AG Dillenburg verurteilt VN der LVM zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten und zur Feststellung der Zahlungspflicht hinsichlich der Gerichtskostenzinsen mit Urteil vom 19.5.2014 – 5 C 110/14 -.

Sehr verehrte Captain-Huk-Leser,

auch die LVM geht offenbar immer mehr dazu über, die berechneten Sachverständigenkosten nicht vollständig zu erstatten, obwohl eine einhundertprozentige Haftung aus dem Unfallereignis besteht. Sowar das Unfallopfer in diesem Fall  gezwungn, wegen des restlichen Schadensersatzes den Unfallverursacher persönlich in Anspruch zu neehmen. Immer häufiger wird dieser Weg beschritten. Die Vorteile dieses Wegs hatten wir im Vorspann des gestern veröffentlichten Urteils des AG Dortmund dargestellt. Jeder Geschädigte, der nicht vollständigen Schdensersatz erhalten hat, sollte sich überlegen, ob er nicht diesen Weg beschreiten will. Wenn der eigene Versicherungsnehmer von dem Geschädigten selbst in Anspruch genommen wird, führt das unweigerlich zu Zwistigkeiten zwischen Versichertem und Versicherer. Der Wechsel der Versicherungen kann bis zum  30.11.2014 noch erfolgen!  – In diesem nachfolgend veröffentlichten Urteil hat zuständige Amtsrichter des AG Dillenburg (Hessen) zutreffend die werkvertraglichen  und die schadensersatzrechtlichen Voraussetzungen gegenüber gestellt. Im Schadensersatzprozess kommt es aber grundsätzlich nur auf die schadensersatzrechtlichen Voraussetzungen an. Werkvertragliche Gesichtspunkte haben grundsätzlich im Schadensersatzprozess nichts zu suchen. Zwar wurde der Festellungsausspruch nicht begründet, der erkennende Richter sah ihn aber aufgrund der überzeugenden Begründung im Antrag für begründet an. Lest aber selbst das Urteil und gebt bitte Eure Kommentare ab.

Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker

Amtsgericht Dillenburg

Aktenzeichen: 5 C 110/14

I m   N a m e n    d e s    V o l k e s

U r t e i l

In dem Rechtsstreit

des Herrn S. K. aus D.

Klägers –

Prozessbevollmächtigte: RAe. D. I u. K. aus A.

g e g e n

Frau H. L. aus B. (VN der LVM)

Beklagte –

Prozeessbevollmächtigte: RAe. H. u. K. aus H.

hat das Amtsgericht Dillenburg

durch den Richter am Amtsgericht D. D.

ohne mündliche Verhandlung im Verfahren gemäß § 495a ZPO 

am 19.5.2014 für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt,

1. an den Kläger 242,88 € nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz seit dem 6.11.2013 zu bezahlen.

2. an den  Klger 133,04 €nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz seit dem 6.11.2013 zu bezahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die klägerseits verauslagten Gerichtskosten Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz für die Zeit vom Eingang der eingezahlten Gerichtskosten bis zum Eingang des Kostenfestsetzungsantrages nach Maßgabe der auszuurteilenden Kostenquote zu bezahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

(Auf die Abfassung des Tatbestandes wird gemäß § 313a ZPO verzichtet).

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Der Kläger hat schlüssig vorgetragen.

Im Zusammenhang mit der Frage nach der Angemessenheit der Höhe der Sachverständigenkosten im Rahmen der Ermittlung der Unallschadenshöhe ist zu unterscheiden zwischen einerseits werkvertraglichen Grundsätzen in der Beziehung zwischen dem Sachverständigen als Unternehmer und dem ihn beauftragenden Geschädigten als Besteller und andererseits schadensersatzrechtlichen Grundsätzen zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger bzw. dem hinter diesem stehenden Haftpflichtversicherer. Während im ersten Fall die Rechnung des Sachverständigen gegenüber seinem Auftraggeber / Vertragspartner insbesondere den werkvertraglichen Anforderungen an die Angemessenheit und Üblichkeit zu entsprechen hat, ist im zweiten Fall die Erstattungspflicht des Schädigers ausschließlich danach zu beurteilen, ob die Sachverständigenrechnung in ihrer Höhe im Sinne von § 249 BGB als angemessen erscheint. Dabei kann durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, ob die Angemessenheit im werkvetraglichen Sinne oder in schadensersatzrechtlicher Weise zu überprüfen ist. Im Rahmen des Schadensersatzes darf sich der Geschädigte bei der Beauftragung eines Sachverständigen regelmäßig damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne Weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss damit keine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (BGH VI ZR 225/13 [= BGH NJW 2014, 1947 = DS 2014, 90 = NZV 2014, 255]). Die tatsächlich angefallene Rechnungshöhe bildet sodann regelmäßig bei der Schadensschätzung des Gerichts nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrages im Sinne von § 249 II 1 BGB. Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählteSachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet ihm das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen günstigeren – und zur Verfügung stehenden – Sachverständigen zu beauftragen (BGH aaO.).

Dies vorzutragen und ggf. zu beweisen obliegt insoweit dem Schädiger.

