AG Bergheim zu den Verbringungskosten bei fiktiver Schadensabrechnung (Urteil vom 9.5.2011 -27 C 245/10-).

Hallo geneigte Leser, nachfolgend stelle ich ein Urteil des AG Bergheim an der Erft hier ein. Die Begründung hinsichtlich der Verbringungskosten ist nach diesseitiger Ansicht völlig daneben.  Auch die Begründung zum „Verzicht“ auf die markengebundene Fachwerkstatt ist meiner Meinung nach unzutreffend beurteilt. Was meint ihr ?

 27 C 245/10

Amtsgericht Bergheim

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

des Herrn                                         Klägers,

gegen

Herrn                                              Beklagten,

hat das Amtsgericht Bergheim
im schriftlichen Verfahren am 09.05.2011
durch die Richterin am Amtsgericht …

für Recht erkannt:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 401,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.07.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Tatbestand entfallt gem. § 313 a ZPO.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist überwiegend begründet, im Übrigen unbegründet.

Der Beklagte schuldet dem Kläger im zuerkannten Umfang weiteren Schadensersatz aus dem Schadensereignis vom 31.03.2010.

Die Haftung des Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig.

Zur Höhe hat sich der Sachverständige … in seinem Gutachten eingehend mit den von den Parteien jeweils vorgelegten Schadenskalkulationen auseinandergesetzt. Er beziffert die erforderlichen Nettoreparaturkosten mit nachvollziehbarer und in sich stimmiger Begründung auf 918,37 €.

Zu der in Rechtsprechung und Literatur und auch zwischen den Parteien nach wie vor streitigen Frage, ob darüber hinaus Verbringungskosten zur Lackiererei im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung erstattungsfahig sind, neigt das Gericht der Auffassung zu, diese Kosten im Rahmen einer fiktiven Abrechnung grundsätzlich nicht als erstattungsfähig anzusehen, weil es sich um sogenannte Eventualkosten handelt, die selbst bei konkreter Durchführung einer Reparatur nicht zwingend anfallen, nämlich dann nicht, wenn die Werkstatt über eine eigene Lackiererei verfügt, oder aber eine kostenlose Überführung anbietet.

Aber auch nach der Gegenauffassung setzt die Erstattung fiktiver Verbringungskosten voraus, dass diese im Fall der Durchführung der Reparatur unausweichlich sind, d.h. es muss der Nachweis geführt werden, dass diese regional üblich sind. Hierzu hat der Kläger Beweis dahingehend angeboten, dass Verbringungskosten bei der Reparatur in einer Citroen-Vertragswerkstatt regelmäßig anfallen. Allerdings hat er zum Nachweis seines Schadens den Reparaturkostenvoranschlag der Firma … vorgelegl, bei der es sich nicht um eine Citroen-Vertragswerkstatt handelt. Danach besteht zur Überzeugung des Gerichts auch kein billigenswerter Grund, den Geschädigten nicht auf eine andere Fachwerkstatt zu verweisen, denn der Beklagte hat durch die Vorlage des Kostenvoranschlages zum Ausdruck gebracht, dass er im konkreten Fall auf die Reparatur in einer Markenwerkstatt keinen Wert legt.

Zuzüglich der vom Sachverständigen nachvollziehbar begründeten Wertminderung des Fahrzeugs in Höhe von 200,00 € und der vom Gericht für angemessen erachteten Kostenpauschale in Höhe von 25,00 € errechnet sich daher ein ersatzfähiger Schadensbetrag auf Seitens des Klägers in Höhe von 1.143,37 €. Abzüglich der geleisteten Zahlung in Höhe von 741,64 € verbleibt noch ein Anspruch in Höhe von 401,73 €.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO,

die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Streitwert: 595,13 €

Was ist nun Eure Meinung?

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2 Antworten zu AG Bergheim zu den Verbringungskosten bei fiktiver Schadensabrechnung (Urteil vom 9.5.2011 -27 C 245/10-).

