AG Obernburg am Main – Zwgst. Miltenberg – mit bemerkenswertem Urteil zu den von der WWK-Versicherung gekürzten Sozialabgaben bei fiktiver Schadensabrechnung ( Endurteil vom 16.1.2012 -14 C 552/11- ).

Hallo hoch verehrte Captain-Huk-Leser!

Not macht erfinderisch! Diesen alten Spruch aus der „schlechten Zeit“, als es nichts gab und vieles organisiert werden musste, hat sich offenbar die WWK-Versicherung zunutze gemacht.  Bei dem Fiktivabrechner aus dem Landgerichtsbezirk Aschaffenburg in Bayern sollten nicht nur die Mehrwertsteuerbeträge, sondern auch noch die Sozialabgaben gestrichen werden. Es wurde versucht , die Sozialabgaben bei der Fiktivabrechnung zu kürzen. Die WWK hatte pauschal 10% der Lohnkosten als Sozialbeitrag gekürzt. Zuerst hat die Versicherungslobby die Mehrwertsteuer per Gesetz „ergaunert“ und nun geht es an die Sozialbeiträge.  Die „starke Gemeinschaft“ der WWK hat offensichtlich die gleiche Schwäche wie alle anderen. Das Geld, das leidige Geld. Der Amtsrichter der 14 Zivilabteilung des AG Obernburg – Zweigstelle Miltenberg – hat dem Ansinnen der WWK jedoch einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nachfolgend gebe ich Euch das Urteil des AG Obernburg – Zwgst. Miltenberg – gegen die  WWK, bei der (Geld-)Not  erfinderisch macht, bekannt. Gebt bitte Eure Kommentare ab. 

Viele Grüße
Euer Willi Wacker

Amtsgericht Obernburg a. Main
Zweigstelle Miltenberg
Az.: 14 C 552/11

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigter:

gegen

1) WWK Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand, Marsstr. 37. 80335 München,

– Beklagte –

2)

– Beklagter –

wegen Forderung

erlässt das Amtsgericht Obernburg a. Main, Zweigstelle Miltenberg durch den Richter am Amtsgericht … im schriftlichen Verfahren gem. § 495a ZPO, in dem Schriftsätze bis zum 11.01.2012 eingereicht werden konnten, am 16.01.2012 folgendes

Endurteil

1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 85,62 € nebst 5 Prozentpunkte Jahreszinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.12.2011 zuzahlen.

2. Die Beklagten tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 85,62 € festgesetzt.

Tatbestand

entfällt gem. §§ 495 a. 313 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch aus dem Unfallereignis unstreitig zu. Auch die Höhe des geltend gemachten Schadens ist berechtigt. Ein Abzug von fiktiven Sozialbeiträgen innerhalb der errechneten fiktiven Reparaturkosten ist nicht vorzunehmen.

Der Beklagtenseite ist zuzugestehen, dass in fast allen Urteilen zum Schadensersatz wegen fiktiver Reparaturkosten die Frage, ob Sozialbeiträge für die Arbeitnehmer bezüglich des Lohnes herauszurechnen sind, in der Regel nicht ausdrücklich erwähnt ist. Dennoch ist es ständige Rechtsprechung, soweit bekannt, aller hiesiger Gerichte und auch der höheren Gerichte, dass eine Herausrechnung nicht veranlaßt und rechtlich geboten ist, wobei eine entsprechende andersartige Entscheidung des Landgerichts Aschaffenburg auch dem hiesigen Gericht nicht bekannt ist. Insbesondere hat der Bundesgerichtshof die fiktive Schadensberechnung als möglich angesehen, auch wenn die Reparatur nicht erfolgt. Hierbei sind alle fiktiven Positionen zu berücksichtigen, wobei Einzelheiten nur in der Rechtsprechung bezüglich Verbringungskosten und UPE-Aufschläge zum Teil streitig sind. Hierbei hat auch der Bundesgerichtshof sowie die obergerichtliche Rechtsprechung gewisse Kriterien aufgestellt. Eine Herausrechnen ist wegen der Möglichkeit der fiktiven Schadensberechnung gerade nicht möglich und veranlaßt. Insoweit besteht durchaus eine ständige herrschende Rechtsprechung, die sich auch nach Änderung des § 249 Abs. 2 S. 2 nicht geändert hat. Vielmehr ergibt sich hier daraus gerade, dass beim Schadensersatz nur andere Steuern unberücksichtigt bleiben sollen bei fiktivem Schadensersatz.

Das Gericht sieht auch keine Änderung der Rechtsprechung veranlaßt, insbesondere sind unabhängig von der Frage der Gesetzesmotive diese keineswegs eindeutig, dass auch andere Abzüge wie Sozialabgaben innerhalb des Lohnes oder ähnliches daher nicht zu berücksichtigen wären. Dabei kann dahinstehen, dass allein Gesetzesmotive nicht einzige Auslegungskriterium sind und die bloße Weiterentwicklung keineswegs heißt, dass genau die Abzüge, wie beklagtenseits vorgetragen, damit gemeint sind oder waren. Zudem ist dies ebenfalls keine verbindliche Vorgabe oder einziges Auslegungskriterium.

