AG Bad Liebenwerda verurteilt nur zum Teil zur Zahlung restlicher, abgetretener Sachverständigenkosten mit kritisch zu betrachtender Begründung im Urteil vom 3.2.2017 – 12 C 359/16 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,

was für ein Durcheinander die umstrittene Rechtsprechung des BGH zu den Sachverständigenkosten in jüngster Zeit gebracht hat, zeigt das nachfolgende Urteil des AG Bad Liebenwerda vom 3.2.2017. In dem dem Urteil zugrunde liegenden Rechtsstreit hatte der Sachverständige aus abgetretenem Recht den Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegenüber der LVM Versicherung als einstandspflichtigem Kfz-Versicherer geltend gemacht. Entsprechend der Mietwagenrechtsprechung des VI. Zivilsenates meinte die erkennende Amtsrichterin auch diesen Rechtsstreit entscheiden zu können. Sie verkennt dabei, dass die Regeln über die Erstattungsfähigkeit der Mietwagenkosten nicht auf die Sachverständigenkosten übertragen werden können. Das hat bereits der BGH in seinem Grundsatzurteil vom 23.1.2007 (BGH DS 2007, 144 m. zust. Anm. Wortmann) festgestellt. Weiter wird eine Honorarumfrage des BVSK zur Entscheidung mitherangezogen, obwohl der BGH ausdrücklich entscheiden hat, dass der Geschädigte die Ergebnisse der Honorarbefragung des BVSK nicht kennen muss (vgl. BGH Urt. v. 11.2.2014 – VI ZR 225/13 Rn.10). Dass die Restsachverständigenkosten auch noch einen ersatzfähigen Schaden darstellen, wird völlig verkannt, denn die Rechnung des Sachverständigen stellt – auch wenn sie noch nicht beglichen ist – eine Belastung mit einer Zahlungsverpflixchtung dar. Wenn ein Teil durch den Versicherer beglichen wird, so verbleibt noch ein Restbetrag, der nach wie vor zur Begleichung ansteht und daher als (Rest-) Schaden des Geschädigten verbleibt. Mit der darin steckenden Restverpflichtung zur Zahlung bleibt der Geschädigte belastet. Dass die Belastung mit einer Zahlungsverpflichtung eine ersatzfähigen Schaden darstellt, ist von der höchstrichterelichen Rechtsprechung anerkannt (vgl. Offenloch ZfS 2016, 244, 245 Fußn. 9 mit Hinweis auf die höchstr. Rspr.). Diese Zusammenstellung zeigt, wie karastrophal die Begründung des erkennenden Gerichts ist. Mit Schadensersatzrecht hat das jedenfalls nichts mehr zu tun, wie wir meinen. Was denkt Ihr? Gebt bitte Eure Meinungen als Kommentare bekannt.

Viele Grüße
Willi Wacker

Az.: 12 C 359/16

Amtsgericht Bad Liebenwerda

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

– Kläger –

gegen

LVM Landwirtschaftlicher Versicherungsverein Münster a G, vertreten durch d. Vorsitzenden, Kolde-Ring 21, 48151 Münster

– Beklagter –

hat das Amtsgericht Bad Liebenwerda durch die Richterin am Amtsgericht G. auf Grund des Sachstands vom 27.01.2017 für Recht erkannt:

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)

1.       Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 30,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.06.2013 sowie weitere 6,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.12.2016 zuzahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2.        Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 80 % und der Beklagte 20 % zu tragen.

3.        Der Streitwert wird auf 149,23 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

Die auf Erstattung restlicher Sachverständigenkosten gerichtete Leistungsklage ist nur teilweise begründet.

Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadenersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Sein Anspruch ist auf Befriedigung seines Finanzierungsbedarfs in Form des zur Wiederherstellung objektiv erforderlichen Geldbetrags und nicht etwa auf Ausgleich von ihm bezahlter Rechnungsbeträge gerichtet. Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint. Denn Ziel der Schadensrestitution ist es, den Zustand wiederherzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne das Schadensereignis entspricht. Der Geschädigte ist deshalb grundsätzlich berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen (BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13 -, juris, Rn, 14 m.w.N, zur Rspr.; BGH, Urteil vom 26. April 2016 – VI ZR 50/15 -, juris, Rn. 11).

Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann.

Allerdings ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung). Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13 -, juris, Rn. 15 m.w.N. zur Rspr.). Der Geschädigte muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13 -, juris, Rn. 7). Dies wird in der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 26. April 2016 jedoch dergestalt eingeschränkt, dass dem Geschädigten im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots grundsätzlich eine gewisse Plausibilitätskontrolle der vom Sachverständigen bei Vertragsabschluss geforderten (bzw. später berechneten) Preise obliege (BGH, Urteil vom 26. April 2016 – VI ZR 50/15 -, juris, Rn. 13). LG Stuttgart 5. Zivilkammer Entscheidungsdatum: 14.07.2016, Aktenzeichen: 5 S 164/15.

