OLG Düsseldorf bestätigt Urteil des LG Wuppertal auf Nutzungsausfallentschädigung für 334 Tage (Az.: I-1 U 14/09 vom 17.11.2009)

Mit Entscheidung vom 17.11.2009 (I-1 U 14/09) wurde die Berufung des Schädigers bzw. der beklagten Versicherung gegend das Urteil des Landgericht Wuppertal (3 O 111/08 vom 22.12.2008) durch das Oberlandesgericht Düsseldorf zurückgewiesen.  Obwohl die eintrittspflichtige Versicherung von der wirtschaftlichen Lage des Klägers vorab informiert war, wurde die Schadensregulierung monatelang verzögert. Nachdem der Kläger über keine ausreichenden Mittel verfügte, sich für sein verunfalltes Fahrzeug (Totalschaden – WBW 2.200 Euro / RW 500 Euro) ein adäquates Ersatzfahrzeug zu beschaffen, hatte ihm das LG Wuppertal eine Nutzungsausfallzeit von 334 Tagen zugesprochen (12.692 Euro !). Dieses Urteil wurde vom OLG Düsseldorf entsprechend bestätigt.

I-1 U 14/09
3 O 111/08
LG Wuppertal

Oberlandesgericht Düsseldorf

Im Namen des Volkes

Urteil

                                                                                    Verkündet am 17.11.2009

In dem Rechtsstreit

1. des Herrn …

2. der … Versicherungs AG,

Beklagte und Berufungskläger

gegen

Herrn …

Kläger und Berufungsbeklagten

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht … , den Richter am Oberlandesgericht … und die Richterin am Landgericht …  
 
für   R e c h t   erkannt:

 

Die Berufung der Beklagten gegen das am 22. Dezember 2008 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

I.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht die Beklagten zum Ersatz von Nutzungsausfall in dem beantragten Umfang verurteilt. Die mit der Berufung erhobenen Rügen rechtfertigen keine andere Beurteilung.

Im Einzelnen ist noch folgendes auszuführen:

1.
Das Landgericht hat die Höhe des Nutzungsausfalls zutreffend auf der Grundlage der Tabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch auf 38 €/pro Tag geschätzt; die Rückstufung um 2 Gruppen ist angemessen und ausreichend. Der Kläger muss sich insoweit nicht auf geringere Vorhaltekosten verweisen lassen (§ 287 ZPO).

a.
Nach ständiger Senatsrechtsprechung (vgl. etwa Beschluss v. 02.07.2008, 1 W 24/08; Urteil v. 15.10.2007, 1 U 52/07) ist die Heranziehung der durchgehend als praktikabel und angemessen anerkannten Tabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch auch in Fällen geeignet, in denen – wie hier – der Zeitraum, für den Ersatz des Nutzungsausfalls verlangt wird, über den Zeitraum hinausgeht, in dem üblicherweise Ersatzfahrzeuge angemietet werden. Es findet sich kein schadensrechtlicher Grund, für den darüber hinausgehenden Zeitraum eine andere Berechnungsmethode zu wählen bzw. die Höhe des Nutzungsausfallschadens anders zu bewerten. Der dem Geschädigten entstehende Nutzungsfall ist für die gesamte Zeit des Unfalls gleichbleibend.

b.
Soweit die Beklagten rügen, dass die so bemessene Nutzungsausfallentschädigung, verglichen mit dem niedrigen Wiederbeschaffungswert des beschädigten Fahrzeuges unverhältnismäßig hoch sei und damit der Zuspruch zu einer übermäßigen Bereicherung des Klägers führe, ist das unzutreffend. Denn auf die Relation des Nutzungsausfallschadens zu dem Wiederbeschaffungswert des beschädigten Fahrzeuges kommt es hier nicht an. Entscheidend ist allein der Gebrauchsvorteil, welchen der Geschädigte aus der Nutzung des Fahrzeuges hätte ziehen können. Nach den vorliegenden Unterlagen (Gutachten und Fotos) ist nicht ersichtlich, dass das Fahrzeug des Klägers nicht mehr dem in der Tabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch zugrunde gelegten Nutzungswert von täglich 38 € entsprochen hat. Insofern ist davon auszugehen, dass der Nutzungswert des Fahrzeugs des Klägers diesem Tabellenwert entsprach.

