AG Seligenstadt beurteilt die Sachverständigenkosten nach § 249 I BGB und verurteilt die LVM Versicherung zur Zahlung restlicher, abgetretener Sachverständigenkosten mit Urteil vom 5.4.2017 – 1 C 504/16 (2) -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,

dass nach diesseitiger Ansicht die berechneten Sachverständigenkosten über § 249 I BGB abzuurteilen sind, hatten hier bereits mehrfach betont. So sieht es auch das Amtsgericht Seligenstadt. Das Gericht urteilt, dass“zu den dem Zedenten gemäß §§ 249 Abs. 1 S. 1 BGB zu ersetzenden Schäden auch die Sachverständigenkosten gehören“. Damit werden erneut die bösen Zungen, die damals meinten, dass das AG Idstein ein Einzelfall bleiben würde, Lügen gestraft. Zu Recht werden die konkret abgerechneten Sachverständigenkosten auch konkret nach § 249 I BGB beurteilt. Dies vorab als Vorwort zu dem Urteil des AG Seligenstadt. Das angerufene Gericht musste über restliche, von der LVM-Versicherung gekürzte Sachverständigenkosten entscheiden. Dass der Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten abgetreten war, ändert nichts, denn durch die Abtretung wird der zugrundeliegende Anspruch nicht verändert. Lest selbst das umfangreiche Urteil und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Hier noch die Erläuterungen des Einsenders:

„Die Gegenseite bestritt die Aktivlegitimation, und das obwohl der weit überwiegende Teil des Schadens vorgerichtlich bereits bezahlt wurde. Dabei machte sie sogar geltend, die Unterschriften auf der Abtretungserklärung seien nicht vom Auftraggeber. Das Gericht hat dies ohne Beweisaufnahme – nachdem wir den Auftraggeber als Zeugen anboten – zurückgewiesen wegen widersprüchlichen Verhaltens gemäß § 242 BGB. Ebenso berief sich die Gegenseite auf § 410 BGB. Dieser Einwand war auch wertlos, nachdem die Abtretungserklärung im Original dem Gericht übersandt wurde. Im Übrigen galt auch wieder § 242 BGB. Des Weiteren halten wir die Entscheidung für mustergültig. Insbesondere setzt sie sich auch mit der neuesten (unsäglichen) Rechtsprechung des BGH auseinander und geht zutreffend nur von der Gesamthöhe des Honorars aus.“

Viele Grüße
Willi Wacker

Amtsgericht Seligenstadt                                                           Verkündet am 05.04.2017
Aktenzeichen: 1 C 504/16 (2)

Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit

Klägerin

gegen

LVM Landwirtschaftlicher Versicherungsverein Münster a.G., vertr.d.d. Vorstand Jochen Herwig, Kolde-Ring 21, 48126 Münster

Beklagte

hat das Amtsgericht Seligenstadt durch die Richterin am Amtsgericht S. aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22.03.2017 für Recht erkannt:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 68,07 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.05.2016 und weitere 70,20 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.06.2017 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Schadensersatzanspruch aus abgetretenem Recht gemäß § 7 Abs. 1 StVG, §§ 7, 18 StVG, 249 ff., 823 Abs. 1 BGB, 115 VVG, 398 BGB in Höhe von 68,07 € zu.

Die Haftung des Beklagten für die dem ursprünglich Geschädigten Herrn… aus dem Verkehrsunfall am 21.12.2015 in Seligenstadt entstandenen Schäden dem Grunde nach zu 100% ist zwischen den Parteien unstreitig.

Der Geschädigte hat seinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten wirksam gemäß § 398 BGB am 23.12.2015 an den Sachverständigen abgetreten. Die Abtretung ist jeweils bestimmt bzw. bestimmbar und lässt klar erkennen, aus welchem Unfallereignis und in welcher Höhe der Geschädigte seinen Schadensersatzanspruch an den Kläger abgetreten hat; insbesondere wurde klar bestimmt, dass es sich um die Kosten des Sachverständigenhonorars handeln sollte.

Mit Schreiben vom 22.04.2016 (Anlage K3, Bl. 7 d.A.) und anwaltlichem Schreiben vom 01.06.2016 (Anlage K 5, Bl. 39 f. d.A.) forderte der Kläger unter Bezugnahme auf die Abtretungserklärung den Beklagten auf die Sachverständigengutachterkosten zu erstatten.

