AG Karlsruhe verurteilt die Verti Versicherung AG mit Urteil vom 18.10.2017 – 9 C 1824/17 – zur Zahlung der abgetretenen Sachverständigenkosten in Höhe von 279,65 €, bei einem vom Sachverständigen festgestellten Schadensbetrag von 612,76 €.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

zum beginnenden Wochende stellen wir Euch hier ein interessantes Urteil aus Karlsruhe zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die Directline Versicherung vor, die im Verlauf des Rechtsstreites in die Verti Versicherung AG umfirmiert wurde. Der Geschädigte hatte wegen der besonderen Umstände an seinem verunfallten Kraftfahrzeug ein Kfz-Schadensgutachten in Auftrag gegeben. Der vom Kfz-Sachverständigen festgestellte Schadensbetrag lag unter 715,– €. Damit hätte es sich um einen Bagatellschaden gehandelt, bei dem grundsätzlich eine Begutachtung nicht erforderlich und zweckmäßig gewesen wäre. Aber wegen der besonderen Umstände (Alter des Fahrzeugs, Schadensbild und Ungewissheit über die Reparaturhöhe und eines eventuellen wirtschaftlichen Totalschadens) war es im konkreten Fall dem Geschädigten, unabhängig von der starren 715,– €-Grenze, gestattet, ein Gutachten einzuholen. Damit waren dann auch die nach § 249 I BGB auszugleichenden Sachverständigenkosten erstattungsfähig. Dieses Urteil zeigt klar und deutlich, dass es keine starre 715,– € -Grenze bei sogenannten Bagatellschäden gibt. Besser ist daher die vom VIII. Zivilsenat des BGH vorgenommene Definition des Bagatellschadens, wonach bei Personenkraftfahrzeugen nur ganz geringfügige, äußere (Lack-)Schäden als Bagatellschäden anerkannt sind, nicht jedoch andere (Blech-) Schäden, auch wenn sie keine weiterreichenden Folgen hatten und der Reparaturaufwand nur gering war (BGH DS 2008, 104, 106, vgl. auch: BGH NJW 1967, 1222; BGH WM 1982, 511). So wurde auch bereits mehrfach in den unteren Instanzen entschieden, dass auch bei Schadensfestellungen durch den Gutachter unter 715,– € die berechneten Sachverständigenkosten zu erstatten sind. An die Erkennbarkeit des Bagatellschadens sind daher keine strengen Maßstäbe anzulegen (vgl. Wortmann DS 2009, 253, 254).  Da die Schadensersatzforderung des Geschädigten auf Erstattung der berechneten Sachverständigenkosten wirksam an den Sachverständigen abgetreten worden war, macht nunmehr der Sachverständige den Schadensersatzanspruch aus abgetretenem Recht geltend. Durch die Abtretung an den Sachverständigen verändert sich der Inhalt der Forderung nicht (BGH VI ZR 491/15 Rn. 22). Das erkennende Gericht hat die berechneten und im Streit befindlichen Sachverständigenkosten – zu Recht – als zu den mit dem Unfallschaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 I BGB auszugleichenden Vermögensschaden gehörend angesehen und ist damit der BGH-Rechtsprechung aus BGH VI ZR 67/06 Rn. 11 gefolgt. Bei dem nachfolgend dargestellten Urteil des AG Karlsruhe handelt es sich daher um eine Entscheidung zu einem sogenannten Bagatellschaden, bei der mit sauberer und zutreffender Begründung die berechneten Sachverständigenkosten vollumfänglich zugesprochen wurden. Lest selbst das Urteil und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Viele Grüße und ein schönes Wochenende.
Willi Wacker

Aktenzeichen:
9 C 1824/17

Amtsgericht Karlsruhe

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

– Kläger –

gegen

Verti Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand, Rheinstraße 7A, 14513 Teltow

– Beklagte –

wegen Schadensersatzes

hat das Amtsgericht Karlsruhe durch die Richterin am Amtsgericht Dr. A.-U. aufgrund des Sachstands vom 18.10.2017 für Recht erkannt:

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)

1.       Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 279,65 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.11.2016 zu zahlen.

2.        Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 279,65 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Dem Kläger steht ein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 279,65 Euro gemäß den §§ 7, 18 StVG i.V.m. den §§ 249, 398 BGB zu. Die geltend gemachten Sachverständigenkosten stellen vorliegend erforderliche Kosten im Sinne des § 249 Abs. 1 BGB dar. (Die Hervorhebung durch Fettschrift erfolgte durch den Autor, nm. der Redaktion!)

Die Haftung der Beklagten aufgrund des Verkehrsunfalls vom 18.05.2013 ist zwischen den Parteien dem Grunde nach unstreitig.

Die Kosten eines Sachverständigengutachtens gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. BGH, Urteil v. 29.11.1988 – X ZR 112/87 – juris).( Die Hervorhebung erfolgte durch den Autor!). Etwas Anderes kann bei sog. Bagatellschäden gelten, bei denen der Geschädigte regelmäßig von der Einholung eines Sachverständigengutachtens Abstand zu nehmen hat, da insoweit ein Kostenvoranschlag ausreichen soll.

Für die Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer Begutachtung ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen (BGH, Urteil v. 08.11.1994 – VI ZR 3/94 – juris). Es kommt darauf an, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigen für geboten erachten durfte. Für die Frage, ob der Schädiger die Kosten eines Gutachtens zu ersetzen hat, ist nicht allein darauf abzustellen, ob die durch die Begutachtung ermittelte Schadenhöhe einen bestimmten Betrag überschreitet oder in einem bestimmten Verhältnis zu den Sachverständigenkosten steht, denn zum Zeitpunkt der Beauftragung des Gutachters ist dem Geschädigten diese Höhe gerade nicht bekannt. Allerdings kann der später ermittelte Schadenumfang im Rahmen tatrichterlicher Würdigung nach § 287 ZPO oft ein Gesichtspunkt für die Beurteilung sein, ob eine Begutachtung tatsächlich erforderlich war oder ob nicht möglicherweise andere, kostengünstigere Schätzungen – wie beispielsweise ein Kostenvoranschlag eines Reparaturbetriebs – ausgereicht hätten (BGH, Urteil v. 30.11.2004 – VI ZR 365/03 -, juris). Aus der Sicht des Geschädigten müssen die Gutachterkosten in Relation zu den erwarteten Reparaturkosten verhältnismäßig sein und der Geschädigte muss besondere Gründe darlegen, warum er die Einholung des Gutachtens für erforderlich gehalten und nicht einen Kostenvoranschlag oder eine einfache Kostenkalkulation eingeholt hat (LG Arnsberg, Urteil v. 16.03.2016 – 3 S 179/15 – juris).

Vorliegend liegt zwar ein sogenannter Bagatellschaden vor, da die Reparaturkosten 612,76 € netto (729,18 €) brutto betrugen. Der Kläger hat indes besondere Gründe dargelegt, warum die Geschädigte unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles und ihrer Erkenntnismöglichkeiten von der Erforderlichkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens ausgehen durfte. Das Fahrzeug erlitt bei dem Unfall einen Frontschaden. Das auf den im Termin vorgelegten Lichtbilder ersichtliche Schadensbild lässt zwar äußerlich keine großen Schäden erkennen. Erkennbar ist jedoch, dass das Nummernschild eingedrückt und der Kühlergrill beschädigt wurde. Im Unterschied zu einem bloßen Lackschaden, der erkennbar nicht auf weitere Schäden hindeutet, ist bei einem Schadensbild im sensiblen Frontbereich das Vorhandensein verborgener Schäden im Bereich des Kühlers nicht auszuschließen. Ferner war aufgrund des Alters des Fahrzeuges von 21 Jahren und einer Laufleistung von 271.611,00 km ein wirtschaftlicher Totalschaden auch bei Reparaturkosten im Bagatellbereich nicht auszuschließen, so dass zur Geltendmachung des Schadensersatzes der Wiederbeschaffungswert zu ermitteln war. Dieser wäre in einem Kostenvoranschlag nicht ermittelt worden. Der Geschädigte war somit daran gehalten, ein Sachverständigengutachten zur Bezifferung des erstattungsfähigen Schadens einzuholen.

Entgegen der Beklagten war die Geschädigte auch nicht deswegen gehalten, lediglich einen Kostenvoranschlag einzuholen, weil das beschädigte Fahrzeug zum Zeitpunkt der Begutachtung bereits bei der Reparaturwerkstatt, einer Fachwerkstatt für Mercedes, abgestellt und ein Mitarbeiter sich das Schadensbild schnell hätte anschauen können. Dies lässt sich, wie vom Kläger zutreffend eingewandt, dem Sachverständigengutachten nicht entnehmen. Danach lag der Besichtigungsort in 76199 Karlsruhe, während die Reparaturwerkstatt in 76185 Karlsruhe liegt. Ferner deuten die zur Akte gereichten Lichtbilder aufgrund der Umgebung darauf hin, dass das Fahrzeug bei Begutachtung in einem Wohngebiet abgestellt war.

Nach alldem durfte ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter unter Berücksichtigung des Schadensbildes und des Alters des Fahrzeuges die Einholung eines Sachverständigengutachtens für erforderlich halten.

Auf eine etwaige Aufklärungspflichtverletzung des Sachverständigen bezüglich der Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten bei Bagatellschäden kommt es daher nicht an. Eine solche dürfte im Übrigen allein in einem zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen geführten etwaigen Regressprozess von Bedeutung ein.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 ZPO. Der Beklagten wurde mit Zahlungserinnerung vom 10.11.2016 eine Zahlungsfrist bis zum 24.11.2016 gesetzt.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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3 Antworten zu AG Karlsruhe verurteilt die Verti Versicherung AG mit Urteil vom 18.10.2017 – 9 C 1824/17 – zur Zahlung der abgetretenen Sachverständigenkosten in Höhe von 279,65 €, bei einem vom Sachverständigen festgestellten Schadensbetrag von 612,76 €.

  1. HR sagt:

    Hi, Willi,
    man erfährt, dass es auch noch im Gerichtsbezirk Karlsruhe eine funktionierende und qualifizierte Gerichtsbarkeitauf auf Amtsgerichts-/und Landgerichtsebene gibt. Ein anerkennenswertes AG-Urteil der Richterin Dr. A.-U., das in seiner Stringenz Beachtung verdient.

    HR

  2. H.U. sagt:

    Die Gutachterkosten lagen immerhin bei 45.62 % der Schadenhöhe und damit noch innerhalb vertretbarer Honorarbandbreiten.

    H.U.

  3. Iven Hanske sagt:

    Vorteilsausgleich, geht auch aus abgetretenen Regressansprüchen: „Auf eine etwaige Aufklärungspflichtverletzung des Sachverständigen bezüglich der Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten bei Bagatellschäden kommt es daher nicht an. Eine solche dürfte im Übrigen allein in einem zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen geführten etwaigen Regressprozess von Bedeutung ein.“

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