AG Aachen verurteilt beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten

Mit Urteil vom 21.01.2010 (113 C 207/09) hat das AG Aachen die beteiligte Versicherung  zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 656,85 € zzgl. Zinsen  verurteilt. Das Gericht legt die Schwacke-Liste zugrunde.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

1.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz aus abgetretenem Recht in Höhe von 656,85 € gemäß §§ 7, 18 StVG. 398, 823 Abs.1 BGB, 115 VVG (3 PflVG a F.).

Unstreitig haftet die Beklagte zu 100 % für die Folgen des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls.

Gemäß § 249 BGB kann der Geschädigte vom Schädiger als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Mietwagenkosten verlangen (ständige Rechtsprechung, BGHZ 132, 373 mit weiteren Nachweisen). Als erforderlich sind dabei diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Rolle des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte (vgl. BGH NJW 135, NJW 2005, 1041; NJW 2007. 3782; NJW 2008, 2910).

Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind die Kosten eines sogenannten Unfallersatztarifs in der Regel höher als der erforderliche Herstellungsaufwand (vgl. BGH NJW 2005, 51; NJW 2008, 2910). Insofern ist der sogenannte Normaltarif, also der Tarif für Selbstzahler, der unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten gebildet wird (BGH NJW 2005, 1041) der Mindestbetrag, den der Geschädigte von dem Schädiger ersetzt verlangen kann (OLG Köln Schaden-Praxis 2007, 215). Der Geschädigte verstößt dabei nicht stets gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, wenn er ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber einem Normaltarif teurer ist. Ein höherer Tarif kann gerechtfertigt sein, soweit dessen Besonderheiten mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen u.a.) einen gegenüber dem „Normaltarif“ höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (BGH VersR 2006, 669; VersR 2007, 1144, VersR 2007, 1286: NJW 2008, 2910). Inwieweit dies der Fall ist, hat grundsätzlich der bei der Schadensabrechnung nach § 287 ZPO besonders freigestellte Tatrichter zu schätzen (BGH NJW 2006, 1506). Insofern ist aber auch anerkannt, dass die jeweilige Kalkulationsgrundlage des Vermieters vom Gericht nicht im einzelnen betriebswirtschaftlich nachvollzogen werden muss, allerdings müssen die Mehrleistungen, bzw. die besonderen Risiken generell einen erhöhten Tarif rechtfertigen (OLG Köln Schaden-Praxis 2007, 215).

Vorliegend handelt es sich um einen Fall, in dem die Zedentin ein Ersatzfahrzeug zu einem höheren als den Normaltarif angemietet hat, wobei die Besonderheiten mit Rücksicht auf die Unfallsituation einen pauschalen Aufschlag von 20 % auf den Normaltarif rechtfertigen. Hierbei muss nicht die betriebswirtschaftliche Rechtfertigung des Tarifs im Einzelnen nachvollzogen werden (BGH NJW 2008, 2910). Vielmehr kommt es allein darauf an, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigten allgemein einen Aufschlag rechtfertigen. Mit Rücksicht auf die Besonderheiten der Unfallsituation ist aufgrund der vermehrten Beratungs- und Serviceleistung, dem erhöhten Verwaltungsaufwand, dem Risiko des Ausfalls mit den Mietwagenkosten aufgrund falscher Bewertung des Verschuldens am Verkehrsunfall, der Vorhaltung von Fahrzeugen auch schlechter ausgelasteter Fahrzeuge. des Erfordernisses der Umsatzsteuervorfinanzierung und ähnlichem (vgl. zu den weiteren Faktoren OLG Köln, Urteil vom 02.03.2007, Az. 19 U 181/06: OLG Köln. Urteil vom 10 10.2008, 6 U 115/08 – jeweils zitiert nach juris) ein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif geboten. Hierbei ist bei einer Beurteilung der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebotes bei Inanspruchnahme des Unfallersatztarifs eine generelle Betrachtung der Kosten und Risiken des Unfallersatzfahrzeuggeschäfts erforderlich und nicht auf den konkreten Einzelfall abzustellen. Damit ist aufgrund der hier gegebenen Unfallproblematik ein pauschaler Aufschlag gerechtfertigt. Das Gericht hält dabei einen pauschalen Aufschlag von 20 % für angemessen.

Der Geschadigte kann grundsätzlich den Unfallersatztarif ersetzt verlangen, den der Tatrichter nach entsprechender Schätzung nach § 287 ZPO für erforderlich erachtet. Nur  ausnahmsweise ist nach § 254 BGB ein geringerer Schadensersatzbetrag zu leisten, wenn feststeht, dass dem Geschädigten ein günstigerer Tarif ohne weiteres zugänglich war. Dies ist aber von dem Schädiger darzulegen (vgl BGH NJVV 2008, 2910). Insofern reichte der Hinweis der Beklagten auf die Internetangebote des Mietwagenunternehmens nicht aus, da insofern nicht hinreichend dargetan wurde, dass dieses mit dem tatsächlich in Anspruch genommenen, gerade auch im Hinblick auf die sofortige Verfügbarkeit vergleichbar war.