Dass letztlich der Nutzungsausfallschaden die zugesprochene Höhe erreicht hat, ist allein von der beklagten Versicherung zu vertreten. Sie hatte es in der Hand, durch eine entsprechende Vorschussleistung den – nach seinen Angaben – finanziell unvermögenden Kläger in die Lage zu versetzen, ein Ersatzfahrzeug zu beschaffen. Hierzu hätte ein Betrag von 1.500 € genügt.

2.
Eine Verletzung seiner Schadensminderungspflicht kann dem Kläger nicht vorgehalten werden.

a.
Der Kläger hat unstreitig mit Schreiben vom 10. Januar 2007 die beklagte Versicherung schriftlich darüber informiert, zur Ersatzbeschaffung finanziell nicht in der Lage zu sein. Zu weitergehenden Angaben war er – jedenfalls von sich aus – nicht verpflichtet. Es ist insofern das Risiko der ersatzpflichtigen Versicherung, wie sie mit dem Risiko umgeht, auf einen (sich im nachfolgenden Rechtsstreit dann erweislich) finanziell unvermögenden Geschädigten zu treffen. Der Geschädigte hat jedenfalls Anspruch auf sofortigen Ersatz. Insofern hat der Schädiger auch die Nachteile zu ersetzen, die daraus herrühren, dass der Schaden mangels sofortiger Ersatzleistung nicht gleich beseitigt worden ist und sich dadurch vergrößert.

Insofern hat das Landgericht auch zutreffend festgestellt, dass der Kläger tatsächlich nicht in der Lage war, ohne die Ersatzleistung der beklagten Versicherung die Ersatzbeschaffung vorzunehmen. Angesichts seiner von ihm offengelegten finanziellen Verhältnisse war er zudem nicht verpflichtet bzw. in der Lage, in Vorlage zu treten oder einen Kredit aufzunehmen. Eine solche Pflicht, die ohnehin nur unter besonderen Umständen angenommen werden kann (Senat, U. v. 29.10.2001, 1 U 211/00), entfiel hier bereits deshalb, weil der Kläger ein lediglich geringes freies Einkommen monatlich besaß; ihm war – ungeachtet der Möglichkeit einer weiteren Kreditaufnahme – eine solche Kreditaufnahme schon nicht zumutbar.

Soweit die Beklagten weiter einwenden, dass es letztlich nicht sein könne, dass ein Geschädigter mit schlichtem Zuwarten über ein Jahr eine ungewöhnlich hohe Nutzungsausfallentschädigung erziele, verkennt sie, dass sie über das finanzielle Unvermögen des Klägers bereits durch dessen Schreiben vom 10.01.2007 informiert war. Damit war sie aber hinreichend über das Risiko einer Schadensvergrößerung bei verzögerter Regulierung informiert; sie hätte dieses Risiko durch geeignete Maßnahmen ohne weiteres begrenzen können.

b.
Soweit die Beklagten weiter bestreiten, dass sich der Sohn des Klägers mit der Beklagten zu 2. telefonisch mehrfach in Verbindung gesetzt und darauf hingewiesen habe, auf die Überweisung des Wiederbeschaffungswertes angewiesen zu sein, da derartige Angaben jedenfalls nicht protokolliert worden seien, kommt es darauf nicht an. Selbst wenn diese Anrufe – entgegen den Feststellungen des Landgerichts – nicht stattgefunden haben, so war doch die Beklagte zu 2. durch das Schreiben des Klägers vom 10.01.2007 bereits hinlänglich informiert. Der Kläger ist im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht grundsätzlich nicht darauf verwiesen, solche bereits erteilten Hinweise zu wiederholen oder zu verstärken.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Es bestand kein Anlass, die Revision zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 21 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 12.692 € festgesetzt.

____________

Hier noch die Entscheidung des LG Wuppertal:

3 O 111/08                                                      Verkündet am: 22.12.2008

Landgericht Wuppertal

Im Namen des Volkes

Urteil

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 13.591,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.04.2008 zu zahlen.

Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagten aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 16.12.2006 in … ereignet hat.

Die grundsätzliche Haftung der Beklagten aus dem Unfallgeschehen ist zwischen den Parteien unstreitig.

Der Kläger macht gegen die Beklagten nunmehr noch eine Nutzungsausfallsentschädigung in Höhe von 12.692,- € sowie den Ersatz ihm vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten in Höhe von 899,40 € geltend.

