AG Düsseldorf verurteilt beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten auf der Basis der Schwacke-Liste (37 C 1471/11 vom 15.06.2011)

Mit Urteil vom 15.06.2011 (37 C 1471/11) hat das Amtsgericht Düsseldorf die beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 1.074,51 € zzgl. Zinsen verurteilt. Wieder wird der Schwacke-Liste eindeutig der Vorzug gegeben, die Fraunhofer Tabelle wird abgelehnt.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Erstattung von Mietwagenkosten aus einem Verkehrsunfall vom xx.xx.2010 geltend. Die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig. Streitig ist die Höher der zu ersetzenden Mietwagenkosten; Das klägerische Unfallfahrzeug war ein PKW, Marke BMW, Modell 316i compact. Der Kläger mietete für einen Zeitraum von 15 Tagen einen Mietwagen an. Hierfür wurden ihm 2.041,84 EUR in Rechnung gestellt. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichte Rechnung Bezug genommen (Bl. 43 GA). Die Beklagte zahlte bisher 721,51 EUR. Mit der Klage begehrt der Kläger die Erstattung der vollständigen Mietwagenrechnung unter Abzug einer Eigenersparnis in Höhe von 10%.

Die Klägerseite ist der Ansicht, dass die von der Autovermietung in Rechnung gestellten Kosten als erforderlicher Herstellungsaufwand von der Beklagten zu ersetzen sind, insoweit beruft sich die Klägerseite auf die die Schwacke-Liste. Insbesondere seien ein Autschlag von 20% auf den Normaltarif sowie eine  Haftungsbefreiung gerechtfertigt und von der Beklagten zu ersetzen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.179,51 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.07.2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass dem Kläger weitergehende Ansprüche nicht zustünden. Die Bemessung der zu ersetzenden Mietwagenkosten richte sich nach der Fraunhofer-Liste.

Bezüglich desweitern Parteivortrages wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verweisen.

Mit Beschluss vom 11.05.2011 ist nach Zustimmung der Parteien im schriftlichen Vorverfahren in das schriftliche Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO übergegangen worden.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung restlicher Mietwagenkosten in tenorierter Höhe aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Satz 1 VVG. Darüber hinaus bestehen Ansprüche nicht, so dass die Klage abzuweisen ist.

1)
Der Geschädigte kann nach ständiger Rechtsprechung des BGH (z.B. NJW 2009, 58) nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf. Dabei hat der Geschädigte im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Behebung zu wählen. Für den Bereich der Mietwagenkosten bedeutete dies, dass er von mehreren auf dem örtlichen relevanten Markt erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann. Ausgangspunkt ist dabei der marktübliche Normaltarif. Dabei ist es nach Rechtsprechung des BGH (z.B. NJW 2008, 1519) zulässig, bei der Bestimmung des zu ersetzenden Mietpreises in Ausübung tatrichterlichen Ermessens gemäß § 287 ZPO auf die sogenannte Schwacke-Liste zurückzugreifen. Es bedarf nur dann einer Klärung der Eignung der Schwacke-Liste, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass sich geltend gemachten Mängel auf den zu entscheidenden Sachverhalt auswirken. Dies aber wurde von der Beklagten letztendlich nicht hinreichend dargelegt. Eine Aufzählung pauschaler und allgemeiner Argumente reicht nicht aus. Der Vortrag der Beklagten verhält sich im Wesentlichen zu allgemeinen Fragen und Erörterungen, vermag aber konkrete und durchgreifende Einwendungen gegen die Schwacke-Liste nicht vorzubringen. Auch die Auflistung von der Beklagten zu Gute kommender Rechtsprechung ersetzt den konkreten Vortrag nicht.

Das ihm eingeräumte Ermessen nach § 287 ZPO übt der Abteilungsrichter dahingehend aus, dass die Höhe, des Normaltarifs auf der Grundlage der Schwacke-Liste geschätzt wird.

Es wird dabei nicht verkannt, dass Grundlage der Schwacke-Liste eine nicht anonymisierte Abfrage von Daten ist, wobei regelmäßig behauptet wird, dass einzelne Autovermieter im eigenen Interesse überhöhte Preise angegeben hätten. Allerdings ist diese Behauptung lediglich spekulativ und bisher nicht durch konkrete Indizien zuverlässig dargelegt oder gar bewiesen worden.

