LG Dresden weist Berufung der HDI Versicherung wegen Verurteilung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten zurück

Mit Urteil vom 26.11.2008 (8 S 600/07) hat das LG Dresden die Berufung der HDI Versicherung gegen ein erstinstanzliches Urteil des AG Meißen zurückgewiesen, mit dem diese zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von  615,78 € zzgl. Zinsen verurteilt wurde. Wiederum wurde die Schwacke-Liste als Berechnungsgrundlage herangezogen und der Versuch, die Fraunhofer Tabelle als Maßstab einzubringen, abgelehnt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klägerin hat Anspruch auf weitere Mietwagenkosten in Höhe von 615,78 € aus ihrer Rech­nung vom 08.08.2006 gemäß §§ 823,249 BGB, 7 StVG, 398 BGB.

1.

Die Klägerin ist aktiv legitimiert für den von Ihr geltend gemachten Anspruch.

a)

Dia Klägerin verstößt nicht gegen Art. 1, § 1 Abs. 1 RBerG, da sie zur Überzeugung der Kam­mer für die Geschädigte nicht die Schadensregulierung durchführt, sondern ihr es im Wesent­lichen darum geht, die durch die Abtretung vom 07.06.2005 eingeräumte Sicherheit zu verwirk­lichen.

Damit besorgt die Klägerin keine Rechtsangelegenheit der geschädigten Kundin, son­dern eine eigene Angelegenheit (vgl. BGH vom 04.04.2006, NJW 2006,1726, zitiert nach Juris Rn.9). Bereits aus dem Wortlaut der Abtretungserklärung vom 07.06.2005 ergibt sich die Zweckbestimmung zur Sicherung der Zahlungsansprüche der Klägerin gegen die Geschädig­te und einen deutlichen Hinweis darauf, dass die Geschädigte ihre Schadensersatzansprüche selbst durchzusetzen habe. Auch hat sich die Klägerin nicht sämtliche Ansprüche der Ge­schädigten gegen den Schädiger abtreten lassen, sondern die Abtretung ist vielmehr auf die Ersatzanspräche hinsichtlich der Mietwagenkosten beschränkt.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin die Schadensersatzforderung ihrer unfallgeschädigten Kundin eingezogen hat, bevor sie diese selbst (klageweise) auf Zah­lung in Anspruch genommen hat. Denn vorliegend hat die Klägerin die Geschadigte am 25.10.2006 und am 15.11,2006 zur Zahlung der Mietwagenkosten aufgefordert. Eine Zahlung lehnte die Geschädigte (auch im Hinblick auf die korrigierte Mietwagenrechnung vom 08.08.2005) mit Schreiben vom 09.112006 endgültig ab. Der Klägerin geht es mithin darum, die ihr eingeräumte Sicherheit zu verwirklichen.

Auch besorgt die Klägerin nicht deshalb eine Rechtsangelegenheit ihrer geschädigten Kundin, weil sie vorab der Beklagten einen Unfallbericht zusammen mit der Mietwagenrechnung übersandt hat. Dies dient allein dem praktischen Bedürfnis nach einer gewissen Mtwirkung des Fahrzeugvermieters bei der Geltendmachung der Schadensersatzansprüche des Geschädig­ten gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Schädigers (BGH vom 18,03.2003, NJW 2003, 1838, zitiert nach jurls Rn. 16).

b)

Die Sicherungsabrede vom 07.06.2005 umfasst auch die (allein) streitgegenständliche Miet-wagenrechnung vom 08.08.2006.

Zwar ergibt sich aus dem Wortlaut der Abtretungserklärung, dass die Geschädigte ihren An­spruch auf Schadensersatz der Mietwagenkosten aus der Mietwagenrechnung vom 22.06.2005 sicherungshalber abtritt. Aber aus der bei der Auslegung nach §§ 133,167 BGB ergänzend heranzuziehenden Interessenlage und den mit dem Rechtsgeschäft verfolgten Zweck (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 133 Rn. 18 m.w.N.), ergibt sich, dass (allge­mein) der Anspruch auf Schadenersatz der Mietwagenkosten aus dem Unfallereignis vom 06.06.2005 von der Geschädigten an die Klägerin sicherungshalber abgetreten worden ist. Al­lein dies führt zu einem vernünftigen und den Interessen sowohl der Klägerin als auch der Ge­schädigten gerecht werdenden Ergebnis.