Die Wirksamkeit der Abtretung wurde von der Beklagten nunmehr schriftsätzlich bestritten, da angeblich die Unterschrift des Geschädigten auf der Abtretungserklärung nicht vergleichbar sei mit der Unterschrift des Geschädigten auf dem Anspruchssteiler Fragebogen des Beklagten vom 03.01.2016. Dies ist nach den Grundsätzen des venire contra factum propium nach § 242 BGB unerheblich, nachdem der Beklagte bereits erhebliche Zahlungen auf die streitgegenständliche Rechnung vom 29.12.2015 erbracht hat.

Auch der Umstand, dass die Honorarvereinbarung vom 23.12.2015 keine explizite detaillierte Vereinbarung zu Nebenkosten beinhaltet, schließt eine Geltendmachung der Nebenkosten grundsätzlich nicht aus. Nebenkosten fallen bei der Tätigkeit eines KFZ-Sachverständigen, insbesondere bei der Anfertigung eines Schadengutachtens, üblicherweise an. Aus der Sicht eines objektiven Dritten in der Rolle des Auftraggebers afs Erklärungsempfänger ist ohne entsprechende ausdrückliche Vereinbarung (und eine solche ist hier weder dargelegt noch sonst ersichtlich) nicht davon auszugehen, dass mit dem Grundhonorar ohne weiteres auch automatisch bestimmte oder gar alle Auslagen abgegolten werden sollen. Derartiges ergibt sich vor allem nicht aus dem Gesetz, insbesondere gibt es für Sachverständige auch keine entsprechende Berufsordnung, aus der sich eine derartige Regelung ergeben könnte (vgl. auch BGH Urteil vom 04.04.06, X ZR 80/05; BGH Urteil vom 11.02.2014, VI ZR 225/13, BGH Urteil vom 22.07.2014, Az. VI ZR 357/13). Demgemäß ist von einer konkludenten Vereinbarung nach § 632 Abs. 1 BGB zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen auszugehen, so dass auch die Nebenkosten von der Abtretungserklärung gedeckt sind. Zu den dem Zedenten gemäß §§ 249 Abs. 1 S. 1 BGB zu ersetzenden Schäden gehören auch die Sachverständigenkosten. Sachverständigenkosten fallen unter die mit dem Schadensfall unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (BGH, Urteil vom 23.1.2007, Az. VI ZR 67/06). Bei der Bemessung des Schadens und der Schadensschätzung nach § 287 ZPO bildet der tatsächliche Aufwand einen Anhaltspunkt zur Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung erforderlichen, sind weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzpro-zess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen (BGH, Urteil vom 23.1.2007, Az. VI ZR 67/06). Der Geschädigte kann vom Schädiger nach § 249 Absatz 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Dabei ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (BGH, Urteil vom 11.02.2014, Az. VI ZR 225/13). Einwendungengegen die Höhe der Sachverständigenkosten können dem Geschädigten gegenüber nur erhoben werden, wenn ihn ein Auswahfverschuiden trifft oder die Überhöhung derart evident ist, dass eine Beanstandung von ihm verlangt werden muss; der Geschädigte ist insbesondere nicht verpflichtet, vor der Auftragserteilung Preisvergleiche anzustellen (BGH, Urteil vom 11.02.2014, Az. VI ZR 225/13; LG Hamburg, Urteil vom 22.01.2015, Az. 323 S 7/14). Der Geschädigte hat seine Ansprüche wirksam an den Sachverständigen abgetreten, der diese somit gegen den Beklagten geltend machen kann. Für die Frage, ob erhöhte Gutachterkosten abgerechnet wurden, kommt es allein auf die Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten an (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 22.01.2015, Az. 323 S 7/14; LG Hamburg, Urteil vom 09.04.2015, Az. 323 S 45/14; BGH, Urteil vom 22.07.2014, Az. VI ZR 357/13). Vorliegend ist bereits nicht festzustellen, dass die Sachverständigenkosten objektiv überhöht sind. Vielmehr sind die von dem Kläger geltend gemachten Sachverständigenkosten in Höhe von insgesamt 578,20 zzgl. 19 % MwSt. nach Auffassung des Gerichts erforderlich im Sinne von § 249 Abs. 2 BGB. Da der Beklagte auf diese Forderung lediglich einen Betrag von 619,99 € gezahlt hat, steht dem Kläger noch ein Anspruch auf die restlichen 68,07 € zu.

