AG Bonn verurteilt den bei der HUK-COBURG Versicherten persönlich zur Zahlung der Schadensersatzbeträge, die die HUK-COBURG vorgerichtlich gekürzt hatte, mit kritisch zu betrachtender Begründung im Urteil vom 25.7.2016 – 101 C 167/16 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,

erst heute am Rosenmontag komme ich wieder dazu, hier im Blog Urteile einzustellen. Aus gesundheitlichen Gründen war ich wieder einmal daran gehindert, die verehrte Leserschaft mit interessanten Urteilen zu versorgen. Nachfolgend stellen wir Euch hier zur Narrenzeit im Rheinland ein „Angemessenheitsurteil“ aus Bonn zu den Sachverständigenkosten gegen den bei der HUK-COBURG Versicherten direkt vor.   Inhaltlich ist das Urteil kritisch zu betrachten,  obwohl das erkennende Gericht zuerst noch völlig korrekt das BGH-Urteil VI ZR 225/13 zitiert hat. Obwohl der BGH in diesem Urteil VI ZR 225/13 in Randziffer 10 entschieden hat, dass der Geschädigte die Ergebnisse der Umfrage der BVSK-Mitglieder über die Höhe der üblichen Sachverständigen-Honorare nicht bekannt sein müssen, prüft dann das Gericht doch die einzelnen Positionen der Sachverständigenrechnung. Damit wird eine werkvertragliche Einzelpostenprüfung vorgenommen, die im Schadensersatzrecht nichts zu suchen hat, denn es geht nicht um Werklohnforderungen, sondern um Schadensersatz. Der BGH hatte im Übrigen bereits entschieden, dass weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt sind, eine Preiskontrolle durchzuführen, wenn der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen gewahrt hat (vgl. BGH VI ZR 211/03 und BGH VI ZR 67/06). Das gilt auch für die Sachverständigenkosten. Dass im konkreten Fall der Geschädigte, hier der Kläger, sich im Rahmen des Erforderlichen gehalten hat, hat das erkennende Gericht im Rahmen der Prüfung der Erforderlichkeit der Begutachtung bereits bejaht. Hat der Geschädigte sich aus seiner Sicht, die hier auch objektiv durch das Gericht bestätigt wird, im Rahmen des zur Wiederherstellung des beschädigten Gegenstandes gehalten, so ist eine Überprüfung der konkret vorgelegten Rechnung auch dem Gericht untersagt (vgl. BGH VI ZR 67/06). Weiterhin widerspricht die vom Gericht vorgenommene Einzelpostenüberprüfung dem Sinn und Zweck der Schadenshöhenschätzung nach § 287 ZPO. Entscheidend ist nur der Endbetrag. Das gilt gerade bei Sachverständigenkosten, die sich aus dem Grundhonorar und den Nebenkosten zusammensetzen. Der eine Sachverständige berechnet ein höheres Grundhonorar dafür aber geringere Nebenkosten. Der nächste Sachverständige berechnet genau umgekehrt – und trotzdem gelangen beide zum gleichen Endbetrag. Mit welcher Begründung soll dann dem einen oder dem anderen Rechnungsposten gekürzt werden, wenn bei beiden die Rechnungshöhe als auszugleichende Schadenshöhe gleich ist? Das will § 287 ZPO gerade vermeiden, indem er auf die Schadenshöhe abstellt. Insgesamt ist lediglich der Anfang der Urteilsgründe mit dem Hinweis auf BGH VI ZR 225/13 zutreffend. Die weitere Begründung ist kritisch zu betrachten. Man könnte heute am Rosenmontag meinen, das Urteil sei zur Karnevalszeit abgefasst. Aber dem ist nicht so. Das Gericht ist augenscheinlich der – irrigen – Argumentation des HUK-COBURG-Anwaltes gefolgt. Lest selbst das Urteil aus Bonn am Rhein und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Viele Grüße und noch einen schönen Rosenmontag für diejenigen, die Karneval oder Fasching mögen.
Willi Wacker

101 C 167/16                                                                                      Verkündet am 25.07.2016

Amtsgericht Bonn

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

des Herrn J. J. aus B.

