AG Mühldorf am Inn entscheidet zu den Abschleppkosten, den Standkosten und restlichen Mietwagenkosten mit Urteil vom 25.7.2013 – 1 C 180/13 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser

zum beginnenden Wochenende geben wir Euch hier ein Urteil aus Mühldorf zu den Abschleppkosten, Standkosten/Verwahrungskosten und zu den Mietwagenkosten gegen den Bayerischen Versicherungsverband (Niederlassung Regensburg) bekannt. Bei den Mietwagenkosten einfach Schwacke 2003 + 7% Inflationszuschlag anzulegen ist  einfach lächerlich, wenn man die Preisentwicklung der letzen 10 Jahre (insbesondere bei PKW-Neufahrzeugen) betrachtet. Das Urteil wurde erstritten und eingereicht durch die Kanzlei Wichtermann aus 84405 Dorfen. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße und ein schönes sturmfreies Wochenende
Willi Wacker

Amtsgericht Mühldorf a. Inn

Az.: 1 C 180/13

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

– Klägerin –

gegen

– Beklagte –

wegen Schadensersatz

erlässt das Amtsgericht Mühldorf a. Inn durch den Richter am Amtsgericht … am
25.07.2013 im schriftlichen Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO aufgrund der Schriftsätze, die bis 04.07.2013 bei Gericht eingegangen sind, folgendes

Endurteil

1.)

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin in Höhe von 333,78 € aus der Rechnung des Kfz-Meisterbetriebs … zu Rechnungsnummer … freizustellen.

2.)

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin in Höhe von 586,58 € aus der Mietwagenrechnung der Firma … zu Mietvertragsnummer … freizustellen.

3.)

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

4.)

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 41 und der Beklagte zu 59 % auferlegt.

5.)

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beiden Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei gegen Sicherheitsleistung in Höhe 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall.

Am 20.07.2012 ereignete sich bei Heldenstein auf der Verpackungsallee, an welchem die Klägerin sowie mit dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw beteiligt waren. Zwischen den Parteien ist die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach unstreitig. Das Fahrzeug der Klägerin wurde zunächst vom Abschleppunternehmen in das firmeneigene Verwahrcenter abgeschleppt. Nach der Begutachtung des Fahrzeugs durch einen Sachverständigen und Feststellungen der Reparaturwürdigkeit wurde das Fahrzeug dann am 25.07.2012 von der Firma … in die Reparaturwerkstatt verbracht. Die Klägerin mietete für die Zeit vom 20.07. bis zum Reparaturende am 06.08.2012 ein Mietfahrzeug.

Nachdem die Beklagte unstreitig die Reparaturkosten, Sachverständigenkosten, Wertminderung und Unkostenpauschale bezahlt hat, macht die Klägerin über bereits geleistete Beträge in Höhe von 355,23 EUR bzw. 856,53 EUR Restansprüche hinsichtlich Abschleppkosten/Standgebühren sowie Mietwagenkosten geltend.

Die Klägerin ist der Meinung, dass sowohl Verwahrkosten wie auch Abschleppkosten für beide Fahrten zum und vom Verwahrcenter erstattungsfähig seien. Ebenso seien die Mietwagenkosten in vollem Umfang erstattungsfähig; die Klägerin verweist diesbezüglich auf die Anwendbarkeit der Schwacke-Liste 2011.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin in Höhe von 333,78 EUR aus der Rechnung des Kfz-Meisterbetriebs zu Rechnungsnr. … freizustellen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin in Höhe von 1.222,92 EUR aus der Mietwagenrechnung der Firma zu Mietvertrags-Nr. … freizustellen.

Die Beklagte beantragt:

Die Klage wird kostenpflichtig abgewiesen.

Sie vertritt die Auffassung, die Klägerin habe jedenfalls hinsichtlich der zweiten Abschleppfahrt vom Verwahrcenter zur Reparaturwerkstatt gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen. Auch die angefallenen Standgebühren seien nicht erstattungsfähig. Hinsichtlich der Mietwagenkosten verweist die Beklagte zunächst darauf, dass lediglich 15 Reparaturtage vertretbar seien. Zum anderen will sie für ein Fahrzeug der Gruppe 2 die Fraunhofer-Liste anwenden.

Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie sämtlichen sonstigen Aktenbestandteilen.

Die Parteien haben ihr Einverständnis mit der Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt (vgl. Bl. 37, 46). Ein entsprechender Beschluss des Gerichts erging am 10.06.2013 (Bl. 48 bis 49).

Entscheidunqsgründe:

I.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht Mühldorf sachlich und örtlich zuständig; §§ 23 I Nr. 1, 71 I GVG, 20 StVG, 32 ZPO.

II.

Die Klage ist nur in dem zugesprochenen Umfang begründet.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen (Rest-) Freistellungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 333,78 EUR aus der Rechnung des Kfz-Meisterbetriebs … aus §§ 823 I BGB, 7 I StVG. 115 VVG.

a) Es ist anerkannt, dass gemäß § 249 BGB Abschlepp- u. Verwahrkosten grundsätzlich zum erstattungsfähigen Schaden im Rahmen einer Verkehrsunfallregulierung gehören. Die Standgebühren in Höhe von 13,00 EUR netto pro Tag erachtet das Gericht im Hinblick auf die Rechtsprechung des OLG München (Az.: 10 U 1701/07) als noch angemessen. Hinsichtlich der Abschlepp- bzw. besser Verbringungskosten für die zweite Fahrt vom Verwahrcenter zur Reparaturwerkstatt ist unstreitig, dass nach dem Unfall nicht unmittelbar feststand, ob das Klägerfahrzeug noch reparaturwürdig ist. Diese Reparaturwürdigkeit wurde erst einige Tage später durch den Sachverständigen festgestellt. In einer derartigen Konstellation lässt sich ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht der Klägerin nicht feststellen (vgl. auch Urteil des AG Halle/Saale, Az.: 9 C 1725/10 zur Ersatzfähigkeit der Kosten eines zweiten Abschleppens zum 610 km entfernten Wohnort des Klägers).

