Amtsgericht Braunschweig spricht dem Geschädigten Kosten für die Besitzbescheinigung zu (118 C 3380/08 vom 27.01.2009)

Das Amtsgericht Braunschweig hat mit Urteil vom 27.01.2009 (118 C 3380/08) die beklagte Haftpflichtversicherung verurteilt, an die Klägerin 74,13 EUR nebst Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Am 27.02.2008 ereignete sich in Braunschweig ein Verkehrsunfall, wofür die Beklagte dem Grunde nach zu 75% für den der Klägerin entstandenen Schaden einstandspflichtig war. Die Klägerin forderte gegenüber der Beklagten Regulierung ihres Schadens zunächst fiktiv aufgrund des Sachverständigengutachtens vom 28.02.2008. Die Beklagte rechnete mit Schreiben vom 15.05.2008 den Fahrzeugschaden jedoch lediglich auf Totalschadenbasis mit einem geringeren Schadensbetrag ab und wies die Klägerin darauf hin, dass eine Abrechnung auf Basis der Reparaturkostenrechnung erfolgen könne, sofern die Klägerin durch Vorlage einer Bestätigung eines Sachverständigen mit Fotos nachweise, dass die Reparatur durchgeführt wurde.

Da nach der Rechtsprechung des BGH fiktiv die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten bis zur Hohe des Wiederbeschaffungswertes abrechenbar sind, sofern sich das Fahrzeug in einem verkehrssicheren Zustand befindet und mindestens 6 Monate nach dem Unfallgeschehen weiter genutzt wird, beauftragte die Klägerin am 11. 08.2008 denselben Sachverständigen wie zuvor mit der Erstellung einer Besitzbescheinigung, in der die weitere Nutzung des Fahrzeuges bestätigt wird. Der Sachverständige fertigte eine entsprechende Besitzbescheinigung und rechnete darüber einen Betrag von 98,84 EUR ab. Die Klägerin begehrte mit Anwaltsschreiben vom 12.08.2008 gegenüber der Beklagten die anteilige Erstattung des Kraftfahrzeugreparaturschadens netto sowie der weiteren Gutachterkosten in Höhe von 74,13 EUR unter Berücksichtigung der Mithaftung in Höhe von 25 %. Die Beklagte regulierte zwar am 27.08.2008 den Reparaturschaden, lehnte aber die Kostenübernahme für die Besitzbescheinigung ab.
Die Klägerin behauptet, die Besitzbescheinigung sei notwendig gewesen, weil die Beklagte erst nach deren Vorlage den Schaden auf Reparaturkostenbasis bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes abgerechnet habe.
Darüber hinaus sei es der Klägerin ohne die Hinzuziehung eines Sachverständigen nicht möglich, die bestehende Verkehrssicherheit gegenüber der Beklagten nachzuweisen. Im Übrigen habe die Beklagte in ca. bis 30 bis 40 Verkehrssachen die Kosten für später eingereichte Besitzbescheinigungen anstandslos und vollständig reguliert.

