Leipziger Urteilsreihe zum Siebten: AG Leipzig verurteilt mit schadensersatzrechtlich guter Begründung die Generali Versicherung AG zur Freistellung der restlichen Sachverständigenkosten mit Urteil vom 25.11.2015 – 113 C 6601/15 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

hier und heute stellen wir Euch noch das 7. Urteil aus der Leipzigiger Urteilsreihe vor. In diesem Fall musste das Amtsgericht Leipzig über die Klage auf Freistellung von restlichen Sachverständigenkosten entscheiden, weil die eintrittspflichtige Generali Versicherungs AG vorgerichtlich keinen vollständigen Schadensersatz geleistet hat, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen wäre. Folgerichtig wurde die Generali Versicherung  verurteilt. Allerdings hätte sie nicht zur Freistellung, sondern zur Zahlung verurteilt werden müssen, denn der Freistellungsanspruch wandelt sich in einen Zahlungsanspruch um, wenn der Schuldner, wie hier, die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert. Ansonsten handelt es sich unseres Erachtens um eine schadensersatzrechtlich gute Entscheidung aus Leipzig. Lest selbst das Urteil und gebt dann bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Willi Wacker

Amtsgericht Leipzig

Zivilabteilung I

Aktenzeichen: 113 C 6601/15

Verkündet am: 25.11.2015

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

– Klägerin –

gegen

Generali Versicherung AG, Adenauer Ring 7, 81737 München, v.d.d. Vorstand

– Beklagte –

hat das Amtsgericht Leipzig durch Richter am Amtsgericht K. aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 04.11.2015

für Recht erkannt:

1.        Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von Sachverstsndigenkosten t
aus der Rechnung vom 30.03.2015, RE-Nr.: … in Höhe von noch 191,67 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 05.09.2015 freizustellen.

2.        Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird festgesetzt auf 191,67 EUR.

Tatbestand

Gemäß § 313a ZPO wird auf die Darstellung des Tatbestandes verzichtet.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten Anspruch auf Schadensersatz aus § 115 VVG.

Die 100 %-ige Einstandspflicht der Beklagten für Unfallschäden der Klägerin am 26.03.2015 ist unstreitig.

Das Sachverständigenbüro hat mit Rechnung vom 30.03.2015 gegenüber der Klägerin einen Betrag in Höhe von 808,09 EUR geltend gemacht. Die Beklagte zahlte darauf 616,42 EUR.

Es dürfte unstreitig sein, dass es sich bei den Kosten des Sachverständigengutachtens um
Kosten handelt, die im Rahmen einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig
sind.

Zu erstatten sind die Kosten, die ein verständig, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten als zweckmäßig und angemessen zur Schadensbeseitigung ansehen darf; dabei ist auf seine spezielle Situation und seine Erkenntnismöglichkeit, Rücksicht zu nehmen (vgl. BGH, Urteil v. 23.01.2007, Az.: VI ZR 67/06).

Entscheidend für die schadensrechtliche Betrachtung ist nach § 249 BGB nur, ob die an den Sachverständigen zu zahlenden Kosten den erforderlichen Wiederherstellungsaufwand angemessen repräsentieren.

Die Beklagte macht geltend, dass der Aufwand für die Erstellung des Gutachtens in Höhe der eingeklagten Differenz nicht als erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB angesehen werden kann. Dies betrifft auch nach Auffassung der Beklagten die geltend gemachten Nebenkosten. Im vorliegenden Fall seien die berechneten Nebenkosten im Vergleich zu den Beträgen des JVEG mehrfach übersetzt. Dies betreffe die Fahrtkosten, die Fotokosten, die Schreibkosten und die Kosten für Porto und Telefon.

Die Klägerin wendet sich gegen diese Auffassung mit der Begründung, dass sie eine vertragliche Vereinbarung mit dem Sachverständigen getroffen habe und selbst wenn man davon ausgehen wolle, dass das abgerechnete Sachverständigenhonorar überhöht sei, bliebe es bei der vollumfiänglichen Erstattungsfähigkeit, da ein den Anspruch kürzendes Auswahlverschulden nicht erkennbar vorliege.

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 11.02.2014 (Az.: VI ZR 225/13) zum wiederholten Male dazu ausgeführt: „Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigt, gebietet das Schadens rechtiche Wirtschaftlichkeitsgebot einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen.“

Dass der Klägerin ein Auswahlverschulden bei der Beauftragung der Sachverstandigen vorzuwerfen ist, ist weder aus dem Sachverhalt erkennbar, noch durch die Beklagte dargelegt und unter Beweis gestellt. Die Beklagte wäre für die Verletzung der Schadensminderungspflicht beweispflichtig.

Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Klägerin, anderes ist nicht bekannt, zum ersten Mal einen Unfall erlitten hat, so dass es ihr üblicherweise gar nicht bekannt ist, wie viele Sachverständigenbüros es im Raum Leipzig überhaupt gibt und zu welchen Tarifen diese jeweils arbeiten.

