AG Nürnberg verurteilt den Halter des bei der Allianz Versicherung versicherten Fahrzeuges zur Zahlung gekürzter Sachverständigenkosten (240 C 1732/16 vom 09.05.2016)

Mit Urteil vom 09.05.2016 (240 C 1732/16) hat das AG Nürnberg den Halter des bei der Allianz versicherten Fahrzeuges zur Zahlung von 103,31 € zzgl. Zinsen sowie von Halterkosten in Höhe von 5,10 € verurteilt.

Was zunächst als richtiges Ergebnis daherkommt, leidet insbesondere am Schluss der Urteilsbegründung unter großen Mängeln. Richtig hat das Gericht erkannt, dass die Abtretung wirksam ist und ausschließlich auf die Honorarvereinbarung ankommt. Vergleich zum RVG oder gar zum JVEG sind nicht statthaft, was die Höhe der geltend gemachten Nebenkosten betrifft. Allerdings ist die Beiziehung der BVSK-Honorarumfrage als Schätzungsgrundlage insbesondere hinsichtlich der Nebenkosten falsch, da es sich diesbezüglich eben NICHT um eine Umfrage, sondern um eine VORGABE handelt. Der Geschädigte muss weder den BVSK, noch dessen Umfrage geschweige denn dessen Vorgaben kennen.

Erstritten wurde dieses Urteil von der Kanzlei Hamburger Meile.

Die Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Der Beklagte ist der Klägerin gemäß § 7 Abs. 1 StVG, § 249 Abs. 2 BGB zur Zahlung der weiteren Sachverständigenkosten in Höhe von 103,31 EUR verpflichtet.

1.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Der geschädigte X hat die Forderung durch Vertrag vom Januar 2016 wirksam gemäß § 398 Satz 1 BGB an den Kläger abgetreten. Bei dem Abtre-turtgsvertragsformular handelt es sich offensichtlich um allgemeine Geschäftsbedingungen der Klägerin i.S.v. § 305 BGB. Diese halten jedoch einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff BGB stand.

 

Konkrete Einwände hat der Beklagte nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich. Insbeson­dere verstößt die Abtretung nicht gegen § 307 Abs. 1 BGB. Danach sind Bestimmungen in den allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemes­sene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und ver­ständlich ist. Die Abtretungserklärung ist klar und bestimmt und auch mit „Abtretung/Anweisung“ überschrieben. Sie benachteiligt den Geschädigten auch nicht, sondern begünstigt diesen viel­mehr, weil ihm die, wie der vorliegende Fall deutlich zeigt, streitige Abwicklung von Gutachterko­sten erspart bleibt.

2.

Die volle Einstandspflicht der Beklagten für den Verkehrsunfall vom xx.xx.2015 zwischen dem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen yy-yy yyy dessen Halter der Beklagte ist und dem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen zz-zz zzz dessen Halter X ist, ist un­streitig.

3.

a.

Die Kosten des Sachverständigengutachten gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar ver­bundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Be­gutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruches erforderlich und zweckmäßig ist. Ebenso können die Kosten zu dem nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlichen Herstel­lungsaufwand gehören, wenn eine vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist (BGH NJW 2007, 1450).

b.

Ein nach § 249 Abs. 1 BGB erstattungsfähiger Vermögensnachteil kann dem Geschädigten durch die Erholung eines Sachverständigengutachtens jedoch nur in der Höhe entstanden sein, auf die sich das dem Sachverständigen geschuldete Honorar beläuft.

aa.

Vorliegend wurde zwischen dem Geschädigten und dem Kläger als Gutachter eine wirksame ausdrückliche Preisvereinbarung (Anlage K 1) geschlossen. Auf die übliche Vergütung nach § 632 Abs. 2 BGB kommt es daher nicht an.

bb.

Bei dieser Preisvereinbarung handelt es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen des Klägers. Gemäß § 305 BGB sind allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender, hier: Kläger) der ande­ren Vertragspartei (hier: Geschädigter) bei Abschluss eines Vertrages stellt. Bei dem Auftragsfor­mular der Klägerin, das der Geschädigte unterschrieben hat, handelt es sich offensichtlich um vorformulierte Vertragsbedingungen, die die Klägerin dem Geschädigten Härle vorgegeben hat.

