Das OLG München zu einem interessanten 130%-Fall (Az.: 10 U 3258/08 vom 13.11.2009)

Mit Entscheidung vom 13.11.2009 (10 U 3258/08 = Berufungsurteil zu LG München I,  19 O 782/08 vom 08.04.2008) wurde die eintrittspflichtige Versicherung durch das Oberlandesgericht München dazu verurteilt, restlichen Schadenersatz im Rahmen der 130%-Regelung in Höhe von EUR 6.062,59 zu bezahlen. Nach Sachverständigengutachten handelte es sich um einen Totalschaden des Fahrzeugs (197%) . Der Geschädigte entschied sich jedoch zur Reparatur  (günstigere Werkstatt u. tw. Verwendung von Gebrauchtteilen), wodurch es zu einem Kostenverhältnis von 129% kam. Die gegnerische Haftpflichtversicherung regulierte jedoch nur den Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert – Restwert) und „zauberte“ als „Joker“ eine Wertminderung aus dem Hut, aufgrund dieser (Schadensbetrag + Wertminderung) die 130%-Grenze überschritten sei. Das OLG München erteilte dieser Vorgehensweise – unter Verweis auf das Sachverständigengutachten (= keine Feststellung einer Wertminderung) – eine Absage und kam zu dem Ergebnis, dass eine Erstattung der Reparaturkosten – nichtzuletzt durch die sach- und fachgerechte Reparatur des Fahrzeugs – zu erfolgen habe.

Aus den Gründen:

Endurteil

1. Auf die Berufung des Klägers vom 20.05.2008 wird das Endurteil des LG München I vom 08.04.2008 (Az. 19 O 782/08) in Nr. I. und II. abgeändert und insoweit wie folgt neu gefasst:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.062,59 € sowie weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 233,59 € nebst Zinsen aus vorgenannten Beträgen in Höhe von jeweils 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.11.2007 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Der Kläger macht gegen den Beklagten als Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 17.08.2007 ereignete, als der Fahrer des beim Beklagten versicherten Linienbusses auf das davor verkehrsbedingt haltende Fahrzeug des Klägers, amtl. Kennzeichen … , Mercedes Benz C 220 CDI, Esprit Champion, EZ 27.10.1998 auffuhr und dieses beschädigte. Die alleinige Haftung des Beklagten steht außer Streit. Zur Schadensermittlung gab der Kläger ein Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. B. in Auftrag, welches zu einem Reparaturaufwand von 15.812,18 € bei einem Wiederbeschaffungswert von 8.000 € und einem Restwert von 3.300 € gelangte. Der Beklagte zahlte an den Kläger die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert in Höhe von 5.500 €, 25 € Unkostenpauschale und 603,93 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten. Von der Rechnung des Sachverständigen über 1.011,50 € bezahlte der Beklagte 975,80 €, die restlichen 35,70 € dagegen nicht mit der Begründung, die Rechnung des Sachverständigen sei überhöht. Der Kläger ließ das Fahrzeug bei der Fa. … reparieren, die teilweise gebrauchte Teile verwendete. Er nutzt den Pkw nach wie vor. Die Reparaturrechnung vom 09.11.2007 beläuft sich auf 11.526,89 €.

Der Kläger trägt vor, ihm sei von der Reparaturfirma zugesagt worden, dass eine ordnungsgemäße und vollständige Reparatur gemäß den Vorgaben des Sachverständigen nur 11.440 € kosten würde. Der Reparaturaufwand habe sich gegenüber dem Gutachten um 153,97 € erhöht, da sich nach Zerlegung herausstellte, dass das hintere Schließblech nicht mehr wiederverwendet werden konnte und ersetzt werden musste. Der Wiederbeschaffungswert belaufe sich auf 8.890 €, da die Umbaukosten für das Handy (90 €) hinzugerechnet werden müssten; die 130 % Grenze sei daher eingehalten. Das Reparaturergebnis sei ordnungsgemäß und die vom Sachverständigen bei einer Nachbesichtigung festgestellten Mängel auf Gewährleistungsbasis von der Reparaturfirma behoben worden.

Der Beklagte trägt vor, die 130 % Grenze sei überschritten, zumal die merkantile Wertminderung zu berücksichtigen sei, die mindestens 600 € betrage. Das Fahrzeug sei nicht fachgerecht und nicht ordnungsgemäß repariert worden.