Das Fahrzeug des Klägers erlitt bei dem Unfallgeschehen einen Totalschaden. Der von dem Sachverständigen beauftragte Kläger bezifferte in seinem Gutachten vom 29.12.2006, wegen dessen genauen Inhalts auf die Anlage zur Klageerwiderung, Bl. 23ff GA, Bezug genommen wird, den Wiederbeschaffungswert auf 2.200,- €, den Restwert des verunfallten PKW auf 500,- € und setzte die normale Wiederbeschaffungsdauer mit 12 Kalendertagen an.

Das verunfallte Fahrzeug, ein PKW … , war erstmals am 06.04.1987 zum Straßenverkehr zugelassen worden.

Die Beklagte zu 2. erstattete dem Kläger den von ihm geltend gemachten Schaden mit Ausnahme der Nutzungsausfallentschädigung unter dem 12.11.2007.

Inwieweit die Beklagte zu 2 in der Zwischenzeit von dem Kläger darüber informiert worden war, dass er aus eigenen Mitteln kein Ersatzfahrzeug anschaffen könne, ist zwischen den Parteien streitig.

Der Kläger erwarb – nach seinem Vortrag: am 15.11.2007; laut des von ihm vorgelegten Kaufvertrages, wegen dessen genauen Inhalts auf die Anlage zum Protokoll vom 01.12.2008, Bl. 95 GA, verwiesen wird: am 20.11.2007 – als Ersatzfahrzeug einen gebrauchten … zu einem Kaufpreis von 1.500,- €.

Er beansprucht daher Nutzungsausfallentschädigung für den Zeitraum vom 16.12.2006 bis zum 15.11.2007; mithin für 334 Kalendertage, die er auf 38,- € pro Tag beziffert.

An vorgerichtlichen Anwaltskosten zahlte der Kläger nach einem Gegenstandswert von 12.692,- € einen Betrag in Höhe von 899,40 €.

Der Kläger behauptet, die Beklagte zu 2 sei von ihm mehrfach darauf hingewiesen worden, dass er dringend ein Ersatzfahrzeug benötige und zu dessen Anschaffung auf die Überweisung des Wiederbeschaffungswertes angewiesen sei. Aus eigenen finanziellen Mitteln habe er diese nicht tätigen können; selbst die Aufnahme eines Verbraucherkredites sei ihm finanziell nicht zumutbar gewesen. Wegen der Einzelheiten der Darlegung des Klägers zu seiner finanziellen Situation wird auf die Ausführungen in den Schriftsätzen vom 07.09. und 23.10.2008 nebst den entsprechenden Anlagen Bezug genommen.

Das verunfallte Fahrzeuge habe er vor dem Unfall seinem in … wohnhaften Sohn zur Verfügung gestellt gehabt, der dieses insbesondere für die Fahrten zur Arbeitsstelle im … (Grenze …/…) benötigt habe. In der Zeit, als kein Ersatzfahrzeug vorhanden gewesen sei, habe dieser sich anderweitig, beispielsweise durch Ausleihen von PKWs von Bekannten, behelfen oder den Weg zur Arbeitsstelle mit dem Fahrrad zurücklegen müssen, wofür er pro Strecke etwa 2 Stunden benötigt habe.

Der Kläger beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreiten mit Nichtwissen, dass der Kläger den Kaufpreis für den Erwerb eines Ersatzfahrzeugs nicht habe aus eigenen Mitteln bestreiten können. Jedenfalls habe er einen Verbraucherkredit aufnehmen müssen.

Zudem hätte der Kläger sie nach ihrer Ansicht auf die Entstehung eines ungewöhnlich hohen Schadens hinweisen müssen.

Eine Nutzungsausfallsentschädigung von 38 €/Tag sei jedenfalls angesichts des Alters des Fahrzeugs weit übersetzt und seien allenfalls die Vorhaltekosten in einem Bereich von 5 – 10 € zu ersetzen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen … . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 1.12.2008, Bl. 92ff GA, verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Ersatz des ihm entstandenen Nutzungsausfalls aus §§ 7, 18 StVG, 823 BGB, 3 Nr. 1 PflVG, 17 StVG, wobei die Beklagten gemäß §§ 426 BGB, 3 Nr. 2 PflVG als Gesamtschuldner haften.

Dass die Beklagten dem Kläger dem Grunde nach aus dem Unfallereignis zu 100 % 25 haften, ist zwischen den Parteien unstreitig.