Vereinbarungen über das von dem anderen Teil zu erbringende Entgelt sind jedoch nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB grundsätzlich kontrollfrei (LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 26.04.2012, Az. 8 O 4060/11, Palandt, BGB, 75. A. , § 307 Rn. 41). Sie unterliegen lediglich der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 3 iVm § 307 Abs. 1 S. 2 iVm § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Danach sind Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie nicht klar und verständlich sind. Die vorliegende Ho­norarvereinbarung ist jedoch klar und übersichtlich gestaltet und für einen durchschnittlichen Auf­traggeber ohne Probleme verständlich.

cc.

Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, das vereinbarte Honorar sei überhöht und da­mit nicht erforderlich iSd § 249 Abs. 2 BGB. Nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB hat der Schädiger dem Geschädigten den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen. Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiedererstellung Erforderlichen, sind we­der der Schädiger noch das Gericht berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen. Eine Grenze bildet nur die Verpflichtung des Geschädigten zur Schadensminderung nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB. Der Geschädigte ist daher gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftliche­ren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der Kosten beeinflussen kann. Der Geschädigte ist dabei jedoch nicht zur Erforschung des Marktes verpflichtet, um einen mög­lichst preisgünstigen Sachverständigen zu finden. Die Grenze hat der Geschädigte daher erst überschritten, wenn die Sachverständigenkosten überhöht sind und er dies erkennen konnte. Für die Frage, ob die Preise des gewählten Gutachters überhöht sind, zieht das Gericht als Schätzgrundlage gem. § 287 ZPO die sog. BVSK-Befragung heran, (vgl. dazu im Ganzen LG Nürnberg-Fürth, aaO).

Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt als Schätzgrundlage auch weder die Vergütung von Rechtsanwälten (RVG) noch die von Gutachtern im Gerichtsverfahren (JVEG) in Betracht. Schon eine Vergleichbarkeit der Leistung der Rechtsanwälte und der Gutachter sieht das Gericht nicht. Es folgt vielmehr der Rechtsprechung des BGH, wonach es sich bei dem Vertrag über die Erstellung eines Gutachtens, anders als bei dem Anwaltsvertrag, um einen Werkvertrag handelt. Des Weiteren kommt es im Rahmen der §§ 249, 254 BGB bei Vorliegen einer Preisvereinbarung allein auf einen Vergleich der Preise des vom Geschädigten gewählten Gutachters mit denen an­dere Gutachter, die vergleichbare Leistungen erbringen, in Betracht. Diese rechnen jedoch gera­de weder nach RVG noch nach JVEG ab. Vielmehr gibt die sog. BVSK-Befragung einen Überblick über die Preisgestaltung der von Privatparteien bei Verkehrsunfällen beauftragten Gutachtern. Die BVSK-Befragung stellt auch eine taugliche Schätzgrundlage dar. Denn an dieser Befragung nah­men ca. 95 % der Mitglieder des BVSK teil. Die Mitglieder des BVSK erstellen ca. 75 % aller am Markt bei Verkehrsunfällen erstellter Gutachten. Das Gericht stellt auf die BVSK-Befragung 2015 ab, die zwischen Februar und September 2015, mithin im Zeitraum des hier erfolgten Gutachten­auftrags, durchgeführt wurde. Danach hält sich das zwischen dem Kläger und dem Geschädig­ten vereinbarte Grundhonorar sogar an dem Wert, den 50-60 % der erfassten Gutachter abrech­nen und ist daher schon keinesfalls überhöht. Hinsichtlich der Nebenkosten sind diese zwar im Vergleich zur Vorgabe der BVSK 2015 erhöht, jedoch maximal um 60 % und daher keinesfalls in einem solchem Maße, dass dies vom Geschädigten erkennbar war.

c.

Anhand der wirksamen Honorarvereinbarung ergeben sich Gutachterkosten in Höhe von 601,41 EUR brutto. Davon hat die Beklagte bislang lediglich 498,10 EUR beglichen, so dass noch ein Schaden in Höhe von 103,31 Euro verbleibt.

Als weiterer Schaden sind dem Kläger 5,10 EUR für die Auskunft aus dem Halterregister von dem Beklagten zu ersetzen. Bei der Auskunft handelt es sich um zur Geltendmachung des Scha­densersatzanspruches gemäß § 249 BGB erforderliche und zweckmäßige Kosten. Durch die Halteranfrage konnte der Halter des unfallgegnerischen Fahrzeuges ermittelt werden.