Die Klägerin hat mit der Sachverstandigen eine Honorarvereinbarung getroffen. Das Sachverständigenbüro hat entsprechend der Honorarvereinbarung seine Kosten geltend gemacht.

Als Nebenkosten gesondert abgerechnet werden Fahrtkosten, Fotokosten, Schreib- und Druckkosten, Kosten für Kopien, Versand-/Telefon-/lnternetkosten und die Kosten für die Restwertanfrage. Um einen aufwendigen Nachweis dieser Kosten zu vermeiden können diese, wie erfolgt, auch teilweise pauschal abgerechnet werden. Auch hinsichtlich der geltend gemachten Nebenkosten gilt das oben Dargelegte entsprechend. Selbst, wenn man unterstellen wollte, das überhöhte Nebenkosten abgerechnet werden, sind jedenfalls keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dies für die Klägerin erkennbar war.

Auch einen Vergleich mit den Bestimmungen des JVEG ist nicht anzustellen. Die Bestimmungen des JVEG sind auf einen privatrechtlichen Vertrag nicht anwendbar.

Letztendlich ist davon auszugehen, dass die Klägerin das im Rahmen zur Wiederherstellung erforderliche gewahrt hat und somit eine Preiskontrolle weder erforderlich noch zulässig wäre.

Da die Beklagte die Zahlung weiterer Beträge an die Klägerin ablehnt, hat diese einen Anspruch auf Freistellung gegenüber dem Ingenieurbüro für Kraftfahrzeugtechnik … aus der Rechnung vom 30.03.2015 in Höhe der noch offenen Differenz.

Die Klägerin kann Prozesszinsen gemäß der §§ 288, 291 BGB fordern.

Die Entscheidung erfolgt aus den o.g. Gründen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO entsprechend dem Unterliegen der Beklagten im Rechtsstreit.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 713 ZPO und der Streitwert gemäß § 3 ZPO aus der Höhe der geltend gemachten Forderung.

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1 Antwort zu Leipziger Urteilsreihe zum Siebten: AG Leipzig verurteilt mit schadensersatzrechtlich guter Begründung die Generali Versicherung AG zur Freistellung der restlichen Sachverständigenkosten mit Urteil vom 25.11.2015 – 113 C 6601/15 -.

  1. Dipl.-Ing. Harald Rasche sagt:

    Guten Morgen, sehr geehrte CH-Redaktion,

    dieses Urteil der Abteilung 113 C des AG Leipzig berücksichtigt ebenfalls schadenersatzrechtlich beurteilungsrelevante Kriterien und lässt überdies inhaltlich erkennen, dass der Richter K. am Amtsgericht Leipzig die Schadenersatzverpflichtung der Beklagtenseite nicht einfach mal so „nebenher“ abgehandelt hat.

    Gleich zu Anfangs hat er unmissverständlich dazu die zu berücksichtigende „ex ante“ Position des Geschädigten angesprochen:

    „Zu erstatten sind die Kosten, die ein verständig, wirtschaftlich denkender Mensch „in der Lage des Geschädigten“ als zweckmäßig und angemessen zur Schadensbeseitigung ansehen darf; dabei ist auf seine spezielle Situation und seine Erkenntnismöglichkeit, Rücksicht zu nehmen (vgl. BGH, Urteil v. 23.01.2007, Az.: VI ZR 67/06).“
    Daraus wurde folgerichtig abgeleitet:
    „Entscheidend für die schadensrechtliche Betrachtung ist nach § 249 BGB n u r, ob die an den Sachverständigen zu zahlenden Kosten den erforderlichen Wiederherstellungsaufwand angemessen repräsentieren.“

    Was darunter verstanden werden kann, hat ja aktuell das AG Hamburg in seinem Urteil vom 20.05.2016 – 16 C 161/15 hinreichend verdeutlicht.

    Was hingegen die Beklagtenseite zur Rechtfertigung der Hononarkürzung ausgeführt hat, war für das Gericht nicht e r h e b l i c h . Der partiellen Betrachtung der Nebenkostenhöhe hat sich das Gericht nicht angeschlossen, da es bekanntlich immer nur um eine Heranziehung der G e s a m t k o s t e n gehen kann, denn das ist auch für die Beklagtenseite die „Ausgangslage“, was die ins Feld geführte Relation betrifft. Insoweit sah sich der Richter K. am AG Leipzig veranlasst, die Beklagtenseite noch einmal an die wiederholten Ausführungen des BGH zu erinnern und hat punktgenau dazu angemerkt:

    Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 11.02.2014 (Az.: VI ZR 225/13) zum wiederholten Male dazu ausgeführt: „N u r wenn der G e s c h ä d i g t e erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigt, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen.“

    Dazu bliebe anzumerken, dass dabei nicht nur die Frage des Gestehungspreises für eine vergleichbare Dienstleistungserbringung eine Rolle spiele dürfte, sondern auch die Berufserfahrung, die Qualifikation und vor allen Dingen die Unabhängigkeit des Sachverständigen, denn allein genügende „Sonderkonditionen“ wird der BGH insoweit wohl nicht gemeint haben.