Hinsichtlich des weiteren Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird ergänzend auf das angefochtene Urteil vom 08.04.2008 (Bl. 27/32 d.A.) Bezug genommen (§ 540 11 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat ohne Beweisaufnahme die Klage abgewiesen.

Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses dem Kläger am 02.05.2008 zugestellte Urteil hat dieser mit einem beim Oberlandesgericht am 21.05.2008 eingegangenen Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten Berufung eingelegt (Bl. 37/38 d.A.) und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit einem beim Oberlandesgericht am 21.07.2008 eingegangenen Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten (Bl. 43/52 d.A.) begründet.

Nachdem der Kläger die Klage zunächst um weitere 97,58 € für die Kosten einer weiteren Besichtigung durch den Sachverständigen und um weitere 700 € wegen des Nutzungsausfalls erweiterte – wobei der Kläger die vom Sachverständigen angegebene Wiederbeschaffungsdauer von 14 Tagen und einen Tagessatz von 50 € zu Grunde legte – erklärten die Parteien im Termin vom 10.10.2008 den Rechtsstreit nach Zahlung der begehrten Nutzungsausfallentschädigung für erledigt und hinsichtlich der 97,58 € nahm der Kläger die erweiterte Klage zurück.

Der Kläger beantragt zuletzt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 6.067,59 € sowie weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 233,59 € nebst Zinsen aus vorgenannten Beträgen in Höhe von jeweils 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.11.2007 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat gemäß Beweisbeschlüssen vom 10.10.2008 (Bl. 65/66 d.A.) und 01.07.2009 Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen G. sowie durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. B. nebst Ergänzung und mündlicher Erläuterung.

Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 13.11.2009 (Bl. 118/124 d.A.) nebst Anlagen und das Gutachten vom 27.03.2009 (Bl. 77/96 d.A.) sowie die Ergänzung vom 12.11.2009 (Bl. 125/130 d.A.) verwiesen.

Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung vom 04.09.2008 (Bl. 55/59 d.A.), die weiteren im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze des Klägers vom 22.09.2008, 29.05.2009, 25.06.2009 (Bl. 60/62 d.A., Bl. 105/108 d.A., Bl. 111 d.A.) und der Beklagten vom 06.05.2009, 19.06.2009 (Bl. 102 d.A., 109/110 d.A.) sowie die Sitzungsniederschrift vom 13.11.2009 (Bl. 118/124 d.A.) Bezug genommen.

B.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache überwiegend Erfolg.

I. Das Landgericht hat zu Unrecht einen Anspruch des Klägers auf weitergehenden Schadensersatz verneint.

1. Der Kläger hat Anspruch auf Erstattung der von der Beklagten bislang nicht beglichenen restlichen Kosten für die Erstellung des von ihm in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens in Höhe von 35,70 €. Das Sachverständigengutachten dient der Ermittlung des Schadensumfangs. Die Kosten hierfür hat der Ersatzpflichtige als Sachfolgeschaden gem. § 249 II 1 BGB zu tragen. Durch das Sachverständigengutachten wird der Geschädigte häufig erst in die Lage versetzt, zu entscheiden, welche konkrete Schadensabrechnungsart er wählen will. Darüber hinaus dient das Gutachten auch der Beweissicherung. Nach einem Verkehrsunfall ist ein Geschädigter im Regelfall berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadengutachtens zu beauftragen (BGH NJW 2007, 1450). Es genügt ein „qualifizierter“ Sachverständiger (BGH NJW 2007, 1450). Ein in Relation zur Schadenshöhe berechnetes Sachverständigenhonorar kann grundsätzlich als erforderlicher Herstellungsaufwand i.S.d. § 249 II 1 BGB erstattet verlangt werden (BGH NJW 2007, 1450). Allein dadurch, dass ein Sachverständiger eine an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung des Honorars vornimmt, überschreitet er die Grenzen zulässiger Preisgestaltung grundsätzlich nicht (BGH NJW 2006, 2472). Zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen, ist ein Geschädigter grundsätzlich nicht verpflichtet (BGH NJW 2007, 1450; OLG Nürnberg SP 2002, 358 = VRS 103 [2002] 321 = OLGR 2002, 471 = NVwZ-RR 2002, 711). Gegen ein nach seiner Ansicht überhöhtes Honorar kann sich der Versicherer in einem Schadensersatzprozess gegen den Sachverständigen wehren. Vorliegend ist nicht ersichtlich, weshalb die Sachverständigenkosten von insgesamt 1.011,50 € angesichts der Schadenshöhe nicht insgesamt erstattungsfähig sein sollten.