Für die Beurteilung, ob für den Geschädigten eine Überhöhung des Honorars ersichtlich war, kommt es nicht auf die zugrunde liegenden Einzelpositionen, sondern auf das Gesamthonorar an. Selbst wenn der Sachverständige in einer Position leicht über der üblichen Vergütung liegt, dies jedoch in anderen Positionen wieder ausgleicht, liegt insgesamt keine überhöhte Berechnung vor Es ist dem Geschädigten nicht zumutbar, mit einem Sachverständigen, der in der Gesamtrechnung zu einem üblichen Honorar kommt, über die einzelne Zusammensetzung desselben zu verhandeln oder gar aufgrund einzelner Nebenkosten, die ihm überhöht erscheinen, einen anderen Sachverständigen aufsuchen zu müssen, obwohl der von ihm ausgesuchte Sachverständige insgesamt keinesfalls überhöht abrechnet. Andernfalls käme es angesichts der unterschiedlichen Abrechnungsmodalitäten der Kfz-Sachverständigen in denjenigen Fällen zu unbilligen Ergebnissen, in denen ein geringes, aber deutlich unterhalb der üblichen Sätze in Ansatz gebrachtes Grundhonorar, dafür aber verhältnismäßig hohe Nebenkosten in Rechnung gestellt werden, ohne dass es insgesamt zu einer Überschreitung der üblichen Vergütung kommt (LG Hamburg, Urteil vom 22.01.2015, Az. 323 S 7/14).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich bei einer fiktiven Berechnung des hier geltend gemachten Sachverständigengrundhonorares anhand der BVSK-Honorarbefragung des Berufsverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V. und der VKS/BVK-Honoraranfrage 2015 der Verbände der unabhängigen Kraftfahrzeugsachverständigen e.V. und des Bundesverband öffentlich bestellter, vereidigter oder anerkannter qualifizierter Kfz.-Sachverständiger e.V. von 2015 ein Rechnungsbetrag von 460,50 € netto ausgehend von dem Mittelwert des HB V Korridors für eine Schadenhöhe bis 3.000,00 € und bei Mittelwert aus HB I und HB III (vgl. auch LG Stuttgart, Urteil vom 14.07.2016, Az. 9 C 45/15; LG Freiburg, Urteil vom 24.11.2016, Az. 3 S 145/16) ein Betrag in Höhe von 444,– € netto. Auch wenn man den Mittelwert des Grundhonorars (ohne Nebenkosten) aus der BVSK-Honorarbefragung, Korridor HB V, in Höhe von 460,50 € ins Verhältnis zum Gesamtnettobetrag der Rechnung des Kiäger in Höhe von 578,120 € (mit Nebenkosten) setzt, ergibt sich lediglich eine Überschreitung von 17%. Hierbei kann von einer erkennbaren Überhöhung keine Rede sein (vgl. Landgericht Hamburg, Urteil vom 09.04.2015, 323 S 45/14).

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Grundhonorar nach Zeitaufwand berechnet worden ist, sondern sich pauschaliert an der Schadenshöhe orientiert. Eine pauschale Abrechnung des Sachverständigenhonorars, insbesondere eine solche, die sich an der Schadenshöhe orientiert, ist weder schon per se als nicht nachvollziehbar oder als unzulässig anzusehen, noch ist die Abrechnung nach Arbeitszeit objektiv geboten. Es sind auch keine gesetzlichen Gründe ersichtlich, die den Sachverständigen schon aliein wegen des Aspekts der Nachvollziehbarkeit bzw. Prüffähigkeit der Abrechnung dazu zwingen würden, nach Arbeitszeit / Zeitaufwand abzurechnen.