Es ist zuzugestehen, dass ein Vorteil der Fraunhofer-Liste die anonyme Datenerhebung ist. Doch überwiegen nach Auffassung des Abteilungsrichters die Nachteile, so dass weiterhin auf die Schwacke-Liste abzustellen ist. So beruht die Fraunhofer-Liste überwiegend auf der Abfrage von Internettarifen der sechs großen Auto Vermieter, was die Liste insoweit nicht repräsentativ macht, da beispielsweise mittelständische Autovermieter überhaupt nicht oder nur unzureichend berücksichtigt werden. Es spricht weiter gegen die Fraunhofer-Liste, dass dort nur das arithmetische Mittel genannt wird. Dies allerdings ist kein Preis im Sinne der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 20 10.2009 – VI ZR 53/09 und Urteil vom 19.04.2003 – VI ZR 398/02), sondern lediglich eine statistische Rechengröße. Darüber hinaus ist zu bemerken, dass der örtlichen relevanten Markt bei der Fraunhofer-Liste weniger gut abgebildet wird als bei der Schwacke-Liste, denn die Erhebung im Rahmen der Fraunhofer-Liste beschränkt sich im Wesentlichen auf zweistellige PLZ-Gebiete während bei der Schwacke-Liste nach drei PLZ-Ziffern differenziert wird. Der Einwand der Beklagten, dass dies im Bereich von Düsseldorf gerade ein Vorteil der Fraunhofer-Liste sei, da sich das Postleitzahlengebiet um Düsseldorf mit dem PLZ-Bereich 40*** bundesweit um das Gebiet mit der geringsten räumlichen Ausdehnung handel, ist unbeachtlich, denn die Anmietung erfolgte im PLZ-Gebiet 41 ***, so dass es dem Vortrag der Beklagten erkennbar an einem Bezug auf den konkreten Einzelfall fehlt. Das Gebiet „Westdeutschland“ an sich ist auch nicht mit der Region Düsseldorf gleichzusetzen und inrweiteren zu unbestimmt, als dass es als Beurteilungsgrundlage heranzuziehen wäre. Es ist zudem fraglich, ob bei einer Aufschlüsselung nach nur zwei PLZ-Ziffern und dem weiteren Ansatz der Erhebungskriterien nach Schwacke ein anderes Ergebnis zu erwarten wäre – dies jedenfalls ist auch von der Beklagten nicht hinreichend substantiiert dargelegt.

Ebenso ist eine Kombination von Schwacke und Fraunhofer nicht sachgerecht da gegen die alleinige Anwendung der Schwacke-Liste im vorliegenden Fall keine durchgreifenden Bedenken bestehen und auch die Preise beider Listen aus methodischen Gründen nicht vergleichbar sind (LG Mönchengladbach, NZV 2010, 616).

2)
Für das Postleitzahlengebiet 415** ist dem unbestrittenen Vortrag des Klägers zur Folge nach Schwacke 09 in der Preisgruppe 5 eine Wochen pauschale von 647,60 EUR brutto und eine Tagespauschale von 93,00 EUR anzusetzen. Für den Anmietzeitraum von 15 Tagen ergibt sich ein erstattungsfähiger Betrag von 1.388,20 EUR brutto.

