AG Hannover verurteilt HUK-Coburg zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht mit Urteil vom 28.6.2012 – 428 C 3618/12 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

von Sachsen-Anhalt geht es auf unserer Urteilsreise zurück nach Niedersachsen. Nachstehen gebe ich Euch das Urteil des Amtsrichters der 428. Zivilabteilung des AG Hannover bekannt. Hier versuchte die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung, nachdem sie vorgerichtlich gezahlt hatte, Einwendungen gegen die Rechnung des Sachverständigen zu erheben. Dies nennt man widersprüchliches Verhalten. Folgerichtig hat auch der Amtsrichter die Beklagte darauf hingewiesen. Das ist aber typisch für die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung. Erst einmal dem Unfallopfer Brotkrümel vorwerfen und schauen, ob er anbeißt. Wenn er nicht Klage erhebt, ist der geküzte Betrag bereits vereinnahmt. Wenn wider Erwarten Klage erhoben wird, werden Einwendungen gegen die Höhe der Rechnung erhoben. Entweder beachtet der Richter/ die Richterin die Einwendungen, dann ist es auch gut. Oder aber das Gericht muss sich mit den Einwendungen beschäftigen und verliert auf Dauer die Lust an langatmigen Urteilen, oder die Einwendungen werden – wie im vorliegenden Fall – vom Gericht abgebügelt. Aufgrund der Einwendungen war allerdings der Richter gezwungen, zu den Einzelpositionen der Abrechnung Stellung zu nehmen, wobei er dann auf die BVSK-Honorarbefragung als Messlatte abstellt. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab. Das Urteil wurde erstritten und übermittelt durch Herrn Rechtsanwalt Taube von der Kanzlei Lehmann und Partner aus Burgwedel.

Viele Grüße
Willi Wacker

Amtsgericht                                                Erlassen am: 28.06.2012
Hannover

Geschäfts-Nr.:
428 C 3618/12

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

Klägerin

gegen

Beklagte

wegen Schadensersatzes aus Verkehrsunfall

hat das Amtsgericht Hannover – Abt. 428 –
im schriftlichen Verfahren gemäß § 495 a ZPO
durch den Richter am Amtsgericht …

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 202,09 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.04.2012 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

– Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen. –

Entscheidungsgriinde

Die Klage ist begründet.

Der Klägerin steht aus abgetretenem Recht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung restlicher Sachverständigenkosten in Höhe von 202,09 € aus Anlass des Verkehrsunfalles vom 11.02.2011 gemäß den §§ 7 Abs. 1, 17 StVG, 823 Abs. 1, 398, 249 ff BGB, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG zu.

Die Beklagte haftet als Haftpflichtversicherer des Unfallschädigers dem Geschädigten Herrn … für die Folgen des vorgenannten Verkehrsunfalles, mithin auch für die durch die Beauftragung eines Sachverständigen zwecks Begutachtung der unfallbedingten Schäden entstandenen Sachverständigengebühren.

Die aus der Honorarrechnung des Sachverständigenbüros … vom 13.02.2011 der Beklagten gegenüber bestehende Schadensersatzforderung in Höhe von 716,99 € hat der Geschädigte an das Sachverständigenbüro … und diese wiederum diese Forderung an die Klägerin abgetreten.

Soweit die Beklagte erstmals in diesem Verfahren Einwendungen dem Grunde nach erhebt und auf den seitens des Geschädigten vor dem Amtsgericht Verden zum Aktenzeichen 2 C 387/11 geführten Schadensersatzprozess verweist, kann sie hiermit nicht gehört werden, nachdem sie vorprozessual die Kosten des Sachverständigen überwiegend bereits gezahlt hat, so dass es ihr nun verwehrt ist, dem Grunde nach Einwendungen gegen diesen Anspruch zu erheben.

Dies umso mehr, als die Beklagte auch im Einzelnen nicht näher dargelegt hat, inwieweit das Unfallgeschehen die Zugrundelegung einer Mithaftungsquote des Geschädigten von einem Drittel rechtfertigt.

Dies vorausgeschickt hat die Beklagte gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB den Geldbetrag zu ersetzen, der zur Herstellung des Zustandes erforderlich ist, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Hierunter fallen auch die Kosten eines Sachverständigengutachtens. Dabei kann der Geschädigte die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen, wobei das Honorar in Relation zur Höhe des zu begutachtenden Schadens pauschaliert werden kann. Der insoweit erforderliche Geldbetrag ist einer Schätzung durch das Gericht gemäß § 287 ZPO zugänglich, wobei § 287 ZPO die Art der Schätzungsgrundlage nicht vorgibt, mithin der Tatrichter in Ausübung seines Ermessens auch auf entsprechende Tabellenwerke zurückgreifen kann. Eines dieser Tabellenwerke ist die Befragung zur Höhe des üblichen Kfz-Sachverständigen-Honorars des Bundsverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V. (BVSK-Honorarbefragung 2010/2011).

Für die streitgegenständlich relevante Schadenshöhe von bis zu 3.250,- € sieht die Auswertung der Befragung einen Grundhonorarkorridor von 404,– bis 446,- € vor. Das insoweit in Ansatz gebrachte Grundhonorar von 434,– -€ bewegt sich innerhalb dieses Honorarkorridors und ist von daher nicht zu beanstanden, sondern üblich i.S.d. § 632 Abs.- 2 BGB. Fehlen nämlich feste Sätze oder Beträge, reicht es für die Annahme der üblichen Vergütung aus, wenn die geforderte Leistung innerhalb einer hier sich aus der Befragung ergebenden Bannbreite liegt, vgl. BGH NJW-RR 2007, 123 ff).

Auch die darüber hinaus seitens der Zedentin verlangten Nebenkosten bewegen sich mit Ausnahme der Fotokosten für Kopien sowie der geltend gemachten Fahrtkosten innerhalb des Korridors der BVSK-Honorarbefragung, weshalb die Zedentin das insgesamt mit 716,99 € geltend gemachte Sachverständigenhonorar um insgesamt 9,90 € auf 707,09 € als angemessene Gebühren gekürzt hat.

Bringt man hiervon die vorprozessual seitens der Beklagten erbrachte Zahlung in Höhe von 505,– € in Abzug, so verbleibt die austenorierte Forderung.

Dies umso mehr, als das Gesprächsergebnis BVSK-HUK Coburg 2009, auf das die Beklagte abstellt, gegenüber der vom Gericht gewählten Schätzungsgrundlage nicht vorzugswürdig ist. Es entfaltet – soweit ersichtlich – keine verpflichtende Wirkung zwischen den Parteien und gibt nicht mehr als eine Honorarempfehlung (ohne Bezug zu den üblichen Kosten und ohne statistische Aussagekraft) wieder.

Denn unter Ziffer 6 heißt es: „Vorstehende Tabelle stellt keine verbindliche Preisempfehlung für Sachverständige dar.“. Insofern handelt es sich um einen Prüfungsmaßstab für die Mitarbeiter der Versicherungen bei der Überprüfung von Sachverständigenkosten. Aus der Bereitschaft der Beklagten, bestimmte Honorare zu zahlen, lassen sich aber keine Schlüsse auf die Üblichkeit ziehen (LG Dortmund, Urteil vom 05.08.20120, 5 S 11/10).

Nach alldem war der Klage mit der Kostenfolge des § 91 ZPO stattzugeben, wobei der Zinsanspruch aus den §§ 247, 280 Abs. 2, 286, 288, 291 BGB resultiert.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Urteilsliste “SV-Kosten” zum Download >>>>>

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