Da insoweit vom Schaden ein Abzug von 85,62 € beklagtenseits gemacht wurde und dies noch nicht bezahlt ist, war der Klage zu folgen. Nach der Zahlungsaufforderung, da der Unfall bereits ein Monat zurücklag, sind auch die Zinsen gemäß §§ 286, 288 BGB ab 01.12.2011 geschuldet.

Die Berufung war nicht zuzulassen, da auch im hiesigen Landgerichtsbezirk und im übrigen eine herrschende feststehende Rechtsprechung besteht, auch wenn diese ausdrücklich in den Urteilen dieses Problem nicht jeweils noch anspricht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Urteilsliste “Fiktive Abrechnung” zum Download >>>>>

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5 Antworten zu AG Obernburg am Main – Zwgst. Miltenberg – mit bemerkenswertem Urteil zu den von der WWK-Versicherung gekürzten Sozialabgaben bei fiktiver Schadensabrechnung ( Endurteil vom 16.1.2012 -14 C 552/11- ).

  1. Glöckchen sagt:

    Hallo
    Zum Glück nur selten muss man soeine schrecklichst umständliche,deshalb m.E.falsche Urteilsbegründung lesen.
    Erforderlich,Herr Richter,ist bei fiktiver Abrechnung derjenige Geldbetrag,der auch bei konkreter,also auf Rechnung basierender Abrechnung anfallen würde,und basta!
    Einzige Ausnahme ist die Umsatzsteuer,die-kraft Gesetzes- seit der Einführung des 2.Schadensrechtmodernisierungsgesetzes am 01.08.2002 bei fiktiver Abrechnung davon ausgenommen wurde.
    Weil die gesetzlichen Sozialabgaben immer ein notwendiger Bestandteil der Werkstattpreisbildung sind,kann doch nur ein juristischer Vollschwachmat der völlig abwegigen Vorstellung verfallen,die fiktive Abrechnung müsse um Sozialabgabenanteile gekürzt werden.
    Nach den Vorschriften der Bafin haben Versicherungsgesellschaften „ausreichend geschultes Personal“vorzuhalten,damit sie ihre Aufgaben erfüllen können.
    Durfte hier Putzfrau ran?
    Der SB dieser Versicherung gehört schlicht und einfach gemeldet!
    Mich würde noch der Textbaustein des zugrundeliegenden Abrechnungsschreibens interessieren;wäre sicher ein hervorragender „Brüller“ zur Einführung bei meinem nächsten Seminar!
    Denkbare Steigerung:
    „Bei fiktiver Abrechnung fallen garkeine Reparaturkosten an,die wir daher auch nicht ersetzen können;der Geschädigte wäre ansonsten ja bereichert.
    Ihre Pfefferminzia.“

  2. Alois Aigner sagt:

    Ja mei, Willi,
    ich kann mir vorstellen, dass die vom GDV diese Masche ausgedacht haben und die WWK musste nun als Versuchskaninchen ran. Zwar nur mit mäßigem Erfolg. Der Richter in Miltenberg am Main hat jedoch die passende Antwort gewußt. Gott sei Dank.
    Grüßeund Servus
    Alois

  3. Willi Wacker sagt:

    Hallo Glöckchen,
    so eine ähnliche Argumentation haben wir doch schon bei den Verbringungskosten und den Ersatzteilaufschlöägen. Wenn die nicht anfallen, dann sind sie auch fiktiv nicht zu erstatten. Das habe ich schon häufig in Abrechnungsschreiben der Versicherer gelesen.
    Aber Du hast Recht: In letzter Konsequenz wären dann auch fiktive Reparaturkosten nicht zu erstatten, da die Reparatur ja nicht stattfindet.
    Schwachsinn hoch drei.
    Mit freundlichen Grüßen
    Willi

  4. Babelfisch sagt:

    Die Hoffnung stirbt zuletzt:

    Wenn in einem Unternehmen die Marketingabteilung derart tranige Werbung vor den Wettermeldungen in der ARD zur wichtigsten Sendezeit zuläßt (inzwischen geändert …), dann habe ich auch für die Schadenabteilung keinerlei Hoffnung mehr. Zwar zuletzt, aber diesbezüglich ist die Hoffnung schon beerdigt.

  5. RA Eisenberg sagt:

    Die WWK hat jetzt auch zwei Urteile in Ihren Textbaustein aufgenommen:
    LG Nürnberg-Fürth v. 16.12.2011 Az 6 O 4133/11
    AG Essen-Borbeck v. 19.01.2012 Az 14 C 331/11

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