2. Hinsichtlich der Unkostenpauschale besteht über die bereits bezahlten 25 € hinaus kein weitergehender Ersatzanspruch des Klägers, so dass die Klage insoweit (5 € nebst Zinsen) abzuweisen und die Berufung zurückzuweisen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist ein Betrag von 25- € angemessen. Für eine Anhebung der vor der Währungsumstellung zuletzt angenommenen 50,- DM (Senat NZV 2001, 220) besteht kein Anlass. Es besteht auch kein Anlass zu einer mit § 287 ZPO unvereinbaren Pseudogenauigkeit in Form einer Umrechnung auf 25,56 € oder 26- € (wie sie etwa Thalmair in DAR 2007, 594 vertritt; Senat, Urt. v. 16.07.2004 – 10 U 1953/04; v. 18.03.2005 – 10 U 5448/04; v. 27.01.2006 – 10 U 4904/05 = NZV 2006, 261 [262]; v. 28.07.2006 – 10 U 2237/06 = DAR 2006, 692; v. 24.11.2006 – 10 U 4845/06; ebenso OLG Celle NJW-RR 2004, 1673; LG Passau, Urt. v. 27.07.2006 -3 O 1202/05). Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das KG grds. von 20,- € ausgeht (vgl. zuletzt VRS 110 [2006] 11 und 112 [2007] 325) und der BGH sogar einen Ansatz von 7,50 € (!) nicht beanstandet hat (BGH NZV 2006, 139 [140 a.E.]).

3. Der Kläger hat Anspruch auf weitere 6.026,89 € nebst Zinsen. Der Kläger ließ das Fahrzeug reparieren und nutzt es seither weiter. Der Anspruch scheitert nicht an der 130 % Grenze und auch nicht daran, dass das Fahrzeug nicht vollständig oder nicht ordnungsgemäß repariert worden wäre.