Der Beklagte kann auch nicht mit Erfolg einwenden, dass die geltend gemachten Fotokosten, Fahrtkosten, Kopier- und Schreibkosten sowie Nebenkosten, Auslagen und Kosten für die Datenbank überhöht waren oder das Anfallen bestreiten. Denn diese Einwände beziehen sich wiederum nur auf die einzelnen Nebenkostenpositionen und lassen außer Betracht, dass es allein auf eine offensichtliche Überhöhung der Gesamtkosten und deren Erkennbarkeit durch den Geschädigten ankommt.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem neuesten Urteil des BGH vom 26.04.2016 (Az.: BGH Az. VI ZR 50/15), das ebenfalls die tatrichterliche Schätzungsfreiheit in den Vordergrund stellt. Auch danach ist es lediglich „nicht zu beanstanden“, wenn der Tatrichter im Rahmen der Schätzung der bei der Begutachtung anfallenden und erforderlichen Nebenkosten gemäß § 287 ZPO die Bestimmungen des JVEG als Orientierungshilfe heranzieht und sodann einzelne Nebenkosten als überhöht wertet. Auch der BGH betont im Übrigen, dass § 287 ZPO die Art der Schätzungsgrundlage nicht vorgibt und sich der Tatrichter im Rahmen der Schadensschätzung in Tabellen enthaltener Erfahrungswerte – wie eben der BVSK 2015 – bedienen kann. Dass in Zukunft nicht mehr auf das Gesamthonorar abgestellt werden darf, besagt neueste Urteil des BGH gerade nicht.

Bei der Betrachtung ist nach Auffassung des Gerichts auch von Gesamtkostenbeträgen auszugehen, denn möglicherweise überhöhte Einzelpositionen können im Ergebnis durch anderweitige geringere oder auch nicht berechnete Einzelpositionen aufgefangen werden mit der Folge, dass sich ein angemessenen Gesamtbetrag ergibt, der als erforderlicher Schadensbetrag einer Erstattung unterfallen würde. Insoweit kann sich allein bezogen auf Einzelpositionen keine erkennbar deutliche Überhöhung für den Geschädigten ergeben. Auch die weiteren Einwände der Beklagten greifen nicht.

Zwar sind unter erstattungsfähigen Nebenkosten grundsätzlich nur diejenigen Auslagen zu verstehen, die im Rahmen der Ermittlung und Erstellung des Gutachtens durch den Sachverständigen auch tatsächlich angefallen sind. Davon ist jedoch vorliegend ohne weiteres auszugehen. Nebenkosten fallen bei der Tätigkeit eines KFZ-Sachverständigen, insbesondere bei der Anfertigung eines Schadengutachtens, üblicherweise an. Zu diesen üblichen, grundsätzlich nicht hinwegzudenkenden und daher zu erstattenden Nebenkosten gehören die für das Gutachten und etwaige schriftliche Korrespondenz mit der Geschädigten- und der Schädigerseite anfallenden Schreibkosten, die Kosten für die Anfertigung von Lichtbildern zu Beweissicherungszwecken und zum Zwecke der Veranschaulichung bestimmter Schadenbilder oder sonstiger Umstände, die Porto-, Telefon- und sonstigen Kommunikationskosten für die in ailer Regel notwendige Kommunikation mit dem Geschädigten- und ggf. auch der Schädigerseite, z. B. durch Anschreiben, Telefonie, Emailverkehr und Gutachtenübersendung, die Fahrtkosten (z. B. bei Besichtigung des Fahrzeugs außerhalb der Räumlichkeiten des Sachverständigen oder der Unfallörtlichkeiten), sowie Kosten, die für die Benutzung von bestimmter EDV-Hard- und Software anfallen, insbesondere für die Benutzung speziellere Datenbanken zur Herstellung der Schadenkalkulation und zum Abruf der Fahrzeugdaten (Kalkulations-/Bewertungs-/VIN-Abfrage/Datenabfragekosten, vgl. hierzu z. B. auch AG Köln vom 03.09.12, 142 C 84/12). Ein pauschales Bestreiten des Beklagten, dass derartige Nebenkosten angefallen sind, genügt nicht, da von dem Anfall derartiger Nebenkosten daher üblicherweise nach der Lebenserfahrung auszugehen und objektive Anhaltspunkte dafür, dass dies hier ausnahmsweise nicht der Fail gewesen ist, Beklagtenseits weder dargetan noch sonst ersichtlich sind. Demgemäß sind auch die gesondert abgerechneten Schreibkosten und Kosten für den EDV-Abruf sowie die Porto/Telefonkosten zu erstatten, weshalb das Argument, dass diese Kosten immer schon mit dem Grundhonorar verwirkt seien, weil der Sachverständige gerade ein Gutachten in schriftlicher Form unter Anwendung der EDV schulde und hierzu auch die entsprechenden Datenbanken zu nutzen habe und mit dem Geschädigten, u. a. auch per Telefon kommunizieren müsse, nicht verfängt. Insofern kann dem freiberuflichen Sachverständigen nicht verwehrt werden, die reinen Schreibkosten oder andere Auslagen, wie eben die EDV-Abrufkosten neben dem Grundhonorar, das doch in erster Linie nicht die Auslagen, sondern vielmehr den arbeitstechnischen Aufwand bzw. die Arbeitszeit und die Verwertung der besonderen vorhandenen Kenntnisse des Sachverständigen und der ermittelten Erkenntnisse erfasst, separat abzurechnen. Dies gilt erst recht, wenn die angefallenen Kosten, im Rahmen einer Pauschale oder für einzelne Leistungen, wie hier für die Fotosätze und die Fahrtkosten, pauschale Sätze berechnet worden sind, weil es bei diesen im Unterschied zu den konkret berechneten Kosten naturgemäß gerade nicht darauf ankommen kann, ob die dort berechneten Kosten im Einzelfall auch der konkreten Höhe nach tatsächlich angefalien sind. Deshalb muss sich der Kläger auch nicht zu irgendwelchen einzelnen Kosten erklären. Es ist gerade das Wesen der Pauschale bzw, der pauschal berechneten Einzelsätze, dass sie eine konkrete Darlegung der im Einzelfall tatsächlich entstandenen Kosten entbehrlich machen soll, was hier auch berechtigt ist.