Erstattungsfähig sind die Kosten für die Vollkaskoversicherung. Diese Kosten stellen nach Auffassung des Abteilungsrichters eine adäquate Folge dar, denn der Geschädigte ist durch die Anmietung eines Fremdfahrzeuges einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt. Die von der Beklagten vorgetragenen Ausführungen unter Bezugnahme auf die Entscheidung des AG Neuss vom 16.05.2011, Az. 84 C 1179/11, überzeugen nicht. Eine Haftungsbegrenzung mit einer Selbstbeteiligung von 750,00 EUR ist nämlich gerade nicht gleichzusetzen mit dem Risiko eines wirtschaftlichen Totalschadens bzw. Totalverlustes am eigenen Fahrzeug. Auch kommt ein Abzug unter dem Gesichtspunkt des Vorteilausgleichs hierbei nicht in Betracht, da der Geschädigte während des Anmietzeitraumes keine Aufwendungen einsparen konnte, denn selbst beim Bestehen einer Kaskoversicherung wird die Prämie während der Reparaturdauer in aller Regel weiter entrichtet. Hiervon ist auch auszugehen, da sich erheblicher Vortrag der Beklagten nicht findet. Zu erstatten ist ein Betrag von insgesamt 225,00 EUR, was einem nach § 287 ZPO ermittelten Wert von 15,00 EUR brutto pro Tag entspricht. Auf das Jahr berechnet ergibt sich dabei ein Betrag von 5.475,00 EUR. Dieser Betrag ist nach Auffassung des Abteilungsrichters .ausreichend, um auch für ein zur Vermietung genutztes Fahrzeug mit all den sich daraus ergebenen Besonderheiten, beispielsweise stetig wechselnde Fahrer, verminderte Vorsicht der Fahrer in Bezug auf das Fremdeigentum, hoher Kilomateraufwand, entsprechend zu versichern. Es ist ein weiterer Aufschlag von 20% auf die reinen Anmietkosten vorzunehmen.

Der Abteilungsrichter vertritt die Auffassung, dass zur Abgeltung der besonderen Kosten und Risiken, die das Unfallersatzgeschäft im Vergleich zu einer normalen Auto Vermietung kennzeichnen; ein Preisaufschlag auf den Normaltarif gerechtfertigt ist. Das ist vorliegend der Fall: Anders als im normalen Mietwagen geschart, werden einem Unfallgeschädigten die Kosten der Fahrzeugvermietung von der Autovermietung kreditiert. Damit tritt aber zulasten des Vermieters nicht nur eine oftmals nicht unerhebliche Zahlungsverzögerung ein, die mit einem entsprechenden Zinsverlust einhergeht. Vielmehr fehlt es dem Vermieter im Unterschied zum normalen Mietwagengeschäft auch an Sicherheiten für die Zahlung des Mietzinses.

Der Verzicht auf solche Sicherheiten stellt ebenfalls eine geldwerte Zusatzleistung dar. Der Abteilungsrichter sieht schließlich auch in dem Umstand, dass die Dauer der Vermietung bei Anmietung eines Unfallersatzfahrzeugs im Gegensatz zum normalen Mietwagengeschäft nicht von vorneherein verbindlich feststeht, eine betriebswirt-schaftlich messbare Zusatzleistung der Klägerin, da diese Ungewissheit dazu führen kann, dass es nicht zu einer nahtlosen Anschlussvermietung des fraglichen Fahrzeugs und damit zu kostefwerursachenden Standzeiten kommt. Vor diesem Hintergrund liegt eine hinreichend konkrete Grundlage für eine Schadensschätzüng nach § 287 ZPO vor. Insoweit ist ein pauschaler Aufschlag in Höhe von 20% auf den Normaltarif nicht zu beanstanden, zumal der Kläger in seiner Klageschrift vom 28.01.2011 bereits auf Seite 16/17 zu den konkreten Gegebenheiten vorgetragen hat.

Demgegenüber kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Kläger hätte darlegen und gegebenenfalls hätte beweisen müssen, ihm sei kein günstigerer Tarif zugänglich gewesen. Zwar kann ein Preisabschlag auf den Normaltarif im Einzelfall ausgeschlossen sein, wenn .feststeht, dass dem Geschädigten ein günstigerer Tarif in der konkreten Situation ohne weiteres zugänglich war, doch ist in den Fällen, in denen – wie hier – ein Aufschlag zum Normaltarif grundsätzlich gerechtfertigt ist, der Schädiger beweispflichtig, wenn er geltend macht, dass dem Geschadigten eine günstigere Anmietung möglich und zumutbar war, da es sich dabei in diesem Zusammenhang um eine Frage der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 BGB handelt. Die Beklagte hat jedoch gerade nicht dargelegt, daas dem Geschädigten in der konkreten Situation bei einer Anmietung am Unfalltag die Anmietung eines preisgünstigeren Fahrzeugs möglich und zumutbar gewesen ist.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§92 Abs. 1,708 Nr 11, 711.713ZPO.

III.

Der Streitwert wird festgesetzt auf 1.200 EUR.

Soweit das AG Düsseldorf.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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