Wochenendserie zum Dritten: AG Frankfurt am Main verurteilt am 3.9.2015 – 29 C 1964/14 (81) – erneut die HUK-COBURG Allg. Vers. AG zur Zahlung vorgerichtlich gekürzter Sachverständigenkosten.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,

wir setzen unsere Wochenendserie mit Urteilen des AG Frankfurt am Main gegen die HUK-COBURG fort und veröffentlichen heute das dritte Urteil aus Frankfurt am Main zu den Sachverständigenkosten gegen die HUK-COBURG Allgemeine Versicherung AG. Die HUK-COBURG kürzt den Schadensersatzanspruch des Geschädigten unvermindert weiter, obwohl bereits mehrere Urteile – allein durch das erkennende Amtsgericht Frankfurt – und bundesweit vermutlich rund zehntausend Urteile gegen sie ergangen sind. Ein derartiges Verhalten nennt man Beratungsresistenz. Ob sich das auf Dauer eine Versicherung leisten kann, gegen Gesetz und Recht zu regulieren, wagen wir zu bezweifeln. Irgendwann werden die Versicherten ihr mit Austritten das rechtswidrige Kürzungsverhalten quittieren. Lest selbst die neuerliche, gegen die HUK-COBURG Allgemeine Versicherung AG ergangene Entscheidung. Es handelt sich unseres Erachtens wieder um eine positive Entscheidung, die allerdings den Mangel der prozentualen Verhältnismäßigkeit gemäß der Rechtsprechung des Landgerichts Frankfurt aufweist. Lest selbst und gebt bitte Eure Meinungen ab.

Viele Grüße und für diejenigen, die es mögen, ein fröhliches Helau und Alaaf
Willi Wacker

Amtsgericht Frankfurt am Main
Aktenzeichen: 29 C 1964/14 (81)

Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit

Klägerin

gegen

HUK Coburg Allgemeine Versicherung AG vertr. d. Vorstand, Lyoner Str. 10, 60524 Frankfurt am Main

Beklagte

hat das Amtsgericht Frankfurt am Main – Abteilung 29 – durch die Richterin H. gemäß § 495a ZPO im schriftlichen Verfahren nach der Lage der Akten am 03.09.2015 für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 143,96 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 07.03.2014 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 48,39 % und die Beklagte zu 51,61 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 313a Abs. 1, 511 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

I.  Da die Voraussetzungen hierfür vorlagen, konnte das Gericht nach § 495a ZPO ein Endurteil erlassen.

II. Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht Frankfurt am Main ist gemäß § 23 Nr. 1 GVG sachlich und gemäß § 20 StVG örtlich zuständig.

III. Die Klage ist – soweit über sie noch nach teilweiser Zurücknahme der Klage zu entscheiden war – überwiegend begründet.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der weiteren Kosten für die Erstellung des Sachverständigengutachtens in Höhe vpn EUR 143,96 gemäß §§18 Abs. 1 und Abs. 3, 17 StVG, 249 BGB.

a) Unstreitig war die Beklagte als Fahrerin des Fahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen … gegenüber der Klägerin verpflichtet, dem Grunde nach zu 100% für deren Schäden aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall einzustehen. Dazu zählen auch die Kosten für die Erstellung des Schadensgutachtens, da dessen Vorliegen Voraussetzung für die Wiederherstellung ist. Dieses Gutachten hat der Sachverständige … auf den Auftrag der Klägerin hin ordnungsgemäß erstellt.

Die Klägerin hat ausweislich der vorgelegten Abtretungserklärung vom 14.02.2014 (Bl. 81 der Akte) ihren Anspruch gemäß § 398 BGB an das von ihr mit der Begutachtung des Schadens beauftragte Sachverständigenbüro … abgetreten. Dieses hat seinerseits die Forderung an die Klägerin gemäß § 398 ZPO aufgrund der vollständigen Zahlung der Kosten für die Erstellung des Sachverständigengutachtens zurückabgetreten.

b) Mit ihrem Einwand, das von dem Sachverständigenbüro für die Gutachtenerstellung gegenüber der Klägerin in Rechnung gestellte Grundhonorar sei weder ortsüblich noch angemessen und die geltend gemachten Nebenkosten seien überhöht, keinen Erfolg.

