AG Coburg verurteilt die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung zur Zahlung der vollen Verbringungskosten, auch nachdem diese im Prozess komplett bestritten wurden , mit Urteil vom 28.3.2017 – 14 C 101/17 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,

hier und heute stellen wir Euch ein Urteil aus Coburg zu den Verbringungskosten bei der konkreten Schadensabrechnung mit umfangreicher Begründung vor. Da der Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Coburg geführt wurde, liegt es nahe, dass es sich bei der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung um die HUK-COBURG handelt. Leider wurde uns der Kfz-Haftpflichtversicherer nicht mitgeteilt. Umso überraschender ist es, dass das AG Coburg so umfassend gegen die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung urteilt. Bemerkenswert ist auch, dass die einstandspflichtige Versicherung zunächst einen Teil der Verbringungskosten anerkannt hatte, dann im Rechtsstreit die Verbringung insgesamt bestritt. Dass dieses Bestreiten unerheblich war, erkannte die beklagte Versicherung jedoch nicht. Das erkennende Gericht hat die Beklagte aber ausdrücklich auf ihr widersprüchliches Verhalten hingewiesen und auf die Tatsache, dass sie vorgerichtlich bereits einen Teil der berechneten Verbringungskosten, die im Übrigen durch die Reparaturrechnung nachgewiesen waren, anerkannt hatte. Wenn die Beklagte meint, die Verbringungskosten seien in der Höhe nicht entstanden, so hat sie diese gleichwohl auszugleichen, da der Werkstattinhaber ihr Erfüllungsgehilfe bei der Wiederherstellung des vor dem Unfall bestehenden Zustandes im Sinne des § 249 I BGB ist (BGHZ 63, 182 ff.). Allerdings verbleibt ihr der Vorteilsausgleich (vgl. dazu auch Imhof/Wortmann DS 2011, 149 ff.). Auf den Vorteilsausgleich hat das erkennende Gericht die Beklagte auch indirekt hingewiesen, mit dem Hinweis, dass eine Zug-um-Zug-Verurteilung nicht in Betracht kommt, weil bereits der Ausgleichsanspruch an die Beklagte abgetreten war. Lest selbst das Urteil des AG Coburg und gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

Amtsgericht Coburg

Az.: 14 C 101/17

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

Kläger –

gegen

– Beklagte –

wegen Schadensersatz

erlässt das Amtsgericht Coburg durch die Richterin am Amtsgericht … am 28.03.2017 aufgrund des Sachstands vom 24.03.2017 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes

Endurteil

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)

1.       Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 68,68 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.12.2016 zu zahlen.

2.       Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.       Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 68,68 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und vollumfänglich begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Erstattung weiterer Reparaturkosten, konkret Verbringungskosten, in Höhe der geltend gemachten Summe gemäß §§ 7 StVG, 115 VVG, 249 ff. BGB zu.

1.
Die Verbringungskosten in Höhe von weiteren 68,68 € brutto sind erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 BGB.

a)
Soweit die Beklagte bestreitet, dass das Fahrzeug tatsächlich verbracht wurde, so kann sie mit diesem Einwand nunmehr nicht gehört werden, da die Beklagte die grundsätzliche Erstattungsfähigkeit der Verbringungskosten im Rahmen ihres Abrechnungsschreibens nebst entsprechender Zahlung anerkannt hat.