Der Geschädigte aus einem Verkehrsunfall hat grundsätzlich für die Dauer, in welcher er sein Fahrzeug nicht nutzen kann, einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung aus § 251 Abs. 1 BGB. Der unfallbedingte Ausfall eines Kraftfahrzeugs stellt nach ständiger Rechtsprechung einen wirtschaftlichen Schaden dar, weil die ständige Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs als geldwerter Vorteil anzusehen ist. Dies gilt auch dann, wenn das Fahrzeug vor dem Unfallereignis in der Art und Weise genutzt worden ist, dass der Geschädigte es einem Dritten dauerhaft zur Nutzung überlassen hat.

Anspruchsvoraussetzung ist neben einer hypothetischen Nutzungsmöglichkeit auch ein entsprechender Nutzungswille des Geschädigten.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger vor dem Unfall das Fahrzeug in der Art und Weise genutzt hat, dass er es seinem Sohn zur dauerhaften Nutzung überlassen hatte, insbesondere für dessen Wege zur Arbeitsstelle. Der Sohn des Klägers hatte auch nach dem Unfall neben der hypothetischen Nutzungsmöglichkeit einen entsprechenden Nutzungswillen. Er hat widerspruchsfrei und detailgenau bekundet, das Fahrzeug vor dem Unfall insbesondere für die Fahrt hin und zurück zu seiner Arbeitsstelle im … und auch für alle anderen anfallenden Fahrten genutzt zu haben. Diese Nutzung wollte er auch so nach dem Unfallereignis fortsetzen und war mangels der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit darauf angewiesen, sich anderweitig zu behelfen, so durch Fahrten mit dem Fahrrad oder durch Ausleihe von Fahrzeugen von dritten Personen. Dass er sich anderweitig beholfen hat, steht dem Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung nicht entgegen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.08.2007, I – 1 U 258/06).

Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen hegt das Gericht auch in Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich hierbei um den Sohn des Klägers handelt, nicht.

Den damit entstandenen Anspruch auf Nutzungsausfallsentschädigung schätzt das Gericht nach § 287 ZPO auf den von dem Kläger geltend gemachten Betrag in Höhe von insgesamt 12.692,- €.

Der Kläger kann von den Beklagten Nutzungsentschädigung für den Zeitraum zwischen dem Unfallereignis und der Ersatzanschaffung des neuen Fahrzeugs, wie geltend gemacht für 334 Kalendertage, verlangen.

Die Höhe des täglichen Nutzungsausfalls kann anhand der Tabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch auf 38,- €/Tag geschätzt werden. Das Fahrzeug des Klägers ist insoweit in Gruppe F einzustufen; aufgrund des erheblichen Alters des Fahrzeugs erscheint eine Rückstufung um zwei Gruppen in Gruppe D angemessen.

Soweit die Beklagten einwenden, aufgrund des Alters des Fahrzeugs seien insoweit allenfalls die Vorhaltekosten zu ersetzen, ist dem nicht zu folgen. Dem Alter des Fahrzeugs wird gerade durch die Herabstufung um zwei Gruppen Rechnung getragen. Aus Gründen der Praktikabilität und der gleichmäßigen Handhabung typischer Fälle auch bei älteren Fahrzeugen erscheint es vielmehr angemessen, auch hier eine Bewertung nach der Tabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch vorzunehmen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 25.01.2005, VI ZR 112/04). Dies gilt umso mehr, als sich das verunfallte Fahrzeuge nach den Ausführungen in dem Privatgutachten in einem guten Erhaltungszustand befand.

Anlass, aufgrund der langen Dauer des Nutzungsausfalls die Tabelle zur Bewertung des dadurch entstandenen Schadens heranzuziehen, besteht ebenfalls nicht. Die Höhe des mit den – in der Tabelle um z.B. Vermietergewinn, Verwaltungskosten und ersparte Eigenbetriebskosten bereinigten – Mietsätzen pauschalisierten täglichen Nutzungsausfallschadens ändert sich nämlich nicht durch eine – für den Geschädigten oftmals überhaupt nicht vorhersehbare und insbesondere etwa im Falle finanziellen Unvermögens nicht etwa durch einen frühzeitigen Erwerb eines Ersatzfahrzeugs beeinflussbare – Überschreitung des üblichen Zeitraums. Dem Geschädigten steht nach Ablauf des üblichen Zeitraums für eine Ersatzbeschaffung sein Fahrzeug in gleicher Weise nicht zur Verfügung wie in der Zeit davor (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.07.2008, I – 1 W 24/08).

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dem Kläger auch kein Verstoß gegen Schadensminderungspflichten gemäß § 254 Abs. 2 BGB anzulasten.