Unstreitig hat das Sachverständigenbüro seine Vergütung pauschal gemäß der mit dem Geschädigten getroffenen Honorarvereinbarung – also nicht nach Zeitaufwand – abgerechnet. Ohnehin kommt es auf die Frage der Üblichkeit des Honorars i.S.d. § 632 BGB und damit auf die Frage, ob als Schätzgrundlage die BVSK-Honorarbefragung, eine Pauschale im Verhältnis zur Höhe der Reparaturkosten oder ein Zeithonorar zugrunde zu legen ist und ob und in welcher Höhe Nebenkosten abrechenbar sind, nicht entscheidungserheblich an: Maßgeblich ist allein, ob diese Kosten aus der ex-ante Sicht des Geschädigten „erforderlich“ i.S.d. § 249 BGB waren. Denn nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Schädiger den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen.

Der Geschädigte kann vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.2007 – VI ZR 67/06 – zit. nach juris; BGH, Urteil, vom 15.02.2005 – VI ZR 70/04 -, zit. nach juris). Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Dabei ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.2007 – VI ZR 67/06, zit. nach juris; BGH, Urteil, vom 15.02.2005 – VI ZR 70/04 -, zit. nach juris). Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2005 – VI ZR 132/04 -, zit. nach juris).

Die Überprüfung der Höhe der Kosten für die Erstellung des Sachverständigengutachtens erfolgt im Prozess über den Anspruch des Geschädigten auf Erstattung der Kosten für die Erstellung des Sachverständigengutachtens gegen den Schädiger nur, wenn dem Geschädigten ein Auswahlverschulden hinsichtlich der Auswahl des Sachverständigen zur Last fällt oder die Grenze der Willkür evident überschritten ist. Anhaltspunkte für ein Auswahlverschulden der Geschädigten sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Dass die berechneten Gutachterkosten eine derartige Höhe erreicht haben, dass bei dem Geschädigten vernünftigerweise Zweifel an der Richtigkeit der Rechnung aufkommen mussten, ist insbesondere unter Berücksichtigung der Aufschlüsselung der angefallenen Kosten im Einzelnen in der Rechnung vom 17.02.2014 nicht erkennbar.

Die Bestimmung des erforderlichen Herstellungsaufwands erfolgt nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände. Hierbei kann der zu ersetzende Schaden auch nach § 287 ZPO geschätzt werden. Unter Anwendung der oben dargelegten Grundsätze hält das Gericht die vorliegend geltend gemachte Sachverständigenvergütung der Höhe nach für „erforderlich“ im Sinne von § 249 BGB. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gibt es verschiedene Möglichkeiten der Schadensschätzung in Fällen wie dem Vorliegenden; etwa diejenige auf Grundlage der BVSK-Honorarbefragung. Allerdings ist auch eine Schätzung im Hinblick auf das Verhältnis von Honorarhöhe zur Schadenshöhe möglich. Denn der in Rechnung gestellte Betrag muss entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nur den Sach- und Zeitaufwand des Sachverständigen widerspiegeln. Der Wert der Sachverständigenleistung kann sich vielmehr auch am Gegenwert für den Auftraggeber orientieren (BGH, Beschluss vom 04.04.2006 – X ZR 80/05 -, zitiert nach juris). Dieser erhält in Fällen wie dem Vorliegenden eine Grundlage, seinen Schaden gegenüber dem Unfallgegner zu realisieren; für eine richtige Ermittlung der Schadenshöhe haftet der Sachverständige. Eine an der Schadenshöhe gemessene Pauschalierung des Honorars begegnet daher nach Auffassung des Gerichts keinen Bedenken (vgl. auch BGH, Urteil vom 23.01.2007 – VI ZR 67/06 -, zitiert nach juris).

