gar verursacht, ist die Erforderlichkeit der berechneten Kosten zu bejahen (vgl. Geigel/Knerr, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., Kapitel 3 Rdnr. 121 mwNn). Der Geschädigte kann daher grundsätzlich die ihm in Rechnung gestellten Sachverständigenkosten ersetzt verlangen ohne Rücksicht darauf, ob er diese mangels Angemessenheit oder Unbilligkeit dem von ihm beauftragten Sachverständigen vertraglich schuldet. Schädiger und Haftpflichtversicherer müssen sich vielmehr darauf verweisen lassen, die Abtretung eventueller Ansprüche des Geschädigten gegen den beauftragen Sachverständigen zu verlangen (vgl. OLG Nürnberg VRS 103, 321 f; OLG Köln NZV 1999, 83 ff; Hörl NZV 2003, 305 ff; Grunsky NZV 2000, 4 ff).

Ausgehend von diesen Grundsätzen greifen die Einwendungen der Beklagten nicht durch. Im Hinblick auf den erheblichen Fahrzeugschaden mit kalkulierten Reparaturkosten von über EUR 8.000,- kann weder von einem für den Geschädigten erkennbaren auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ausgegangen werden noch von einer groben, offensichtlichen Unrichtigkeit der Berechnung, zumal auch nicht ersichtlich ist, woher ein Geschädigter wissen soll, dass ein Sachverständiger Nebenkosten für Fotografien, Porto, Fahrten und ähnliches nicht gesondert berechnen darf (ganz abgesehen davon, dass diese Rechtsauffassung der Beklagten unzutreffend ist).

Unter Berücksichtigung des Zahlung der Beklagten von EUR 409,- verbleibt ein noch zu zahlender Betrag von EUR 540,62.

b) Zum erstattungsfähigen Schaden gehört außerdem eine merkantile Wertminderung, die das Gericht gemäß § 237 ZPO auf einen Betrag in Höhe von EUR 180,- schätzt. Entgegen der Ansicht der Beklagten schließt allein das Alter eines Fahrzeugs die Entstehung einer merkantilen Wertminderung nicht aus (vgl. BGH NJW 2005, 277). Auf der Grundlage der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen … , der aus einer Vielzahl von Verfahren als zuverlässig bekannt ist, denen sich das erkennende Gericht anschließt, nachdem auch die Parteien keine Einwendungen erhoben haben, ist von einer Wertminderung von EUR 180,–auszugehen. Für eine Aufrundung des von dem Sachverständigen errechneten Betrags auf EUR 200,– sieht das Gericht allerdings keine Veranlassung.

2.
Zu dem gemäß § 249 BGB zu ersetzenden Schaden des Klägers gehören außerdem weitere Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 61,88.

Dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten zufolge hat sie vorgerichtlich ausgehend von einem Streitwert von EUR 9.602,28 bereits einen Betrag von EUR 775,64 erstattet. Die Höhe der ersatzfähigen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten richtet sich nach der Höhe des berechtigten Schadensersatzanspruchs. Zuzüglich der restlichen Sachverständigenkosten sowie der Wertminderung ergibt sich ein Gesamtschaden von EUR 10.402,90. Eine 1,3 Geschäftsgebühr zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer ergibt einen Betrag von EUR 837,52. Damit ergibt sich eine restliche Forderung von EUR 61,88.

3.
Die Zinsansprüche ergeben sich aus §§ 280, 286, 288 BGB. Die Beklagte schuldet Zinsen erst seit Rechtshängigkeit, weil ein früherer Verzugseintritt nicht dargetan ist.

Die Kostenentschedung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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3 Antworten zu AG Karlsruhe verurteilt mit Urteil vom 27.1.2012 – 1 C 147/11 – die HUK-Coburg Allg. Vers. AG zur Zahlung der rechtswidrig gekürzten Sachverständigenkosten und nach Beweisaufnahme auch der Wertminderung gemäß Schadensgutachten.

