Amtsrichterin des AG Anklam verurteilt Bruderhilfe zur Zahlung der gekürzten Sachverständigenkosten mit Urteil vom 16.1.2014 – 72 C 138/13 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

nachfolgend geben wir Euch ein Urteil des AG Anklam zu den Sachverständigenkosten bekannt. Auch in der „Provinz“ (oder gerade dort) gibt es Richter und Richterinnen, wie im voprliegenden Fall,  die den vollen Durchblick haben und sich nicht von Versicherungsanwälten „einwickeln“ lassen. Dieses Mal war es die Bruderhilfe, die meinte, eigenmächtig die Sachverständigenkosten kürzen zu können. Aber auch ihr wurde ins Versicherungsbuch geschrieben, dass die Kürzungen rechtswidrig sind. Das beweist der Urteilsausspruch. Zutreffend verweist die erkennende Amtsrichterin auch auf den Vorteilsausgleich, wenn die Beklagte nach wie vor meint, die Sachverständigenkosten seien überhöht. Lest selbst das Urteil und gebt anschließend Eure Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

Aktenzeichen:
72 C 138113

Amtsgericht Anklam

Im Namen des Volkes

Urteil

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)

In dem Rechtsstreit

– Kläger –

gegen

Bruderhilfe Sachversicherung, vertr. d.d. Vorstand, Kölnische Straße 108-112, 34108 Kassel

– Beklagte –

hat das Amtegericht Anklam durch die Richterin … am 16.01.2014 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht erkannt

I. Die Beklagte wird verurteilt, 97,13 € an den Kliger zu zählen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)

Entscheidungsgründe

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Restschadensersatzanspruch in Höhe der geltend gemachten 97,13 €.

Unstreitig hat der Kläger einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte in Höhe der Kosten des zur Ermittlung des Schadensumfangs erforderlichen Sachverständigengutachtens, da diese zum ersatzfähigen Schaden im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB gehören.

Soweit zur Schadensermittlung die Erstellung eines Sachverständigengutachtens zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist, sind auch die Kosten des Sachverständigen zu ersetzen. Danach hat der Schädiger den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen. Er hat hierzu den Finanzierungsbedarf des Geschädigten in Form des zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrags zu befriedigen und nicht etwa vom Geschädigten bezahlte Rechnungsbeträge zu erstatten (vgl. BGH Urteil vom 23.01.2007, Az. VI ZR 67/06 m.w.N. = BGH DS 2007, 144). Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen, sind weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen. Dies gilt auch dann, wenn die Gutachterkosten nach genauerer Betrachtung und näherer Prüfung im Einzelfall überhöht sind, solange keine erkennbar willkürliche Festsetzung des Sachverständigenhonorars und keine erkennbar überhöhte Honorarforderung gegeben ist. Soweit sich die Kosten des Sachverständigen noch innerhalb dieses Rahmens bewegen, stellen diese den „erfordertichen“ Sachaufwand im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB dar (siehe OLG Saarbrücken, Urteil vom 14.01.2003, Az. 3 U 292/02 – 34, 3 U 292/02; Heinrichs in Palandt Kommentar zum BGB 67. Aufl. 2008, § 249 BGB Rn. 40 m.w.N.).

Diese Grenze wurde durch die streitgegenständlichen Sachverständigenkosten lt. Rechnung vom 26.03.2013 (Bl. 3 d A) nicht überschritten. Für den Kläger war der geltend gemachte Rechnungsbetrag in Höhe von 627,13 € nicht erkennbar willkürlich oder erkennbar überhöht. Die Rechnung war nachvollziehbar aufgeschlüsselt und differenzierte die Einzelpositionen Grundhonorar, Fahrtkostenumlage, Lichtbilder, Schreibkostenpauschale, Fremdkosten, Archivierung und Porto-, Telekommunikationspauschale. Das Sachverständigenhonorar bzw. Grundhonorar in Höhe von 355,00 € war angesichts eines festgestellten Schadens von netto 2.215 € nicht unverhältnismäßig, insbesondere steht es in keinem auffälligen Missverhältnis zum Sachschaden. Auch die weiteren Einzelpositionen waren in ihrer Gesamthöhe von 172,00 € sowohl in Bezug auf den Schaden als auch in Bezug auf das Sachverständigenhonorar nicht unverhältnismäßig.

Der Kläger durfte nach seiner freien Wahl ein zur Erstellung von Schadensgutachten ihm auch bekanntes Sachverständigenbüro beauftragen. Zugleich war er nicht verpflichtet, „Marktforschung“ in Bezug auf die Gebührenrahmen von Sachverständigen anzustellen.

