AG Essen verurteilt HUK-Coburg zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten

Mit Urteil vom 09.06.2009 (10 C 68/09) hat das AG Essen die HUK-Coburg Allgemeine Versicherung AG zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 236,54 € zzgl. Zinsen verurteilt. Das AG Essen wendet die Schwacke-Liste an und erteilt eine deutliche Absage an sämtliche von der Versicherung vorgebrachten „Berechnungsalternativen“ und Einwendungen, d.h. Fraunhofer, Zinn, etc.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Die Klägerin hat aus abgetretenem Recht aufgrund des Verkehrsunfalls vom xx.xx.2008 gegen die Beklagten einen Schadensersatzanspruch gemäß § 398 BGB i.V.m. §§ 7 Abs. 1,17 StVG, § 823 Abs. 1 BGB, § 3 Nr. 1, Nr. 2 PflVG auf Erstattung weiterer Mietwagenkosten. Dieser Anspruch ist durch die vorgerichtlich erfolgten Zahlungen der Beklagten zu 2.) nicht vollständig beglichen worden.

Die Klägerin, bei der der Geschädigte des Verkehrsunfalls ein Fahrzeug angemietet hat, ist aktivlegitimiert. Die von dem Geschädigten unter dem 10.09.2008  erklärte Abtretung der Forderung gegen die Beklagten ist – was von den Beklagten auch nicht in Abrede gestellt wird – nicht wegen Verstoßes gegen § 2, 3 RDG, der seit dem 01.07.2008 zur Anwendung kommt, in Verbindung mit § 134 BGB nichtig.

Nach § 3 RDG ist die selbstständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, indem sie durch das Gesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird. Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, soweit sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert (§ 2 Abs. 1 RDG). Rechtsdienstleistung ist, unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen von § 2 Abs. 1 RDG, die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird (Inkassodienstleistung), § 2 Abs. 2 S. 1 RDG.

§ 2 Abs. 2 S. 1 RDG, der den Anwendungsbereich gegenüber § 2 Abs. 1 RDG erweitert („unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1“), findet keine Anwendung, weil die Klägerin den Forderungseinzug nicht als eigenständiges Geschäft (Inkassodienstleistung) betreibt. Die Klägerin ist gewerbliche Autovermieterin. Zu ihrer Haupttätigkeit gehört die Autovermietung, während sich die Forderungseinziehung als bloße Nebenleistung darstellt (vgl. § 5 RDG). Einschlägig ist vielmehr § 2 Abs. 1 RDG. Maßgeblich ist primär die Frage, ob es sich um die Tätigkeit in einer fremden oder einer eigenen Angelegenheit handelt. Dass das Tatbestandsmerkmal der fremden Angelegenheit gesondert zu prüfen ist, folgt daraus, dass eine Tätigkeit in einer eigenen Angelegenheit, die eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert, keine registrierungspflichtige Rechtsdienstleistung darstellt. Das bedeutet, dass das Tatbestandsmerkmal „rechtliche Prüfung des Einzelfalls“ erst dann zum Tragen kommt, wenn eine Tätigkeit in einer konkreten fremden Angelegenheit bejaht wurde. Maßgebliches Abgrenzungskriterium ist mithin die Frage, ob eine eigene oder eine fremde Angelegenheit vorliegt. Diese Abgrenzung richtet sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2006, 1726), die zu Art. 1 § 1 RBerG ergangen ist, weil das Merkmal „fremde Angelegenheit“ durch die neue Rechtslage nach dem RDG keine Änderung erfahren hat.