2.

a)

Die von der Geschädigten der Klägerin geschuldeten Miete stellt sich auch der Höhe nach als erforderlicher Aufwand zum Ausgleich des aufgrund der Reparatur bedingten Nichtnutzbarkeit des eigenen Fahrzeugs erlittenen Nachteils dar.

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. u. a. BGH vom 24.06.2008, Az. VI ZR 234/07) kann der Geschädigte vom Schädiger bzw. dessen Haftpflicht-Versicherer nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjeni­gen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist hier­bei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen (BGH a.a.O.).

Für den Bereich der Mietwagenkosten bedeutet dies, dass der Geschädigte von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis, also den „Normaltarif“ ersetzt verlangen kann. Etwas anderes gilt dann, wenn der Geschädigte ein Fahrzeug zum Unfallersatztarif anmietet, der also gegenüber dem „Normaltarif“ teurer ist, aber die Besonderheit dieses Tarifes mit Berücksichtigung auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen und ähn­liches) einen gegenüber dem „Normaltarif“ höheren Preis rechtfertigt.

Die Frage nach der (objektiven) Erforderlichkeit kann jedoch offen bleiben, wenn zum einen feststeht, dass dem Geschädigten jedenfalls ein günstigerer „Normaltarif“ in der konkreten Si­tuation ohne weiteres zugänglich war oder wenn zur Überzeugung des Gerichtes feststeht, dass dem Geschädigten die Anmietung zum „Normaltarif“ nach den konkreten Umständen nicht zugänglich gewesen ist. In einem solchen Fall kann der Geschädigte den den „Normalta­rif“ übersteigenden Betrag im Hinblick auf die gebotene subjektbezogene Schadensbetrach­tung auch dann verlangen, wenn die Erhöhung durch unfallspezifische Faktoren nicht gerecht­fertigt wäre (BGH v. 09.10.2007, VI ZR 27/07). Die Frage der Zugänglichkeit ist dabei eine Fra­ge des Einzelfalles.

b)

Der Geschädigten war zur Überzeugung der Kammer zum Zeitpunkt der Anmietung am 07.06.2005 ein günstigerer (anderer) „Normal-Tarif“ nicht zugänglich.

(1)

Maßgeblich ist vorliegend entgegen der Auffassung der Beklagten die korrigierte Mietwagen­rechnung der Klägerin vom 08.08.2006.

Zwar lag der Geschädigten zum Zeitpunkt dar Anmietung am 07.06.2005 allein die Mietwagenrechnung der Klägerin vom 22.06.2005 vor, aber an dieser Rechnung hält die Klägerin nicht mehr fest. Streitgegenständlich ist nunmehr allein die korrigierte Mietwagenrechnung vom 08.08.2006. Diese Mietwagenrechnung vom 08.08.2006 ist mithin fiktiv der Frage zugrun­de zu legen, ob die Geschädigte unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebotes zu einer Nachfrage nach einem günstigeren Tarif gehalten gewesen wäre, denn Bedenken gegen die Angemessenheit des ihr angebotenen Tarifes ergeben sich insbesondere aus der Höhe des­selben.

(2)

Für die Frage der Angemessenheit (und damit auch Erstattungsfähigkeit) legt die Kammer als Vergleichs- bzw. Schatzgrundlage die Schwacke-Liste 2006 zugrunde.

Zwar erfolgte die Anmietung (worauf die Beklagte zu Recht hinweist) zeitlich vor der Schwacke-Liste 2005 und auch vor deren Erhebungszeitraum. Aber der Unfallzeitpunkt (06.06.2005) liegt vorliegend näher an der Erhebung, auf der die Schwacke-Uste 2006 beruht. Diese und nicht die Schwacke-Liste 2003 ist damit vorliegend anzuwenden (vgl. auch OLG Dresden vom 27.02.2007, Az. 7 U 2031/06).