Der Kläger als Geschädigter war nach der ihn treffenden Schadensminderungspflicht allein gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den Schaden nicht +ber Gebühr zu erhöhen. Dabei war auf die individuellen Erkenntnis und Einflussmöglichkeiten sowie auf für ihn bestehende Schwierigkeiten Rücksicht zu nehmen. Da es im Bereich von Sachverstäncfigengutachten an einheitlichen Abrechnungsmethoden und allgemein zugänglichen Preislisten fehlt, die dem Kläger einen Vergleich der anfallenden Kosten ermöglicht hätte, konnte und durfte der Kläger als Geschädigter grundsätzlich von der Erforderlichkeit der angefallenen Sachverständigenkosten ausgehen, solange der Sachverständige sein Honorar nicht für den Kläger als Laien erkennbar willkürlich festgesetzt hatte bzw. Preis und Leistung nicht in einem auffälligen und krassen Missverhältnis zueinander stehen.

Vor diesem Hintergrund und unter Beachtung dieser Prämissen war die hier streitgegenständliche Sachverständigenrechnung vom 26.03.2013 nicht zu beanstanden.

Insoweit war auf die einzelnen Positionen und die konkrete Abrechnung entgegen  der Ansicht der Beklagten nicht weiter einzugehen, insbesondere nicht das Sachverständigenhonorar und die weiteren Nebenkosten auf ihre Angemessenheft zu prüfen.

Daher war das Gericht auch nicht gehalten, die Frage der Schätzgrundlage, ob BVSK-Befragung 2010/2011 oder Honorartabteau 2012 oder gänzlich anderes, zu klären.

Eine konkrete Kontrolle kann nach der Rechtsauffassung des Gerichte nur im Verhältnis der Beklagten und dem Sachverständigen selbst durchgeführt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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2 Antworten zu Amtsrichterin des AG Anklam verurteilt Bruderhilfe zur Zahlung der gekürzten Sachverständigenkosten mit Urteil vom 16.1.2014 – 72 C 138/13 -.

  1. HUK-Absorber sagt:

    Hallo, Willi Wacker,
    habe ich vielleicht in den Entscheidungsgründen dieses Urteils etwas überlesen , wenn es dort
    u.a. heißt:“ Wahrt der Geschädigte im Rahmen des zur Wiederherstellung Erfoderlichen….“ ?
    Was ist den nun konkret der „Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen „?? Mit Sicherheit doch nicht das hauseigene Honorartableau der Beklagten, denn die Beklagte als eintrittspflichtiger Haftpflichtversicherer repräsentiert gerade nicht die „Bruderschaf“t der qualifizierten und unabhängigen Kfz.-Sachverständigen und deren Abrechnungen,weil sich dieses Tableau auf Zubilligung von Schadenersatz für „Routinegutachten“, was immer man darunter verstehen soll, beschränkt und deshalb verkehrsfähige und vor allen Dingen unabhängige Beweissicherungs-Gutachten mit deren Kostenentstehung gerade nicht berücksichtigt.Bruderhilfe sollte bedeuten, dass der besonderen Situation der Unfallopfer nicht nur gedacht, sondern auch Rechnung getragen wird. Davon ist hier aber nichts zu merken und in der Bezugnahme auf das so gern und zum Schein zitierte BGH-Urteil hat man die dazugehörige Textpassage einfach ausgeblendet, weil nicht passend, also nix mit Auferstehung und himmlischen Fanfaren.. Bin gespannt, wann es zwischen den gelben Engeln und den weißen Engeln zu einer Kollision kommt.-

    HUK-Absorber

  2. Willi Wacker sagt:

    Hallo HUK-Absorber,
    das Gericht zitiert mit dem von Dir angegebenen Satz „… Wahrt der Geschädigte im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen…“ nur den VI. Zivilsenat aus seinem Urteil vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – (= BGH NJW 2007, 1450 ff.). Ob der Geschädigte dann den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen gewahrt hat, muss der besonders freigestellte Tatrichter feststellen, wobei er sich im Rahmen der Schadenshöhenschätzung des § 287 ZPO bedient.

    Dass das Honorartableau der HUK-Coburg kein geeigneter Maßstab im Rahmen des § 287 ZPO ist, ist hier mehrfach erwähnt worden. Auf die Preise des „Honorartableaus“ braucht sich der Geschädigte auch nicht verweisen lassen, denn diese Tabelleist eine Sondervereinbarung mit der Versicherung. Auf Preise, die auf Sondervereinbarungen beruhen, muss sich ein Geschädigter nicht verweisen lassen (vgl. BGH VI. Zivilsenat Urt. v.20.10.2009 – VI ZR 53/09 – = BGH ZfS 2010, 143).

    So viel mir bekannt ist, sollen schon lange keine Engel mehr bei der Bruderschaft sein. Wenn aber gelbe und weiße Engel kollidieren, frage ich mich, wer wem Schadensersatz zu erbringen hat und wer wen bei der Schadensregulierung übertölpelt. Da wäre dann vielleicht eine Rechtschutzversicherung dienlich – Aber welche? Die bei der Bruderhilfe wohl kaum! Ob der ADAC-Rechtschutz noch helfen kann, ist auch fraglich, wenn die gelben Engel abgestürzt sind. Aber vielleicht können die HUKianer mit der Corag-Rechtschutzversicherung helfen?

    In diesem Sinne
    gute Nacht

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