Insoweit ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGH Urt. v. 19.11.2008 – BGH Aktenzeichen IV ZR 293/05, NJW-RR 2009, NJW-RR Jahr 2009 Seite 382, Tz. NJW-RR Jahr 2009 Seite 382 Randnummer 9), der gefolgt wird, von Folgendem auszugehen:

„Die Regulierungszusage eines Haftpflichtversicherers gegenüber dem von seinem Versicherungsnehmer geschädigten Dritten ist kein abstraktes (konstitutives) Schuldversprechen/Schuldanerkenntnis. Ein solches liegt nur vor, wenn die übernommene Verpflichtung von ihrem Rechtsgrund, d. h. von ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhängen gelöst und allein auf den im Versprechen zum Ausdruck gekommenen Leistungswillen des Schuldners gestellt werden soll. Das ist bei einer Regulierungszusage des Haftpflichtversicherers gegenüber dem Geschädigten nicht der Fall. Sie hat ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Grund zum einen in dem Haftpflichtverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Geschädigten und zum anderen im Deckungsverhältnis zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer. Der Haftpflichtversicherer ist – auch bei fehlendem Direktanspruch – aufgrund der uneingeschränkten Verhandlungsvollmacht des Versicherungsnehmers aus § 5 Nr. 7 AHB in der Praxis regelmäßig der maßgebliche Ansprechpartner des Geschädigten; dieser soll sich auf das Wort des Versicherers verlassen können, ohne von sich aus nachforschen zu müssen, ob der Versicherer seinem Versicherungsnehmer, dem Schädiger, gegenüber (teilweise) leistungsfrei ist (BGHZ 169, BGHZ Band 169 Seite 232, BGHZ Band 169 237 f; 113, 62,65 f.; BGH, Urteil vom 7. Oktober 2003 – BGH Aktenzeichen VI ZR 392/02 – VersR 2003, VersR Jahr 2003 Seite 1547 unter 2 b aa, bb). Aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten ist
die ihm erteilte Regulierungszusage deshalb dahin zu verstehen, dass der Versicherer seinem Versicherungsnehmer gegenüber deckungspflichtig ist und in dessen Namen den Haftpflichtanspruch anerikennt, Darin liegt ein beide Rechtsverhältnisse umfassendes, den Versicherer wie den Versicherungsnehmer verpflichtendes deklaratorisches (kausales) Anerkenntnis gegenüber dem Geschädigten (vgl. BGHZ 113 a. a. O.; BGH, Urteil vom 28. September 1965 – BGH Aktenzeichen VI ZR 88/64 -VersR 1965, VERSR Jahr 1965 Seite 1153 unter II 1).“

So liegt der Fall auch hier: Denn die Beklagte hat, nachdem ihr gegenüber die Verbringungsko-sten in Form der Rechnung geltend gemacht worden waren, ein Abrechnungsschreiben verfasst und darin ausdrücklich erklärt:
„Die Verbringungskosten sind in der Höhe nicht nachvollziehbar.“
Es folgen sodann Ausführungen zur ihrer Meinung nach erforderlichen Höhe.

Dieses Abrechnungsschreiben stellt daher nach der gebotenen Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten eine Regulierungszusage der Beklagten und damit entsprechendes deklaratorisches Schuldanerkenntnisse gegenüber dem Geschädigten dar. Schließlich hat die Beklagte die bei ihr eingereichten Verbringungskosten-Rechnung erklärtermaßen geprüft und danach pauschal akzeptiert und allein in der Höhe gewisse Abzüge vorgenommen. Die Beklagte hat nicht in Zweifel gezogen, dass unfallbedingt überhaupt Verbringungskosten angefallen wären und sodann Zahlungen erbracht.

Bei der gebotenen Auslegung unter gebührender Berücksichtigung der Interessenlage beider Seiten und der Umstände des Einzelfalls konnte der Geschädigte die entsprechenden Regulierungszusage nach alledem allein dahin verstehen, dass die Beklagte mit dem Ziel, das durch den Unfall begründeten gesetzliche Schuldverhältniss – jedenfalls teilweise – dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien zu entziehen, diese insofern „feststellen“  wollte (vgl. BGH NJW 1995, NJW Jahr 1995 Seite 960, NJW Jahr 1995 961 1998, NJW Jahr 1998 Seite 306, 1492; 1999, 2889; ZIP 2008, ZIP Jahr 2008 Seite 1373 OLG Karlsruhe WM 1995, WM Jahr 1995 Seite 920, WM Jahr 1995 921 MünchKomm-BGB-Habersack, 5. Aufl. 2009, § § 781, Rn. 3 – m. w. N.), als sie den Anspruch auf Bezahlung der Verbringungskosten – (deklaratorisch) anerkenne (vgl. Zum Ganzen OLG Karlsruhe Urt. V. 01.02.2013, 1 U 130/12).

b)
Die Verbringungskosten stellen nach Ansicht des Gericht auch in der Höhe erforderlichen Aufwand dar.