Der Zinsanspruch ist gerechtfertigt gem. §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 2, Nr. 1, 288 BGB. Der Beklagte befand sich spätestens seit dem 03.05.2016 im Verzug im Sinne des § 286 BGB. Mit Schreiben vom 22.04.2015 forderte der Kläger den Beklagten zur Begleichung der Rechnung bis spätestens 02.05.2015 auf.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,20 € aus §§ 280 Abs. 2, 286 BGB zzgl. Verzugszinsen seit dem 09.06.2016 gegen den Beklagten. Mit Schreiben vom 22.04.2015 (Anlage K3, Bl. 7 d.A.) wurde der Beklagte zur Begleichung des noch ausstehenden Rechnungsbetrages aufgefordert. Eine Zahlung erfolgte hingegen nicht. Der Beklagte befand sich daher bereits seit dem 03.05.2015 im Verzug gem. § 286 BGB. Der Betrag über die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten wurde dem Beklagten mit Schreiben vom 01.06.2016 (Anlage K5, Bl. 39 d.A.) mit Zahlungsfrist bis zum 15.06.2016 in Rechnung gestellt. Der Kläger war aufgrund des Verzugs gehalten die aus seiner Sicht angemessene Forderung zunächst außergerichtlich durch Beauftragung eines Rechtsanwalts mit Nachdruck geltend zu machen. Mit der endgültigen Leistungsverweigerung mit Schreiben vom 07.06.2015 mit Zugang am 09.06.2015 sind nach §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 2, Nr. 3, 288 BGB auch die Zinsen zu erstatten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Im Hinblick auf die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärten Rechtsfragen und ihre Konkretisierung in der Rechtsprechung ist eine Zulassung der Berufung nicht veranlasst. Wie bereits dargestellt, ergibt sich auch unter Berücksichtigung des BGH-Urteils vom 26.04.2016 keine abweichende Beurteilung.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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7 Antworten zu AG Seligenstadt beurteilt die Sachverständigenkosten nach § 249 I BGB und verurteilt die LVM Versicherung zur Zahlung restlicher, abgetretener Sachverständigenkosten mit Urteil vom 5.4.2017 – 1 C 504/16 (2) -.

