AG Straubing verneint die Anwendung der Grundsätze des JVEG und verurteilt die Generalt Versicherung AG zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht mit Urteil vom 17.3.2015 – 004 C 69/15 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

zum beginnendenn Wochenende veröffentlichen wir hier noch ein umfangreiches Urteil aus Straubing zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die Generali Versicherung AG. Durch die erkennende Richterin wurde das JVEG mit klaren Worten  abgebügelt. Dabei nimmt die Richterin auch Bezug auf die Entscheidung des BGH vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – (= BGH NJW 2007, 1450 = DS 2007, 144 m. Anm. Wortmann). An dem wird auch der BGH in dem neuerlichen Revisionsverfahren gegen das Urteil des LG Saarbrücken vom 19.12.2014 – 13 S 41/13 – nicht vorbeikommen. Zumindest wird der BGH zu seiner eigenen Rechtsprechung Stellung nehmen müssen, wenn seitens des Revosionsführers entsprechend vorgetragen worden ist. Lest daher das hervorragende Urteil des AG Straubing vom 17.3.2015 und gebt bitte Eure Kommentare ab.  

Viele Grüße und ein schönes Wochenende.
Willi Wacker

Amtsgericht Straubing

Az.: 004 C 69/15

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

Sachverständigenbüro …

– Klägerin –

gegen

Generali Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand, Adenauerring 7, 81731 München

– Beklagte –

wegen Schadensersatz

erlässt das Amtsgericht Straubing durch die Richterin Dr. L. am 17.03.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes

Endurteil

1.        Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 91,74 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.12.2014 zu bezahlen.

2.        Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 91,74 € festgesetzt

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)

Entscheidungsgründe

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

I.

Die Parteien streiten um restlichen Schadensersatz in Form von Gutachterkosten aus einem Verkehrsunfall im Amtsgerichtsbezirk Straubing.

Der Geschädigte gab bei der Klagepartei ein Sachverständigengutachten zur Schadenshöhe am Kfz des Geschädigten in Auftrag. Die ihm insoweit in Rechnung gestelften Kosten verlangt der Kläger aus abgetretenem Recht von der Beklagten ersetzt.

Auf den für die Erstellung des Gutachtens in Rechnung gestellten Betrag von 680,79 € regulierte die Beklagte 589,05 €. Der Kläger verlangt nun die Differenz. Der Beklagte wurde eine Zahlungsfrist bis zum 29.12.2014 gesetzt.

Die Beklagte trägt vor, die Sachverständigenkosten, sowohl das Gmndhonorar als auch die Nebenkosten (hier insbesondere Foto-, Schreib- und Fahrtkosten) seien überhöht. Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass der Geschädigte mit dem Kläger eine Honorarvereinbarung getroffen hat. Die Nebenkosten seien daher schon mit dem Grundhonorar abgegolten. Hinsichtlich der Fahrtkosten läge ein Verstoß gegen § 254 BGB vor. Das Entstehen von Schreib- und Telefonkosten sowie Kosten für Nebenleistungen wird sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach bestritten.

Zur Ergänzung des Tatbestands im Übrigen wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die übrigen Aktenbestandteile.

II.

Die zulässige Klage ist begründet.

Gemäß §§ 7 I, 17 I StVG, §§ 249, 398 BGB besteht ein Anspruch des Klägers aus abgetretenem Recht auf Ersatz der noch nicht regulierten Gutachterkosten in der verlangten und zugesprochenen Höhe.

1.  Der Kläger ist aufgrund der wirksamen Sicherungsabtretung aktivlegitimiert. Die Wirksamkeit der Abrechnung ist außer Streit.

2.  Die grundsätzliche Einstandspflicht der Beklagten für die Schäden aus dem Verkehrsunfall steht außer Streit. In der Hand des Geschädigten bestünde gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1, 2 BGB, §§ 1, 3 Nr. 1 PflVG bzw, § 115 VVG ein Anspruch auf Ersatz der Gut-achterkosten in zugesprochener Höhe.

a) Die Kosten des vom Geschädigten eingeholten Sachverständigengutachtens sind dem Grunde nach erstattungsfähig. Vorliegend wurde ein Schaden in Höhe von brutto 2.200 Euro (inkl. Wertminderung) im Gutachten ermittelt. Unter diesen Umständen erscheint auch die Beauftragung eines Sachverständigen aus Sicht des Geschädigten nachvollziehbar. Der Geschädigte hatte daher das Recht, ein Sachverständigengutachten zur Feststeilung des Wiederbeschaffungswertes und des Restwertes zu erholen. Nach § 249 II 1 BGB hat der Schädiger den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen. Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen, sind weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen (BGH NJW 2007, 1450). Ein nach dem Verkehrsunfall in Relation zur Schadenshöhe berechnetes Sachverständigenhonorar ist als erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 II BGB anzusehen (BGH, aaO). Der Geschädigte kann von dem Schädiger als erforderlichen Herstellungsaufwand jedoch nur die Kosten erstattet verlangen, die von dem Standpunkt eines verständigen und wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (BGH, aaO). Bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, ist eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, dh Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten zu nehmen (BGH NJW 2014, 3151). Der Geschädigte muss keine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben, sondern darf sich idR damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen (BGH r + s 2014, 203, 204). So lange für ihn allein als Laien nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder den Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt, kann der Geschädigte vom Schädiger den Ausgleich gezahlter Aufwendungen bzw. Freistellung hiervon verlangen (BGH NJW 2014, 3152, 3153; Grunsky NZV 2000, 4; OLG Nürnberg OLG-R 2002, 471).

b) Bei dem abgerechneten Honorar für die Gutachtenserstellung handelt es sich nach durch Schätzung gem. § 287 ZPO gewonnener Überzeugung um den erforderlichen Geldbetrag iSd § 249 II 1 BGB. Dabei bietet nach der neueren Rechtsprechung des BGH bereits die Vorlage einer Rechnung des Sachverständigen bei der Schadensschätzung ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen Geldbetrages“ iSv § 249 II BGB, schlagen sich doch in ihr die besonderen Umstände des Einzelfalles einschließlich der – vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung relevanten – beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten nieder (BGH NJW 2014, 3151, 3152 f.; BGH r+r 2014, 203, 204). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Rechnung nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar über den üblichen Preisen liegt (BGH aaO). Dies war hier nicht der Fall. Für die Bestimmung der üblichen Preise kann auf die BVSK-Honorarbefragung 2013, und zwar deren Honorarkorridor, abgestellt werden, nach welchem zwischen 50 und 60 % der BVSK Mitglieder ihr Honorar abrechnen. Diese Befragung stellt nach Auffassung des Gerichts eine geeignete Schätzgrundlage dar (so zB auch LG Dortmund NJW-RR 2011, 321). Wie der BGH dargelegt hat, ist eine Vergleichbarkeit mit der für Mietwagen geltenden Marktsituation bei der Erstellung von Kfe-Gutachten bislang nicht zu konstatieren (vgl. BGH NJW 2007, 1450, 1452).

Die Höhe des Grundhonorars ist nicht zu beanstanden: Es liegt mit 504 Euro netto noch innerhalb des BVSK-Korridors.

Selbiges gilt für die Nebenkosten. Diese sind – entgegen der Auffassung der Beklagten – im vorliegenden Fall nicht durch das Grundhonorar abgegolten. Aus den durch die Klagepartei vorgelegten Anlagen ergibt sich, dass der Kläger und der Geschädigte eine Vereinbarung dahingehend getroffen haben, dass die abgerechneten Nebenkosten gesondert zu vergüten sind. Dies ergibt sich insbesondere aus der Anlage K4, wonach sich das Honorar aus Grund- und Nebenkosten zusammensetzt und beispielhaft die Kosten für bestimmte Nebenleistungen erwähnt sind. Zwar hat die Beklagte bestritten, dass diese AGB Vertragsbestandteil geworden bzw. – wie klägerseits behauptet – fest mit dem Auftrag verbunden sind. Das Gericht sieht jedoch vorliegend keinen Anlass, am Wahrheitsgehalt des Klägervortrags zu zweifeln. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ein Sachverständigenbüro AGB nicht nur bereit hält, sondern diese auch in die seinerseits abgeschlossenen Verträge einbezieht. Da die Geschädigten üblicherweise (berechtigt) davon ausgehen, sich hinsichtlich der Sachverständigenkosten beim Schädiger schadlos halten zu können, besteht für sie auch kein Interesse, sich der Einbeziehung derartiger üblicher AGB zu widersetzen. Hieraus ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts, dass die Parteien eine Abrede über die gesonderte Vergütung dieser Nebenleistungen getroffen haben. Auch die bei Herstellung des Werks üblicherweise anfallenden Nebenleistungen sind bei entsprechender Vereinbarung, wie sie vorliegend getroffen wurde, gesondert zu vergüten (Palandt/Sprau, § 632 Rz. 4).

Kosten für Original- und Zweitfotos, Schreibkosten (Original und Abschriften), Büromaterial und Telofonpaschale halten sich entweder innerhalb der Obergrenze des BVSK-Korridors oder liegen teilweise sogar darunter. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit der angefertigten Anzahl der Fotos bzw. Abschriften reicht grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen (BGH r + s 2014, 203, 204), Der Schädiger – bzw. hier die Beklagte – muss darlegen und ggf beweisen, dass der Geschädigte gegen seine Pflicht zur Schadensminderung aus § 254 II BGB verstoßen hat, indem er zur Maßnahmen unterlassen hat, die ein verständiger Mensch zur Schadensminderung getroffen hätte. Allein der Vortrag, der Schaden hätte auch mit weniger Fotos dokumentiert werden können, reicht hierzu nicht aus. Wieviele Fotos der Sachverständige für erforderlich erachtet, ist originärer Bestandteil der Sachverständigentätigkeit und für den Geschädigten typischerweise nicht nachprüf- und beeinflussbar. Dies gilt ebenso für Schreibkosten und Kosten für Anfragen bei Datenbanken und Dritten (zu deren Ersatzfähigkeit vergleiche LG Dortmund NJW-RR 2011, 321 ff sowie LG Regensburg vom 9,1.2014, Az: 2 S 231/13), da auch hierauf der Geschädigte keinen Einfluß hat. Ebenfalls ersatzfähig sind die angesetzten Fahrtkosten. Wie der BGH festgestellt hat (BGH r + s 2014, 203, 204), darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Die Entfernung zwischen dem Büro des Klägers in Laberweinting und dem Wohnsitz des Geschädigten bzw. dem Standort des beschädigten Fahrzeugs in Straubing beträgt hin und zurück ca. 54 Kilometer (gemäß Routenplaner). Ein Verstoß gegen § 254 BGB ist bei einer derartigen Entfernung – angesichts des gerichtsbekannten Mangels freier Sachverständiger in und um Straubing – noch nicht zu erkennen. Bei Ansatz der Kilometerpauschale der BVSK-Tabelle von bis zu 1,16 Euro sind die abgerechneten Fahrtkosten jedenfalls nicht als überzogen zu bewerten. Der BGH hat ausdrücklich entschieden, dass eine Übertragung derJVEG-Regelungen für gerichtliche Sachverständige auf andere Sachverständige nicht zwingend ist; Der Anwendungsbereich des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes ist auf die in § 1 Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz genannten Verfahren beschränkt. Einer Übertragung auf Privatgutachter steht schon der Umstand entgegen, dass Privatgutachter im Unterschied zu gerichtlichen Sachverständigen, die zu den Parteien nicht in einem Vertragsverhältnis stehen, dem Auftraggeber nach allgemeinen Regeln sowohl vertragsrechtlich als auch deliktsrechtlich haften, während die Haftung gerichtlicher Sachverständiger der Sonderregelung des § 839a BGB unterliegt, die die Haftung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz beschränkt hat, damit der Sachverständige, der regelmäßig zur Übernahme der Begutachtung verpflichtet ist, seine Tätigkeit ohne den Druck eines möglichen Rückgriffs der Parteien ausüben kann (BGH NJW 2007, 1450).

Nach der oben dargelegten Schätzung im Sinne von § 237 ZPO halten sich die hier abgerechneten Kosten jedenfalls im Bereich des Üblichen und Regelmäßigen, sodass jedenfalls keine Anhaltspunkte für ein Auswahlverschulden des Geschädigten bei der Beauftragung des Sachverständigen vorliegen. Auch ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung -mit der Folge, dass der Vertrag zwischen Geschädigtem und Sachverständigen gern, § 138 BGB nichtig wäre und ein abtretbarer Schadensersatzanspruch des Geschädigten entfiele – ist nicht zu erkennen.

3. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn – wie hier – nicht der Geschädigte selbst, sondern der Sachverständige aus abgetretenem Recht vorgeht. Denn geltend gemacht werden die Ersatzansprüche des Geschädigten, die sich durch die Abtretung weder verändern noch umwandeln. Bei der Abtretung wie auch der Sicherungsabtretung handelt es sich nämlich um ein Verfügungsgeschäft. Der Gläubiger eines Anspruchs wird ausgewechselt. Hierdurch wird kein Einfluß auf den Rechtsbestand des Anspruchs selbst genommen.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280 I, II, 286, 288,187 I BGB analog. Der Anlage K2 lag eine hinreichend deutliche Leistungsaufforderung zugrunde.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 173 ZPO.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.

Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem

Amtsgericht Straubing
Kolbstr. 11
94315 Straubing

einzulegen.

Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch Innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Pestsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.

Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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