Klägers,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte I. & P. aus  A.,

gegen

Herrn l. l. aus B. ( bei der HUK-COBURG Versicherter)

Beklagten,

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M. W. S. aus K.

hat das Amtsgericht Bonn
im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 20.07.2016
durch den Richter H.

für Recht erkannt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 593,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. auf einen Teilbetrag von 588,41 € seit dem 17.07.2015 und auf einen Teilbetrag von 5,10 € seit dem 24.04.2016 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2.  Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

3.  Das Urteil wird für vorläufig vollstreckbar erklärt.

4.  Der Streitwert wird auf bis 1.000 € festgesetzt.

Tatbestand:

[Das Urteil ergeht ohne Tatbestand gemäß § 313a Abs. 1 ZPO].

Entscheidungsgrunde:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erstattung von Sachverständigenkosten aus Anlass des Verkehrsunfalls vom 10.06.2015 auf der A565 in Bonn in Höhe des zuerkannten Betrags.

Die Haftung des Beklagten zu 100 % dem Grunde nach ist unstreitig. Im Rahmen dieser Haftung hat der Beklagte dem Kläger auch den überwiegenden Teil der Kosten für das eingeholte Schadensgutachten und die Auskunftskosten zu ersetzen.

Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, kann der Geschädigte von dem Schädiger den für die Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen (§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB). „Erforderlich“ im Sinne dieser Vorschrift sind diejenigen Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde (BGH, Urteil vom 11.02.2014, Az: VI ZR 225/13, zitiert nach juris, Rn. 7 m.w.N.). Im Falle eines Verkehrsunfalles bedeutet dies, dass der Geschädigte grundsätzlich berechtigt ist, zur Schadensermittlung den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 7).

Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger zunächst eine Reparatur des Fahrzeugs in einer der Referenz-Werkstätten der HUK-Coburg avisiert hatte und zu diesem Zweck bereits ein Kostenvoranschlag eingeholt worden war. Die Einholung des Schadensgutachtens ist gleichwohl notwendig im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB gewesen und stellt keinen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht dar (vgl. § 254 Abs. 1 S. 1 BGB). Es steht einem Geschädigten grundsätzlich frei, zwischen der Reparatur seines Fahrzeugs und der Abrechnung des Schadens auf Gutachtenbasis zu wählen. Diese Entscheidung kann er aber erst treffen, wenn er Kenntnis von dem Schadensumfang hat. Zur Erlangung dieser Kenntnis darf er sich regelmäßig der Dienste eines Sachverständigen bedienen, und zwar aus Gründen der Waffengleichheit sogar dann, wenn der Unfallgegner seinerseits bereits ein Gutachten eingeholt hat (Grüneberg, in: Palandt, BGB, 75. Auflage 2016, § 249 Rn. 58 m.w.N.). Erst Recht muss dies also im Falle eines Kostenvoranschlags gelten.

Was die Höhe der Kosten angeht, sind diese zum überwiegenden Teil von dem Beklagten zu erstatten.

Das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot gebietet es nur dann, einen günstigeren Sachverständigen zu beauftragen, wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen (BGH, a.a.O, Rn. 9). Dies darzulegen und ggf. zu beweisen, obliegt dem Schädiger (BGH, a.a.O., Rn. 11). Dabei ist zu beachten, dass allein die Überschreitung der aus der BVSK-Befragung ermittelten Höchstsätze die Annahme eines Verstoßes nicht rechtfertigt (BGH, a.a.O., Rn. 11).

Das Gericht geht daher in Anwendung von § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO davon aus, dass sich ein durchschnittlicher Geschädigter ohne das Hinzutreten besonderer Umstände eine Kürzung des von ihm gezahlten Sachverständigenhonorars nur dann entgegenhalten lassen muss, wenn und soweit die abgerechneten Positionen die Maximalwerte der BVSK-Befragung um mehr als die Hälfte übersteigen.

Das ist hier (nur) in Bezug auf die EDV-Abrufgebühr von 20 €, die Fahrtkosten in Höhe von 0,40 €, die Kosten für die Lichtbilder der beiden zweiten Fotosätze in Höhe von 19,50 €, die Schreibgebühren für das Original in Höhe von 1,30 € und für die beiden Kopien von 14,30 € der Fall, das heißt in Höhe von insgesamt 55,50 €.

Aus der hier maßgeblichen BVSK-Befragung 2015 ergibt sich für eine Schadenshöhe von bis 2.000 € ein Grundhonorar von maximal 397 €, Fahrtkosten von 0,70 € pro Kilometer, Fotokosten von 2 € pro Lichtbild für den ersten Fotosatz und 0,50 € pro Lichtbild für den zweiten Fotosatz, eine Porto- und Telefonpauschale von 15 € sowie Schreibkosten von 1,80 € pro Seite und 0,50 € pro Kopie. EDV-Abrufgebühren sieht die Befragung nicht vor; es ist auch für einen durchschnittlichen Geschädigten erkennbar, dass der Einsatz der zur Verfügung stehenden EDV zum Kernbereich der gutachterlichen Tätigkeit gehört und nicht gesondert in Rechnung gestellt werden kann. Im Übrigen hat der Beklagte bestritten, dass diese Kosten tatsächlich entstanden sind, womit sich der Kläger nicht weiter auseinandergesetzt hat.

Die Zinsforderung folgt aus Verzug (§§ 286 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB).

Schließlich sind auch die Auskunftskosten von 5,10 € als Kosten zweckentsprechender Rechtsverfolgung erstattungsfähig, und zwar nebst Rechtshängigkeitszinsen (§§ 291, 288 Abs. 1 BGB). Unklar ist hingegen, warum zu diesem Betrag noch Mehrwertsteuer hinzukommen soll, weshalb die Klage insoweit abzuweisen gewesen ist.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO. Die festgesetzte Streitwertschwelle entspricht dem betragsmäßigen Wert der Hauptforderung.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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  1. RA Schepers sagt:

    Das Urteil hat doch ein schönes Highlight. Der Geschädigte ist gerade noch mal der Schadensteuerung der Versicherung entronnen.

    Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger zunächst eine Reparatur des Fahrzeugs in einer der Referenz-Werkstätten der HUK-Coburg avisiert hatte und zu diesem Zweck bereits ein Kostenvoranschlag eingeholt worden war.

    Der Geschädigte hatte zunächst seine Bereitschaft erklärt, das Fahrzeug in einer Referenz-Werkstatt reparieren zu lassen, es sich dann aber anders überlegt. Er hat sich nach der Einholung eines Kostenvoranschlages (bei der Referenzwerkstatt?) entschieden, statt der Wiederherstellung durch den Schädiger den erforderlichen Geldbetrag geltend zu machen. Noch mal davon gekommen. Und reparieren lassen kann er immer noch.

    Bemerkenswert finde ich auch, was das Gericht beim Sachverständigenhonorar als erforderlich erachtet.

    Das Gericht geht daher in Anwendung von § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO davon aus, dass sich ein durchschnittlicher Geschädigter ohne das Hinzutreten besonderer Umstände eine Kürzung des von ihm gezahlten Sachverständigenhonorars nur dann entgegenhalten lassen muss, wenn und soweit die abgerechneten Positionen die Maximalwerte der BVSK-Befragung um mehr als die Hälfte übersteigen.

    Das Gericht akzeptiert BVSK + 50 %.

    Allerdings meine ich, daß hier der Gesamtbetrag der Rechnung maßgeblich ist. Wenn auf BVSK ( + 50%) abgestellt wird, dann sollte das nach BVSK abrechenbare Honorar (+ 50 %) mit dem verglichen werden, was der Sachverständige berechnet hat. Erst wenn dieses höher liegt, wäre der Schadenersatzanspruch entsprechend zu kürzen.

    Zwar muß der Geschädigte die BVSK-Umfrage nicht kennen und sich auch nicht auf die Suche nach einem besonders günstigen Sachverständigen begeben (keine Erkundigungspflicht). Andererseits halte ich es für nachvollziehbar, die Schadenposition Erstattung des Sachverständigenhonorars nicht (praktisch) jeglicher Kontrolle zu entziehen.