a) Der Geschädigte kann im Totalschadensfalle ausnahmsweise die voraussichtlichen Reparaturkosten zzgl. einer etwaigen Wertminderung erstattet verlangen, wenn diese Summe den Wiederbeschaffungswert um nicht mehr als 30 % übersteigt (BGH VersR 1992,61). Maßgeblich für die Berechnung ist grundsätzlich die Reparaturkostenkalkulation des Sachverständigen, nicht der schlussendlich tatsächlich angefallene Reparaturaufwand. Der Restwert des Fahrzeuges wird bei dieser Berechnung nicht berücksichtigt.  Grundlage dieser Rechtsprechung  ist das  besondere  Integritätsinteresse des Geschädigten. Damit soll faktisch sichergestellt sein, dass das Eigentum des Geschädigten für den Bedarfsfall in seiner konkreten Zusammensetzung und nicht nur dem Wert nach erhalten bleiben kann. Der Reparaturkostenersatz erfolgt allerdings nur nach tatsächlich durchgeführter, fachgerechter Reparatur im Umfange des Sachverständigengutachtens (BGH DAR 2005, 266), jedenfalls aber in einem Umfang, der den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigt (BGH DAR 2005, 268 [269]). Eine Teilreparatur ist mithin nicht ausreichend. Setzt der Geschädigte nach einem Unfall sein Kraftfahrzeug nicht vollständig und fachgerecht in Stand, ist regelmäßig die Erstattung von Reparaturkosten über dem Wiederbeschaffungswert nicht gerechtfertigt. Im Hinblick auf den Wert der Sache wäre eine solche Art der Wiederherstellung im Allgemeinen unvernünftig und kann dem Geschädigten nur ausnahmsweise im Hinblick darauf zugebilligt werden, dass der für ihn gewohnte und von ihm gewünschte Zustand des Fahrzeuges auch tatsächlich wie vor dem Schadensfall erhalten bleibt bzw. wiederhergestellt wird (BGH VersR 2007, 1244; BGHZ 162, 161, 168; BGH VersR 1972, 1024 f. und VersR 1985, 593, 594). Dass der Geschädigte Schadensersatz erhält, der den Wiederbeschaffungswert übersteigt, ist deshalb mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot und Bereicherungsverbot nur zu vereinbaren, wenn er den Zustand des ihm vertrauten Fahrzeuges wie vor dem Unfall wieder herstellt. Maßgeblich ist insoweit, ob – und wenn auch nur in Teilbereichen – mehr als nur unerhebliche Beanstandungen und Reparaturdefizite verblieben sind, die einer vollständigen und insoweit fachgerechten Instandsetzung und insbesondere einer Wiederherstellung eines mit dem unbeschädigten Fahrzeug vergleichbaren Zustandes entgegenstehen (BGH VersR 2007, 1244 [Bestätigung von LG Bochum, Urt. v. 21.11.2006 – 9 S 108/06]). Lässt ein Geschädigter, wenn die vom Sachverständigen kalkulierten Reparaturkosten die 130 % Grenze überschreiten, auf einem alternativen Reparaturweg reparieren und gelingt es ihm dabei nicht, das Fahrzeug zu Kosten innerhalb der 130 % Grenze vollständig und fachgerecht in einen Zustand wie vor dem Unfall zurückzuversetzen, kann er sich zur Begründung seiner Reparaturkostenforderung nicht auf ein unverschuldetes Werkstatt- oder Prognoserisiko berufen. Entscheidend ist dabei nicht, ob die ausgewählte Werkstatt – etwa aus Kulanzgründen – nach durchgeführter Reparatur verbliebene, nicht nur völlig unerhebliche Mängel so lange ausbessert, bis ein „ordentliches Ergebnis“ erzielt wird, sondern ob nach Abnahme seitens des Geschädigten auf Grund der nach dem erteilten Auftrag durchgeführten Reparatur von einer vollständigen und fachgerechten Reparatur auszugehen ist. Spätere Nachbesserungen stehen der Verneinung einer derartigen Reparatur dann nicht entgegen, wenn diese – ausgehend vom erteilten Auftrag – in Gewährleistungsansprüchen auslösenden Mängeln ihre Ursache haben, etwa weil die Mängel dem Geschädigten von der Reparaturwerkstätte nicht offengelegt wurden und von ihm bei Abnahme oder danach auch nicht erkannt und als vertragsgemäß akzeptiert wurden. Andernfalls, wenn der Geschädigte wesentliche Reparaturdefizite akzeptiert, beweist der Geschädigte zwar ein Interesse an der Mobilität durch sein Fahrzeug oder ein Interesse an der Weiternutzung, das jedoch ohne eine in jeder Hinsicht vollständige Reparatur in vergleichbarer Weise auch durch eine Ersatzbeschaffung befriedigt werden könnte.

Dies zu Grunde gelegt, ergibt sich vorliegend folgendes: Der Kläger hat mehr getan, als nur die Fahrtüchtigkeit wiederhergestellt, die nur sein Moblitätsinteresse belegt hätte. Der Kläger hat vielmehr einen Zustand wiederherstellen lassen, der dem vergleichbar ist, wie er sich vor dem Unfall gezeigt hat (BGH VersR 2007, 1244; OLG Düsseldorf, DAR 2001, 499; LG Dortmund, Urteil v. 03.07.2008 – 4 S 24/08 [Juris]).

(1) Der Wiederbeschaffungswert für den Pkw beläuft sich unter Berücksichtigung der Umbaukosten für die Sonderausstattung nach den ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen auf 8.890 €. Ein merkantiler Minderwert ist bei der durchgeführten Reparatur vorliegend nicht verblieben (Gutachten v. 27.03.2009, dort S. 19 = Bl. 95 d.A.). Die 130 % Grenze für den vom Kläger gewählten alternativen Reparaturweg mit teilweise gebrauchten Teilen beträgt daher 11.557 €.

(2) Der Sachverständige schätzte den Reparaturaufwand auf 15.812,18 €, der Kläger ließ den Pkw für 11.526,89 € reparieren. Die Kosten der vom Kläger gewählten alternativen Reparatur überschreiten daher die 130 % Grenze nicht.

(3) Der Senat glaubt den Angaben des Zeugen G. im Termin vom 13.11.2009, dass der Kläger mit der Reparaturfirma vereinbarte, das Fahrzeug vollständig und fachgerecht zum Preis von 11.440 € zu reparieren.

(4) Die auf Grund des Kostenvoranschlages vom 02.10.2007 durchgeführten Arbeiten führte nach Nachbesserung am Frontblech zu einer bis auf unerhebliche Defizite zu einer vollständigen und fachgerechten Reparatur.

(a) Der Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung für den Senat überzeugend erläutert, dass bei der zunächst von der Firma … durchgeführten Reparatur mit Ausnahme der Arbeiten am Frontblech keine erheblichen Reparaturdefizite verblieben. Dieses wegen der unzureichenden Rückverformung und fehlenden Lackierung und der damit verbundenen Korrosionsgefahr nicht unerhebliche Reparaturdefizit war erst nach Ausbau des Scheinwerfers durch den Sachverständigen erkennbar; der Zeuge G. erinnerte sich, dass er den Kläger hinsichtlich der vom Sachverständigen angeführten Reparaturdefizite nur hinsichtlich der Decklackabplatzung am Kofferraumdeckel aufmerksam machte und der Kläger, nachdem der Sachverständige bezüglich des Frontbleches eine mangelhafte Reparatur nach Teilzerlegung des Fahrzeugs feststellte, Nachbesserung begehrte, die als Gewährleistung durchgeführt wurde. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen (Ergänzungsgutachten S. 5 = Bl. 129 d.A.) wurde das Frontblech nunmehr geschlichtet und fachgerecht lackiert.

(b) Hinsichtlich der zerstörten Scheinwerfereinheit wurde von der Reparaturfirma ein Gebrauchtteil beschafft und bei diesem ein Riss am Plastikgehäuse mit Spezialkleber repariert. Der Zeuge G. hat berichtet, dass insoweit nach Erkundigungen seinerseits ein spezieller für den vorliegenden Kunststoff geeigneter Kleber verwendet und eine Reparatur vorgenommen wurde, nachdem das Innenleben des Scheinwerfers nicht beschädigt war. Der Senat ist auf Grund der Angaben des Zeugen auch davon überzeugt, dass dieser die Verklebung fachgerecht vornahm. Auch der Sachverständige hat angegeben, dass bei Verwendung des richtigen Klebers davon auszugehen ist, dass der Scheinwerfer den zu erwartenden Belastungen standhält und gegen Eindringen von Luft und Feuchtigkeit ausreichend geschützt ist, so dass die nur nach Ausbau der Blinkereinheit sichtbare Verklebung letztlich nur ein unwesentliches Reparaturdefizit darstellt. Die vom Sachverständigen erholte Auskunft der Herstellerfirma (Anl. zum Protokoll vom 13.11.2009) bestätigt, dass die Bauteilgenehmigung bestehen bleibt, nachdem davon auszugehen ist, dass das Innenleben des Scheinwerfers nicht beschädigt und die Verklebung – wie vom Zeugen G. berichtet – fachgerecht vorgenommen wurde. Insoweit ist weiter zu berücksichtigen, dass auch eine Beanstandung bei der Hauptuntersuchung selbst bei Offensichtlichkeit der Klebestelle nicht erfolgt und auch nicht erfolgte und der Kläger das Fahrzeug bereits seit über 2 Jahren wieder nutzt, ohne dass die Klebestelle oder der Scheinwerfer sich verschlechtert hätte (letzte Besichtigung durch den Sachverständigen am 16.10.2009). Ernsthafte Zweifel daran, dass die Klebestelle den auftretenden Belastungen standhält, bestehen daher nicht.

(c) Hinsichtlich des Reparaturdefizits im Übrigen lag nach Auffassung des Senats schon vor der Nachbesserung nur ein solches von unerheblichem Gewicht vor, welches der Wiederherstellung eines mit dem unbeschädigten Fahrzeug vergleichbaren Zustandes nicht entgegensteht.

Dies lag vornehmlich an der hervorragenden Arbeit des Karosseriespenglers der Fa. … und dem Geschick dieser Firma bei der Planung und Umsetzung eines kostengünstigeren Reparaturweges.

Der Zeuge G. gab an, dass der Pkw vor der Reparatur abgesehen von den Unfallschäden in einem auch vom äußeren Erscheinungsbild her durchschnittlichen Zustand war und auch einige Roststellen hatte. Gerade im Hinblick auf den durch das Alter in Verbindung mit der hohen Laufleistung des Pkw bedingten Zustand des Fahrzeugs vor dem Unfall – wie ihn der Zeuge G. beschrieben hat – sind die weiteren Reparaturdefizite weder beachtenswert noch erheblich.