  1. HR sagt:

    Ein guter Baustein aus den Entscheidungsgründen:

    „Der Beklagte kann auch nicht mit Erfolg einwenden, dass die geltend gemachten Fotokosten, Fahrtkosten, Kopier- und Schreibkosten sowie Nebenkosten, Auslagen und Kosten für die Datenbank überhöht waren oder das Anfallen bestreiten. Denn diese Einwände beziehen sich wiederum nur auf die einzelnen Nebenkostenpositionen und lassen außer Betracht, dass es a l l e i n auf eine offensichtliche Überhöhung der Gesamtkosten und deren Erkennbarkeit durch den Geschädigten ankommt.“

    HR

  2. Wilm Bartmann sagt:

    Ganz so mustergültig finde ich das Urteil nicht. Zwar hat das Gericht zu Recht § 249 Abs. 1 BGB bei den Sachverständigenkosten angenommen, wie BGH in VI ZR 67/06, dann aber weiter über § 249 Abs. 2 BGB entschieden. In § 249 Abs. 1 BGB ist von dem erforderlichen Geldbetrag nicht die Rede. Wird der vor dem Unfall bestehende Zustand wiederhergestellt, so gilt § 249 Abs. 1 BGB. Nichts anderes macht der Geschädigte, denn zur Wiederherstellung des vor dem Unfall bestehenden Zustandes ist die Begutachtung erforderlich. Daher gehören die SV-kosten zu dem mit dem Unfallschaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteil. So bereits BGH VI ZR 67/06.

  3. G.v.H. sagt:

    @ Wilm Bartmann

    „Zwar hat das Gericht zu Recht § 249 Abs. 1 BGB bei den Sachverständigenkosten angenommen, wie BGH in VI ZR 67/06, dann aber weiter über § 249 Abs. 2 BGB entschieden. In § 249 Abs. 1 BGB ist von dem „erforderlichen Geldbetrag“ nicht die Rede.“

    G e n a u !!!! Deshalb ist der Verweis auf § 249 S.1 BGB für die das Honorar kürzenden Versicherungen und für den VI. Zivilsenat des BGH ein ungeliebtes Kind, denn er passt einfach nicht zu den hier wie da verfolgten Zielsetzungen. Die Bezugnahme auf § 249 Abs. 2 BGB ist einer fiktiver Abrechnung zuzuordnen, während es hier tatsächlich um Naturalrestitution geht, da eine Rechnung vorliegt, womit es ex post nichts zu schätzen gibt, wie vom BGH zutreffend auch verdeutlicht. Die Anwendungsmöglichkeit des § 287 ZPO bezieht sich auf andere Ausgangssituationen und macht insoweit den besonders freigestellten Tatrichter entbehrlich.

    Auch das AG Bitterfeld-Wolfen hat insoweit mit Urteil vom 24.02.2017 die Unerheblichkeit der versicherungsseitig vorgetragenen Einwendungen wie folgt verdeutlicht:

    „Soweit die Beklagte hiergegen dezidiert Einwendungen erhoben hat, hat das Gericht über die Begründetheit dieser keine Entscheidung zu treffen. Denn der Beklagten als Haftpflichtversicherung der Schädigerin ist es verwehrt, sich gegenüber dem Geschädigten und damit vorliegend auch gegenüber dem Kläger, welcher den abgetretenen Anspruch des Geschädigten gegenüber der Beklagten geltend macht, auf eine vermeintliche Überhöhung der Sachverständigenkosten zu berufen.

    Dieser Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Naumburg (z.B.: Urteil vom 20.01.2006, Geschäftsnummer: 4 U 49/05) folgt das erkennende Gericht in ständiger Rechtsprechung (z.B. Urteil gegen die hiesige Beklagte vom 12.05.2016, Geschäftsnummer: 7 C 103/16).“

    Und weiter:

    „Daher ist der Streit, ob die Gutachterkosten angemessen oder überhöht sind, nicht „auf dem Rücken“ des Geschädigten auszutragen.“

    Insoweit wurde gleich eingangs mustergültig vom Gericht in schadenersatzrechtlich beurteilungsrelevanter Sichtweite geprüft, ob die vorgetragenen Einwendungen gegen die Abrechnung des Sachverständigen überhaupt als „erheblich“ anzusehen sind.-
    (Amtsgericht Bitterfeld-Wolfen nit Urteil vom 24.02.2017 zum Geschäftszeichen: 7 C 813/16)

    Danke für deine insoweit wichtige Anmerkung.
    G.v.H.