    Nach der BGH-Rechtsprechnung wäre der volle Rechnungsbetrag zuzusprechen gewesen, wenn die Rechnung vom Geschädigten bereits beglichen worden wäre (Indizwirkung der bezahlten Rechnung). Möglicherweise wäre die Indizwirkung auch der noch nicht beglichenen Rechnung zuzusprechen, wenn und soweit der Geschädigte (nachweislich) nicht in der Lage ist, die Rechnung aus eigenen Mitteln zu begleichen.

    Soweit der Sachverständige die Auskunft eingeholt und die Auskunftkosten dem Geschädigten berechnet hat, ist hierauf auch die Umsatzsteuer zu berechnen (§ 1 I UStG i.V.m. § 10 I UStG).

  2. H.J.S. sagt:

    „Andererseits halte ich es für nachvollziehbar, die Schadenposition Erstattung des Sachverständigenhonorars nicht (praktisch) jeglicher Kontrolle zu entziehen.“

    Eine Kontrolle, wenn Sie ausschließlich im zubilligenden (An-)Ermessen der Versicherungswirtschaft liegt? Oder zukünftig doch vielleicht eine durch Gebühren- oder Honorarordnung geregelte Kontrolle?
    Niemals! Denn das will doch die Versicherungswirtschaft überhaupt nicht!
    Oder seit wann mag der Teufel „Weihwasser“?

    Aber der Reihe nach.
    Zur Verdeutlichung:
    Werden zum Beispiel etwa in Strafverfahren die zivilrechtlichen Ansprüche eben mal gleich mit geregelt?
    NEIN!
    Warum werden dann:
    im Schadensersatzprozess Geschädigter ./. Schädiger etwaige Ansprüche aus einem völlig anderem Rechtsverhältnis UND Rechtsgebiet! nämlich aus Werkvertrag zwischen Auftraggeber ./. Auftragnehmer gleich mit behandelt, etwaige Strafen aber nicht?
    Das verstehe wer mag.
    Sonst ist doch Justitia so scharf darauf, alles fein säuberlich zu trennen!
    (Oder verhandeln etwa Familiengerichte bei Ehestreitigkeiten im Zuge des Sorgerechts gleich über die Gütertrennung und etwaige Strafen wegen häuslicher Gewalt gleich alles mit?????)
    Und nur weil das hier in viel zitierten diversen Urteilen so gemacht wird, ist es auch deshalb richtig?
    Nein, es ist der bequemste aber leider auch komplett falsche Weg, wie der geneigte Captain HUK-Leser weiß.
    Das geschieht, weil die Versicherungswirtschaft sich nicht in der Lage sieht, oder nicht Willens ist, richtige Wege für eine wirksame (Preis-)Kontrolle zu finden!
    Aber so lange Anwälte der Kläger das nicht messerscharf heraus arbeiten,
    …….wird es „ERGO“ weiter diesen Schrott geben.
    BG

  3. virus sagt:

    @ Willi Wacker:

    „Damit wird eine werkvertragliche Einzelpostenprüfung vorgenommen, die im Schadensersatzrecht nichts zu suchen hat, denn es geht nicht um Werklohnforderungen, sondern um Schadensersatz.“

    NEIN! Damit wird auch keine werkvertragliche Einzelpostenprüfung vorgenommen.

    Weder Richter noch Versicherer sind Werkvertragspartner des Sachverständigen. Das ist der lapidare Grund, warum weder Richter noch Versicherer das Recht der Überprüfung der Honorarrechnung haben.

    Werden im Schadensersatzprozess durch Richter Einzelpositionen überprüft, kann daher mitnichten auf Werkvertrag abgestellt werden. Denn der Auftraggeber, der Geschädigte, hat als Werksvertragspartner gegenüber dem Auftragnehmer gerade keine Mängel, auch keine hinsichtlich der Rechnungslegung, angemeldet.

    An den Gerichten werden daher doch zunehmend Scheingefechte geführt, bei denen die Anspruchsinhaber der Schadensersatzforderungen – in kriminellster Weise – verdummt, hintergangen und abkassiert werden.

    Wann hauen also endlich die Rechtsanwälte mit der Faust auf den Richtertisch angesichts dieses Skandals.

  4. RA Schepers sagt:

    @ H.J.S.