    In diesem Urteil hat der Richter K. am AG Leipzig in seiner schadenersatzrechtlichen Betrachtung auch ein Auswahlverschulden und -möglicherweise damit einhergehend- einen Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht wie folgt angesprochen:

    „Dass der Klägerin ein Auswahlverschulden bei der Beauftragung der Sachverständigen vorzuwerfen ist, ist weder aus dem Sachverhalt erkennbar, noch durch die Beklagte dargelegt und unter Beweis gestellt.

    Die Beklagte wäre für die Verletzung der Schadensminderungspflicht beweispflichtig.

    Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Klägerin, anderes ist nicht bekannt, zum ersten Mal einen Unfall erlitten hat, so dass es ihr üblicherweise gar nicht bekannt ist, wie viele Sachverständigenbüros es im Raum Leipzig überhaupt gibt und zu welchen Tarifen diese jeweils arbeiten.“

    Damit wurde offensichtlich auch abgezielt auf die für den Geschädigten n i c h t bestehende Markterkundigungspflicht, die übrigens de facto auch nicht umsetzbar wäre.

    Und dann geht das Gericht auch noch auf die Bedeutung der Honorarvereinbarung ein und hat dazu in Verbindung mit den abgerechneten Nebenkosten schadenersatzrechtlich nachvollziehbar ausgeführt:

    „Die Klägerin hat mit der Sachverständigen eine Honorarvereinbarung getroffen.
    Das Sachverständigenbüro hat entsprechend der Honorarvereinbarung seine Kosten geltend gemacht.

    Als Nebenkosten gesondert abgerechnet werden Fahrtkosten, Fotokosten, Schreib- und Druckkosten, Kosten für Kopien, Versand-/Telefon-/lnternetkosten und die Kosten für die Restwertanfrage. Um einen aufwendigen Nachweis dieser Kosten zu vermeiden können diese, wie erfolgt, auch teilweise pauschal abgerechnet werden.

    Auch hinsichtlich der geltend gemachten Nebenkosten gilt das oben Dargelegte entsprechend. Selbst, wenn man unterstellen wollte, das überhöhte Nebenkosten abgerechnet werden, sind jedenfalls keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dies für die Klägerin erkennbar war.“

    Dass die Frage der Erkennbarkeit – oftmals abhängig von dem schon frühzeitig ins Auge gefassten Urteilsergebnis – teilweise auch anders beurteilt wird, dürfte wohl so zu erklären sein, dass aus einer „ex post“ Betrachtung eines Gerichts dem Geschädigten unterstellt wird, dass er dieses
    Beurteilungsvermögen gleichermaßen verfügbar haben müsste, was aber schon unter Berücksichtigung der zeitlichen Abfolge nicht zutreffen kann, wenn man die nicht bestehende und auch nicht umsetzbare Markterkundigungspflicht ernst nimmt.
    Zum Zeitpunkt der Auftragserteilung gibt es noch keine Schadenfeststellung, keinen ins Auge gefaßten Reparaturweg, keine geschätzten Reparaturkosten, keine Recherche zur Wertminderungsermittlung der Höhe nach, keine Ermittlung des Fahrzeugwertes und keine Einholung von Restwertangeboten. Folglich gibt es auch noch keine „Schadenhöhe“, an der das Grundhonorar abgegriffen werden könnte. Auch die Nebenkosten ergeben sich summa-summarum erst zu einem viel späteren Zeitpunkt und zwar u n a b h ä n g i g von der Schadenhöhe. Das Gericht hat in einer ex post Betrachtung damit eine Verdichtung von Beurteilungskriterien verfügbar, die der BGH bei einem Geschädigten weder unterstellt noch diesem zumutet , sondern in seinem Urteil vom 15.09.2015 – (VI ZR 475/14) unmissverständlich ausgeführt hat:
    Liegt der Rechnung eine Vergütungsvereinbarung zugrunde, ist es „grundätzlich“ nicht Aufgabe der Zivilgerichte bei entsprechender Marktkonstellation im Rahmen der Erforderlichkeit eine Kontrolle der wirtschaftlichen Angemessenheit der vereinbarten Preise vorzunehmen.

    Vor diesem Hintergrund ist die Verständlichkeit der Entscheidungsgründe zu dieser Thematik in diesem Urteil des AG Leipzig durchaus plausibel und erklärt auch die einleitende Kommentierung von Willi Wacker.

    Mit freundlichen Grüßen
    nach Karsruhe

    Dipl.-Ing. Harald Rasche
    Bochum & Tangendorf

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