Sie berufe sich nunmehr erstmalig auf Verletzung einer Schadensminderungspflicht.
Die Klägerin beantragt daher, wie geschehen zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt Klageabweisung. Sie ist der Ansicht, die Klägerin habe unnötige Kosten verursacht, da die Besitzbescheinigung für die Schadensregulierung unbeachtlich gewesen sei. Die Beklagte gab weiterhin an, die Klägerin habe auch kostenfrei im beklagteneigenen Schadenschnelldienst in Salzgitter die Bescheinigung einholen können. Weiter behauptet sie, dass sie lediglich in zwei Fällen die Kosten für Besitzbescheinigungen erstattet habe, und dies auch nur fehlerhaft.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Klage ist begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch zu. Die Beklagte ist der Klägerin zu 75% zum Schadensersatz infolge des Unfall vom 27.02.2008 in Braunschweig verpflichtet, wobei auch die Gutachterkosten für die Besitzbescheinigung zum Schaden zu zählen sind. Zu ersetzen ist nämlich der erforderliche Geldbetrag, d. h. die Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte, auch Kosten von Sachverständigengutachten, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind (Palandt-Heinrichs, § 249, Rn. 12, 40).
Dem Vortrag, dass die Kosten für die Besitzbescheinigung nicht notwendig gewesen seien und die Klägerin daher gegen Schadensminderungspflichten verstoßen habe, kann seitens des Gerichts nicht gefolgt werden, denn die Klägerin hatte den Nachweis über die Verkehrstüchtigkeit des verunfallten Fahrzeugs sowie dessen weitere Nutzung durch sie zu erbringen. Dies war ihr nur durch Vorführung des Fahrzeugs bei einer geeigneten Stelle möglich. Eine Verpflichtung, das Fahrzeug nicht bei einem Sachverständigen vorzuführen, sondern beim Schadenschnelldienst der Beklagten, ergibt sich nicht daraus, dass letzterer die Besichtigung kostenlos durchgeführt hätte, denn der Klägerin steht insoweit als Geschädigter ein Wahlrecht zu. Sie muss sich zum Zwecke des Nachweises gegenüber der Beklagten nicht der Hilfe derselben bedienen, sondern darf einen unbeteiligten von ihr ausgesuchten Sachverständigen einschalten.

Der darüber hinaus von der Klägerin geltend gemachte Zinsanspruch steht ihr aus § 288 Abs. 1 BGB zu.

So das überzeugende Urteil des Amtsgerichtes Braunschweig. Auch in diesem Urteil ist wieder einmal klar dargestellt, dass der Schädiger den erforderlichen Geldbetrag zu ersetzen hat, den ein verständiger wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Wenn die beklagte Haftpflichtversicherung eine sogenannte Besitzbescheinigung für die Zeit der 6-Monate und des verkehrssicheren Zustandes, wie vom BGH gefordert, verlangt, so muss sie auch die dafür entstehenden Kosten der Besitzbescheinigung zahlen.
Es gibt weder einen Grundsatz, wonach der Sachverständige diese Besitzbescheinigung kostenlos erstellen müsste noch dass der Geschädigte diese Besitzbescheinigung bei der Schadenschnellhilfe einholen müsste.

Die Kosten der Besitzbescheinigung gehen daher zu Lasten des Schädigers.

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2 Antworten zu Amtsgericht Braunschweig spricht dem Geschädigten Kosten für die Besitzbescheinigung zu (118 C 3380/08 vom 27.01.2009)

  1. RA W sagt:

    Hallo Willi Wacker,
    eine interessante Entscheidung. Fazit des Urteiles ist, wer die Bescheinigung über den Besitz der 6 Monate in verkehrssicherem Zustand wünscht, muss auch die dafür entstehenden Kosten tragen. Der Verweis auf SSH reicht keineswegs und begründet auch kein Mitverschulden, § 254 BGB. Es gibt keinen Grundsatz, dass ein Geschädigter zu Gunsten des eintrittspflichtigen Versicherers sparen muss. Das Urteil ist daher zu begrüßen.

  2. Winnetou sagt:

    Der versicherungseigene Schadenschnelldienst mag zwar keine Rechnungen schreiben, aber Kosten verursacht er schon. Wenn diese dann versicherungsintern anders verbucht werden, ist das eine andere Sache. ich kann mir aber nicht vorstellen, dass die ganzen Schadenschnelldienstler alle ehrenamtlich arbeiten und keine Arbeitsplatzkosten verursachen. – Vor vielen jahren wurde carpartner plattgemacht. Dort hatte man (Versicherungen waren Eigentümer) Mietwagen zu besonderen Konditionen vermittelt/vermietet. In Prozessen wurde aber wohl regelmäßig vergessen, zusätzliche Kosten zu erwähnen, die verdeckt geflossen sind. Da ging es wohl um Prozessbetrug?

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