  1. RA Schepers sagt:

    Ich darf zur Vorgeschichte des Urteils noch ergänzen:

    Der Geschädigte parkt seinen Wagen. Der Gegner parkt daneben, öffnet seine Türe, und stößt damit an die hintere rechte Türe des Geschädigten. Der Geschädigte läßt einen Kostenvoranschlag (KVA) durch eine nicht markengebunde Werkstatt erstellen. Die Werkstatt kalkuliert unter anderem Verbringungskosten und Beilackieren des rechten hinteren Kotflügels, Kosten insgesamt 1.106,77 € netto. Der Geschädigte reicht diesen KVA bei der Versicherung ein.

    Die Versicherung läßt den KVA durch den hauseigenen Sachverständigen prüfen. Der Versicherungs-SV führt aus:

    „Ob eine Beilackierung der angrenzenden Teile zur Farbtonangleichung erforderlich wird, kann nur vom ausführenden Lackierfachmann anhand eines von ihm gespritzten Farbmusterbleches entschieden werden.“ Dementsprechend kürzt er das Beilackieren aus dem KVA raus (nebst Ausbau der Scheibe), ebenso die Verbringungskosten.

    Unter Hinweis auf dieses Gutachten zahlt die Versicherung lediglich 716,64 € an Netto-Reparaturkosten.

    Danach mandatiert der Geschädigte uns. In dem Gutachten führt der Versicherungssachverständige auf Blatt 3 aus. „Aufgrund des vorliegenden Einfachschadens ist eine Wertminderung nicht eingetreten“. Allerdings hat er auf Blatt 9 seines Gutachtens die Wertminderung berechnet: Ruhkopf Sahm 253,- €, Kasseler 142,- €, Durchschnitt (gerundet) 200,- €.

    Ich habe dann die restlichen Reparaturkosten gemäß KVA sowie eine Wertminderung angefordert, die (natürlich) nicht gezahlt wurde. Anschließend habe ich Klage eingereicht. Das Gericht weist darauf hin, daß die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich ist, dessen Kosten zum Streitwert nicht im Verhältnis stehen. Es regt einen Vergleich an: Zahlung weiterer 250,- €.

    Der Geschädigte ist mit diesem Vorschlag einverstanden. Reaktion des Versicherungsanwaltes: „Es ist schon richtig, dass die zu erwartenden Kosten für das Gutachten höher liegen werden, als der Streitwert des Verfahrens. Im Mengengeschäft Kraftfahrthaftpflicht lässt sich ein solches Missverhältnis häufig nicht vermeiden. Die Regulierungsentscheidung beruht jedoch auf der Kalkulation des Sachverständigen P. Es ist also nicht ins Blaue hinein reguliert worden, so dass das bestehende Restrisiko eingegangen wird.“

    Das Gericht beauftragt daraufhin einen Sachverständigen, der die Wertminderung und auch das Beilackieren bestätigt.

    Ergebnis:

    Die Versicherung muß weitere 201,73 € Reparaturkosten sowie weitere 200,- € Wertminderung bezahlen. Der Fahrzeugschaden ist im Ergebnis so hoch wie im KVA, die gekürzten Verbringungskosten sind jetzt über die Wertminderung wieder drin. Außerdem 2 Anwälte, Gerichtskosten und (gerichtliche) Sachverständigenkosten.

    Und ein Geschädigter mehr, der bei dem nächsten Verkehrsunfall SOFORT zum Anwalt geht, anstatt zu versuchen, den Schaden selber zu regulieren.

  2. Willi Wacker sagt:

    Hallo Herr Kollege Schepers,
    um welchen Versicherer handelt es sich, der so unwirtschaftlich arbeitet. Es sind ja nur Versichertengelder, die vergeudet werden. Liege ich mit HUK-Coburg richtig?
    Mit freundl. koll. Grüßen

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