3.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB. Der Beklagte befand sich seit 7.6.2015 in Verzug. Einer Mahnung bedurfte es nicht, weil der Beklagte die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert hat (§ 286 Abs. 2 Nr. 3). Mit Schreiben der Versicherung, das sich der Be­klagte gemäß § 10 Abs. 4 AKB zurechnen lassen muss, lehnte die Versicherung ernsthaft und endgültig eine weitere Regulierung ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Berufung war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO liegen nicht vor. Danach hat das Gericht die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeu­tung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeu­tung. Des Weiteren ist die Frage der Erstattbarkeit der Gutachterkosten hinreichend obergericht­lich entschieden.

Soweit das AG Nürnberg.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

Dieser Beitrag wurde unter Abtretung, Allianz Versicherung, Haftpflichtschaden, Sachverständigenhonorar, Urteile abgelegt und mit , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

1 Antwort zu AG Nürnberg verurteilt den Halter des bei der Allianz Versicherung versicherten Fahrzeuges zur Zahlung gekürzter Sachverständigenkosten (240 C 1732/16 vom 09.05.2016)

  1. G.v.H. sagt:

    Hallo, Babelfisch,

    die Entscheidungsgründe dieses Urteils sind trotz Deiner vorgetragenen Bedenken interessant. Auch hier war es offenbar so, dass konkrete Einwendungen zur behaupteten Überhöhung nicht vorgetragen wurden. Allein diese Tatsache müsste anfangs schon dazu führen, die Frage der E r h e b l i c h k e i t zu klären, wie auch ein Auswahlverschulden und einen Verstoß gegen die Schadengeringhaltungspflicht.

    Was der Geschädigte als Schaden der Höhe nach vor Auftragserteilung für ein Gutachten nicht noch nicht kennen kann, wird er auch nicht mindern können , zumal er auf die Kostenentstehung keinen Einfluss hat.
    Vor dem Hintergrund, dass auch für Abrechnungen außerhalb einer solchen Honorar“befragung“ eine Regulierungsverpflichtung besteht und bekanntlich bei dieser angesprochenen „Befragung“ auf Üblichkeits- und Angemessenheitsgesichtspunkte abgestellt wurde, war die Bezugnahme darauf ebenso wenig veranlasst, wie auf eine Schätzung gem. § 287 ZPO, denn es lag ja offensichtlich die Rechnung des Sachverständigen mit einer Honorarvereinbarung vor, so dass eine zwangsläufig „vergleichsweise“ immer ungenauere „Schätzung“ nicht erforderlich war, denn auch vor dem Hintergrund der Position des Sachverständigen als Erfüllungsgehilfe des Schädigers mit allen daraus zu beachtenden Rechtsfolgen, die nicht zu Lasten des Geschädigten gehen dürfen sowie vor dem Hintergrund des § 249 BGB, war eine „Prüfung“ nicht veranlasst. An diesem Urteil sieht man ebenfalls wieder, dass keineswegs alle Gerichte die BVSK-„Befragung“ schwierigkeitslos richtig verstanden haben, wie der GF. des BVSK behauptet haben soll.
    Bemerkenswert hat das Gericht im beurteilungsrelevanten Zusammenhang jedoch auch ausgeführt:

    „aa.

    Vorliegend wurde zwischen dem Geschädigten und dem Kläger als Gutachter eine wirksame ausdrückliche Preisvereinbarung (Anlage K 1) geschlossen. Auf die übliche Vergütung nach § 632 Abs. 2 BGB kommt es daher nicht an.

    bb.

    …………

    Vereinbarungen über das von dem anderen Teil zu erbringende Entgelt sind jedoch nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB grundsätzlich kontrollfrei (LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 26.04.2012, Az. 8 O 4060/11, Palandt, BGB, 75. A. , § 307 Rn. 41).“

    DAS ist doch als durchaus positiv erwähnenswert und auch zu einer Nebenkostendeckelung auf 70,00 € /100,00 € konnte sich das Gericht nicht durchringen. Da hilft dann auch kein Verweis der hinter dem Beklagten stehenden ALLIANZ-Vers. auf ein maschinell erstelltes Kontrollblatt bzw. auf einen „Prüfbericht“. Eine solche Argumentation, mit welcher der Haftpflichtversicherer ex post über die Höhe des zu erbringenden Schadenersatzes nach eigenen unartikulierten Vorstellungen pauschal bestimmen will, läuft sich tot

    G.v.H.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert