AG Speyer verurteilt beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten (34a C 75/11 vom 13.05.2011)

Mit Datum vom 13.05.2011 (34a C 75/11) hat das Amtsgericht Speyer die beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 528,68 € zzgl. Zinsen sowie zur Freistellung von vorgerichtlichen RA-Kosten  verurteilt. Das Gericht legt bei der Schätzung des Normaltarifs die Schwacke-Liste zugrunde und erteilt der Fraunhofer Tabelle eine Absage.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

Die Klägerin kann von der Beklagten die Erstattung von weiterem Schadensersatz in Höhe von 528,68 € verlangen, nachdem vorgerichtlich bereits 585,48 € reguliert wurden.

Die Klägerin war insofern aufgrund der vorgelegten Abtretungserklärung aktivlegitimiert. Insbeson­dere war die Abtretung nicht unwirksam, da sie hinreichend bestimmt war und auch nicht gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstößt. Zwar macht die Klägerin hier für einen Kunden Schadensersatzansprüche geltend, was als Rechtsdienstleistung im Sinne des § 3 RDG angesehen werden kann. Diese Rechtsdienstleistung steht allerdings im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit, hier der Autovermietung, und ist deswegen gestattet. Genau diese Fälle hatte der Gesetzgeber im Blick, als er § 5 RDG geschaffen hat (vgl. BR-Drs. 623/06, S. 96 f., 110 f.).

Nach § 249 Abs. 2 BGB kann der Geschädigte, hier die Klägerin aus abgetretenem Recht, als Herstellungsaufwand den Einsatz der objektiv erforderlichen Mietwagenkosten verlangen. Als erforderlich sind diejenigen Mietwagenkosten anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich ver­nünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei ebenso wie bei anderen Kosten der Wiederherstellung sowie in den Fällen, in denen er die Schadenbeseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren Möglichkeiten den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehe­bung zu wählen (ständige Rechtsprechung des BGH u. a. vom 09.05.2006 – VI ZR 117/05). Die Erforderlichkeit im vorstehenden Sinn hat der Geschädigte grundsätzlich darzulegen und ggfls. zu beweisen (ebenfalls ständige Rechtsprechung des BGH).

Es bedarf indes nicht der Beantwortung, ob das Vorbringen der Klägerin der vorbezeichneten Maßgabe gerecht wird. Zwar bedeutet der vorgenannte Grundsatz für den Bereich der Mietwagen­kosten, dass der Geschädigte von mehreren auf dem örtlich relevanten erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Fahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Preis ersetzt verlangen kann, indes verstößt ein Geschädigter noch nicht al­lein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, weil er ein Kfz zu einem Unfaller­satztarif anmietet, der gegenüber dem „normalen“ Tarif teurer ist, soweit die Besonderheit dieses Tarifs mit Rücksicht auf das Unfallereignis einen gegenüber dem „Normaltarif“‚ höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsi­tuation veranlasst und infolge dessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (vgl. u. a, BGH Versicherungsrecht 07, 1144 und 08, 1370). Diese Frage kann deswegen offen bleiben, weil in der neusten höchstrichterlichen Rechtsprechung zu diesem Themenkomplex an­erkannt ist, dass im Hinblick auf die Überhöhung von Unfallersatztarifen es nicht erforderlich ist, dass der bei der Schadensberechnung nach § 287 ZPO besonders freigestellte Tatrichter für die Überprüfung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung eines Unfallersatztarifs die Kalkulation eines konkreten Unternehmens in jedem Fall nachvollzieht. Vielmehr kann sich die Prüfung darauf beschränken ob spezifische Leistungen bei der Vermietung im Unfallgeschäft allgemein einen Aufschlag rechtfertigen, wobei unter Umständen ein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif in Betracht kommt. In Ausübung dieses Ermessens nach § 237 ZPO kann der Tatrichter den Nor­maltarif auch auf der Grundlage des gewichteten Mittels (Modus) des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ im Postleitzahlengebiet des Reparaturorts bzw. des Geschädigten ermitteln (BGH Versiche­rungsrecht 07, 1144, 1286 und 577 sowie Versicherungsrecht 08, 699 und 370, NJW 08, 58; OLG Karlsruhe Versicherungsrecht 08, 92 und NJW-RR 08, 1113; BGH, Versicherungsrecht 10, 494 und NJW 10, 1445).