Vorliegend durfte die Zedentin trotz des geringen Fahrbedarfs in dem Mietzeitraum ein Ersatzfahrzeug anmieten. Insofern ist anerkannt, dass die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges bei geringem Fahrbedarf unzweckmäßig und damit nicht erforderlich im Sinne des § 249 BGB sein kann. Vorliegend handelte es sich um einen geringen Fahrbedarf, da das Fahrzeug binnen der Anmietdauer von 7 Tagen lediglich 97 km und damit durchschnittlich ca. 14 km am Tag gefahren wurde. In den Fällen des geringen Fahrbedarfs kann jedoch dennoch von der Erforderlichkeit der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges ausgegangen werden, wenn das Hinzutreten weiterer Umstände die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges zweckmäßig erscheinen lässt (vgl. LG Stendal NJW 2005, 3787). In diesem Zusammenhang kommt es auf  die Umstände an, die den Lebensbereich des Geschadigten prägen. Aus diesem Grund  kann auch bei einem Fahrbedarf von weniger als 20 km am Tag die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges durch den Geschadigten erforderlich sein, wenn er ohne Anmietung Erschwernisse auf sich nehmen müsse, für deren Vermeidung er das geschädigte Fahrzeug gerade vorgehalten hat (vgl. LG Stendal, a.a.O.). Davon war vorliegend auszugehen. Die Zedentin lebt in A., also eher im ländlichen Bereich mit einem nicht derart dichten Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln, wie Bus, Bahn, Taxiständen, wie im großstädtischen Bereich. Im Übrigen ist die Klägerin zu 100 % schwerbehindert, so dass sie auch für kürzere Strecken auf die Nutzung eines Fahrzeuges angewiesen ist. Unter Berücksichtigung dieser besonderen Umstände war vorliegend die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges erforderlich im Sinne des § 249 BGB.

Zur Bestimmung des Normaltarifs ist der Schwacke-Automietpreisspiegel 2009 als geeignete Schätzgrundlage heranzuziehen.

Irgendwelche Einwendungen gegen den Schwacke- Automietpreisspiegel wurden beklagentenseits nicht erhoben. Die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedürfen nämlich nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass die geltend gemachten Mängel der betreffenden Schätzgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (vgl. BGH, Urteil vom 14.10.2008. VI ZR 308/07; LG Aachen, Urteil vom 13.02.2009, 5 S 166/08 – jeweils zitiert nach juris).

Neben den Tages- und Wochentarifen kann der Geschädigte als Nebenkosten auch die Kosten einer Vollkaskoversicherung geltend machen. Demgegenüber kann die Klägerin die Kosten für einen Zweitfahrer nicht geltend machen. Dass nämlich das Fahrzeug durch eine zweite Person genutzt wurde und diese Kosten erforderlich waren, hat sie nicht hinreichend dargetan. Die Kosten für die Winterreifen hingegen sind erstattungsfähig, da diese zu einer erhöhten Verkerssicherheit führen (LG Aachen. Urteil vom 13.02.2009, Az: 5 S 166/08). Auch die Kosten für Zustellung und Abholung sind grundsätzlich erstattungsfähig (OLG Köln NZV 2007, 199).

Auch konnte die Klägerin insgesamt für den Zeitraum vom 04.02.2009 bis zum 10.02.2009 die Kosten der Anmietung geltend machen, da sich in dieser Zeit das Fahrzeug zur Reparatur in der Werkstatt befand und für die Klägerin nicht nutzbar war. Ob das Fahrzeug nach dem Unfall fahrbereit war oder nicht, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. In dem Reparaturzeitraum stand es der Zedentin zumindest nicht zur Verfügung. Entgegen der früheren Rechtsprechung, welche teilweise einen Abzug für ersparte Eigenkosten von 10 % vorgenommen hat. folgt das Gericht dabei der vordringenden Auffassung, wonach ein Abzug in Höhe von 3 % angemessen ist (vgl. auch LG Aachen, Urteil vom 30.06.2004. 7 S 429/03 – zitiert nach juris).

Danach hat der Kläger einen Anspruch auf Erstattung folgender restlicher Mietwagenkosten für 7 Tage im Gebiet 520.. für die Wagenklasse 5:

– 1 x Wochenpauschale á 647,60 €:                                647,60 €

– Zuzüglicher 20 %-iger Aufschlag                                   129,44 €

– Vollkaskoversicherung (1 x Wochenpauschale)             154,00 €

– Zustell- /Abholkosten (je 23,00 €)                                   46,00 €

Winterreifen (10,00 € je Tag):                                           70,00 €

Gesamt:                                                                        1.047.04 €

abzgl. 3 % ersparte Eigenaufwendungen:                        31,41 €

abzgl. gezahlter                                                               358,78 €

Gesamt                                                                             656.85 €

2.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs.1, 286 BGB. Ein früherer Verzugsbeginn wurde nicht hinreichend dargetan.

3.

Ein Anspruch auf die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bestand nicht. Dass nämlich sich die Beklagte mit der Zahlung des Schadensersatzbetrages an die Klägerin zum Zeitpunkt der Beauftragung der Rechtsanwälte bereits in Verzug befand, wurde nicht hinreichend dargetan. Die Behauptung, dass seit dem 18.08.2009 bereits Verzug vorlag, erfüllte nicht die Anforderungen, die an einen hinreichend substantiellen-Sachvortrag zu stellen sind. Insofern entfällt auch der geltend gemachte Zinsanspruch.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Soweit das AG Aachen

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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