AG Darmstadt verurteilt Generali Versicherung zur Erstattung außergerichtlch gekürzter Sachverständigenkosten (304 C 222/14 vom 24.11.2015)

Mit Entscheidung vom 24.11.2015 (304 C 222/14) wurde die Generali Versicherung AG durch das Amtsgericht Darmstadt zur Erstattung der (rechtswidrig) außergerichtlich gekürzten Sachverständigenkosten in Höhe von 270,15 € zzgl. Zinsen und Verfahrenskosten verurteilt. Geklagt hatte der Geschädigte. Es handelt sich um eine positive Entscheidung auf Grundlage von § 249 BGB, für das sich unsere Urteilsliste recht herzlich bei der Generali Versicherung bedankt.

Amtsgericht Darmstadt
Aktenzeichen: 304 C 222/14

Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit

Kläger

gegen

Generali Versicherung AG gesetzl.vertr.d.d.Vorstand, Adenauerring 7, 81737 München

Beklagte

hat das Amtsgericht Darmstadt durch Richter am Amtsgericht R. im Verfahren nach § 495 a ZPO nach Sachlage am 24.11.2014 für Recht erkannt:

1.   Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 270,15 € mit Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 11.06.2014 zu zahlen.

2.   Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3.   Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4.   Der Streitwert beträgt 270,15 €.

5.   Die Berufung gegen das Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Des Tatbestandes bedarf es nicht, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist (§ 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig.
Das Amtsgericht Darmstadt ist gemäß § 20 StVG örtlich zuständig, da in seinem
Bezirk das schädigende Ereignis stattgefunden hat.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch in Höhe der restlichen Gutachterkosten von 270,15 € aus der an ihn gerichteten Rechnung des Sachverständigen … vom 28.05.2014 gegen die Beklagte als Herstellungsaufwand i. S. d. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gemäß § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 VVG, § 398 BGB zu.