Kann der Geschädigte bei Anmietung die konkrete Anmietungsdauer noch nicht hinreichend si­cher prognostizieren, sind bei Ermittlung des „Schwacke-Preises“ nicht die Pauschalen für drei Tage, Wochen oder Wachenenden zugrunde zu legen, sondern der Tagesmietpreis (LG Fran­kenthal vom 23.09.2009 – 2 S 89/09).

Nach den Vorgaben des Mietpreisspiegels 2010 für das Postleitzahlengebiet 673 (Wohnort des Geschädigten) und ein Fahrzeug der Klasse 3 ergeben sich nach dem gewichteten Mittel (Mo­dus) nach dem „Normaltarif“ folgende Nettobeträge:

Tagesmietpreis 84,20 €                              9 Tage                           757,80 €
Kosten der Haftungsbeschränkung
pro Tag 21,00 € für                                     9 Tage                           189,00 €
Kosten für Winterreifen
pro Tag 10,00 €                                           9 Tage                             90,00 €
Kosten für die Anhängerkupplung
pro Tag 10,00 €                                           9 Tage                             90,00 €
Zustellen und Abholen
23,00                                                                                                   46,00 €

Insgesamt ergeben sich Kosten von                                               1.172,80 €

Dieser Betrag entspricht einer Vergleichsberechnung nach Schwacke ohne die Berücksichtigung unfallbedingter Mehrkosten.

Die Kosten für eine Vollkaskoversicherung für die Dauer der Nutzung eines Mietwagens sind dem Geschädigten zu erstatten, selbst wenn das verunfallte Fahrzeug nicht über einen Vollkaskoversicherungsschutz verfügt (BGH NJW 05, 1049 und LG Frankenthal vom 26.05.2010 – 2 S 3/10).

Ebenso sind die Kosten für das Zurverfügungsteilen von Winterreifen zu erstatten. Eine etwaige Pflicht der Autovermietung, Fahrzeuge in der kalten Jahreszeit nur mit Winterreifen zu verleihen, führt zu keinem anderen Ergebnis, denn rechtliche Pflichten führen nicht dazu, dass diesen unter Nicht Weitergabe der Mehrkosten genügt werden muss.

Auch die Kosten für das Zustellen und Abholen waren zu ersetzen, deren Erforderlichkeit wurde nicht bestritten, gleich verhält es sich mit den Kosten für das Zurverfügungstellen einer Anhänger­kupplung.

Ein weiterer Zuschlag in Höhe von 20 % aufgrund unfallbedingter Mehrkosten war hingegen nicht zuzusprechen. Nach der Rechtsprechung des Landgerichts Frankenthal bedarf es hierzu in ei­nem ersten Schritt konkreten Vortrages zu unfallbedingten Mehraufwendungen des Mietwagenun­ternehmens. Hier wurde lediglich (konkret) vorgetragen, dass die Geschädigte nicht bereit war, Vorkasse zu leisten. Das Vermieten ohne Vorkasse kann zwar zu weiteren Aufwendungen füh­ren, die einen pauschalen Zuschlag rechtfertigen könnten, allerdings muss dann dargelegt wer­den, warum im konkreten Fall dem Geschädigten eine Vorfinanzierung nicht möglich war, dies war vorliegend nicht der Fall.

Allerdings war, da ein klassengleiches Fahrzeug gemietet wurde, ein Abzug von 5 % von den Gesamtkosten für insofern ersparte Eigenaufwendungen vorzunehmen, so dass sich ein zu erstat­tender Betrag in Höhe von 1.114,16 € ergibt.

Im Übrigen spricht allein der Umstand, dass sich unter Zugrundelegung der verschiedenen Berechnungsmethoden des Fraunhofer Instituts geringere Pauschalen ergeben, nicht gegen die Richtigkeit der Schwackeerhebung. Ungeachtet der vielfach geäußerten Bedenken gegen die Unparteilichkeit der, so wird vorgebracht, von der Versicherungswirtschaft in Auftrag gegebenen Frauenhofer Erhebung, darf nicht übersehen werden, dass für die Frage der Erforderlichkeit der Kosten für ein Mietfahrzeug auf den dem Geschädigten zugänglichen örtlich relevanten Markt ab­zustellen ist und die in der Schwackeliste vorgenommene Bewertung eine größere Differenzie­rung nach den drei ersten Postleitzahlenstellen enthält. Die Erhebungen des Fraunhofer Instituts differenzieren hingegen maximal nach den beiden ersten Stellen der Postleitzahlen, so dass die Gefahr besteht, dass regionale Besonderheiten nicht ausreichend berücksichtigt werden. Letzt­lich hat auch der BGH in einer jüngeren Entscheidung vom 19.04.2010 (VI ZR 112/09 = Versiche­rungsrecht 10, 494) die Ermittlungen der erforderlichen Mtetwagenkosten auf der Grundlage des Schwacke-Mletpreisspiegels nicht beanstandet (LG Frankenthal vom 26.05.2010 – 2 S 3/10).

