AG Halle – AZ 91 C 3540/16 vom 11.05.2017 – HUK-Coburg hat die Klägerin von den Kosten für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens freizustellen

Nachfolgend dürfen wir ein Urteil des AG Halle an der Saale zur Kenntnis nehmen, das dem grundrechtlichen Anspruch des Klägers auf den gesetzlichen Richter im Ergebnis gerecht wurde, jedenfalls insoweit auf die Kürzung für die Kosten der Archiv-Handakte verzichtet worden wäre. Schade. Denn gerade die hier praktizierte Verfahrenstaktik seitens der HUK-Coburg, in der Verantwortung u. a. des Vorstands Dr. Wolfgang Weiler – Behauptungen wider besserem Wissens – begründet die Notwendigkeit eines ordentlich geführten Archivs.

Amtsgericht
Halle (Saale)

91 C 3540/16

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

der Frau …

Klägerin

gegen

HUK-Coburg-Allgemeine Versicherung AG vertr. d. d. Vorstand Dr. Wolfgang Weiler, Bahn­hofsplatz, 96444 Coburg

Beklagte

hat das Amtsgericht Halle (Saale) im Verfahren gem. § 495 a ZPO am 11.05.2017 durch den Richter am Amtsgericht B. für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin hinsichtlich der weiteren Kosten für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens i.H.v. 65,86 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30,08.2013 gegenüber dem Inhaber des Kfz Sachverständigenbüro … , freizustellen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

Die Klägerin hat §§ 7, 17, 13 StVG, 115 Abs. 1 VVG, 249 BGB Anspruch auf vollständige Erstattung des Gesamtbetrages aus der Rechnung gemäß Anl. FRE 4 i.H.v. 530,20 € abzüglich des bereits bezahlten Teilbetrages i.H.v. 450 € sowie abzüglich der Kosten für die Archiv-Handakte des Sachverständigen in Höhe von 14,34 €, die die Klägerin im Rechtsstreit nicht geltend macht.

Soweit die Beklagte bestreitet, dass die Klägerin zum Unfallzeitpunkt Eigentümerin des unfall­beteiligten und begutachteten Pkw Golf mit dem damaligen amtlichen Kennzeichen Hal- …..  war, so haben die durch die Klägerin benannten Zeugen schriftlich – nach Hinweis auf die Strafbarkeit einer Falschaussage – bestätigt, dass die Klägerin den Pkw von Herrn P. (einem der Zeugen) gekauft und den Kaufpreis gezahlt hat. Anhaltspunkte dafür, dass der Verkäufer den Pkw bei dieser Sachlage nicht der Klägerin, sondern einem Dritten übereignet haben könnte, werden von der Beklagten nicht dargelegt und sind auch nicht nahe liegend, Das Gericht ist daher nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vom Eigentum der Klägerin am Pkw zum Unfallzeitpunkt überzeugt.

Soweit die Beklagte bestreitet, dass die Klägerin den streitgegenständlichen Gutachtenauftrag erteilt hat, so ergibt sich aus Anl. 2 (Bl. 11) der Beweis des 1. Anscheines für die genannte Behauptung, denn die dort ersichtliche Unterschrift des Auftraggebers deutet auf die Klägerin als Auftraggeberin für das streitgegenständliche Sachverständigengutachten hin. Weder be­hauptet die Beklagte im Rechtsstreit, dass es sich bei der Anl. 2 um eine Fälschung handele, noch trägt sie sonst Tatsachen vor, die geeignet wären, den gegebenen Anschein zu erschüt­tern.

Der Einwand der Beklagten, die Rechnung des beauftragten Sachverständigen sei unüblich hoch und hinsichtlich der Nebenkosten teilweise unzutreffend, greift im Ergebnis nicht durch, insbesondere führen die aus dem von der Beklagten zitierten BGH-Urteil vom 19.07.2016 er­sichtlichen Grundsätze nicht zu einer anderen Beurteilung.

Nach diesem Urteil verbleibt es zunächst dabei, dass dem durch einen Verkehrsunfall Geschädigten dem Grunde nach Ersatz der Kosten eines eingeholten Sachverständigengutach­tens zustehen, weil diese Kosten zu den gemäß § 249 BGB auszugleichenden Vermögens­nachteilen gehören, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzan­spruches erforderlich und zweckmäßig ist. Die Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit der Be­gutachtung als solche steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

Der BGH stellt in dem genannten Urteil weiter klar, dass der Geschädigte nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei ist. Er ist deshalb grundsätzlich berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen. Er kann jedoch vom Schädiger nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erschei­nen, Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Allerdings ist bei der Beur­teilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situati­on des Geschädigten zu nehmen, insbesondere auf seine Erkenntnis und Einflussmöglichkei­ten, sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten. Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes ver­pflichtet, um eine möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (BGH Ur­teil vom 19.07.2016 zum Az. VI ZR 491/15 Rn. 15-16 zit nach Juris,)

Diese Grundsätze führen zu einem Freistellungsanspruch der Klägerin in Höhe des Rech­nungsbetrages abzüglich des gezahlten Betrages sowie abzüglich der Archivierungskosten, Zwar ist nach dem vorzitierten BGH Urteil eine Rechnung nur dann ein Indiz für die Erforderlichkeit des Rechnungsbetrages zur Wiederherstellung des Geschädigten, wenn sie von die­sem auch bezahlt worden ist und die Klägerin hat die streitgegenständliche Rechnung nicht selbst ausgeglichen. Dennoch hält sich die streitgegenständliche Rechnung vom 13.08.2013 im Rahmen dessen, was einem wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage der Klägerin zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen musste. Dafür spricht, dass der Rechnungsgesamtbetrag jedenfalls unter Zugrundelegung der als Anl. FRF 6 von der Klägerin vorgelegten Honorarumfrage VKS/BVK 2012/2013 nicht als unüblich hoch ange­sehen werden kann und es daher auf die Frage, ob die eigenen Gebührentabellen des beauf­tragten Sachverständigen wirksam in den zwischen ihm und der Klägerin geschlossenen Ver­trag einbezogen worden sind, nicht ankommt. Das berechnete Grundhonorar von 349 € be­wegt sich innerhalb des für Bruttoreparaturkosten von 1613,50 € in der Honorarumfrage ge­nannten Korridores von 255 bis 378 € Hinsichtlich der Nebenkosten zeigt ein Vergleich zwi­schen der Honorarumfrage und der Rechnung, dass einige Nebenkostenpositionen der Rech­nung nach oben von dem Korridor der Umfrage abweichen, andere aber auch nach unten abweichen. Ersteres gilt z.B. für die Schreibkosten, letzteres gilt z.B. für die Kostenposition „Fremdleistung Datenbank“.

Soweit die Beklagte die generelle Erstattungsfähigkeit von Nebenkosten angreift, so zeigt die Honorarumfrage VKS/BVK, dass die Abrechnung von Nebenkosten grundsätzlich üblich ist bzw. zum Zeitpunkt der Erstellung der Umfrage war.

Soweit die Beklagte den Ansatz von Pauschalen für einzelne Nebenkostenpositionen angreift, so zeigt die Honorarumfrage, dass auch solche Pauschalen offenbar üblich sind oder waren. Sie waren es im übrigen zur fraglichen Zeit nicht nur nach der als Anl. FRE 6 vorgelegten Um­frage, sondern auch nach der Honorarumfrage BVSK 2013, die die Klägerin im Rechtsstreit ebenfalls in Bezug genommen hat (B! 59). In dieser Honorarumfrage lautet die schriftliche Erläuterung zu der Erhebung der Nebenkosten wie folgt:

„So genannte Nebenkosten sind zu keinem Zeitpunkt hinreichend klar definiert worden. Im Wesentlichen dient die Aufteilung der Rechnung des Kfz Sachverständigen in das sogenannte Grundhonorar und in sogenannte Nebenkosten einer möglichst hohen Transparenz. Insbe­sondere soll dem Nutzer des Gutachtens ermöglicht werden, bereits durch die Rechnung zu erkennen, wie hoch die Anzahl der gefertigten Lichtbilder war bzw, wie weit die Entfernung zwischen dem Sachverständigeflbüro und dem Ort der SchadensfeststeÜung ist. Die be­triebswirtschaftliche Definition, wonach Nebenkosten, die mit der eigentlichen Tätigkeit nichts zu tun haben, Positionen darsteilen mit der Maßgabe, dass lediglich die tatsächlich anfallen­den Kosten weitergegeben werden, hatte in der Vergangenheit mit der Praxis der Rech­nungsstellung der Kfz-Sachverständigen nicht zwingend zu tun. In den geltend gemachten Nebenkosten sind in der Regel Gewinnanteile enthalten, die bei anderer Betrachtung dem Grundhonorar zuzurechnen wären, das dann entsprechend höher anzusetzen wäre„.

Das Zitat zeigt einerseits, dass die aus dem Sachvortrag der Beklagten ersichtliche Befürch­tung, dass die Nebenkosten Gewinnanteile enthalten, berechtigt sein dürfte, andererseits aber dies jedenfalls im Jahr 2013 noch der Üblichkeit entsprach, Es ist daher nicht ersichtlich, wie die Klägerin die Nebenkosten als unüblich hoch hätte erkennen sollen.

Das berechnete Sachverständigenhonorar mag die Sätze der BVSK-Honorarbefragung 2013 jedenfalls hinsichtlich des Grundhonorars überschreiten. Jedoch entwertet dies nicht die In­dizwirkung, die sich zu Gunsten der Üblichkeit: der streitgegenständlichen Rechnung aus der Honorarbefragung VKS/BVK ergibt. Immerhin handelt es sich nach den Erläuterungen zu die­ser Umfrage um eine gemeinsame Honorarumfrage der Sachverständigenverbände VKS (Verband der unabhängigen Kraftfahrzeugsachverständigen e. V.) und BVK (Bundesverband öffentlich bestellter, vereidigter oder anerkannter qualifizierter Kraftfahrzeugsachverständige e. V., die in Abstimmung mit dem Bundeskartellamt durchgeführt worden ist.

Schließlich ist der nach Auffassung des Gerichts zutreffende Gedanke zu betonen, dass bei der Prüfung der Üblichkeit eines Sachverständigenhonorars es nur auf den Vergleich der Rechnungsendbeträge, nicht auf den Vergleich einzelner Rechnungspositionen ankommen kann. Aus dieser Betrachtungsweise ergibt sich, dass die streitgegenständliche Rechnung nicht wesentlich über den Rechnüngsendbeträgen liegt, die nach der VKS/BVK Honorarbefra­gung 2012/2013 noch als üblich einzuschätzen waren.

Soweit die Beklagte auf regionale Besonderheiten in Sachsen-Anhalt abstellt, SO ist ihr einer­seits zuzugeben, dass nach den Erläuterungen der vorzitierten Honorarbefragungen regionale Unterschiede offenbar durchaus vorhanden sind. Nach Auffassung des Gerichts entwertet aber auch dies nicht die Indizwirkung der als Anl. 6 vorgelegten Honorarbefragung. Nicht ein­mal die Beklagte hat im Rechtsstreit das Ergebnis einer regionalen Honorarumfrage vorgelegt. Von einer wirtschaftlich denkenden Person in der Lage der Klägerin eine derartige Recherche zu verlangen, wäre daher nicht zumutbar und würde darüber hinaus im Widerspruch zu der von der Beklagten zitierten Rechtsprechung dahingehend stehen, dass der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet ist, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen.

Die streitgegenständliche Rechnung hält sich daher im Rahmen des Erforderlichen im Sinne von § 249 BGB und die Klageforderung ist daher in der Hauptsache begründet.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § gi ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbar­keit des Urteils folgt aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

B. Richter am Amtsgericht

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

 

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3 Antworten zu AG Halle – AZ 91 C 3540/16 vom 11.05.2017 – HUK-Coburg hat die Klägerin von den Kosten für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens freizustellen

  1. R-REPORT-AKTUELL sagt:

    Auch hier eine klare Absage an das Honorartableau der Huk-Coburg-Versicherung als geeignete Grundlagezum Nachweis der Erforderlichkeit. Die Indizwirkung der Rechnung wurde durch die vorgelegte Honorarbefragung des VKS/BVK ausreichend dargetan. Gegenläufige Betrachtungsweisen und Infragestellungen waren schadenersatzrechtlich insoweit nicht erheblich.

    R-REPORT-AKTUELL

  2. Iven Hanske sagt:

    Meine Kundin erzielte dieses gute Urteil auf Tatsachen und der Richter konnte diese Tatsachen (VKS-BVK) seriös nicht ignorieren.

  3. Glöckchen sagt:

    Laut dem Pinoccio-Urteil 50/15 müssten doch Klagen auf Freistellung (von der Pflicht,den Werklohn an den SV zu zahlen) immer abgewiesen werden,weil hier die Werklohnforderung des SV selbstverständlich nicht vom Geschädigten bezahlt wurde.
    Auch hier zeigt sich,warum die Annahme einer Indizwirkung nur bei bezahlter Rechnung a´la 50/15 komplett „für die Tonne“ ist.
    Klingelingelingelts?

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