Der Kläger ist aktiv legitimiert.
Gemäß der zwischen dem Kläger und dem Sachverständigenbüro … im Rahmen der Sicherungsabtretung getroffenen Sicherungsabrede erlischt die Zahlungspflicht seitens des Klägers gegenüber dem Sachverständigenbüro … erst nach vollständiger Bezahlung der Rechnung seitens des Fahrers, Halters und Haftpflichtversicherers des unfallgegnerischen Kraftfahrzeugs. Das Sachverständigenbüro … ist auf Grund der Sicherungsabrede berechtigt, nicht aber verpflichtet, die Gutachterkosten gegenüber dem dem Geschädigten zahlungsverpflichteten Dritten geltend zu machen. Gleichzeitig haben der Kläger und das Sachverständigenbüro … aber auch vereinbart, dass der Kläger im Falle nicht vollständiger Bezahlung der Gutachterkosten von dritter Seite sich um die Durchsetzung seiner Schadensersatzansprüche selbst kümmern muss, was vorliegend dann auch geschieht.
Darauf, ob die Rechnung des Sachverständigenbüros aus sachverständigenvertragsrechtlichen Gründen überhöht ist, kommt es vorliegend nicht an. Erstattungsfähig ist was „dem wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemssen erscheint“ (BGH – VI ZR 67/06 – NJW 2007, 1450; BGH Urt. v. 11.02.2014 – VI ZR 225/13 – VersR 2014, 474ff = NJW2014, 1947; BGH Urt. vom 22.07.2014 – VI ZR 357/13 – NJW 2014, 3151.). Dabei ist im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung auf die „spezielle Situation“ des Geschädigten und seine individuellen Einfluss- und Erkenntnismöglichkeiten Rücksicht zu nehmen (BGH a.a.O.). Preisvergleiche sind dem Geschädigten in diesem Bereich regelmäßig nicht zuzumuten (OLG Nürnberg SP 2002, 358; OLG Naumburg NZV 2006, 546 ff). Auch muss er sich im Tarifgefüge der Sachverständigenrechnungen nicht auskennen (vgl. zur Gesamtproblematik mit zahlreichen Rechtsprechungshinweisen instruktiv Müller in Himmelreich/Halm, Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht, 5. Aufl., 2014, Kap. 6 Rn. 225 ff). Überhöhte Rechnungen des Sachverständigen sind dem Geschädigten daher grundsätzlich zu erstatten (BGH a.a.O.), da der Sachverständige nicht etwa Erfüllungsgehilfe des Geschädigten, sondern des Schädigers ist und etwaige Fehler des Sachverständigen demzufolge gemäß §§ 254 Abs. 2 Satz 2, 278 BGB dem Schädiger zuzurechnen sind (OLG Naumburg a.a.O. und OLG Nürnberg a.a.O.).
Ein Mitverschulden des Geschädigten selbst kann in diesem Fall nur dann angenommen werden, wenn diesem die Unangemessenheit der Vergütung bei Auftragserteilung offensichtlich ins Auge springen musste (BVerfG SP 2008, 162(163); OLG Naumburg a.a.O.). Eine solche Erkenntnismöglichkeit kann aber von einem Laien, der regelmäßig zum ersten Mal mit einer Unfallabwicklung konfrontiert ist, nicht verlangt werden (LG Saarbrücken SP 2008, 410; Hillmann/Schneider, Das verkehrsrechtliche Mandat, Band 2: Verkehrszivilrecht, 6. Auflage, 2012, § 8 Rn. 15: „Woher soll er das wissen?“). Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger als Laie auf den ersten Blick sofort hätte erkennen können und müssen, dass die vom Sachverständigen angesetzten Kosten ggf. überhöht sein würden, sind nicht vorhanden. Der Geschädigte hat keine Möglichkeit, im Vorfeld exakt zu erkennen, welches Honorar der Sachverständige berechnen wird, da Festpreis- und Pauschalvereinbarungen in dieser Branche nicht üblich sind, sondern die Sachverständigen bei der Berechnung ihres Honorars regelmäßig an der Höhe des festgestellten Schadens orientieren, diese aber zum Zeitpunkt der Beauftragung aber noch nicht feststeht. Wenn der BGH in der Entscheidung VI ZR 67/06 ausgeführt hat, dass für den Geschädigten ein Risiko verbleiben könne, dass er ohne nähere Erkundigungen einen sich später als zu teuer erweisenden Sachverständigen beauftragt hat, ist das missverständlich, da in dem Bezugsfall BGHZ 163, 362, 367 f = NJW 2005, 3134 zu befinden war, ob sich der Geschädigte den von seinem Sachverständigen ermittelten Restwert anrechnen lassen musste (so zu Recht Sanden/Völtz, Sachschadenrecht des Kraftverkehrs, NJW-Praxis, 9. Aufl., 2011, Rn. 225). Im Schadensersatzprozess sind weder der Geschädigte noch das Gericht berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen (Sanden/Völtz, a.a.O., Rn. 232). Der Sachverständige hat sich vorliegend nicht den Anspruch des Geschädigten auf Erstattung der Vergütung, sondern dessen Schadensersatzanspruch in Höhe der Vergütung, hinsichtlich dessen Höhe der Geschädigte aus den o.g. Gründen geschützt ist, abtreten lassen (so zutreffend SandenA/öltz, a.a.O., Rn. 233). Es kann dahingestellt bleiben, ob der Geschädigte die Sachverständigenkosten ausgeglichen hat oder nicht. Selbst wenn letzteres der Fall gewesen sein sollte, hätte sich der zunächst auf Befreiung der Schuld gerichtete Anspruch gemäß § 250 S. 2 BGB in einen Zahlungsanspruch verwandelt, weil die Beklagte die Leistung ernsthaft und endgültig abgelehnt hat (BGH NJW 2007, 1809 m. w. N.). Eine Benachteiligung der beklagten Versicherung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil sie im Gegenzug einer Erstattung der vom Geschädigten geschuldeten Sachverständigenkosten von diesem die Abtretung eventueller Rückforderungsansprüche gegen den Sachverständigen verlangen kann (OLG Düsseldorf SP 2008, 340).

Der Zinsanspruch steht dem Kläger gegen die Beklagte aus § 288 BGB zu.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Berufung ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache nicht grundsätzliche Bedeutung hat und auch nicht die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert (§ 511 Abs. 4 ZPO).

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1 Antwort zu AG Darmstadt verurteilt Generali Versicherung zur Erstattung außergerichtlch gekürzter Sachverständigenkosten (304 C 222/14 vom 24.11.2015)

  1. G.v.H. sagt:

    Dieses Urteil des AG Darmstadt ist in den überzeugenden Entscheidungsgründen aktueller denn je und man merkt auch, worauf es diesem Richter bei der schadenersatzrechtlich zu betreibenden Klärung entscheidungserheblich ankam. Da sollten sich manche anderen Gerichte ruhig einmal fragen, ob lediglich eine Zubilligung von Schadenersatz mit dem Gesetz zu vereinbaren ist. Hier hat sich der offensichtlich erfahrenen und routinierte Amtsrichter weder auf ein Honorartableau noch auf eine Schätzung stützen müssen, um „Im Namen des Volkes“ ein lesenswertes Urteil abzusetzen, das die Rechtfertigungen und Einwendungen der honorarkürzenden Versicherungen ad absurdum führt. Man sieht hier einmal recht deutlich, dass sich gesunder Menschverstand mit dem Gesetz durchaus in Übereinstimmung bringen läßt.

    G.v.H.

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