Mithin kommt es vorliegend für die zu treffende Entscheidung nicht darauf an, ob und in welchem Umfang die Honorarforderung des beauftragten Sachverständigen dem Geschädigten gegenüber vertraglich geschuldet ist, sondern darauf, ob der Geschädigte eine „Überteuerung“ des Honorars unschwer hätte erkennen und ob er alternativ einen kostengünstigeren Sachverständigen ohne unzumutbare Anstrengungen hätte beauftragen können. Dass und weshalb es hier im konkreten Fall für den Kläger unschwer möglich gewesen sein soll, sowohl eine Überteuerung der Sachverständigenkosten zu erkennen als auch einen verfügbaren, günstigeren Sachverständigen zu beauftragen, hat die Beklagte indes nicht hinreichend dargestellt. Alleine aus dem rechnerischen Verhältnis zwischen Grundhonorar und Nebenkosten ist diese Erkenntnis des Klägers jedenfalls nicht ohne Weiteres abzuleiten, denn dies würde zunächst Vortrag dazu  voraussetzen, dass dem Kläger die Gepflogenheiten der Abrechnungspraxis geläufig wären, was wiederum , sollte der Geschädigte nicht über spezielle diesbezügliche Kenntnisse verrfügen, ihm ein ihm allerdings nicht obliegende Marktforschung abverlangen würde.

Nach alledem erwies sich die Klage als begründet, so dass antragsgemäß zu entscheiden war.

Die zuerkannten Nebenforderungen grründen auf dem Zahlungsverzug der Beklagten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, der Anspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen gemäß § 511 IV ZPO nicht vorliegen.

Der Streitwert wird festgesetzt in Höhe von 243,– €.

D. D.

Richter am Amtsgericht

Soweit das Urteil des Amtsrichters des AG Dillenburg. Und jetzt bitte Eure Kommentare.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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4 Antworten zu AG Dillenburg verurteilt VN der LVM zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten und zur Feststellung der Zahlungspflicht hinsichlich der Gerichtskostenzinsen mit Urteil vom 19.5.2014 – 5 C 110/14 -.

  1. Dipl.-Ing. Harald Rasche sagt:

    Sehr geehrte CH-Redaktion,
    sehr geehrter Herr W. Wacker,

    auch eine sehr interessante Einschätzung des AG Dillenburg in den Entscheidungsgründen. Insbesondere die differenzierte Gegenüberstellung der werkvertraglich maßgeblichen Beurteilungskriterien und der schadenersatzrechtlich zu berücksichtigenden Gesichtspunkte dient der Vermeidung von Missverständnissen und macht bei Beachtung sicher so manche gerichtliche Auseinandersetzung entbehrlich. Man lernt eben nie aus.-

    Mit freundlichen Grüßen
    aus Bochum & Tangendorf

    Dipl.-Ing. Harald Rasche

  2. Willi Wacker sagt:

    Hallo Herr Dipl-Ing. Harald Rasche,
    weil der zuständige Amtsrichter des AG Dillenburg in Hessen zu Beginn der Urteilsgründe die werkvertragliche und die schadensrechtliche Seite der Sachverständigenkostenrechnung gegenüber gestellt hat und damit der eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherung einen Seitenhieb verpasst hat, haben wir das Urteil hier veröffentlicht.
    Wir wünschen Ihnen noch ein schönes Wochenende
    Willi Wacker

  3. virus sagt:

    Zitat: Während im ersten Fall die Rechnung des Sachverständigen gegenüber seinem Auftraggeber / Vertragspartner insbesondere den werkvertraglichen Anforderungen an die Angemessenheit und Üblichkeit zu entsprechen hat, ist im zweiten Fall die Erstattungspflicht des Schädigers ausschließlich danach zu beurteilen, ob die Sachverständigenrechnung in ihrer Höhe im Sinne von § 249 BGB als angemessen erscheint.

    Aber
    Zitat: Die tatsächlich angefallene Rechnungshöhe bildet sodann regelmäßig bei der Schadensschätzung des Gerichts nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung “erforderlichen” Betrages im Sinne von § 249 II 1 BGB.

    Es kommt also gerade im Schadensersatzprozess nicht darauf an, was angemessen erscheint, sondern was erforderlich ist! Erforderlich ist alles was der Gutachter im Hinblick des Auftraginhaltes = Interessenvertretung des Auftraggebers – für Notwendig erachtet, als Leistung erbringt und entsprechend abrechnet. Nur wenn der Schädiger nachweist, dass der Geschädigte eine Schadensersatzleistung forderte, die für diesen (nicht für den Schädiger) nachweislich erkennbar „unnötig“ war bzw. tatsächlich nicht angefallen ist, würde der Schädiger mit einer Rückforderung gegenüber seines Erfüllungsgehilfen = Sachverständige – aus Werksvertragsrecht am Gericht erfolgreich sein können. Wobei werksvertraglich der Grundsatz lautet: Alles was sich bei vergleichbaren Parametern nicht im Wucherbereich befindet ist grundsätzlich angemessen und somit erstattungsberechtigt – auch bzw. gerade durch Haftpflicht-Versicherer!!!

  4. F-W Wortmann sagt:

    Hallo Virus,
    das Wort „angemessen“, das der Amtsrichter gebraucht hat, war nicht im Sinne des Werkvertragsrechts gemeint. Im allgemeinen Schuldrecht des BGB wird häufig der Begriff „angemessen“ gebraucht. So hat z.B. ein Verletzter Anspruch auf a n g e m e s s e n e s Schmerzensgeld. Im Übrigen zählt im Werkvertragsrecht nicht nur die Angemessenheit des Werklohns, sondern auch die Üblichkeit desselben.

    Wenn die Werlohnforderung angemessen ist, dann ist sie auch erforderlich im Sinne des Schadensrechts.

    Der vom Richter gebrauchte Satz ist vielleicht missverständlich für einen Laien, aber nicht falsch.

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