Hinsichtlich der Erforderlichkeit der streitgegenständlichen Sachverständigenkosten ist der Kläger grundsätzlich darlegungs- und beweispflichtig. Dabei sind die tatbestandlichen Voraussetzungen, die der Bundesgerichtshof für die Indizwirkung einer Rechnung aufgestellt hat, – tatsächliche Begleichung der Rechnung durch den Geschädigten in Übereinstimmung mit der Preisvereinbarung -, im vorliegenden Fall jedoch bereits deshalb nicht erfüllt, weil der Geschädigte die Rechnung nicht selbst beglichen, mithin keinen eigenen Aufwand gehabt hat. Die Indizwirkung hinsichtlich der Erforderiichkeit der geltend gemachten Kosten greift vorliegend infolgedessen nicht ein.

Kann man – wie vorliegend – nicht auf die Indizwirkung abstellen, besteht der Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Beauftragung des Sachverständigen bestehend aus Grundhonorar und Nebenkosten bei Vorliegen einer Preisvereinbarung dann, wenn und soweit diese nicht deutlich überhöht sind und dies für den Geschädigten erkennbar ist (LG Stuttgart, Urteil vom 29. Juli 2015 – 13 S 58/14, juris, Rn. 10; LG Stuttgart, Urteil vom 2. Dezember 2015 – 4 S 204/14, n.v.; LG Mannheim, Urteil vom 5. Februar 2016 – 1 S 119/15, juris, Rn. 9; vgl. BGH, Urteil vom 26, April 2016 – VI ZR 50/15 -, juris, Rn, 12; vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13 -, juris, Rn. 15). Hierzu hat das LG Stuttgart ein Sachverständigengutachten eingeholt. Der Sachverständige hat im Ergebnis ausgeführt, dass hinsichtlich der Nebenkosten die Werte der BVSK-Tabelle 2013 zur Bestimmung der Üblichkeit nicht geeignet sind. Als Orientierung könnten allerdings die der BVSK-Umfrage 2015 zugrunde gelegten Werte dienen.

Bezüglich Fahrtkosten sei je gefahrenen Kilometer 90 Cent angemessen, wobei man aufgrund der gesunkenen Benzinpreise auch in der darauffolgenden Zeit von einer Spanne von 70 Cent bis 90 Cent ausgehen könne. Bezüglich der Fertigung von Schreibseiten sei zu differenzieren, ob und wie eine Schreibkraft eingesetzt werde, so dass für eine Seite Original 2,00 € und für eine Mehrfertigung 1,00 € angesetzt werden könne. Reine Kalkulationsseiten und Fotodokumentationsseiten, die über das Ausdrucken keinen Aufwand verursachten, seien nicht extra zu vergüten. Für das Anfertigen von Kopien seien 50 Cent angemessen. Je Foto im ersten Satz seien 2,00 € angemessen, für jeden weiteren Fotosatz je Bild 0,50 €. Als Pauschale für Porto- und Telefonkosten seien 10,00 € anzusetzen.

Das LG Bochum gelangt unter Heranziehung der BVSK-Befragung 2015 für die Schätzung gem. § 287 ZPO zu Nebenkosten in folgender Höhe:

– eine Postpauschale in Höhe von 15,00 Euro

– Fotokosten in Höhe von 2,00 Euro je Bild für den ersten Fotosatz und 0,50 Euro je Bild für den zweiten Fotosatz

– Schreibkosten in Höhe von 1,80 Euro je Seite für das Originalgutachten und 0,50 Euro je Seite für die Zweitausfertigung

– Fahrtkosten in Höhe 0,70 Euro je Kilometer (LG Bochum 9. Zivilkammer, 31.05.2016, 9 S 36/16, I-9 S 36/16)

Daran orientiert sich das Gericht in der vorliegenden Entscheidung und stellt die Kosten gegenüber:

