OLG Hamm urteilt bei einem Unfall mit einem Nachzügler im Kreuzungsbereich mit interessanter Begründung (OLG Hamm Berufungsurteil vom 26.8.2016 – 7 U 22/16 -).

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

zum Wochenende stellen wir Euch hier ein Berufungsurteil des 7. Zivilsenates des OLG Hamm zur Haftungsfrage bei einem Verkehrsunfall an einer Ampelkreuzung in Essen vor. Es handelt sich um einen Verkehrsunfall, bei dem ein sogenannter Nachzügler, der verkehrsbedingt im Kreuzungsbereich zum Stehen kam und beim Verlassen der Kreuzung mit einem anderen Kraftfahrzeug kollidierte. Die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung regulierte nur unzureichend, so dass der Geschädigte gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen musste. Das in erster Instanz zuständige Landgericht Essen nahm eine Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zu Lasten der Beklagten an. Die dagegen eingelegte Berufung hatte insoweit Erfolg, als der Zivilsenat lediglich die Betriebsgefahr berücksichtigte. Lest selbst das interessante Berufungsurteil des OLG Hamm und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.  

Viele Grüße und noch einen schönen Sonnabend
Willi Wacker

Oberlandesgericht Hamm

Im Namen des Volkes

Urteil

7 U 22/16                                                                                             Verkündet am 26.08.2016
20 O 155/13 LG Essen

In dem Rechtsstreit

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 10.02.2016 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 20. Zivilkammer des Landgerichts Essen unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 4.623,41 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 02.07.2013 zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin weitere 443,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.08.2013 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 25 % und den Beklagten gesamtschuldnerisch zu 75 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

(abgekürzt gemäß §§ 313 a Abs. 1, 540 Abs. 2 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO)

I.

Die Klägerin verlangt von den Beklagten restlichen Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich am 27.03.2013 in Essen auf der Ampelkreuzung Gladbecker Straße/Grillostraße ereignet hat. Die Beklagte zu 1) hat die Schäden unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 2/3 zu Lasten der Beklagten teilweise reguliert. Mit der Klage verlangt die Klägerin den vollen Ausgleich der geltend gemachten Schäden.

Der Ehemann der Klägerin, der Zeuge Y., befuhr mit dem klägerischen Fahrzeug die Gladbecker Straße in Richtung Innenstadt. Im Kreuzungsbereich Gladbeckerstraße/ Grillostraße kam es zur Kollision mit dem bei der Beklagten zu 1) versicherten und im Unfallzeitpunkt von der Beklagten zu 2) gesteuerten Fahrzeug des Beklagten zu 3). Die Beklagte zu 2) war zuvor auf der Grillostraße von Westen kommend in die Kreuzung eingefahren, dort aber zunächst aufgrund eines Rückstaus der gegenüberliegenden Linksabbiegerspur verkehrsbedingt zum Stehen gekommen. Als die Beklagte zu 2) ihr Fahrzeug wieder in Bewegung setzte und die Kreuzung passieren wollte, kam es zur Kollision mit dem Klägerfahrzeug. Wegen des erstinstanzlich vorgetragenen Sachverhalts im Übrigen und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (Bl. 234-245 der Akten) verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage nach Anhörung der Beklagten zu 2) und Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen Y., N., X., T. und B. sowie Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin treffe eine Mithaftung von 1/3, da der Zeuge Y. gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot aus §§ 1 Abs. 2, 11 Abs. 3 StVO verstoßen habe, indem er mit fliegendem Start in die Kreuzung eingefahren sei, ohne sich zuvor davon überzeugt zu haben, dass die Kreuzung von bevorrechtigtem Querverkehr frei sei. Auf Seiten der Beklagten hat das Landgericht einen Verstoß gegen § 1 StVO angenommen. Die Beklagte zu 2) sei zwar gegenüber dem anlaufenden Querverkehr bevorrechtigt gewesen, dies habe sie jedoch nicht von der ihr nach § 1 StVO obliegenden Sorgfaltspflichten befreit. Aufgrund des Grünlichts des Querverkehrs habe sie nur vorsichtig einbiegen und nicht blindlings darauf vertrauen dürfen, dass sie vorgelassen werde. Unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 2/3 zu 1/3 zu Lasten der Beklagten habe die Beklagte zu 1) den ersatzfähigen Schaden vollumfänglich reguliert. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie rügt, das Landgericht sei zu Unrecht von einem Verstoß des Zeugen Y. gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot aus §§ 1 Abs. 2, 11 Abs. 3 StVO ausgegangen. Insoweit greift die Klägerin die Beweiswürdigung des Landgerichts an. Die Beweisaufnahme, so die Ansicht der Klägerin, habe ergeben, dass vor dem Zeugen Y. bereits mehrere Fahrzeuge die Kreuzung passiert hätten. Die Beklagte zu 2) habe ihre Fahrt, ohne auf den Zeugen Y. zu achten, mit starker Beschleunigung fortgesetzt und es sei zu der Kollision der Fahrzeuge gekommen. Aufgrund dieses eklatanten Verstoßes der Beklagten zu 2) sei von einem Alleinverschulden der Beklagten auszugehen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 10.02.2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Essen – 20 O 155/13 – wie folgt zu erkennen:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 5.099,02 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 02.07.2013 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.640,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.08.2013 zu zahlen.

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 185,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 02.07.2013 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Der Senat hat die Beklagte zu 2) ergänzend persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses dieser Anhörung wird auf den Berichterstattervermerk vom 26.08.2016 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 2 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG in Höhe von 4.623,41 € und weiteren 443,67 €.

a) Der streitgegenständliche Verkehrsunfall, bei dem das unstreitig im Eigentum der Klägerin stehende Fahrzeug beschädigt wurde, hat sich zweifellos beim Betrieb der beteiligten Kraftfahrzeuge ereignet, § 7 Abs. 1 StVG. Höhere Gewalt im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG liegt nicht vor.

b) Es kann nicht festgestellt werden, dass es sich bei dem Unfall für einen der beiden Kraftfahrzeugführer um ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG gehandelt hat. Unabwendbar ist ein Ereignis, das auch bei der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte (vgl. BGH, NZV 2005, 305; OLG Koblenz, NZV 2006, 201; Heß in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Auflage, § 17 StVG Rn. 8). Abzustellen ist insoweit auf das Verhalten des sog. „Idealfahrers“ (vgl. König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage, § 17 StVG Rn. 22). Dabei kommt es nicht nur darauf an, wie ein „Idealfahrer“ unter Anwendung der äußersten möglichen Sorgfalt in der konkreten Gefahrensituation reagiert hätte, sondern auch darauf, ob ein „Idealfahrer“ unter Anwendung der äußersten möglichen Sorgfalt überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre (vgl. BGH, NJW 1992, 1684; OLG Koblenz, NZV 2006, 201; Heß in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Auflage, § 17 StVG Rn. 8). Die Beklagten machen bereits nicht geltend, dass der Unfall für die Beklagte zu 2) unabwendbar gewesen sei, sondern haben die Schäden der Klägerin nach einer Quote von 1/3 zu 2/3 zu Lasten der Beklagten reguliert. Die Klägerin hingegen vermochte den ihr obliegenden Beweis der Unabwendbarkeit des Unfalls für den Zeugen Y. nicht zu führen. Der Zeuge Y. hat selbst ausgesagt, den Rückstau des Linksabbiegerverkehrs von der Grillostraße auf die Gladbecker Straße erkannt zu haben, als er in den Kreuzungsbereich gefahren sei. Der sog. „Idealfahrer“ im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG hätte in dieser Situation an mögliche „Nachzügler“ in der Kreuzung gedacht und seine Fahrweise entsprechend angepasst.

c) Die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie deren Umfang hängen nach § 17 Abs. 1 und 2 StVG von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Die danach gebotene Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge ist aufgrund aller festgestellten, d.h. unstreitigen, zugestandenen oder nach § 286 ZPO bewiesenen Umstände des Einzelfalles vorzunehmen, soweit diese sich auf den Unfall ausgewirkt haben; in erster Linie ist hierbei das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung (ständige Rechtsprechung BGH, NJW 2016, 1100; NJW 2014, 3097; NJW 2012, 1953 jeweils mit weiteren Nachweisen; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage, § 17 StVG Rn. 22). Die nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze durchgeführte Abwägung führt vorliegend zu einer Alleinverantwortlichkeit der Beklagten zu 2) in Bezug auf die Unfallverursachung.

aa) Die Beklagte zu 2) hat den Unfall dadurch verursacht, dass sie als sog. „echter Nachzügler“ den Kreuzungsbereich geräumt hat, ohne sich vorher zu vergewissern, dass eine Kollision mit dem von dem Zeugen Y. gesteuerten klägerischen Fahrzeug ausgeschlossen war. Insoweit ist der Beklagten zu 2) ein erheblicher schuldhafter Verstoß gegen die ihr gemäß § 1 Abs. 2 StVO obliegende Sorgfaltspflicht vorzuwerfen. Ein Verstoß gegen § 37 Abs. 2 Nr. 1 S. 7 StVO oder § 11 Abs. 1 StVO steht hingegen nicht fest.

(1) Zu Lasten der Beklagten ist zwar nicht von einem Vorfahrtsverstoß auszugehen, allerdings steht nach der durchgeführten Beweisaufnahme fest, dass die Beklagte zu 2) in erheblichem Ausmaß gegen die ihr als sog. (echten) „Nachzügler“ gemäß § 1 Abs. 2 StVO obliegenden Pflichten verstoßen hat.

(a) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht einen Vorfahrtsverstoß der Beklagten zu 2) verneint. Zwar hat derjenige, der bei Grün die Haltelinie und die für ihn maßgebliche Ampel passiert hat, dann aber zum Stehen gekommen ist, bevor er die Fluchtlinien der Gehwegkanten passiert hat, nach Umschalten der Ampel dem einsetzenden Querverkehr als sog. „unechter Nachzügler“ den Vorrang einzuräumen (vgl. OLG Hamm, NZV 2005, 411; OLG Koblenz, NZV 1998, 465; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage, § 37 StVO Rn. 17). Die Klägerin hat aber den Beweis, dass es sich bei der Beklagten zu 2) um einen sog. „unechten Nachzügler“ handelte, nicht erbracht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Beklagte zu 2) die Fluchtlinie zum Kreuzungsbereich bereits überfahren hatte, als sie verkehrsbedingt zum Stehen kam. Insbesondere die erstinstanzlich vernommenen Zeugen X. und T. vermochten den Standort des Beklagtenfahrzeugs auf der Kreuzung genau zu beschreiben. Unter Bezugnahme auf ein von den Örtlichkeiten bei Google Maps ausgedrucktes Luftbild (Bl. 125 der Akten) haben sie übereinstimmend angegeben, die Beklagte zu 2) sei hinter der zweiten gestrichelten Linie zum Stehen gekommen. Den vom Sachverständigen A im erstinstanzlichen Verhandlungstermin vom 20.01.2016 überreichten ergänzenden gutachterlichen Unterlagen, die die möglichen Positionen des Beklagtenfahrzeugs und dessen Fahrzeugfront im Kreuzungsbereich abbilden (Anlage 1 bis Anlage 3), ist in Zusammenschau mit den Aussagen der Zeugen X. und T. zu entnehmen, dass die Beklagte zu 2) mit ihrem Fahrzeug die Fluchtlinie der Kreuzung bereits überfahren hatte, als sie zum Stehen kam. Bestätigt wird dieses Ergebnis zudem durch die Aussage des Zeugen X., die Fahrzeuge aus der Gegenrichtung des klägerischen Fahrzeuges hätten in Geradeausfahrt um das Beklagtenfahrzeug herumfahren müssen.

(b) Allerdings ist der Beklagten zu 2) ein erheblicher schuldhafter Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO anzulasten.

Wer im Kreuzungsbereich zunächst aufgehalten worden ist und diesen dann als sog. „Nachzügler“ gegenüber dem Querverkehr bevorrechtigt räumen darf, kann nicht blindlings darauf vertrauen, dass er vorgelassen wird (vgl. OLG Düsseldorf, OLGR Düsseldorf 1993, 258). Vielmehr hat er den Kreuzungsbereich vorsichtig, unter sorgfältiger Beachtung des einsetzenden Gegen- oder Querverkehrs mit Vorrang zu verlassen (vgl. BGH, NJW 1977, 1394; OLG Köln, NZV 2012, 276; OLG Düsseldorf, OLGR Düsseldorf 1993, 258; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage, § 37 StVG Rn. 19). Dabei erhöhen sich die Anforderungen an die Aufmerksamkeit des Kreuzungsräumers mit seiner Verweildauer im Kreuzungsbereich: Je länger er sich nach seiner Einfahrt bei grünem Ampellicht im Kreuzungsbereich aufhält, desto eher muss er mit einem Phasenwechsel und anfahrendem Querverkehr rechnen (vgl. KG Berlin, DAR 2003, 516; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage, § 37 StVG Rn. 19) und berücksichtigen, dass der übrige Verkehr aus seinem Verhalten schließen kann, er werde nicht weiterfahren (vgl. KG Berlin, ZfSch 2009, 77). Er darf dann nicht an- oder weiterfahren, wenn er sich nicht vergewissert hat, dass eine Kollision mit einfahrenden Fahrzeugen ausgeschlossen ist (vgl. BGH, NJW 1971, 1407; KG Berlin, ZfSch 2009, 77; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage, § 37 StVG Rn. 19).

Der Senat geht auf der Grundlage der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme und der ergänzend getroffenen Feststellungen von folgendem Sachverhalt aus:

Die Beklagte zu 2) fuhr bei Grünlicht als erstes Fahrzeug in die Kreuzung ein, kam dann aber aufgrund eines Rückstaus des Linksabbiegerverkehrs von der Grillostraße auf die Gladbecker Straße hinter der Fluchtlinie zunächst zum Stehen. Nachdem sie mit ihrem Fahrzeug mindestens 40 Sekunden im Kreuzungsbereich gestanden hatte, fuhr die Beklagte zu 2), ohne auf den Zeugen Y. zu achten, zügig los, als sich zwischen ihrem Fahrzeug und dem herannahenden Klägerfahrzeug eine Lücke auftat. Zu diesem Zeitpunkt zeigte die Lichtzeichenanlage für die Fahrbahn der Beklagten zu 2) bereits seit mindestens 23 Sekunden Rot, der Zeuge Y. hatte bereits mindestens 19 Sekunden Grünlicht. Ca. 50 bis 70 Meter vor dem Fahrzeug des Zeugen Y. hatte bereits ein anderes Fahrzeug in gleicher Fahrtrichtung die Kreuzung passiert.

Diese Feststellungen beruhen im Wesentlichen auf den glaubhaften Aussagen der Zeugen N., X., T. und B., den Ausführungen des Sachverständigen A. sowie dem dem Gutachten als Anlage beigefügten Ampelphasenplan für die hier in Rede stehende Kreuzung Grillostraße/ Gladbecker Straße. Nach dem Ampelphasenplan zeigte die Ampel für die Beklagte zu 2) (Signalgruppe FV 3) nach Beginn der Grünphase 17 Sekunden später wieder Rotlicht. Vier Sekunden, nachdem die Beklagte zu 2) Rotlicht erhalten hatte, zeigte die Ampel für die Fahrtrichtung des klägerischen Fahrzeuges (Signalgruppe FV 2) Grünlicht. Erst 19 Sekunden später erhielten auch der Geradeausverkehr der Gladbecker Straße in Gegenrichtung zum klägerischen Fahrzeug (Signalgruppe FV 4) Grünlicht. Die obigen Angaben stimmen mit den Ausführungen des Sachverständigen A überein. In Einklang mit den Angaben der Zeugen N., X., T. und B. hat die Beklagte zu 2) im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung angegeben, als erstes Fahrzeug bei Grün in die Kreuzung eingefahren zu sein, dann aber wegen eines Rückstaus auf der Linksabbiegerspur an der Weiterfahrt gehindert worden zu sein. Die Angaben der Beklagten zu 2) differieren allerdings insoweit von den Zeugenaussagen, als die Beklagte zu 2) nur von einem Fahrzeug in der Linksabbiegerspur berichtete. Aus den glaubhaften Aussagen der Zeugen N., X., T. und Y. folgt weiter, dass der Geradeausverkehr der Gladbecker Straße bereits in beide Fahrtrichtungen Grünlicht hatte und Fahrzeuge beider Fahrtrichtung die Beklagte zu 2) passiert hatten, bevor diese anfuhr. So haben die Zeugen N., X. und T. bekundet, noch während die Beklagte zu 2) in der Kreuzung stand, habe der Geradeausverkehr der klägerischen Fahrtrichtung der Gladbecker Straße Grünlicht erhalten. Circa 50 bis 70 Meter vor dem klägerischen Fahrzeug habe, so die Angaben der Zeugen Y., N. und X., zumindest ein anderes Fahrzeug die Kreuzung passiert. Noch bevor die Beklagte zu 2) losfuhr, erhielt nach den Bekundungen der Zeugen T. und X. der Geradeausverkehr der Gladbecker Straße in Gegenrichtung zum klägerischen Fahrzeug Grünlicht. Der Zeuge X. vermochte insoweit zu konkretisieren, dass der Geradeausverkehr aus der Gladbecker Straße Richtung Norden um das Beklagtenfahrzeug habe herumfahren müssen, um geradeaus weiterfahren zu können. Aus dem Vorgenannten folgt, dass die Beklagte zu 2) während ihrer gesamten Grünphase in der Kreuzung verweilte (17 Sekunden) zuzüglich der Zeitdauer, bis beide Geradeausfahrtrichtungen der Gladbecker Straße Grünlicht hatten (4 Sekunden bis zum Grünlicht der Fahrtrichtung des klägerischen Fahrzeuges + 19 Sekunden bis zum Grünlicht Geradeausverkehr der Gladbecker Straße in Richtung Norden). Bevor die Beklagte zu 2) anfuhr, verweilte sie mithin mindestens 40 Sekunden in der Kreuzung.

Aufgrund dieser langen Verweildauer war die Beklagte zu 2) zu erhöhter Aufmerksamkeit verpflichtet. Hiergegen hat die Beklagte zu 2) in erheblichem Ausmaß verstoßen, indem sie plötzlich zügig losfuhr, ohne auf das herannahende Klägerfahrzeug zu achten und es infolge dessen zur Kollision der Fahrzeuge kam. Die Beklagte zu 2) hat im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung insoweit selbst eingeräumt, den Zeugen Y. vor der Kollision nicht wahrgenommen zu haben. Die Zeugen N. und X. haben bestätigt, die Beklagte zu 2) sei losgefahren, als sich zwischen ihrem und dem Klägerfahrzeug eine große Lücke aufgetan habe, wobei der Zeuge X. in Übereinstimmung mit den Angaben der Zeugin B. die Fahrweise der Beklagten dahingehend präzisiert hat, dass diese sehr zügig angefahren sei.

(2) Ein Verstoß der Beklagten zu 2) gegen § 37 Abs. 2 Nr. 1 S. 7 StVO ist nicht feststellbar. Nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Landgerichts, die in der Rechtsmittelinstanz auch von keiner Partei angegriffen worden sind, ist ein Rotlichtverstoß nicht bewiesen; vielmehr ist die Beklagte zu 2) bei Grünlicht in die Kreuzung eingefahren.

(3) Ein Verstoß der Beklagten zu 2) gegen § 11 Abs. 1 StVO ist nicht zu berücksichtigen. Ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 StVO ist nur dann zu bejahen, wenn der Kraftfahrer bei Grünlicht in die Kreuzung einfährt, obwohl er erkennt, dass er diese nicht rechtszeitig wieder verlassen kann (vgl. König in Hentschel/König Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage, § 11 StVO 8). Zwar war die Kreuzung bei Einfahrt der Beklagten zu 2) durch die Linksabbieger aus der Gegenrichtung blockiert. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass für die Beklagte zu 2) bereits bei ihrer Einfahrt in die Kreuzung erkennbar war, dass sich dieser Rückstau nicht so rechtzeitig auflösen würde, dass sie die Kreuzung noch während ihrer Grünphase ungehindert würde passieren können. Die Beklagte zu 2) hat im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung insoweit angegeben, die hier maßgebliche Kreuzung sei ihr gut bekannt. Es sei üblich, dass sich noch Linksabbieger im Kreuzungsbereich befänden, der Rückstau habe sich aber sonst immer aufgelöst. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte zu 2) am Unfalltag davon ausgehen musste, dass die Räumungsphase der Linksabbieger diesmal so lange dauern würde, dass ihr ein rechtzeitiges Verlassen der Kreuzung nicht mehr möglich sein würde, liegen nicht vor.

bb) Zu Lasten der Klägerin ist hingegen im Abwägungsverhältnis kein unfallursächliches Verschulden zu berücksichtigen. Ein Verursachungsbeitrag des Zeugen Y. in Form eines Verstoßes gegen §§ 1 Abs. 2, 11 Abs. 3 StVO wegen der Nichtbeachtung des sog. „Nachzüglervorrechts“ ist zu verneinen.

Verkehrsteilnehmer, für die durch grünes Licht der Verkehr freigegeben ist (§ 37 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 StVO), brauchen zwar im allgemeinen nicht damit zu rechnen, dass Fahrzeuge von der Seite her unerlaubterweise in die Kreuzung einfahren (vgl. BGH, NJW 1977, 1394). Nach dem Vertrauensgrundsatz kann sich ein Verkehrsteilnehmer daher in der Regel darauf verlassen, dass er bei Grünlicht gegen seitlichen Verkehr abgeschirmt ist (vgl. BGH, NJW 1971, 742; Bayerisches Oberstes Landesgericht, DAR 1967, 333). Allerdings befreit das ihm zustehende Vorfahrtsrecht grundsätzlich nicht von der Verpflichtung, auf Nachzügler, also auf Teilnehmer des Querverkehrs, Rücksicht zu nehmen, die, als für sie noch grün galt, berechtigt in die Kreuzung eingefahren waren, sie aber nicht mehr rechtzeitig verlassen konnten (vgl. BGH, NJW 1971, 1407; NJW 1977, 1394). Diesen Nachzüglern ist, um Stauungen zu vermeiden, zunächst die Möglichkeit zu geben, die Kreuzung zu räumen (sog. „Nachzüglervorrang“) (vgl. BGH, NJW 1971, 1407; NJW 1977, 1394; OLG Köln, NZV 2012, 276; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage, § 37 StVO Rn. 17). Je weiter der Farbwechsel auf Grün aber zurückliegt, umso mehr darf der bei Grün An- oder Durchfahrende auf eine freie Kreuzung ohne weitere Verkehrsteilnehmer aus dem Querverkehr der vorhergehenden Phase vertrauen (vgl. OLG Köln, NZV 2012, 276; MDR 1995, 153).

Da sich die Kollision – wie dargestellt – ereignete, nachdem der Geradeausverkehr in Gegenrichtung des klägerischen Fahrzeugs auf der Gladbecker Straße bereits Grünlicht hatte, steht fest, dass die Ampel für den Zeugen Y. über 19 Sekunden Grün zeigte, bevor er in die Kreuzung einfuhr. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Beklagte zu 2) bereits Fahrzeuge des Querverkehrs in beide Richtungen passiert: zum einen das vor dem Kläger fahrende Kraftfahrzeug, zum anderen der Geradeausverkehr auf der Gladbecker Straße in Gegenrichtung des klägerischen Fahrzeuges. In dieser Situation musste der Zeuge Y. nicht mehr mit Nachzüglern aus dem Querverkehr rechnen. Nachdem die Ampel in seine Fahrtrichtung bereits über 19 Sekunden Grün zeigte und die Einfahrt in den Kreuzungsbereich aus seiner Sicht frei war, durfte der Zeuge Y. vielmehr auf freie Durchfahrt der Kreuzung ohne weitere Verkehrsteilnehmer aus dem Querverkehr der vorhergehenden Phase vertrauen.

Dass der Zeuge Y. bei Grünlicht, ohne anzuhalten, in die Kreuzung eingefahren ist, führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Zwar ist das Hineinfahren in eine unübersichtliche Kreuzung mit „fliegendem Start“ nur erlaubt, wenn sich der Einfahrende zuvor überzeugt hat, dass die Kreuzung von bevorrechtigtem Querverkehr frei ist; dabei muss er vollen Überblick über den Kreuzungsbereich haben und diesen zuverlässig als frei erkennen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 1967 – 4 StR 382/67 -, juris; OLG Hamm, Schaden-Praxis 2002, 407; ZfSch 2005, 432; OLG Köln, NZV 2012, 276; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage, § 37 StVO Rn. 18). Ein „fliegender Start“ liegt dabei dann vor, wenn ein Verkehrsteilnehmer aus dem rückwärts liegenden Verkehrsraum im Augenblick des Umschaltens der Ampel auf Grün oder unmittelbar danach mit einer Geschwindigkeit, die vorher nicht herabgesetzt oder sogar erhöht wird, in die Kreuzung einfährt (vgl. BGH, Urteil vom 20.12.1967 – 4 StR 382/67 -, juris; KG, DAR 2003, 516; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage, § 37 Rn. 18). Ein „fliegender Start“ im vorgenannten Sinn ist aber vorliegend nicht gegeben. Der Zeuge Y. ist – wie dargelegt – nicht beim Umschalten der Ampel oder unmittelbar danach in den Kreuzungsbereich eingefahren, sondern eine geraume Zeit später.

cc) Nach alledem ist bei der Haftungsabwägung auf Seiten der Klägerin nur die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeuges zu berücksichtigen. Dass den Zeugen Y. ein Verschulden an dem Unfall trifft, ist – wie ausgeführt – nicht festzustellen. Demgegenüber ist der Beklagten zu 2) vorzuhalten, erheblich gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht aus § 1 Abs. 2 StVO verstoßen zu haben. Wegen ihres langen Aufenthalts im Kreuzungsbereich war die Beklagte zu 2) gehalten, eine Gefährdung des Querverkehrs auszuschließen. Sie durfte nicht (mehr) auf ihren Nachzüglerstatus vertrauen, sondern hatte nunmehr den Vorrang zu gewähren (vgl. auch KG, Beschluss vom 12.05.2011 – 22 U 40/11 -, BeckRS 2011, 25735). Dieses Verschulden der Beklagten zu 2) wiegt so schwer, dass dahinter die Betriebsgefahr des Klägerfahrzeuges vollständig zurücktritt.

d) Der Höhe nach kann die Klägerin über die bereits erfolgte Regulierung hinaus als ersatzfähigen Schaden noch einen Betrag von 4.623,41 € für den geltend gemachten Fahrzeugschaden nebst Sachverständigengebühren und Nebenkostenpauschale verlangen (Antrag zu Ziffer 1.) sowie einen weiteren Betrag von 443,67 € (Antrag zu Ziffer 2.) für die Kosten der Sicherstellung, Standgebühren, Verwaltungsgebühren und Nutzungsausfall.

aa) Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass bei der hier vorgenommenen (zulässigen) fiktiven Berechnung auf Gutachtenbasis trotz tatsächlicher Ersatzbeschaffung der Geschädigte seiner Schadensberechnung nur den Nettowiederbeschaffungswert zu Grunde legen kann (vgl. BGH, VersR 2009, 516; OLG Hamm, Urteil vom 19.02.2010 – 9 U 147/09 -, juris). Ist in dem vom Sachverständigen ermittelten Wiederbeschaffungswert Umsatzsteuer (Regelumsatzsteuer gem. § 10 UStG oder die Differenzsteuer im Sinne des § 25 a UStG) enthalten, ist diese abzuziehen, weil der Geschädigte diese nur beanspruchen kann, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist, § 249 Abs. 2 S. 2 BGB (vgl. OLG Köln, Schaden-Praxis 2014, 47). Die Schadensberechnung unter Zugrundelegung des Nettowiederbeschaffungswertes hat die Klägerin mit der Berufung auch nicht angegriffen. Auf den danach ersatzfähigen Schaden in Höhe von insgesamt 13.870,23 € (Nettowiederbeschaffungswert in Höhe von 19.024,39 € abzüglich tatsächlich erlangten Restwerts in Höhe von 6.650,00 € zuzüglich allgemeine Kostenpauschale in Höhe von 25,00 € und Sachverständigenkosten in Höhe von 1.470,84 €) hat die Beklagte zu 1) Zahlungen in Höhe von 9.246,82 € erbracht, so dass ein noch zu zahlender Betrag von 4.623,41 € verbleibt.

bb) Als weitere Schadenspositionen macht die Klägerin folgende Kosten geltend:

– Sicherstellung des Fahrzeuges 85,58 €

– Standgebühren 219,37 €

– Verwaltungsgebühr Polizei 123,00 €

– Nutzungsausfall für 49 Tage 2.107,00 €

Die Beklagte zu 1) hat bei der Berechnung der ersatzfähigen Standgebühren und des Nutzungsausfalls jeweils nur einen Zeitraum von 24 Tagen zugrunde gelegt und die oben aufgeführten geltend gemachten Schäden auf dieser Basis unter Berücksichtigung einer Mithaftungsquote der Klägerin von 1/3 erstattet. Unter Abzug der von der Beklagten zu 1) geleisteten Zahlungen verbleibt der klageweise geltend gemachte Betrag in Höhe von 1.640,93 €.

Die Klägerin kann von den Beklagten gemäß § 249 Abs. 2 BGB die Zahlung weiterer 443,67 € für die oben aufgeführten Schadenspositionen verlangen; ein weitergehender Ersatzanspruch steht ihr nicht zu.

Die geltend gemachten Standgebühren sind lediglich für einen Zeitraum von 24 Tagen zu erstatten. Zwar handelt es sich bei den Unterstellkosten grundsätzlich um einen ersatzfähigen Schaden, dies aber nur insoweit, als sie erforderlich sind. Sie dürfen daher nur für den Zeitraum beansprucht werden, der für die Prüfung der Art der zu wählenden Schadensbeseitigung erforderlich ist (vgl. Knerr in Geigel, Der Haftpflichtprozess, 27. Auflage, Kapitel 3 Rn. 105). Der Senat erachtet nach § 287 ZPO insoweit einen Zeitraum von 24 Tagen für erforderlich, aber auch ausreichend.

Zum geltend gemachten Nutzungsausfall hat das Landgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt, die Klägerin könne keinen Nutzungsausfall für mehr als 24 Tage geltend machen. Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung besteht für die Dauer einer notwendigen Reparatur oder Wiederbeschaffung zuzüglich der Zeit für die Schadensfeststellung und ggf. einer angemessenen Überlegungszeit (vgl. BGH, VersR 2013, 471; Knerr in Geigel, Der Haftpflichtprozess, 27. Auflage, Kapitel 3 Rn. 105). Rechnet der Geschädigte seinen Schaden – wie hier – fiktiv ab, kommt es dabei nur auf die objektiv erforderliche Wiederherstellungsdauer an (vgl. BGH, MDR 2003, 1414; OLG Hamburg, OLGR 2005, 131; Jahnke in Burmann/Heß/Hühnermann Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Auflage 2016, BGB § 249 Rn. 195 a).

Die Beklagte zu 1) hat für einen Zeitraum von 24 Tagen eine Nutzungsausfallentschädigung gezahlt. Ein darüber hinausgehender Zeitraum war zur Wiederherstellung, wie das Landgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, nicht objektiv erforderlich. Das nicht angegriffene Privatgutachten weist eine Wiederbeschaffungsdauer von 10 bis 12 Tagen aus. Hinzuzurechnen ist der Zeitraum für die Erstellung des Gutachtens und eine angemessene Überlegungsfrist. Die objektiv erforderliche Wiederherstellungsdauer schätzt der Senat auf der Grundlage der obigen Ausführungen nach § 287 ZPO auf nicht mehr als 24 Tage.

Demnach ergibt sich ein ersatzfähiger Schaden von insgesamt 1.331,02 € (85,58 € Sicherstellungskosten, 90,44 € Standgebühr, 123,00 € Verwaltungsgebühr und 1.032,00 € Nutzungsausfall). Auf die Sicherstellungskosten, Standgebühren und die Verwaltungsgebühr hat die Beklagte zu 1) ausweislich ihres Schreibens vom 26.07.2013 Zahlungen von insgesamt 199,35 € geleistet. Die Abweichung von dem im Schreiben vom 26.07.2013 ausgewiesenen Betrag erklärt sich dadurch, dass die anteilige Zuzahlung für den Krankenwagen, die vorliegend nicht geltend gemacht wird, herauszurechnen war. Auf den geltend gemachten Nutzungsausfall hat die Beklagte zu 1) bereits 688,00 € gezahlt. Unter Abzug der getätigten Zahlungen verbleibt der ausgeurteilte Betrag von 443,67 €.

2. Der Zinsanspruch ergibt sich jeweils aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.

3. Ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß § 249 Abs. 2 BGB besteht nicht. Die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind durch den Rechtsschutzversicherer gezahlt worden, so dass der Erstattungsanspruch gemäß § 86 VVG in dieser Höhe auf den Rechtsschutzversicherer übergegangen ist und die Klägerin mangels Aktivlegitimation zu einer gerichtlichen Geltendmachung im eigenen Namen nur berechtigt ist, wenn sie von dem Rechtsschutzversicherer hierzu im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft zur Zahlung an sich ermächtigt worden wäre (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 11.11.2010 – 12 U 33/10 -, BeckRS 2010, 29953). Eine derartige Ermächtigung vermochte der Klägervertreter aber nicht vorzulegen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 S. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO bestehen nicht.

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