Geht es dem Mietwagenunternehmen im Wesentlichen darum, die durch die Abtretung eingeräumte Sicherheit zu verwirklichen, besorgt es keine Rechtsangelegenheit des geschädigten Kunden, sondern eine nicht registrierungspflichtige eigene Angelegenheit. Ein solcher Fall liegt allerdings dann nicht vor, wenn nach der Geschäftspraxis des Mietwagenunternehmens die Schadensersatzforderungen der unfallgeschädigten Kunden eingezogen werden, bevor diese selbst auf Zahlung in Anspruch genommen werden. Denn damit werden den Geschädigten Rechtsangelegenheiten abgenommen, um die sie sich eigentlich selbst zu kümmern hätten. Allerdings ist es durchaus zulässig, dem praktischen Bedürfnis nach einer gewissen Mitwirkung des Fahrzeugvermieters bei der Geltendmachung der Schadensersatzansprüche des Geschädigten gegenüber der Haftpflichtversicherung des Schädigers Rechnung zu tragen (BGH, NJW 2006,1726).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist vorliegend davon auszugehen, dass die Klägerin keine Rechtsangelegenheit des Geschädigten, sondern eine eigene Angelegenheiten aufgrund der ihr eingeräumten Sicherheiten besorgt. Hierfür spricht zunächst der Wortlaut der Abtretungserklärung. Die Klägerin hat sich nämlich nicht sämtliche Ansprüche des Geschädigten gegen den Schädiger abtreten lassen, die Abtretung ist vielmehr auf die Ersatzansprüche hinsichtlich der Mietwagenkosten beschränkt. Auch aufgrund des weiteren Vorgehens der Klägerin ist eine Umgehung des RDG nicht naheliegend. Die Klägerin hat den Geschädigten mit Schreiben vom 15.09.2008 aufgefordert, die Mietwagenkosten auszugleichen. Der Geschädigte ist dem nicht nachgekommen. Insofern ist der Sicherungsfall eingetreten.

Die  Klägerin  kann  in der Sache aus abgetretenem  Recht einen weitergehenden Ersatzanspruch des Geschädigten gegen die Beklagten in Höhe von 197,54 € geltend machen.

Gemäß § 249 Abs. 1 BGB kann der Geschädigte verlangen, dass der Zustand hergestellt wird, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, kann der Geschädigte statt der Herstellung den hierfür erforderlichen Geldbetrag verlangen. Mietet der Geschädigte für die Dauer der Reparatur ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug an, kann er grundsätzlich die hierbei anfallenden Kosten vom Schädiger ersetzt verlangen. Als erforderlich sind dabei diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Allerdings ist der Geschädigte hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann. Ausgangspunkt für die Betrachtung bildet der am Markt übliche Normaltarif.

Im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens im Sinne des § 287 ZPO kann das Gericht die Erforderlichkeit eines von dem Mietwagenunternehmen berechneten Tarifs anhand der auf dem örtlich relevanten Marktes verlangten „Normaltarife“ schätzen. Bei der Schätzung des ersatzfähigen Normaltarifs können geeignete Listen und Tabellen herangezogen werden. Zwar darf die Schadenshöhe nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden, und wesentliche, die Entscheidungen bedingtende Tatsachen dürften nicht außer Acht bleiben. Allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine Schätzgrundlage muss der Tatrichter allerdings nicht nachgehen. Einwendungen gegen die Grundlage der Schadensbemessung sind nur dann erheblich, wenn sie auf den konkreten Fall bezogen sind. Deshalb bedarf die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden, nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der betreffenden Schätzgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (BGH NJW 2008, 1519).

Nach Maßgabe dieser Kriterien bestehen im Streitfall keine Bedenken, den Normaltarif auf der Grundlage des arithmetischen Mittels des Schwacke-Mietpreisspiegels 2007 für das Postleitzahlengebiet des Geschädigten zu ermitteln. Hiernach entsprechen die im Klageweg eingeforderten Mietwagenkosten dem am Markt der Geschädigten mit der PLZ 451 üblichem Normaltarif. Die Fragen, ob unfallbedingte Sonderleistungen erforderlich waren oder ob nach dem HUK-Tableau 2007 abgerechnet werden konnte, können also dahinstehen:

Die 3-Tagespauschale beträgt für Fahrzeuge der Klasse 6 338,11 €. Hinzu kommen die Kosten für die Haftpflichtversicherung von 74,12 € für drei Tage. Es kann dahinstehen, ob Kosten für eine Zustellung – wie von den Beklagten in Abrede gestellt wird (Bl. 41 d.A.) – erforderlich waren. Denn schon unter Berücksichtigung der genannten Beträge steht der Klägerin unter Berücksichtigung des gezahlten Betrages in Höhe von 211,44 € ein den Klageantrag übersteigender Restbetrag zu. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist kein Abzug in Höhe von 15 % als Vorteilsausgleichung vorzunehmen. Denn der Geschädigte hat unter Zugrundelegung des unbestrittenen Vortrags der Klägerin kein gruppengleiches, sondern ein gruppenniedrigeres Fahrzeug angemietet. Insofern ist dem Geschädigten keine Einsparung in Form der Nichtbenutzung des beschädigten Fahrzeugs entstanden.