Der geltend gemachte Restbetrag ist somit voll erstattungsfähig, der entsprechende Freistellungsantrag somit begründet.

2. Die Mietwagenkosten und damit ein entsprechender Freistellungsanspruch stehen der Klägerin jedoch nur teilweise zu.

a) Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass die Kosten für 18 Tage anfallen. Das verunfallte Klägerfahrzeug wurde am 23.07.2012 vom Sachverständigen begutachtet. Das Ergebnis der Begutachtung lag der Klägerin am 24.07.2012 vor, die am Folgetag das Fahrzeug in die Werkstatt überführte; mit der Reparatur wurde dann 1 Tag später, nämlich am 26.07.2012 begonnen. Insofern kann nach Auffassung des Gerichts nicht von einem verzögerten Reparaturbeginn gesprochen werden. Das Prognose-Risiko hinsichtlich der Reparaturdauer trifft insoweit den Schädiger (Palandt § 249 Rdnr. 13).

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH kann der Geschädigte gemäß § 249 II Satz 1 BGB den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in vergleichbarer Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf. Dabei hat der Geschädigte nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit her geleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, was im Ergebnis bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann.

Im konkreten Fall kann der Geschädigte insbesondere nur einen sogenannten „Normaltarif“ ersetzt verlangen, da hinsichtlich der besonderen Voraussetzungen für die Abrechnung eines Unfallersatztarifes nichts vorgetragen ist (und auch nicht begehrt wird).

Unter Berücksichtigung der vom BGH aufgestellten Grundsätze und in ständiger Rechtsprechung des AG Mühldorf schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO den angemessenen Mietpreis auf der Grundlage der Schwacke-üste 2003. Zusätzlich gewährt es einen 7%-igen Inflationsausgleich. Das Gericht berücksichtigt dabei die Bedenken gegen die Anwendung der Schwacke-Liste. Die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, darf nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (BGH NJW 2011,1947).

c) Auf der Grundlage der Schwacke-Liste 2003 ergibt sich für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges in der Klasse 2 ein Wochenmietpreis von 638,00 EUR, 3-Tages-Mietpreis von 195,00 EUR sowie ein Tagespreis von 71,00 EUR. Daraus errechnet das Gericht unter einem Inflationszuschlag von 7% einen angemessenen Mietwagenpreis in Höhe von 967,28 EUR. Dem ist zu Grunde gelegt ein doppelter Wochentarif plus 3-Tages-Tarif plus 1-Tages-Tarif.

Ein darüber hinaus gehender Anspruch der Klägerin hinsichtlich der Mietwagenkosten als solche ist nicht gegeben.

d) Die von der Klagepartei geltend gemachten Kosten in Höhe von 388,34 EUR brutto für die Haftungsbegrenzung sind erstattungsfähig. Wird für einen bei einem Verkehrsunfall beschädigtes Kraftfahrzeug ein Ersatzfahrzeug angemietet und dabei Vollkaskoschutz vereinbart, sind hierfür erforderliche Mehraufwendungen in aller Regel als adäquate Schadensfolgen anzusehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn mit der Mietwagennutzung ein Sonderrisiko verbunden ist (Palandt, § 249 Rdnr. 38). Zur Begrenzung des Risikos bei der Nutzung eines angemieteten Ersatzfahrzeugs kann der Geschädigte auch unter Berücksichtigung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit eine Haftungsbegrenzung vereinbaren.

e) Auch die Kosten von 247,83 EUR brutto für einen Zusatzfahrer sind ersatzfähig; die Beklagte bestreitet dies im Übrigen auch nicht.

f) Die Klägerin hat sich von den so errechneten Kosten im Rahmen der Anmietung des Ersatzfahrzeuges 10% ersparte Eigenaufwendungen anrechnen zu lassen (Palandt, § 249 Rdnr. 36). Erstattungsfähig sind demnach letztlich 1.443,11 EUR; hierauf hat die Beklagte bereits 856,53 EUR bezahlt, so dass ein Restanspruch in Höhe von 586,58 EUR besteht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

IV.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit resultiert aus § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 1.556,70 EUR festgesetzt.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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1 Antwort zu AG Mühldorf am Inn entscheidet zu den Abschleppkosten, den Standkosten und restlichen Mietwagenkosten mit Urteil vom 25.7.2013 – 1 C 180/13 -.

  1. Babelfisch sagt:

    Wieso erläßt das Gericht eigentlich keinen Beweisbeschluss, mit dem im Wege eines Sachverständigengutachtens der Normaltarif bei Mietwagen im Jahr 1973 festgestellt wird und erhebt dann einen Zuschlag von 48,2 % zum Inflationsausgleich???

    Meine Gott, was hat der BGH mit seinem Geeier um die Mietwagenkosten (insbesondere die Festlegung auf eine Schätzungsgrundlage) losgetreten. Alle, ich betone: ALLES ist bei Mietwagenkosten bei bundesdeutschen Gerichten möglich. Es gibt keinerlei verlässliche Vorgaben und weitaus die Mehrzahl aller gerichtlichen Entscheidungen gehen – teilweise – zu Lasten der Geschädigten.

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