Kostengrund                          Kläger                      BVSK 2013                     BVSK 2015         Amtsgericht
Gutachtenerstellung             737,00    737,00       592,- – 788,-     737,-             737,–                  737.–
1. Fotosatz                   16,00   2,47      39,52           2,-   –   4,-       48,-       2,-    32,-            2,–    32,–
.                                    Foto
2. Fotosatz – Kopie      16,00   1,70      27,20          1,85  –  3,-       38,8       0,50   8,-            0,50    8,–
.                                    Foto
Porto / Telefon                        18,26      18,26          8,-   –  26,25   17,12    15,-    15,-          15,–    15,–
Schreibkosten              17,00    3,59      61,03          5,08                86,36      1,8   30,60         1,80   30,60
.                                    Seite
Schreibkosten – Kopie 17,00    2,57      43,69          3,15                53,55      0,50   0,50         0,50     8,50
.                                    Seite
Fahrtkosten                 35 km   1,02       35,70          0,65  –  2,31    51,8       3,70  24,5          0,90   31,50
Restwertermittlung                30,80       30,80        15,-   –  50,-       32,5                                           30,8
Summe netto                                       993,20                             1.065,13           855,60                  893,40
Summe brutto                                   1.181,91                             1.267,50        1.018,16               1.063,14

Bei der amtsgerichtlichen Kostenschätzung werden die Fahrtkosten nicht mit 0,70 €/km angesetzt weil die Benzinkosten im Jahr 2013 nicht so niedrig lagen, wie im Jahr 2015.

Die Kosten der Restwertermittlung werden nach dem klägerischen Vortrag zum Aufwand der Internetrecherche übernommen.

Abzüglich der geleisteten Zahlung von 1.032,65 € verbleibt ein Betrag von 30,46 €. Mehr kann der Kläger nicht verlangen.

Die Kosten der Mahnung sind in Höhe von 6,00 € zu erstatten. Das Gericht schätzt die Kosten je Mahnung gem. § 287 ZPO auf 3,00 €.

Der Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen beruhtauf §§ 280, 286, 288 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 708 Nr.11, 711,713 ZPO.

Die Mahnkosten sind nicht streitwertbestimmend anzusetzen.

Die Berufung ist nicht zuzulassen, weil die Sache nicht von Bedeutung ist.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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3 Antworten zu AG Bad Liebenwerda verurteilt nur zum Teil zur Zahlung restlicher, abgetretener Sachverständigenkosten mit kritisch zu betrachtender Begründung im Urteil vom 3.2.2017 – 12 C 359/16 -.

  1. Schinderhannes sagt:

    Ich bin es sowas von leid, immer wieder solche unqualifizierten Urteile zu lesen, wo ein Gericht meint, lediglich aus werkvertraglich geprägtem Verständnis dezidiert die Rechnungshöhe überprüfen zu müssen. Diese schadenersatzrechtlich abwegige Auffassung ist durch nichts zu entschuldigen.
    Das ganze Unverständnis dieser Richterin zeigt sich auch in der „Begründung“ zur Nichtzulassung der Berufung. Wieder ein Schrotturteil aus Bad Liebenwerda mehr. Weiterhin gute Erholung für diese Richterin am AG in Bad Liebenwerda.

    Schinderhannes

  2. Iven Hanske sagt:

    Unwissenheit oder Dummheit oder Korrupt? BVSK Befragungen (Inhalt sind abgemahnte Preisabsprachen mit dem Versicherer) sind fingiert und bei der 2015 offenkundig da nicht real (Was würden Sie berechnen, wenn…). Ich denke korrupt, denn so blöd darf die angebliche richterliche Intelligenz nicht sein oder der ….. sollte diese Job übernehmen!
    Könnte jetzt Aufsätze schreiben um diesen Schrott zu wiederlegen, aber eine Frage zum Erforderlichen reicht, oder?

    Welcher Gutachter rechnet real auf dem Markt so, wie das richterliche normative Diktat, ab, um das Diktat als üblich zu erklären? § 279 ZPO ist vom Gesetzgeber gut gemeint und von Wellner und Co. (VI Senat in Geisel des GDV) vergewaltigt. Könnte wegen diesen menschlichen Charakter brechen, gebe es da nicht den VII Senat der Hoffnung zum üblichen macht.

  3. Thomas L. sagt:

    Die Meinung von Schinderhannes ist mehr als verständlich. Was wir zumindest an größeren Gerichten deshalb benötigen, sind Fachdezernate, besetzt mit Juristen, denen die Materie geläufig ist und die auch in der Lage sind, schadenersatzrechtlich themenfremde Stellungnahmen, wie z.B. aus dem Zusammenhang gerissene ergebnisorientierte „Zweckrechtssprechung“, in der gebotenen Kürze zu rügen und abzuweisen. Es sollte sollte dann auch noch in besonderem Maße Sicherheit gewährleistet sein für ihre Unabhängigkeit hinsichtlich der immer wieder zu beobachtenden Einflussnahmeversuche durch die Assekuranz.-

    Thomas L.

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