Die Beklagte hat nicht in der im Lichte der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu fordernden Weise auf den konkreten Schadensfall bezogene Einwendungen vorgebracht, welche geeignet erscheinen, Bedenken gegen die Heranziehung des Schwacke-Mietpreisspiegels 2007 als Schätzgrundlage zu wecken:

Soweit die Beklagte – unter anderem unter Bezugnahme auf das Vorwort der Schwackeliste 2008 – methodische Mängel des Schwacke-Mietpreisspiegels 2007 rügt, stellen dies allgemein gehaltene Einwendungen ohne Bezug zum konkreten Fall dar. Zweifel ergeben sich auch nicht, soweit die Beklagte Bezug nimmt auf ein vom AG Saarbrücken eingeholtes Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dr. Priester, ein vom Landgericht Düsseldorf eingeholtes Gutachten des Sachverständigen Fischer, ein für die Region Schweinsfurt sowie ein vom Amtsgericht Bautzen sowie ein vom AG Viechtach eingeholtes Gutachten. Diese sind schon mangels räumlichen Bezugs ohne Aussagekraft für die vorliegend zu treffende Entscheidung. Auch die Zusammenstellung von Holger Zinn „Stand der Mietwagenpreise in Deutschlang im Sommer 2007″ vermag infolge der auf kurze Zeitintervalle bezogenen Preisabfragen und einer grobmaschigen räumlichen Erfassung keine Bedenken an der Heranziehung des Schwacke-Mietpreisspiegels 2007 zu wecken, ebenso wenig der Verweis auf das allgemein die Erhebungs- und Auswertungsmethoden bewertende Prüfgutachten von Prof. Dr. Klein. Auch der Verweis auf die vom Fraunhofer Institut im Auftrag des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft unter Auswertung einer anonymen Befragung der Mietwagenunternehmen erstellte, gegenüber dem Schwacke-Mietpreisspiegels 2007 niedrigere Mietpreise ausweisende Liste ersetzt nicht den nach dem BGH erforderlichen konkreten Tatsachenvortrag. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Mietwagen-Marktpreisspiegel des Fraunhofer Instituts auf überzeugendere Weise zu verlässlicheren Schätzungsgrundlagen gekommen ist. Dagegen spricht vielmehr, dass die Fraunhofer-Untersuchung nur nach 2 Ziffern des PLZ-Gebietes differenziert, sie also bei weitem nicht so breit gestreut ist wie der Schwacke-Mietpreisspiegels 2007, der ein dreistelliges PLZ-Gebiete untersucht. Außerdem wird die Untersuchung nach Auffassung des Gerichts durch die zugrunde gelegten längeren Vorbuchungsfristen dem Markt für schnell zur Verfügung stehende Unfallersatzwagen nicht gerecht. Im Ergebnis ergibt sich aus der – möglicherweise auf den ersten Blick vom methodischen Ansatz her überlegenen Fraunhofer-Untersuchung nicht, dass der Schwacke-Mietpreisspiegels 2007 im konkreten Fall nicht als Schätzgrundlage berücksichtigt werden kann.

Die Erstattung der weiteren Mietwagenkosten ist auch nicht unter dem Blickwinkel der dem Geschädigten gemäß § 254 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht ausgeschlossen. Das wäre nur dann der Fall, wenn dem Geschädigten ein günstigerer Tarif in der konkreten Situation ohne weiteres zugänglich war (BGH NJW 2007, 1211; BGH NJW 2007, 2758). Die Darlegungs- und Beweislast hierfür tragen die Beklagten. Soweit die Beklagte auf Auszüge der Firmen Sixt, Europcar und Avis verweist, die günstigere Mietwagenpreise anbieten, legt sie – ungeachtet der Problematik einer dem geschädigten dann obliegenden Vorfinanzierung – nicht dar, dass dem Geschädigten die aus dem Internet zu einem bestimmten Zeitpunkt eingeholten Angebote in der konkreten Situation ohne weiteres zugänglich waren. Auch die im Schreiben der Beklagten vom 01.09.2008 enthaltene Tabelle, die als Orientierungshilfe dienen sollte, belegt nicht, dass dem Geschädigten die genannten Beispieltarife ohne weiteres zugänglich waren.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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1 Antwort zu AG Essen verurteilt HUK-Coburg zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten

  1. Willi Wacker sagt:

    Hallo Babelfisch,
    auch bei diesem Mietwagenurteil handelt es sich um ein gut begründetes Urteil, das den Schwacke-Mietpreisspegel als überzeugende Schätzgrundlage anwendet und insbesondere Fraunhofer, aber auch Zinn und andere verwirft. Prima Urteil. Weiter so.
    Mit freundlichen Grüßen
    Willi Wacker

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