Das Landgericht Frankfurt am Main (Urteil vom 05.05.2011 – 2-24 S 186/10 -, zitiert nach beck-online) hat bei einer Schadenshöhe bis EUR 3.000,00 (netto) ein Nettohonorar bis zu 25 % der Schadenshöhe zuzüglich Sachkosten für angemessen erachtet. Vorliegend liegt das in Rechnung gestellte Brutto-Grundhonorar des Sachverständigen bei ca. 24,87 % der festgestellten Netto-Reparaturkosten inkl. Wertminderung. Vor diesem Hintergrund hat das Gericht auch keine Bedenken dahingehend, dass durch das Sachverständigenbüro Nebenkosten gesondert in Ansatz gebracht wurden. Ein Sachverständiger ist in seiner Rechnungserstellung insoweit frei. Zwar handelt es sich in der Sache um Aufwendungen des Werkunternehmers, also des Sachverständigen. Diese sind aber gleichwohl – ebenso wie bei der Herstellung eines anderen Werks – als Teil der Werklohnforderung auf den Kunden umlegbar. Es macht in der Sache keinen Unterschied, ob der Sachverständige diese Punkte in der Rechnung gesondert ausweist oder ob er sie in einer Pauschalsumme „versteckt“. Es spricht grundsätzlich also nichts dagegen, wenn diese Kostenpunkte gesondert neben der geistigen Leistung und dem Risiko der Erfolgshaftung in der Rechnung aufgeführt werden. Das Sachverständigenbüro konnte daher Nebenkosten gesondert in Ansatz bringen. Es bestehen im Einzelnen keine Anhaltspunkte dafür, dass einzelne Kostenpositionen der Klägerin als überhöht hätten auffallen müssen. Dies gilt etwa für die in der Rechnung angesetzten Fotokosten. Zwar ist es möglich, Lichtbilder über das Internet oder in Drogerien günstiger als vom Sachverständigen abgerechnet herstellen zu lassen. Diese Möglichkeiten können aber nicht als Vergleichsmaßstab herangezogen werden. Denn da das Sachverständigenbüro ein nachvollziehbares Interesse daran hat, Qualität und Layout seiner Leistung selbst zu kontrollieren, darf es diese Leistungen auch bei Verursachung höherer Kosten selbst erbringen. Auch bezüglich der Porto- und Telefonkosten des Sachverständigen dürfte aus Sicht der Klägerin – auf die vorliegend abzustellen ist – vorliegend noch kein konkreter Anlass bestanden haben, an der Höhe der einzelnen Position zu zweifeln.

c) Von den Kosten für die Erstellung des Sachverständigengutachtens in Höhe von EUR 533,96 hat die Beklagte bereits EUR 390,00 gezahlt. Die Klägerin hat daher einen Anspruch auf Zahlung des restlichen Betrages in Höhe von EUR 143,96.

2. Der Zinsanspruch ist als Verzugsschaden begründet, §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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1 Antwort zu Wochenendserie zum Dritten: AG Frankfurt am Main verurteilt am 3.9.2015 – 29 C 1964/14 (81) – erneut die HUK-COBURG Allg. Vers. AG zur Zahlung vorgerichtlich gekürzter Sachverständigenkosten.

  1. Loisl sagt:

    Hallo, Willi,

    es ist die Maßlosigkeit und die Dreistigkeit der honorarkürzenden Versicherer, die jetzt auch zunehmend den Gerichten gegen den Strich geht, weil mit dem Gesetz und dem Schadensersatzrecht keineswegs vereinbar. So sind denn auch folgende Passagen der Entscheidungsgründe durchaus verständlich:

    „Mit ihrem Einwand, das von dem Sachverständigenbüro für die Gutachtenerstellung gegenüber der Klägerin in Rechnung gestellte Grundhonorar sei weder ortsüblich noch angemessen und die geltend gemachten Nebenkosten seien überhöht, keinen Erfolg“…….. Genau!

    „Ohnehin kommt es auf die Frage der Üblichkeit des Honorars i.S.d. § 632 BGB und damit auf die Frage, ob als Schätzgrundlage die BVSK-Honorarbefragung, eine Pauschale im Verhältnis zur Höhe der Reparaturkosten oder ein Zeithonorar zugrunde zu legen ist und ob und in welcher Höhe Nebenkosten abrechenbar sind, nicht entscheidungserheblich an: Maßgeblich ist allein, ob diese Kosten aus der ex-ante Sicht des Geschädigten „erforderlich“ i.S.d. § 249 BGB waren. Denn nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Schädiger den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen…….. Genau !

    „Die Überprüfung der Höhe der Kosten für die Erstellung des Sachverständigengutachtens erfolgt im Prozess über den Anspruch des Geschädigten auf Erstattung der Kosten für die Erstellung des Sachverständigengutachtens gegen den Schädiger nur, wenn dem Geschädigten ein Auswahlverschulden hinsichtlich der Auswahl des Sachverständigen zur Last fällt oder die Grenze der Willkür evident überschritten ist“……. Genau!

    „Die Bestimmung des erforderlichen Herstellungsaufwands erfolgt nach einer Gesamtwürdigung
    a l l e r Umstände………“ Genau!!!

    Loisl

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