    Warum werden dann:
    im Schadensersatzprozess Geschädigter ./. Schädiger etwaige Ansprüche aus einem völlig anderem Rechtsverhältnis UND Rechtsgebiet! nämlich aus Werkvertrag zwischen Auftraggeber ./. Auftragnehmer gleich mit behandelt, etwaige Strafen aber nicht?

    Das Gericht überprüft, ob der Geschädigte die Kosten für den Sachverständigen ersetzt erhält. Das ist Schadenrecht. Wenn jemand die Begrenzung des Schadenersatzanspruchs im Verhältnis Schädiger – Geschädigter als Kürzung des Werklohnanspruchs im Verhältnis Sachverständiger – Auftraggeber auffasst, liegt das daran daß dieser jemand die Trennung von Schadenersatzrecht udn Werkvertragsrecht nicht einhält.

    Mir ist auf Anhieb kein Schadenersatzurteil bekannt, in dem das Gericht entschieden hat, dem Sachverständige stünde der Werklohnanspruch nicht zu. Wenn es Fälle gibt, in denen der Sachverständige mehr berechnet, als ihm nach Werkvertrag zusteht, dann kann das natürlich ein Argument sein, dies bei der Bemessung des Schadenersatzanspruches zu berücksichtigen. Allerdings wäre eine solche Entscheidung dem Sachverständigen gegenüber nicht bindend, solange er nicht an dem Verfahren Geschädigter – Schädiger teilnimmt bzw. teilnehmen kann (Abtretung der Schadenersatzansprüche oder Streitverkündung).

    Eine Kontrolle, wenn Sie ausschließlich im zubilligenden (An-)Ermessen der Versicherungswirtschaft liegt?

    Nein, eine gerichtliche Kontrolle.

  5. Willi Wacker sagt:

    @ Virus

    Da irrst du! Selbstverständlich können Gerichte werkvertragliche Rechnungen überprüfen, wenn es im Werkvertragsverhältnis zwischen den Parteien zu Streit über den Werklohn gemäß der §§ 631, 632 BGB kommt. Wer sollte denn sonst Werklohnstreitigkeiten entscheiden?

    Wenn es um Schadensersatz geht und dabei Werklohnrechnungen im Rahmen der Schadenshöhenbestimmung im Streite stehen, dann kommt es grundsätzlich auf Schadensersatzrecht an. Wahrt dabei der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen, ist weder der Schädiger noch der Richter berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen.

    Bei dem Sachverständigenvertrag, dessen Vertragsparteien der Geschädigte und der Sachverständige sind, gilt aber Folgendes: Der Versicherer ist in den werkvertrag insoweit miteinbezogen als der Werkvertrag eine Drittwirkung zugunsten des Versicherers ausübt.

    Im Übrigen ist der Schädiger in den Werkvertrag miteinbezogen, da der vom Geschädigten hinzugezogene Sachverständige der Erfüllungsgehilfe des Schädigers ist (vgl. OLG Naumburg DS 2006, 283 ff.).

  6. H.J.S. sagt:

    „Die (Reparatur-) Rechnung ist ausreichendes Indiz für den erforderlichen Restitutionsbedarf!“
    Lt. BGH
    Wenn also sittenwidriges Verhalten oder gar Wucher nach Meinung der Erfüllungsgehilfen des Schädigers reklamiert werden soll, so ist das separat anzuzeigen, zu begründen und zu verhandeln und hat in Schadensersatzprozessen nichts zu suchen, solange der Geschädigte sich kein Auswahlverschulden vorwerfen lassen muss!
    Und selbst wenn die Erfüllungsgehilfen (un-)mittelbar mit einbezogen sind, sind Sie damit noch lange nicht automatisch auch aktiv legitimiert. Die Versicherung hat keinen Anspruch auf besonderen Schutz.
    Anders sieht das aus, wenn der Schädiger nur eine Privatperson ist und nur diese auf Schadensersatz verklagt wird.

  7. virus sagt:

    @ Willi Wacker

    Ich irre nicht, da ich nicht behauptet habe, dass Gerichte keine werkvertraglichen Rechnungen prüfen können.

    Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass im Schadensersatzprozess die Überprüfung von Einzelpositionen, wie von dir behauptet, gerade keine werkvertragrechtliche Überprüfung darstellt.

    Insoweit der Sachverständige Erfüllungsgehilfe des Schädigers ist, liegt die Hilfe darin, den Schädiger vor überhöhten/unberechtigten Forderungen – mittels Kfz-Schadensgutachten – zu schützen. Der Preis der Hilfe wird per Rechnungslegung durch den Sachverständigen bestimmt. Das sich so im Einzelfall ergebene Sachverständigenhonorar ist dem Schadensersatz zuzuschlagen und ungekürzt zu bezahlen. Dem Sachverständigenhonorar eine Drittwirkung im Schadensersatzprozess zuschreiben zu wollen ist somit rechtsmissbräulich.

    Frage:
    Warum streben die Versicherer (nur nach Abtretung möglich) keine Prozesse an, die werkvertraglich auf Wucher abstellen?

    Antwort:
    1. Weil sie diese Prozesse nicht gewinnen können.
    2. Da gerichtlich festgestellt werden würde, dass die SV-Honorare nicht dem Wucher unterliegen.
    3. Die Versicherer die Anspruchsteller nicht mehr in Schadensersatzprozesse unter Beteiligung rechtsbeugender Richter drängen könnten.
    4. Weil der Kürzungsschwindel auffliegen würde.

  8. Willi Wacker sagt:

    @ Virus

    Das mit der Drittwirkung zugunsten des einstandspflichtigen Versicherers ist nicht auf meinem Mist gewachsen, sondern vom BGH so entschieden. Die Begründung des BGH war im Wesentlichen: Wer die Rechnung bezahlen soll, der soll auch in den Vertrag miteinbezogen sein.
    Das ist ja nicht unbedingt von der Hand zu weisen.

    Der vom Geschädigten beauftragte Sachverständige ist nach überwiegender Ansicht Erfüllungsgehilfe des Schädigers in Bezug auf die Wiederherstellung des vor dem Unfall bestehenden Zustandes (vgl. dazu: bei der Reparaturwerkstatt: BGHZ 63, 182 und bei dem Sachverständigen: OLG Naumburg DS 2006, 283 ff.). Der Sachverständige erfüllt praktisch für den Schädiger den sich aus § 249 BGB ergebenden Wiederherstellungsanspruch, wenn die Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederhwerstellung erforderlich und zweckmäßig ist (BGH DS 2007, 144 ff.).

    Für Fehler des Erfüllungsgehilfen haftet gem. § 278 BGB der Geschäftsherr, beim Schadensersatz nach Verkehrsunfall mithin der Schädiger. Der den Sachverständigen beauftragende Geschädigte haftet nur, wenn ihn ein Auswahlverschulden trifft oder die Fehler im Gutachten auf seine fehlenden oder unrichtigen Angaben beruhen.

    Im Rahmen der Schadenshöhenschätzung hat das Gericht sehr wohl eine Prüfung des Gesamtbetrages vorzunehmen, ob dieser Betrag als der zu ersetzende Schadensbetrag zuerkannt werden kann oder nicht. Dabei hat auch das Gericht eine Plausibilitätsprüfung der Rechnung – ebenso wie der Geschädigte nach Erhalt der Rechnung – vorzunehmen. Das Gericht muss auch prüfen, ob die Seitenzahlen zutreffend berücksichtigt sind, ob die Anzahl der Lichtbilder zutrifft, ob die berechnete Fahrstrecke richtig ist, ob Rechenfehler vorliegen, usw. Das Gericht kann nicht ohne Weiteres die Rechnung des Sachverständigen im Schadensersatzprozess einfach durchwinken. Insoweit wird die Sachverständigenkostenrechnung auch im Schadensersatzprozess durch das Gericht überprüft. Ob man das als Prüfung im werkvertraglichen Sinne ansieht oder im Sinne des Schadensersatzrechtes, ist ein Streit um Kaisers Bart.

    Dass die einstandspflichtigen Versicherer den Regress scheuen, liegt daran, dass sie dann die Darlegungs- und Beweislast tragen. Bestreiten ist eben leichter als aktiv darzulegen.

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