Zwar sind Einwendungen gegen die vom Gericht zugrunde gelegte Schätzgrundlage (hier die Schwacke-Liste 2008) möglich. Die Beklagte dürfte diese Einwendungen mit ihrem Schriftsatz vom 22.10.2008 auch hinreichend konkretisiert haben. Denn sie legt dar, welcher (vorliegend niedriger) Mietpreis sich bei Zugrundelegung der Preise aus dem „Marktpreisspiegel Mietwa­gen – Deutschland 2008“ des Frauenhofer Instituts ergibt. Ungeachtet der grundsätzlichen Ein­wendungen der Klägerin in deren Schriftsatz vom 22.10.2008 gegen den Marktpreisspiegel des Frauenhofer Institutes, hält die Kammer diesen jedenfalls vorliegend nicht als Schätz­grundlage gemäß § 287 ZPO für geeignet. Denn diesem liegt ein Erhebungszeitraum der Tari­fe Im Zeitraum vom 19.02.2008 bis 16.04.2008 zugrunde. Aufgrund dieses – der Anmietung am 07.06.2005 zeitlich weit nachfolgenden- Erhebungszeitraumes kann er nach Auffassung der Kammer vorliegend nicht zugrunde gelegt werden.

(3)

Bedenken gegen die Angemessenheit des Preises mussten der Geschädigten vorliegend nicht kommen.

Aus der Rechnung vom 08.08.2006 ergibt sich ein Tagestarif für die ersten 7 Tage in Höhe von 97,50 netto zuzüglich 16 % MwSt, das heißt von ca. 113,00 € brutto. Ab dem 5. Tag der Anmietung lag der Tagestarif bei 88,40 € netto zuzüglich 16 % MwSt, das heißt bei ca. 102,00 € brutto. Im Rahmen des Vergleiches mit dem gewichteten Mittel des Normalpreises in der Schwacke-Liste 2006 ist der Eintagesmietpreis maßgeblich, da bei Anmietung des Fahr­zeuges regelmäßig nicht klar ist, für wie viele Tage der Mietwagen benötigt wird, so dass zu­nächst der Eintagespreis für einen Vergleich relevant wird (OLG Dresden vom 19.02.2007, Az, 7 U 720/06). Ausweislich der Schwacke-Liste 2008 lag das gewichtete Mittel des Normalprei­ses in der Fahrzeugklasse 5 und dem Postleitzahlengebiet 016 bei 113,00 brutto/Tag. Die weiteren Nebenkosten – wie Fahrzeugversicherung und Zustellkosten etc. – sind hier nicht zu berücksichtigen, da diese in der Schwacke-Liste 2006 ebenfalls nicht in den genannen Ta­gespreisen des Normaltarifs enthalten sind, sondern in gesonderten Tabellen aufgeführt sind (vgl. OLG a.a.O.). Der von der Klägerin mit ihrer Rechnung vom 08.08.2008 begehrte Miet­preis entspricht mithin dem „Normaltarif“.

Die Geschädigte musste damit Bedenken gegen die Angemessenheit des Preises nicht ha­ben. Insbesondere bestand für sie auch keine Verpflichtung, sich bei der Klägerin oder ande­ren Mietwagenunternehmen nach günstigeren Preisen zu erkundigen.

c)

Die Klägerin hat mithin einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der restlichen Mietwa­genkosten In Höhe von 615,78 €. Die in der streitgegenständlichen Mietwagenrechnung vom 08.08.2006 nicht berücksichtigten ersparten Eigenaufwendungen der Geschädigten in Höhe von 10 % der Mietkosten hat das Amtsgericht Meißen mit seinem Urteil vom 02.11.2007 zurückgewiesen.

So weit das LG Dresden, dass gegen dieses Urteil die Revision zugelassen hat. Die Begründung hierfür lautet:

Die Revision war nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zuzulassen, da obergerichtlich – soweit er­sichtlich – noch nicht entschieden ist, ob für die Frage der Zugänglichkeit eines (wesentlich) günstigeren „Normaltarifes“ auch auf eine zeitlich nach dem Anmietzeitpunkt gelegte und kor­rigierte Mietwagenrechnung abgestellt werden kann.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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