Zum einen kann ihm nicht vorgeworfen werden, sich nicht zeitnah ein Ersatzfahrzeug angeschafft zu haben. Der Kläger hat, nachdem die Beklaget zu 2. ihm den Wiederbeschaffungswert ersetzt hat, unverzüglich ein Ersatzfahrzeug angekauft. Zu einer Vorfinanzierung der Ersatzanschaffung war er nicht verpflichtet, auch nicht zu einer Kreditaufnahme. Es ist nämlich grundsätzlich Sache des Schädigers, die vom Geschädigten zu veranlassende Schadensbeseitigung zu finanzieren. Der Geschädigte hat Anspruch auf sofortigen Ersatz und ist nicht verpflichtet, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder zur Vermeidung von Folgeschäden einen Kredit aufzunehmen. Der Schädiger hat grundsätzlich auch die Nachteile zu ersetzen, die daraus herrühren, dass der Schaden mangels sofortiger Ersatzleistung nicht gleich beseitigt worden ist und sich dadurch vergrößert hat (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.08.2007, I – 1 U 258/06).

Dem Kläger war auch nicht zuzumuten, einen Kredit aufzunehmen.

Eine Pflicht des Geschädigten, zur Schadensbeseitigung einen Kredit aufzunehmen, besteht ohnehin nur unter besonderen Voraussetzungen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.01.2007, I – 1 U 151/06). Der Einsatz eigener Mittel oder die Aufnahme eines Kredites ist dem Geschädigten hierbei allenfalls dann zuzumuten, wenn dies ohne Einschränkung der gewohnten Lebensführung möglich ist (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 68. A., § 254 Rz 44). Im übrigen bleibt es das Risiko des Schädigers, wenn er auf einen Geschädigten trifft, der finanziell nicht in der Lage ist, die zur Ersatzbeschaffung notwendigen Mittel vorzustrecken und sich hierdurch der Zeitraum des Nutzungsausfalls und der Umfang des damit einhergehenden Schadens vergrößert.

Der Kläger hat nachvollziehbar und unter Vorlage geeigneter Belege dargelegt, dass er ohnehin monatlich nach Abzug aller bereits bestehenden Verbindlichkeiten nur über ein relativ geringes freies Einkommen zur Finanzierung des täglichen Lebensbedarfs verfügt. Soweit die Beklagten zunächst eingewendet haben, die dargelegten Belastungen bestünden teilweise offensichtlich nicht monatlich, sondern quartalsweise, haben sie diesen Einwand nach dem weiteren Vortrag des Klägers mit Schriftsatz vom 23.10.2008 nicht aufrecht erhalten. Die vorgelegten Belege sind demgegenüber nachvollziehbar und stützen den Vortrag des Klägers.

Ein Mitverschulden des Klägers ist zum anderen auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass er es etwa unterlassen habe, die Beklagten auf die Entstehung eines ungewöhnlich großen Schaden hinzuweisen, anspruchsmindernd zu berücksichtigen.

Zum einen lag es in der Hand der Beklagten selbst, zur Abwendung eines gegebenenfalls entstehenden größeren Schadens den dem Kläger entstandenen Sachschaden alsbald, ggf. durch Leistung einer Vorschusszahlung, zu regulieren.

Zudem trägt die Beweislast für ein Mitverschulden des Geschädigten grundsätzlich der Schädiger. Beweis für ihre Behauptung, von dem Kläger nie auf die Entstehung eines ungewöhnlich hohen Schadens hingewiesen worden zu sein, haben die Beklagten indes nicht angetreten. Demgegenüber hat der Kläger vorgetragen, bereits mit Schrieben vom 10.01.2007 die Beklagte zu 2. darüber in Kenntnis gesetzt zu haben, zur Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs auf die Überweisung des Wiederbeschaffungswertes abzgl. Restwert angewiesen zu sein und dass auch sein Sohn sich mehrfach telefonisch diesbezüglich an die Beklagte zu 2. gewandt habe, was dieser in seiner Vernehmung auch so bestätigt hat.

Der Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten folgt aus §§ 286, 280 BGB.

Der von dem Kläger geltend gemachte Zinsanspruch ist begründet aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 12.692,- € festgesetzt.