Auf die Frage, ob die von der Beklagten nicht gezahlten Verbringungskosten objektiv notwendig gewesen sind kommt, es nach Auffassung des Gerichts nicht an. Nach § 249 Abs.2 S. 1 BGB sind zwar nur Aufwendungen ersatzfähig, die ein verständiger wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Allerdings sind in diesem Rahmen auch Mehrkosten zu ersetzen, die ohne Schuld des Geschädigten durch möglicherweise unsachgemäße Maßnahmen der Reparaturwerkstatt entstehen. Der Schädiger trägt insoweit das sogenannte Werkstatt- und Prognoserisiko (AG Norderstedt 44 C 164/12).

Die durch die Werkstatt in der Reparaturrechnung belegten Aufwendung sind im allgemeinen ein aussagekräftiges Indiz für die Erforderlichkeit der Verbringungskosten. Dies gilt insbesondere dann, wenn wie hier gleichartige Aufwendung sich bereits aus dem eingeholten Sachverständigengutachten ergeben. Ein Auswahlverschulden der Klägerin ist insoweit nicht zu erkennen.

Auch die Frage, ob die Lackierwerkstatt möglicherweise kostenlose Verbringung anbietet, ist für den Kläger als Unfallgeschädigten nicht erkennbar. Wie sich bereits aus dem Sachvortrag beider Parteien und den Beweisangeboten ergibt, sind zur Beantwortung dieser Frage Nachforschungen erforderlich, die einem Unfallgeschädigten gerade nicht zugemutet werden können. Auch dies unterliegt nach Ansicht des Gerichts dem Werkstattrisiko der Beklagten, die sich nach der erfolgten Abtretung eventueller Ansprüche gegen die Werkstatt durch den Kläger an diese wenden möge.

Im Übrigen vermag das Gericht nicht zu erkennen, warum die Beklagte ausgerechnet einen Betrag von ursprünglich 80,00 €, dann 120,00 €, für angemessen erachtet. Aus einer Vielzahl von gleichgearteten Verfahren weiß das Gericht, dass bei der Beklagten offenbar immer 80,00 € ohne jegliche Einzelfallprüfung angemessen erscheinen. Die Beklagte legt aber weder in den entsprechenden Abrechnungsschreiben noch im Verfahren dar, warum dies der erforderliche Betrag sein soll.

Die geltend gemachten Verbringungskosten waren daher zuzusprechen.

Die Klage ist daher in der Hauptsache vollumfänglich begründet.

Eine Zug-um-Zug-Verurteilung war nicht erforderlich, da eventuelle Ansprüche gegen die Werkstatt bereits an die Beklagte abgetreten wurden.

2.
Weiterhin hat der Kläger einen Anspruch auf Verzugszinsen ab dem 16.12.2016. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Urteilsliste “Verbringungskosten” zum Download >>>>>

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1 Antwort zu AG Coburg verurteilt die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung zur Zahlung der vollen Verbringungskosten, auch nachdem diese im Prozess komplett bestritten wurden , mit Urteil vom 28.3.2017 – 14 C 101/17 -.

  1. Bückli Bock sagt:

    Ersetzt man die Vokabel „Verbringungskosten“ durch den Begriff „Gutachterkosten“, so kann fast ohne Abstriche ein sinnvoller Schriftsatz daraus abgeleitet werden.
    Bückli Bock

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