OLG Schleswig erhöht Schmerzensgeld wegen der nicht nachvollziehbaren hartnäckigen Verweigerungshaltung der Beklagten um 10.000 Euro.

Die Richter des 7. Zivilsenates des OLG Schleswig-Holstein in Schleswig hatten von dem Regulierungsverhalten der Schädiger auch die Nase gestrichen voll. In dem Urteil vom 23.2.2011 – 7 U 106/09 – haben sie den Schädigern allesamt hinter die Ohren geschrieben, dass sie das an den Tag gelegte Regulierungsverhalten nicht mehr tolerieren. Als Konsequenz auf das hartnäckige nicht nachvollziehbare Regulierungsverhalten, nämlich bei eindeutiger Haftung als Gesamtschuldner, bisher keinen angemessenen Abschlag auf den  doch erheblichen Gesamtschaden aus Vermögensschaden und immateriellem Schaden geleistet zu haben. Aus dem Grunde hat der Senat das mit 60.000 € angemessene Schmerzensgeld um weitere 10.000 € erhöht. Wer eben nicht rechtzeitig Schadensersatz leisten will, muss am Ende drauf zahlen. So einfach ist das. Hoffentlich reagieren noch mehr Gerichte nach dieser Methode. Da das Urteil mehr was mit der Regulierung der immateriellen (Körper-) Schäden des Unfallopfers zu tun hat, gebe ich den überwiegenden Teil des umfangreichen Urteils gekürzt wieder und den letzten entscheidenden Absatz wortwörtlich. Lest selbst und gebt Eure Meinung möglichst vielfältig ab.

OLG Schleswig

– 7 U 106/09 –                                                          23.2.2011

(auszugsweise):

Eine an einem nordrhein-westfälischen Gericht tätige Richterin ging am Freitag vor dem Pfingstwochenende 2004 am Strand spazieren. An diesem Pfingstwochenende veranstaltete der Yachtclub St. Peter-Ording die alljährlich stattfindende Wettfahrt mit Strandseglern um den „Junghans-Carbon-Cup“. Zu dieser Wettfahrt waren vereinsangehörige Strandsegler, aber auch auswärtige und nicht dem Yachtclub angehörige Strandsegler zugelassen.

Einer der auswärtigen Strandsegler unternahm am Tag vor der Regatta eine Erkundungsfahrt mit seinem Strandsegler, um das Revier und die Regattastrecke zu erkunden. Während dieser Erkundungsfahrt erfasste der Strandsegler die Spaziergängerin. Sie wurde von dem Strandsegler mit dem von ihm gelenkten Strandsegelwagen von hinten umgefahren. Sie erlitt durch die Kollision mit dem Strandsegler schwerste Verletzungen an den Beinen. Es wurden an beiden Beinen offene Unterschenkelbrüche diagnostiziert. Nur durch mehrere Operationen in der Folgezeit konnten die Beine gerettet werden. Bei dem Unfallopfer verbleiben eine lebenslange Gehbehinderung und entstellende Narben. Als Richterin ist sie allerdings wieder voll berufstätig.
Das Unfallopfer nahm den Strandsegler, die Gemeinde St. Peter-Ording und den örtlichen Yachtclub auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch. Nunmehr hat der 7. Zivilsenat des OLG Schleswig entschieden, dass der Klägerin neben dem Anspruch auf Ausgleich der Vermögensschäden auch ein Schmerzensgeldanspruch von 70.000 € zusteht. Dabei hat der erkennende Senat die Argumentation des beklagten Fahrers des den Unfall verursachenden Strandsegelwagens zurückgewiesen. Dieser hatte nämlich vorgetragen, der von ihm gelenkte Strandsegelwagen sei plötzlich nicht mehr lenkbar gewesen. Ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger hat nämlich festgestellt, dass die Lenkung des Strandseglers auch nach dem Unfall noch funktionierte. Das Fahrzeug ließ sich nach den Feststellungen des Sachverständigen nach dem Unfallzeitpunkt über das Bugrad einwandfrei lenken. Auch ein sonstiger plötzlich eingetretener Schaden an dem Strandseglerwagen wurde nicht festgestellt.

Die Spaziergängerin traf auch kein Mitverschulden am Zustandekommen des Strandunfalles. Kein Strandspaziergänger, der im Rahmen des Gemeingebrauchs den Strand nutzt, muss ständig auf der Hut vor Strandseglern sein. Vielmehr ist es umgekehrt Sache des sondernutzenden Strandseglers, erhöhte Rücksicht auf Spaziergänger zu nehmen. Auch die Tatsache, dass im räumlichen Bereich der Unfallstelle ein vereinzeltes Hinweisschild vorhanden war, dem nach seiner äußeren Gestaltung und Größe eine ebenfalls beschränkte, zudem noch unklare Warnfunktion zukam, vermag ein Mitverschulden der Spaziergängerin nicht zu begründen.

Vielmehr haften der Strandsegler zusammen mit der Gemeinde St. Peter-Ording und dem örtlichen Yachtclub, weil sie ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt haben. Der örtliche Yachtclub, dem die Gemeinde St. Peter-Ording aufgrund eines Vertrages das Strandsegeln – allerdings nur für die Mitglieder des Clubs – erlaubt hatte, wäre verpflichtet gewesen, bereits am Vortag des Wettkampfes die Regattastrecke zum Schutz der übrigen Strandnutzer abzusichern. Denn nach den Feststellungen des Gerichts war dem Yachtclub bekannt, dass gerade die auswärtigen Wettkampfteilnehmer, die das Revier und die Strecke nicht kannten, sogenannte Erkundungsfahrten unternehmen würden, um sich mit dem Revier und der Regattastrecke vertraut zu machen. Die Gemeinde St. Peter-Ording durfte sich nicht darauf verlassen, dass der Yachtclub die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen selbst treffen würde. Der Gemeinde oblag eine Überwachungs- und Kontrollpflicht. Diese hat sie verletzt.

Als angemessenes Schmerzensgeld sieht der erkennende Senat einen Betrag von 60.000 € an, der allerdings um weitere 10.000 € zu erhöhen ist wegen der nicht nachvollziehbaren hartnäckigen Verweigerungshaltung der drei Beklagten, die bis zur Entscheidung des Gerichtes  noch nicht einmal einen kleinen Schmerzensgeldabschlag an das Unfallopfer gezahlt hatten. (Unterstreichungen durch den Verfasser) Auf diesen letzten Abschnitt des Urteils kommt es aber an.

Nun Eure Meinung? Wäre es nicht sinnvoll bei jeder unnötig verzögerten Schadensregulierung ein „Schmerzensgeld“ für den Geschädigten durch das Gericht auszusprechen? Denn dann ist der Geschädigte auch gleichzeitig ein Unfallopfer der Kfz-Haftpflichtversicherer!

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7 Antworten zu OLG Schleswig erhöht Schmerzensgeld wegen der nicht nachvollziehbaren hartnäckigen Verweigerungshaltung der Beklagten um 10.000 Euro.

  1. RAMP sagt:

    Sehr schönes Urteil,allerdings ist dies durchaus usus.

    Von mir gern zitiert:

    OLG München Urteil vom 13.08.2010 Az 10 U 3928/09 :

    „Der 10. Zivilsenat des OLG München bewertet grundsätzlich ein zögerliches/kleinliches Regulierungsverhalten schmerzensgelderhöhend, verlangt aber wie auch die übrige Rechtsprechung, dass es sich um ein vorwerfbares oder jedenfalls nicht nachvollziehbares Verhalten handelt, welches sich u. a. in unangemessen niedrigen vorprozessualen Leistungen niederschlägt. (vgl. etwa OLG Nürnberg zfs 1995, 452; VersR 1998, 731 [732] mit unzutreffender Kritik von Küppersbusch Rz. 277 Fn. 29; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 07.01.1999 – 12 U 7/98; OLG Köln NJW-RR 2002, 962 [963]: Zahlung eines „lächerlich geringen Betrages“; OLG Naumburg VersR 2002, 1569 = NZV 2002, 459“

  2. Andreas sagt:

    Richtig so!

    Viele Grüße

    Andreas

  3. Besserwisser sagt:

    Richtig so!
    Wer nicht rechtzeitig zahlen will, muss eben hinterher nachzahlen!
    Das ist schon bei Bus und Bahn (Trambahn, U-Bahn und Eisenbahn)so!
    Dann gebührt dem Opfer auch tatsächlich ein „Verzögerungsschmerzensgeld“
    Ab 4 Wochen Nichtregulierung müsste das dann auch bei Sachschäden gezahlt werden.

  4. Willi Wacker sagt:

    Hallo Besserwisser,
    Sie haben mit Ihrem Vergleich durchaus recht. Man kann tatsächlich die Versicherer als Schwarzfahrer im Schadensregulierungsverkehr betrachten. Wie im richtigen Leben, in dem der Schwarzfahrer, der nicht rechtzeitig sein Ticket zieht und entwertet, Nachentgelt entrichten muss, so muss der Schädiger oder sein Versicherer im Schadensregulierungsverkehr, wenn er nicht rechtzeitig die Regulierung vornimmt, eben nachzahlen. Richtig so. Das Nachentgelt bei der Versicherung kann nicht hoch genug sein. Das hat nämlich erzieherische Wirkung! Eben: Wer nicht rechtzeitig zahlen (sprich: regulieren!) will, der muss eben deftig nachzahlen!! Solche Urteile, wie das des OLG Schleswig, müssen einer viel breiteren Leserschaft bekanntgegeben werden. Am besten bei Panorama zum 50. Geburtstag. Andere Magazine, wie Report oder Monitor, gehen auch. Wer macht es?

  5. Onkel Paul sagt:

    richtig so. Bei meiner Enkelin hatte ich mahnend mit dem Zeigefonger gewarnt, wer nicht hören will, muß fühlen! Das war früher auch schon so. Wurde mir auch schon so erkärt. Also auch schon bei den Kleinkindern ist es so. Und die Versicherungen? Man könnte doch davon ausgehen, dass die erwachsen sind. Erwachsen gleich verständig. Aber weit gefehlt. Die sind ja noch schlimmer wie die Kleinkinder. Die Kleinkinder hören spätestens beim zweiten Mal, weil das Fühlen dann empfindlich wird. Und die Versicherungen? Die wollen eine verunglückte Beamtin mit schwersten Verletzungen erst einmal ohne Schmerzensgeldzahlungen da stehen lassen. Praktisch im Regen stehen lassen. Ich finde, eine derartige Unverfrorenheit der Versicherungen hätte durch die OLG-Richter viel schärfer bestraft werden müssen. Die Versicherungen sitzen auf dem Geld und lassen das Opfer ohne angemessene Abschlagszahlungen. Pfui Teufel. So etwas macht man nicht. Eigentlich hätte der Strandsegler noch wegen gefährlicher Körperverletzung eine kräftige Strafe zahlen müssen. Ebenso der Gemeindedirektor, weil das Gelände nicht ordentlich abgesperrt war. Aber statt Abschlagszahlungen zu leisten, kann man ja besser Sex-Partys feiern und dann auch noch diese Kosten als Betriebsausgaben gewinn- und einkommensteuermindernd absetzen, letztlich zu Lasten der gesamten Steuerzahler. Der Ruf der Versicherungen in Deutschland ist doch hin. Da sollte der Präsident des Gesamtverbandes mal klare Worte finden. Die Idee mit dem öffentlichen Darstellen – und dann noch verbunden mit den Ausgaben für Lustpartys – wäre nicht schlecht.

  6. Tante Emma sagt:

    Lieber Onkel Paul,
    wie Recht Du wieder hast. Das, was die HMI-Versicherung sich geleistet hat, hätte es zu unserer Zeit nicht gegeben. Da wurden die Versichertengelder beieinander gehalten. Da wurden zwar Glaspaläste gebaut, aber so was wie Sex-Partys in Budapest hat es nicht gegeben. Was sagt denn Herr Hoenen als Präsident des GDV, praktisch als oberster Chef der Versicherungswirtschaft? Nee, nee, das Vertrauen in die Versicherungen ist dahin. Wer weiß, was noch alles heraus kommt, was jetzt noch unter der Decke schlummert?
    Eine schöne neue Welt wünscht Dir
    Deine Verwandte

  7. hexe sagt:

    Unglaublich, aber wahr, wer schuldlos einen Unfall erleidet muß trotz Klage mit Zeitverzögerungen der Regulierung rechnen.
    Beim Verkehrsunfalltag 2012 in Goslar kommentiert unser aller Bundespräsident die Forderung nach Entschädigung von Hinterbliebenen getöteter Unfallopfer mit: „erweiterter menschlicher Dimension des Rechts“….und genau diese erweiterte menschliche Dimension wurde und wird mißachtet, untergraben und zerlegt von den Verzögerungstaktiken der Versicherer…..was ist aus den Gründungs-Gedanken unserer Verfassung geworden, wenn Rechtsanwälte, Staatsanwälte etc.erstmal Tätigkeiten finanziell abgesichert sehen wollen bevor sie Einsatz zeigen, insbesondere wenn die Geschädigten bereits finanziell ruiniert sind…..

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