  1. Hunter sagt:

    Eigentlich ein prima Urteil, wenn dieser „Patzer“ nicht wäre:

    „…ist von einer Wertminderung von EUR 180,–auszugehen. Für eine Aufrundung des von dem Sachverständigen errechneten Betrags auf EUR 200,– sieht das Gericht allerdings keine Veranlassung.“

    Super. Der gerichtliche Sachverständige hat als genau 180 Euro Wertminderung „errechnet“. Für eine Aufrundung auf 200 Euro sieht das Gericht keien Veranlassung?

    1. Kann man eine Wertminderung von genau 180 Euro berechnen? Wie denn?
    2. Regelt der Markt die Wertminderung.
    3. Gibt man ggf. eine Bandbreite an (100 – 200 Euro, 200 – 300 Euro, 300 – 500 Euro usw.).

    Ich habe noch keinen Gebrauchtwagenkäufer kennen gelernt, der exakt 180 Euro in Abzug bringen will, weil das Fahrzeug seines Interesses einen reparierten Unfallschaden aufweist.

    Bei einem Sachverhalt, wie dem vorliegenden (Schaden 8.000 Euro), reden wir in der Regel nicht nur von einem Abzug von 200 Euro – auch bei älteren Fahrzeugen. Der Fahrzeugwert lag ja offensichtlich noch über 8.000 Euro. Viele wollen überhaupt kein unfallrepariertes Fahrzeug => Wertminderung = Kaufpreis. Wertmindernde Abzüge bei reparierten Fahrzeugen mit einem Fahrzeugwert von mehr als 8.000 Euro bewegen sich in der Regel deutlich über 200 Euro.

    Die „Pupserei“ um 20 Euro zeigt wieder einmal, wie lebensfremd Prozesse geführt werden.

  2. Alois Aigner sagt:

    Grüß Gott Hunter,
    ich glaube nicht, dass der Kampf der Versicherungen um die Wertminderung nur „Pupserei“ ist. Wenn es nach den Versicherungen gehen würde, dann hätten wir ab 100.000 km und ab 5 Jahren Fahrzeugalter überhaupt keine Wertminderung mehr. Aber aufgrund der längeren lebenszeit nicht nur der Menschen, sondern auch ihrer Fahrzeuge, sind die besagten Grenzen heute nicht mehr aktuell. Die Versicherungen beharren aber noch auf diesen Grenzen. Warum? Weil damit viel, viel Geld zu verdienenen ist. Da die Fahrzeuge im Schnitt heute immer älter werden, würde bei vielen Unfallschäden nach den alten Grenzen keine Wertminderung mehr erstattet.
    Also wird die Wertminderung immer, und immer bestritten. Nur vergessen die Versicherungen, dass sie beweispflichtig sind, wenn sie niedrigere oder gar keine Minderwerte behaupten. Der Geschädigte ist nämlich durch die Vorlage eines Gutachtens eines qualifizierten Sachverständigen seiner Darlegungs- und evtl. Beweislast nachgekommen. Derjenige, der für ihn bessere Positionen behauptet, muss diese darlegen und beweisen.
    Ob der vom Gericht bestellte Gutachter gefehlt hat, vermag ich mangels näherer Kenntnis nicht zu sagen. Fest steht aber, dass es eigentlich so eine krumme Zahl nicht geben kann. Der Verdacht liegt nahe, dass er dem Geschädigten und seinem Kollegen eigentlich recht geben wollte, es aber auch nicht mit der Versicherung verderben wollte. Aber das ist meine persönliche Meinung.
    Servus
    Alois

  3. Hunter sagt:

    @Alois Aigner

    „ich glaube nicht, dass der Kampf der Versicherungen um die Wertminderung nur „Pupserei“ ist.“

    Das glaube ich auch nicht. Gemeint waren aber nicht die Versicherer, sondern das Gericht.

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