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6 Antworten zu OLG Düsseldorf bestätigt Urteil des LG Wuppertal auf Nutzungsausfallentschädigung für 334 Tage (Az.: I-1 U 14/09 vom 17.11.2009)

  1. SV Wehpke sagt:

    Es war an der Zeit einmal eindeutig Stellung zu beziehen und die Assekuranzen darauf hinzuweisen, dass sie für ihre Regulierungsmätzchen auch einstehen müssen. Nun werden wir sehen, ob den diese Lektion auch verstanden wurde. Ein bemerkenswertes Urteil.

    Wehpke Berlin

  2. Willi Wacker sagt:

    Hallo Hans Dampf,
    wer nicht rechtzeitig Schadensersatz leistet, muss eben reichlich blechen.
    Wer war denn die eintrittspflichtige Kfz-Versicherung? So was von Unwirtschaftlichkeit kann eigentlich nur aus Coburg kommen.
    Mit freundlichen Grüßen
    Willi Wacker

  3. RA Uterwedde, Leipzig sagt:

    ach, mir sind da noch einige andere kandidaten persönlich bekannt. z.b.

    1. die DBV: http://www.captain-huk.de/urteile/das-lg-leipzig-mit-einem-urteil-zur-nutzungsausfallentschaedigung-189-tage-als-belohnung-fuer-die-zoegerliche-regulierung-der-dbv-winterthur/ oder

    2. die VHV: http://www.captain-huk.de/urteile/olg-dresden-az-7-u-31310-vom-30-06-2010-nutzungsausfallentschaedigung-fuer-642-tage/

    der zweite fall liegt mit nichtzulassungsbeschwerde beim BGH, weil das OLG ab dem 31. tag nur noch die vorhaltekosten zugesprochen (geschätzt) hat.

  4. Willi Wacker sagt:

    Hallo Herr Kollege,
    Danke für die Hinweise.
    Sie berichten bitte über den Fortgang des zweiten Verfahrens.
    MfkG
    Willi Wacker

  5. joachim otting sagt:

    Sowas gibt’s schon: BGH Urteil vom 25.1.05, VI ZR 112/04

    „Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht nicht verkannt, daß eine Schadensschätzung auf der Grundlage der Tabellen von Sanden/Danner/Küppersbusch eine zwar mögliche, aber keine verbindliche Methode der Schadensermittlung ist. Aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils geht hervor, daß das Berufungsgericht sich seines Ermessens sehr wohl bewußt war. Es hat nämlich im einzelnen dargelegt, weshalb es vorliegend eine Schadensermittlung anhand der Tabellen trotz der wegen der Dauer des Nutzungsausfalls und des Alters des Fahrzeugs gegebenen Besonderheiten für sachgerecht erachtet. Einer weitergehenden Darlegung bedurfte es nicht. Die Heranziehung der Tabellen läßt vorliegend keinen Rechtsfehler erkennen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist der Tatrichter auch bei älteren Fahrzeugen nicht gehalten, in jedem Einzelfall bei der Beurteilung der entgangenen Gebrauchsvorteile eine aufwendige Berechnung anzustellen. Vielmehr darf er im Rahmen des ihm nach § 287 ZPO bei der Schadensschätzung eingeräumten Ermessens aus Gründen der Praktikabilität und der gleichmäßigen Handhabung typischer Fälle auch bei älteren Fahrzeugen mit den in der Praxis anerkannten Tabellen arbeiten. Einer Schadensschätzung auf der Grundlage der Tabellen von Sander/Danner/Küppersbusch steht vorliegend auch nicht die lange Dauer des Nutzungsausfalls entgegen. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht auch insoweit die Grundsätze der Schadensermittlung gemäß § 287 ZPO nicht verkannt. Es ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Höhe der Nutzungsausfallentschädigung nicht etwa schematisch durch den Wert des Fahrzeugs begrenzt ist. Nach den von der Revision nicht angegriffenen tatrichterlichen Feststellungen bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, daß sich die Gebrauchsvorteile, die dem Kläger durch die Beschädigung seines Fahrzeugs täglich entgangen sind, während der Zeit des Nutzungsausfalls vermindert hätten.“

    Aber nicht zu früh freuen: Wer genau hingeschaut hat, hat gelesen: Der Richter darf das so machen, er muss es aber nicht. Da ist er nämlich mal wieder gemäß § 287 ZPO besonders freigestellt. Und so wird es m. E. enden.

  6. Dr.Marc Mewes sagt:

    Stefan Arnold, Zur Überprüfung tatrichterlicher Ermessensspielräume in der Berufung, ZZP 2013, 63-81

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