Amtsgericht Hamburg spricht auch bei fiktiver Schadensabrechnung die im Gutachten aufgeführten Fachwerkstattlöhne zu (56A C 53/07 vom 26.06.2007)

Das Amtsgericht Hamburg hat mit Urteil vom 26.06.2007 (56A C 53/07) die Provinzial Nord Brandkasse AG verurteilt, an den Geschädigten 470,17 € nebst Zinsen zu zahlen.

Aus den Gründen:

Der Kläger kann von der Beklagten restliche Reparaturkosten nämlich die Differenz zwischen den fiktiven Netto- Reparaturkosten und dem von der Beklagten gezahlten Betrag ersetzt verlangen. Ausgangspunkt ist die Rechtsprechung des Bundesgerichteshofes, wonach ein Geschädigter vom Grundsatz her einen Anspruch auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon hat, ob er den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren läßt (vergl. BGH NJW 2003, 2086 ff.-sogenanntes Porsche-Urteil).

In dem genannten Urteil wird allerdings ausgeführt, dass der Geschädigte, der mühelos eine ohne weiteres zugängliche, günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, sich auf diese verweisen lassen muss. Entscheidend für diesen Rechtsstreit ist daher, ob die von der Beklagten genannte Firma S. hierunter fällt, ob der Kläger sich mit anderen Worten darauf verweisen lassen muss, (fiktiv) sein Fahrzeug zu den von der Beklagten behaupteten Reparaturkosten dieser Firma reparieren zu lassen. Dies ist nach eingehender Überlegung des Gerichtes nicht der Fall. Bei der angebotenen Reparaturmöglichkeit Firma S. handelt es sich mithin nicht um eine gleichwertige Reparaturmöglichkeit. Zum einen ist es ein Unterschied, ob ein Fahrzeug in einer markengebundenen, hier also Mercedes Werkstatt, repariert wird oder bei einer anderen Werkstatt, welche nicht speziell auf die Fahrzeuge des Typs Mercedes spezialisiert ist. Zum anderen handelt es sich bei der Firma S. ersichtlich um ein Unternehmen, welches eine Vielzahl von Aufträgen seitens der Versicherungswirtschaft erhält. Kein Geschädigter ist jedoch verpflichtet, sich auf eine Reparaturmöglichkeit verweisen zu lassen, welche eine mit der Versicherungswirtschaft und damit auch mit der Versicherung seines Schädigers geschäftlich verbundene Autowerkstatt anbietet (vergl. auch AG Nürtingen, NJW 2007, 1143). Unter diesen Umständen kann daher von einer Gleichartigkeit nicht ausgegangen werden mit der Folge, dass der Kläger die restlichen ausgeurteilten Reparaturkosten beanspruchen kann.

So das relativ kurze und knappe Urteil des AG Hamburg, das sich mit dem sogenannten Porsche-Urteil auseinander gesetzt und damit eine Gleichwertigkeit der Reparaturmöglichkeit verneint hat.

Urteilsliste „Fiktive Abrechnung“ zum Download >>>>>

Dieser Beitrag wurde unter Fiktive Abrechnung, Haftpflichtschaden, Lohnkürzungen, Provinzial Versicherung, Stundenverrechnungssätze, Urteile abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

7 Antworten zu Amtsgericht Hamburg spricht auch bei fiktiver Schadensabrechnung die im Gutachten aufgeführten Fachwerkstattlöhne zu (56A C 53/07 vom 26.06.2007)

  1. Friedhelm S. sagt:

    Hi Willi Wacker,
    wieder einmal ein interessantes Urteil. Es zeigt einmal mehr, dass die Versicherer mit allen Mitteln versuchen, das sog. Porsche-Urteil des BGH umzudeuten und fehlzuinterpretieren. Der Versuch ist allerdings gescheitert. Weiter so.
    Gruss Friedhelm S.

  2. Klaus Werner sagt:

    Gibt es eigentlich schon ein vergleichbares OLG-Urteil? Wäre aus meiner Sicht vor allem wegen der „Partnerwerkstätten-Problematik“ wichtig.

    Bei meinem Schaden hat die DEVK nämlich mitgeteilt, ein Sachverständiger einer großen Organisation hätte auf Basis der Stundensätze der VW-Fachwerkstatt X die Schadensumme lt. Gutachten um den Betrag Y gekürzt. Der Instandsetzungsweg war dabei nicht beanstandet worden.