  4. Onkel Paul sagt:

    @ G.v.H.
    @ Wilm Bartmann

    Sowohl der Verweis auf VI ZR 67/06 mit dem Hinweis, dass die Sachverständigenkosten über § 249 Abs. 1 BGB zu lösen sind, als auch der Verweis auf OLG Naumburg 4 U 49/05 und AG Bitterfeld-Wolfen 7 C 813/16 sind zutreffend und entscheidend. Habe selten so qualifizierte Kommentare gelesen. Prima!

  5. Iven Hanske sagt:

    #G.v.H.
    Dein zitiertes Urteil ist von mir, leider tickt der Direktor des AG Bitterfeld völlig anders auf Mischung von BVSK und JVEG und ignoriert überheblich, so das in zwei Fällen nach Befangenheitsantrag und Gehörsrüge nun das LG Dessau in der Berufung entscheiden muss.
    So sehr der Abs. 1 des § 249 BGB bemüht wird, die Masse geht vom Abs. 2 aus. Ich erkläre mir nun unsinnig den Abs. 1 wenn der Schädiger repariert oder die Reparatur selbst beauftragt und Abs. 2 wenn mit Geld die vom Geschädigten veranlasste Reparatur bezahlt wird oder wie kann der Unsinn begründet werden?

  6. virus sagt:

    Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
    § 249 Art und Umfang des Schadensersatzes
    (1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
    (2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
    ____________________________________________________________________________________

    (1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

    Hierunter fallen ALLE Positionen die Konkret angefallen sind. Also im Unfallschadensersatzrecht die Rechnung vom Kfz-Gutachter, der Mietwagenfirma, der Reparaturfirma, vom Abschleppdienst, der Zulassungsstelle für Ab- Anmeldung, Arzt- Krankenhausrechnungen usw. Mithin aller Dienstleister, der sich der Geschädigte – § 903 BGB, Satz 1 folgend – bedienen darf, um seinen Anspruch nach § 249 BGB beim Schädiger anmelden und durchsetzen zu können.

    (2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen.

    Verletzung einer Person – Schmerzensgeldansprüche nach ärztlichem Attest, auf Grundlage eines medizinischen Gutachtens sowie Schadensersatz wegen dauerhafter körperlicher Einschränkung auf Grundlage eines Verdienstausfallgutachtens (ist – soweit diese bisher nicht erstellt werden – zwingend nach dem Prinzip einer betriebswirtschaftlichen Analyse spätestens vom Richter/in anzufordern).
    Gutachten ersetzen das fehlende Fachwissen des Richter, um nach 287 ZPO – aufgrund von derzeitigen Annahmen/in die Zukunft gerichtet (fiktiv)- urteilen kann.

    Weiter zu (2) – wegen Beschädigung einer Sache – hierunter fällt im Rahmen der Dispositionsfreiheit die fiktive Abrechnung des Fahrzeugschadens auf Grundlage des Kfz-Gutachtens des vom Geschädigten zu bestimmenden Kfz-Sachverständigen (Kfz-Gutachten ersetzt auch hier das fehlende Fachwissen des Richters, bzw., damit es keines Prozesses bedarf, des Schädigers) Das Recht der Dispositionsfreiheit garantiert § 903 BGB Satz 1.

    § 903 BGB
    Befugnisse des Eigentümers

    1 Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen.
    ————————————————————————————–

    § 249 BGB
    (2) Satz 2: „Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.“

    Diese Bestimmung verkürzt den Schadensersatzanspruch bei fiktiver Abrechnung. Dies steht klar im Widerspruch zu § 249 Abs. 1 und gehört somit umgehend/rückwirkend gestrichen.

  7. Juri sagt:

    @virus: …Diese Bestimmung verkürzt den Schadensersatzanspruch bei fiktiver Abrechnung. Dies steht klar im Widerspruch zu § 249 Abs. 1 und gehört somit umgehend/rückwirkend gestrichen.

    Vorschlag: Schickt doch dem Altkanzler Schröder die Rechnung.
    Der hat das nämlich den armen Versicherern, die auch damals schon sooo hilfsbedürftig waren, als ÖPP – Projekt zum Wahltag ( oder für was sonst? ) geschenkt. Schon vergessen dass es die SPD war, die das verzapfte? Wieviel Kickback floss in die Taschen der damaligen Entscheider?

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