AG HH-Bergedorf verurteilt die Halterin des bei der KRAVAG versicherten Fahrzeuges zur Zahlung gekürzter Sachverständigenkosten (410a C 34/16 vom 06.05.2016)

Mit Datum vom 06.05.2016 (410a C 34/16) hat das Amtsgericht Hamburg-Bergedorf die Halterin des bei der KRAVAG versicherten Fahrzeuges zur Zahlung gekürzter Sachverständigenkosten in Höhe von 95,49 € zzgl. Zinsen verurteilt. Das Gericht bezieht sich dabei auf die Rechtsprechung des LG Hamburg. Erstritten wurde dieses Urteil durch die Kanzlei Hamburger Meile.

Die Entscheidungsgründe:

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht gem. §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 VVG, 398 BGB ein Anspruch auf restlicher Sachverständigenkosten in Höhe von 95,49 € zu.

Dass die Beklagte der Geschädigten X 100 % ihres Schadens aus dem Verkehrsunfall vom xx.xx.2015 in Hamburg zu ersetzen hat, ist zwischen den Parteien nicht streitig.

Seinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Kosten für die Einholung eines Sachverständigengutachtens hat die Geschädigte X wirksam, an den Sachverständigen abgetreten (Anlage K 1).

Die vom Kläger mit der Klage geltend gemachten Sachverstandigenkosten sind voll erstattungsfähig, weil sie den erforderlichen Herstellungsaufwand darstellen, dessen Ersatz die Geschädigte X gemäß § 249 Abs. 2 BGB beanspruchen kann.

Das Gericht macht sich die Ausführungen des Landgerichts Hamburg in seinem Urteil vom 22.01.2015, Az. 323 S 7/14 – juris – zu eigen:

Nach der subjektbezogenen Schadensbetrachtung wird der erforderliche Herstellungsaufwand nicht nur nach objektiven Kriterien, etwa durch die Art und das objektive Ausmaß des Schadens, sondern auch durch die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten mitbestimmtes (st. Rspr. seit BGHZ 63, 182, 185). Dem liegt die Wertung zugrunde, dass dem Geschädigten im Verhältnis zum Schädiger das dem Einfiuss des Geschädigten entzogene Risiko nicht zugerechnet werden darf.

Der Geschädigte ist – anders als bei Mietwagenkosten – nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes an Kfz-Sachverständigen verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Zum einen gibt es bei Kfz-Sachverständigen – anders als etwa im Mietwagengewerbe – keine allgemein zugänglichen Preislisten, zum anderen orientiert sich das in der Regel geltend gemachte Grundhonorar an der erst noch zu ermittelnden Schadenhöhe, sodass vor der Begutachtung ohnehin keine konkreten Angaben zu den tatsächlichen Kosten des Sachverständigengutachtens gemacht werden könnten, die der Geschädigte miteinander vergleichen könnte. Der Schädiger kann daher nur dann den Ausgleich der Sachverständigengebühren in voller Höhe ablehnen, wenn sich dem Geschädigten bei der Beauftragung des Sachverständigen und Unterzeichnung einer ihm vorgelegten Vergütungsvereinbarung aufdrängen muss, dass Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, weil das Entgelt „deutlich erkennbar“ (BGH, NJW 2014, 1947, 1948) bzw. „erkennbar erheblich“ (BGH, NJW 2014, 3151, 3153) über den üblichen Preisen liegt.

Bei der Frage, wann von „erkennbar“ überhöhten Preisen auszugehen ist, ist nicht auf Einzelpositionen wie z.B. Foto- / Fahrtkosten etc. abzustellen, sondern die Überhöhung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung, d.h. ausgehend von den zu erwartenden Rechnungsendbeträgen zu beurteilen, da die Gesamthöhe der Rechnung darüber zu entscheiden hat, ob ein Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung vorliegt. Anderenfalls käme es angesichts der unterschiedlichen Abrechnungsmodalitäten der Kfz-Sachverständigen in denjenigen Fällen zu unbilligen Ergebnissen, in denen ein geringes, deutlich unterhalb der üblichen Sätze in Ansatz gebrachtes Grundhonorar, dafür aber verhältnismäßig hohe Nebenkosten in Rechnung gestellt werden, ohne dass es insgesamt zu einer Überschreitung der üblichen Vergütung kommt.

Es ist auch insoweit keine andere Beurteilung geboten, als der Kläger, dem die Beklagte eine überhöhte Entgeltforderung vorwirft, durch die Abtretung selbst Gläubiger des Schadensersatzanspruchs geworden ist. Der Geschädigte hat seine Ansprüche wirksam an den Kläger abgetreten, die dieser somit gegen die Beklagten geltend machen kann,

Unmittelbare   Gegenansprüche   der   Beklagten   als   Versicherer   gegen   den   vom Geschädigten beauftragten Kfz-Sachverständigen, etwa über eine Einbeziehung der Beklagten in den Schutzbereich des Gutachtervertrags zwischen dem Geschädigten und dem Kläger nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, bestehen nicht.

Das für die Annahme des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter notwendige Einbeziehungsinteresse setzt voraus, dass der Vertragspartner ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages hat. Dies ist sicherlich im Bereich der Hauptleistungspflicht des Gutachters der Fall, die Beklagte wendet sich indes nicht gegen die inhaltliche Richtigkeit des Gutachtens.

Der Vorwurf, dass der Kläger den Geschädigten hier nicht vor Vertragsschluss über eine etwaige Überschreitung des ortsüblichen Preisniveaus informiert haben könnte, rechtfertigt Einwendungen der Beklagten gegen den Anspruch des Klägers insoweit nicht. Unabhängig von der Frage, ob die Einbeziehung der Beklagten in den vertraglichen Schutzbereich bereits in der Anbahnungsphase erfolgen kann, kommt eine Aufklärungspflicht über die (Un-)Angemessenheit des geforderten Entgelts vor dem Grundsatz der Privatautonomie nur in Ausnahmefällen in Betracht. Der in seinem Wissen überlegene Vertragsfeil muss den anderen grundsätzlich nicht von sich aus über alle Umstände aufklären, die für dessen Willensbildung von Bedeutung sein könnten. Es ist grundsätzlich Sache des Auftraggebers, sich zu vergewissern, ob die ihm angebotenen Vertragsbedingungen für ihn von Vorteil sind oder nicht.

Die Rechtsprechung des BGH zu den Pflichten eines Autovermieters, den Mieter bei Tarifen, die deutlich über dem Normaltarif auf dem örtlich relevanten Markt liegen, unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass der gegnerische Haftpflichtversicherer den angebotenen Tarif möglicherweise nicht in vollem Umfang erstatten könnte (vgl. BGH Urteil vom 24.10.2007, Az. XII ZR 155/05, zit. nach Juris), beruht auf den rechtlichen Besonderheiten bei der Erstattung von Mietwagenkosten. Eine Übertragung auf Kfz-Sachverständige erscheint nicht gerechtfertigt. Anders als bei der Anmietung eines Unfallersatzfahrzeugs obliegt dem Geschädigten bei der Beauftragung eines Unfallsachverständigen wie bereits ausgeführt gerade keine Pflicht zur Markterforschung, so dass ihm aus der Beauftragung eines – für ihn nicht erkennbar – überteuerten Sachverständigen keine Nachteile entstehen.

Die Beklagte kann ihrer Inanspruchnahme aus dem Haftungsanspruch jedenfalls im Ergebnis keine Einwendungen entgegensetzen, die dem Zedenten gegen den Kläger aus einem anderen Rechtsverhältnis (hier: dem Werkvertrag) zustehen würden.

Dabei kann letztlich dahinstehen, ob die Beklagte überhaupt vertragliche Rechte des Zedenten gelten machen kann. Zwar erscheint ein solcher Einwendungsdurchgriff, der aus § 242 BGB unter Rückgriff auf den in § 404 BGB enthaltenen Rechtsgedanken herzuleiten zu sein könnte, prinzipiell dogmatisch herleitbar. Dem Recht der Abtretung liegt die Wertung zu Grunde, dass der Schuldner durch eine Abtretung der Forderung keine Nachteile erleiden soll. Diese Wertung könnte auch den Schluss erlauben, dass der Zessionar durch eine Abtretung, die erfüllungshalber erfolgt, hinsichtlich der zu erfüllenden Schuld keine Besserstellung erlangen darf. Hätte der Zedent selber gegenüber seiner eigenen Inanspruchnahme aus dem Werkvertrag dem Kläger vertragliche Einwendungen entgegenhalten können, so erschiene es nicht unbedenklich, wenn der Kläger diese Einwendung durch die erfüllungshalber erfolgte Abtretung des Schadensersatzanspruchs entkräften und so im Ergebnis seinen vollen, nicht durch ein Mitverschulden zu kürzenden Anspruch liquidieren könnte. Andererseits müsste eine nach den Rechtsgrundsätzen des § 242 BGB orientierte Wertung in Erwägung ziehen, dass die Beklagte auch unter Geltung eines Einwendungsausschlusses nicht schutzlos ist, da ihrem Interesse dadurch Rechnung getragen wird, dass der ursprüngliche Haftungsgläubiger, der Zedent, nach den Rechtsgrundsätzen des Vorteilsausgleichs zur Abtretung etwaiger Schadensersatzforderungen gegenüber dem Kläger verpflichtet wäre.

Vorliegend scheitert der Einwendungsdurchgriff in jedem Fall daran, dass auch dem Zedenten vertragliche Ansprüche gegen den Klager nicht zustehen.

Angesichts der geltend gemachten Honorarhöhe ist ein „auffälliges Missverhältnis“ von Leistung und Gegenleistung i.S.d. § 138 BGB bereits objektiv nicht anzunehmen.

Auch im Übrigen kann dem Sachverständigen nicht der Einwand einer Überhöhung der Gebühren entgegengehalten werden.

Da diejenigen Kosten, die der Geschädigte für erforderlich halten durfte, grundsätzlich als die erforderlichen Kosten anzusehen sind und den Geschädigten wie oben ausgeführt und anders als bei den Mietwagenkosten keine Erkundigungspflicht bzgl. der Honorare anderer Sachverständiger trifft, scheiden insoweit vertragliche Schadensersatzansprüche des Geschädigten gegen den Sachverständigen, auf die sich nunmehr der Versicherer berufen könnte, aus. Insbesondere trifft den Sachverständigen keine Pflicht, dem Geschädigten mitzuteilen, ob bzw. inwieweit er von den ortsüblichen Preisen abweicht.

Unter Zugrundelegung der Vorgehensweise des LG Hamburg (s.o.) ergibt sich Folgendes:

Für eine Schadenshöhe von € 2.314,25 netto folgt aus dem „HB V Korridor“ der Honorarbefragung von 2015 ein Mittelwert für das Honorar (das LG legt lediglich das Grundhonorar zugrunde) von € 421,50 (zwischen € 403,00 und € 440,00). Diesen Betrag überschreitet das sich aus der Rechnung des Sachverständigen im vorliegenden Fall (Anlage K 4) ergebende Honorar von € 501,28 netto (einschließlich Nebenkosten) um € 79,78, also um 19 Prozent und damit in nicht „erkennbar erheblicher“ Weise.

Für die Frage, ob ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem Gesamtpreis des Sachverständigengutachtens und der Leistung des Sachverständigen besteht, kann hier auf die BVSK-Honorarbefragung 2015 abgestellt werden. Es erscheint rechtsfehlerfrei, wenn davon ausgegangen wird, dass ein Honorar, das sich im Bereich des BVSK-Korridors HB V befindet, als branchenüblich angesehen wird (vgl. Beschluss des LG München I vom 12.03.2015, Az. 19 O 10527/14). Bei der Bezugnahme des Honorars auf die Honorarumfrage eines Sachverständigenverbandes drängt sich für den Geschädigten nämlich gerade nicht auf, dass das Honorar „deutlich erkennbar* über dem Durchschnitt liegt. Erkennbar überhöht ist das vom Sachverständigen verlangte Honorar, wenn es diesen Mittelwert in erheblichen Maße übersteigt; eine Überschreitung von 45 Prozent ist dabei nicht schädlich (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 09.04.2015, Az. 323 S 45/14).

Nach diesem Maßstab sind die abgerechneten Sachverständigenkosten in voller Höhe ersatzfähig. Abzüglich der vorgerichtlich geleisteten Zahlung hat der Beklagte noch 95,49 Euro zu zahlen. Soweit sich der Beklagte darauf beruft, einzelne Nebenkosten seien nicht gerechtfertigt oder übersetzt, ist dieses Vorbringen nach dem dargelegten Maßstab nicht erheblich.

Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung, gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkelt hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Soweit das AG HH-Bergedorf.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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