    Ich habe daraufhin die sich auf Basis der Kürzung ergebenden Stundensätze ausgerechnet und die erschienen mir für eine markengebundene Fachwerkstatt aberwitzig niedrig.

    Auf meinen Anruf hin teilte mir die in dem Schriftsatz der DEVK genannte Werkstatt dann auch völlig andere Stundensätze mit. Außerdem werden dort Aufschläge auf die Ersatzteile und Verbringungskosten in Ansatz gebracht. Alles in allem hätte sich bei dieser Werkstatt dann eine bei weitem höhere Schadensumme ergeben als von meinem Sachverständigen ermittelt.

    Als ich dann die in dem Gutachten genannten Stundensätze ansprach und die Versicherung nannte, wurde mir mitgeteilt, es handele sich um eine Sonderabsprache mit der DEVK und wenn die zahlen müssten, würde mein Auto tatsächlich zu diesen Sätzen repariert.

    Was mache ich jetzt? Kann ich davon ausgehen, dass die Amtsgerichte allgemein die Auffassung vertreten, dass „Partnerwerkstätten-Stundensätze“ allgemein irrelevant sind? Eigentlich bekomme ich ja, was mir lt. dem Porsche-Urteil zusteht, nämlich den Betrag, den die Instandsetzung in der markengebundenen Fachwerkstatt kostet…nur eben zu Sonderkonditionen…

    Ganz nebenbei frage ich mich auch, ob es Aufgabe eines Sachverständigen sein kann, der Versicherung das in das Gutachten reinzuschreiben, was sie ihm vorgibt. Für mich hat das mit Sachverständigentätigkeit nichts zu tun.

    Grüße, Klaus Werner

  3. Andreas sagt:

    Sehr schön ist vor allem klar dargestellt, dass eine Werkstatt, die mit Versicherern zusammenarbeitet nicht gleichwertig einer freien Markenwerkstatt sein kann. Wohl auch deshalb, da es zwangsläufig zu Interessenskonflikten kommen würde…

    Grüße

    Andreas

  4. Willi Wacker sagt:

    Hallo Andreas,
    sehr richtig erkannt. Nicht umsonst versuchen die Versicherer das Porscheurteil in ihrem Sinne zu interpretieren.
    Erfreulich ist, dass auch die Gerichte dies durchschauen.
    MfG
    Willi Wacker

  5. virus sagt:

    In meinen Augen hat hier die Werkstatt ein Problem. Entweder sie betrügt den gemeinen Kunden mit zu hohen Forderungen. Oder die Werkstatt gibt der DEVK Preisnachlässe, welche zwangsläufig in die Pleite führen werden.
    Wie war das mit den roten Zahlen in 2007?

  6. Andreas sagt:

    Mich wundert es immer wieder weshalb sich Werkstätten auf „Sonderpreise“ einlassen. Wenn man sich die Knebelverträge einmal ansieht, dann geben die Werkstätten im Haftpflichtschadenfall Rabatte von bis zu 50%!

    Wenn da noch wirtschaftliches Arbeiten möglich sein soll, dann muss der „Normaltarif“ ja erheblich überteuert sein!

    Merken die Werkstätten eigentlich nicht, dass da genau das Gleiche versucht wird wie bei den Mietwagenkosten? Erst einmal Rabatte aushandeln, dann diese als üblich durchsetzen und dann die wirtschaftlich vernünftig abrechnenden Werkstätten kaputt machen…

    Und das für einen kurzfristigen Euro, der nicht einmal verdient, sondern nur gewechselt wird. Sehr toller Weitblick.

    Grüße

    Andreas

  7. WESOR sagt:

    Partnerschaft heist eben, der Partner schafft. Gestern in Stern-TV, Wenn die Versicherung nicht zahlt? Hat ein ehemaliger Versicherungsanwalt gesagt: Desto größer der Schadenersatzanspruch umso größer die Verzögerungstaktik der Versicherung um den Geschädigte in weitere wirtschaftliche Not zu bringen, damit er gefügig gemacht wird. Das trifft auf die tägliche Schadenregulierung zu. Würde es so wie in Amerika sein, würde eine Versicherung verurteilt, das 200 fache an Strafe für die Verzögerungstaktik bezahlen müssen, könnte es bald anders aussehen. Bei uns gibt es da auch schon kleine Ansätze z.B. in einem Munchener Urteil wurde die Versicherung auch zu zusätzlich 50.000 € Schmerzensgeld wegen Verzögerung verurteilt. Alles was mit Ver beginnt, wie Verbrecher gehört auch so behandelt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert