Amtsgericht Sinzig verneint sechsmonatige Nutzungszeit bei konkreter Abrechnung auf 130 %-Basis

Das Amtsgericht Sinzig hat mit Urteil vom 14.05.2008 (14 C) gegen die Bruderhilfe Sachversicherungs AG entschieden, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 884,11 € vom 03.07.2007 bis 04.03.2008 zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreites hat die Beklagte zu tragen. 

Die Parteien streiten über die ursprünglich mit der Klage geltend gemachten Zinsen aus der Hauptforderung in Höhe von 884,11 € sowie der außergerichtlichen Gebühren. Der Kläger hatte mit der Klage restliche Ersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend gemacht, der sich in Bad Breisig ereignet hat. Die Eintrittspflicht der Beklagten, der Bruderhilfe Sachversicherungs AG, ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig. Aus einem eingeholten Schadensgutachten ergab sich zu dem unfallbeschädigten Pkw des Klägers ein Reparaturaufwand von brutto 3.134,60 € sowie ein Wiederbeschaffungswert von 2.500,00 € abzüglich 150,00 € Restwert.

Der Unfallschaden am Pkw des Klägers wurde repariert. Der Rechnungsbetrag belief sich auf insgesamt 3.234,11 €. Die Beklagte hat den Wiederbeschaffungswert von 2.350,00 € (2.500,00 € abzüglich 150,00 € Restwert) sowie die allgemeine Unkostenpauschale von 25,00 € reguliert. Die Parteien haben zunächst im wesentlichen darüber gestritten, ob ein Integritätsinteresse des Klägers gegeben war, welches die Durchführung der Reparatur rechtfertigt. Die Beklagte am 05.03.2008 die zunächst mit Klageantrag zu 1. geltend gemachte Hauptforderung in Höhe von 884,11 € gezahlt. Zum 01.04.2008 wurde auch die mit Klageantrag zu 2. zunächst geltend gemachte Gebührenforderung von 70,39 € gezahlt. Hinsichtlich der gezahlten Beträge haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt und widerstreitende Kostenanträge gestellt. Der Kläger trägt vor, dass eine Nutzungsdauer von sechs Monaten keine Fälligkeitsvoraussetzung für den Anspruch des Geschädigten sei. Es bestehe daher eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der geltend gemachten Zinsen. Ferner sei diese zur Tragung der Prozesskosten verpflichtet. Der Kläger beantragt daher, wie zu entscheiden war. Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, die geltend gemachte Schadenseratzforderung sei erst mit dem Nachweis der weiteren sechsmonatigen Nutzung des Fahrzeuges und damit mit dem Nachweis des Integritätsinteresses fällig geworden. Vorher habe kein Verzug vorgelegen, der eine Zinszahlung rechtfertigen könnte. Aus diesem Grunde habe auch der Kläger die Kosten des Rechtsstreites zu tragen. 

Das Amtsgericht Sinzig hat der Klage stattgegeben.

Aus den Gründen:

Die Klage ist begründet. Der von dem Kläger geltend gemachte restliche Schadenersatzanspruch ist nicht erst nach Ablauf einer sechsmonatigen Nutzung des Fahrzeuges fällig geworden. Zwar hat der BGH in seiner Entscheidung vom 27.11.2007 (6 ZR 56/07) entschieden, dass der Geschädigte, der Reparaturkosten über dem Wiederbeschaffungswert geltend macht, sein Integritätsinteresse dadurch zum Ausdruck bringt, dass er das Fahrzeug für einen Zeitraum von sechs Monaten weiter nutzt. Dies führt nach Auffassung des Gerichtes nicht dazu, dass ein Anspruch auf Erstattung der Reparaturkosten im Rahmen der 130 %-Grenze erst mit Ablauf von sechs Monaten fällig wird. Der Geschädigte, der sein Fahrzeug vollständig und fachgerecht reparieren läßt und in der Folgezeit tatsächlich weiter nutzt, hat damit zunächst sein Integritätsinteresse zum Ausdruck gebracht. Damit ist auch der Ersatzanspruch sofort fällig geworden. 

Würde man eine Pflicht zur Leistung des kompletten Schadensersatzes von einer sechsmonatigen Nutzung abhängig machen, wäre der Geschädigte verpflichtet, hinsichtlich des Differenzbetrages in Vorleistung zu treten. Ein Grund hierfür ist jedoch nicht ersichtlich. Sofern man dem Geschädigten grundsätzlich einen Anspruch auf Durchführung einer Reparatur im Rahmen der 130 %-Grenze gestattet, muss dieser auch in der Lage sein, diesen Anspruch unmittelbar zu verwirklichen. Sofern der Geschädigte aufgrund beengter finanzieller Verhältnisse nicht in der Lage sein sollte, in Vorleistung zu treten, würde sein Anspruch durch eine sechsmonatige Wartefrist ausgehöhlt. Ein Geschädigter, der sein Fahrzeug fachgerecht reparieren läßt und weiter nutzt, hat sein Integritätsinteresse soweit manifestiert, dass ein Schadensersatzanspruch sofort fällig wird. Sofern sich sodann im Nachhinein ergeben sollte, dass eine sechsmonatige Weiternutzung tatsächlich nicht gegeben ist, könnte insoweit ein Rückforderungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegeben sein. Da im vorliegenden Fall der Kläger sein Fahrzeug fachgerecht hat reparieren lassen und in der Folgezeit auch über einen Zeitraum von sechs Monaten weiter genutzt hat, war die Beklagte bereits nach Durchführung der Reparatur zum Schadensersatz verpflichtet. Dieser Verpflichtung ist sie trotz entsprechender Aufforderung nicht nachgekommen. Sie befand sich somit in Verzug. Die Beklagte ist daher verpflichtet, die mit dem Klageantrag zu 1. geltend gemachten Zinsen zu zahlen. 

So das überzeugende Urteil des AG Bad Sinzig. Daran ändert auch die neue Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 22.04.2008 (VI ZR 237/07) nichts. Der BGH hat nämlich nichts über die sofortige Fälligkeit des Schadensersatzanspruches in dem vorerwähnten Urteil gesagt.

Urteilsliste „130%-Regelung“ zum Download >>>>>

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3 Antworten zu Amtsgericht Sinzig verneint sechsmonatige Nutzungszeit bei konkreter Abrechnung auf 130 %-Basis

  1. virus sagt:

    Hi Willi Wacker,

    der Begründung gibt es nichts hinzuzufügen.

    LG Virus

  2. Willi Wacker sagt:

    Hi Virus,
    warten wir es ab, ob die Bruderhilfe in Anbetracht des neuen BGH-Urteils in die Berufung geht.
    MfG Willi Wacker

  3. Willi Wacker sagt:

    Bedauerlicherweise war das Aktenzeichen der Entscheidung des AG Sinzig nur teilweise angegeben, daher hier das komplette Aktenzeichen:
    14 C 677/07.
    MfG
    Willi Wacker

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