Es ist nicht Aufgabe des Tatrichters, allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine, wie vorliegend mit dem Schwacke-Mietpreisspiegel, bewährte Schätzungsgrundlage nachzugehen. Die Eignung von Listen und Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden, bedarf nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den konkret zu entscheidenden Fall auswirken. Hiervon ist vorlie­gend nicht auszugehen. Auch die Frauenhofer Tabelle kommt hier zu einem Tagesmietpreis von 80,50 € am Tag, was einer Abweichung von weniger als 5 % entspricht und insofern nicht zu durchgreifenden Bedenken führt. Soweit sich die Beklagte als Argument dafür, dass die Schwacke-Mietpreisliste nicht als Schätzgrundlage tauge, darauf beruft, dass eine Tarifanfrage bei der Firma Sixt eingeholt wurde, leidet diese Anfrage unter dem Fehler, dass sie für einen Mietzeit­raum von insgesamt 9 Tagen eingeholt wurde.

Demnach kann auch dahinstehen, ob der Kläger in seiner individuellen Unfallsituation bei anderen Unternehmen einen Ersatzwagen hätte günstiger anmieten können.

Die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten waren als Verzugsschaden zu ersetzen, nachdem die Beklagte vorgerichtlich zunächst auf Mahnungen der Klägerin selbst nicht leistete und darauf­hin der jetzige Prozessbevollmächtigte außergerichtlich tätig wurde. Die Gebühren waren auch in der geltend gemachten Höhe zuzusprechen, nachdem bereits vorgerichtlich ein Aufforderungs­schreiben unter umfangreicher Darlegung der Rechtslage versandt wurde. Das teilweise Unterlie­gen wirkte sich auf die Gebührenhöhe nicht aus, die Gebührenstufe blieb gleich.

Die Kostehentscheidung beruht auf § 92 Abs, 2 ZPO, nachdem der Anteil des Unterliegens der Klägerin weniger als 10 % ausmachte und durch die Zuvielforderung auch keine höheren Gebüh­ren entstanden.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Soweit das AG Speyer.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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1 Antwort zu AG Speyer verurteilt beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten (34a C 75/11 vom 13.05.2011)

  1. Willi Wacker sagt:

    Hallo Babelfisch,
    schön ist der folgende Satz aus der Urteilsbegründung: „Es ist nicht Aufgabe des Tatrichters, allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine, wie vorliegend mit dem Schwacke-Mietpreisspiegel, bewährte Schätzungsgrundlage nachzugehen. Die Eignung von Listen und Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden, bedarf nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den konkret zu entscheidenden Fall auswirken…“ Damit können alle allgemein und pauschal gehaltenen Einwendungen der Versicherungswirtschaft gegen die – vorzugswürdige (s. AG HH-St.Georg aus dem vorigen Beitrag) – Schwacke-Liste erledigt werden. Fraunhofer ist zwar nach BGH ebenfalls als Schätzgrundlage anzuwenden (BGH Urt. v. 12.4.2011). Dem besonders freigestellten Tatrichter kann daher kein Ermessensfehler vorgeworfen werden, wenn er sich im freien Ermessen für die Schwacke-Liste entscheidet, weil eben die Fraunhofer-Liste an zu vielen Mängeln leidet ( Onlinebestellung, nur sechs Großunternehmen, Vorbuchzeit, zu große Bezirke bei nur 2 Postleitzahlen, etc.) Diese gravierenden Mängel sind so erheblich, dass sie die pauschal vorgebrachten Argumente der Versicherungswirtschaft gegen die Schwacke-Liste nicht aufwiegen. Schwacke ist daher grds. der Vorzug zu geben.
    Mit freundl. Grüßen
    Willi

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