Dies gilt insbesondere für die nur ausgebesserte Lackabplatzung am Heckdeckel, die dem Kläger wegen der insoweit erfolgten Erörterung des Reparaturweges bekannt war. Es handelte sich nur um eine Abplatzung der Decklackschicht auf einer Länge von 2 cm und auch dies nur an der dem Heckkotflügel zugewandten Kante des Kofferraumdeckels, die ausgebessert wurde.

Am hinteren Querträger war das Reparaturergebnis nach den Ausführungen des Sachverständigen, denen der Senat folgt, hinsichtlich der Blecharbeiten fachgerecht (Gutachten S. 16 = Bl. 92 d.A.). Die verbleibende optische Beeinträchtigung durch die (nur) nach Ausbau der Verkleidung noch sichtbaren Bearbeitungsspuren und der geringfügig verlaufenen Lackierung ist, noch dazu angesichts des Zustandes des Fahrzeugs vor dem Unfall, belanglos.

Entsprechendes gilt hinsichtlich der leichten Bearbeitungsspuren am hinteren Stoßfänger (Gebrauchtteil, von der Werkstatt in Wagenfarbe lackiert, Gutachten S. 18 = Bl. 94 d.A.) und der vom Sachverständigen am hinteren erneuerten Seitenteil bei der Lackierung unterhalb des Rücklichts teilweise festzustellenden „Orangenhaut“. Der Sachverständige hat im Termin vom 13.11. erläutert, dass dies nicht „ins Auge stach“ und man sich zum Erkennen bücken und die Stelle in bestimmtem Blickwinkel betrachten musste. Der Zeuge G. befand die Lackierung für in Ordnung und auch der Sachverständige bemerkte diese optische Beeinträchtigung bei einer ersten Besichtigung nicht (Stellungnahme vom 18.09.2008 = Anl. K 11 zu Bl. 60 d.A.), weshalb im Hinblick auf den Zustand des Pkw vor dem Unfall von einem nicht relevanten belanglosen Reparaturdefizit auszugehen ist.

Überdies wurden – mit Ausnahme der Lackabplatzung am Kofferraumdeckel – durch die Firma G. die unter (c) genannten Reparaturdefizite fachgerecht auf Verlangen des Klägers nach Gewährleistung fachgerecht nachgebessert.

4. Die vorgerichtlichen nichtanrechenbaren Rechtsanwaltskosten können wie bereits angefallene Sachverständigenkosten oder geschätzte Reparaturkosten im Schadensersatzprozess neben der Hauptsache geltend gemacht werden (BGH AnwBI. 2007, 154 ff. = VersR 2007, 265 = NZV 2007, 181; Senat AnwBI 2006, 768 f. = RVGreport 2006, 467 = zfs 2007, 48 = VersR 2007, 267 = NZV 2007, 211; Urt. v. 29.06.2007 – 10 U 5755/06).

Nach § 249 I, II 1 BGB sind diejenigen adäquat verursachten Rechtsverfolgungskosten in Form vorprozessualer, nicht anrechenbaren Anwaltskosten zu ersetzen, die aus Sicht des Schadensersatzgläubigers zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (Senat a.a.O.). Als erforderlich sind die nach dem Urteil begründeten Forderungen anzusehen (BGH MDR 2008, 351 [352]; Senat a.a.O.).

Auch bei sog. einfachen Regulierungssachen handelt es sich um eine durchschnittliche Angelegenheit, bei der die Berechnung einer 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 W RVG angemessen ist (BGH AnwBI. 2007, 154 ff. = VersR 2007, 265 = NZV 2007, 181; Senat a.a.O.). Ausgehend von der berechtigten Forderung des Klägers ergibt sich ein Anspruch des Klägers auf vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 837,52 €, so dass nach Abzug der bereits vorprozessual bezahlten 603,93 € noch 233,59 € wie beantragt zuzusprechen waren.

II.     Die Kostenentscheidung beruht für beide Instanzen auf § 92 II Nr. 1 ZPO.

Hinsichtlich der zunächst im Wege der sachdienlichen Klageerweiterung in 2. Instanz begehrten 700 € Nutzungsentschädigung (14 Tage zu jeweils 50 €) haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Klagepartei hätte auch insoweit obsiegt, da die tatsächliche Reparatur einen längeren Zeitraum in Anspruch nahm und die geltend gemachten 14 Tage nach den Ausführungen des Sachverständigen bereits als notwendige Zeit für eine Ersatzbeschaffung erforderlich waren. Angesichts der individuellen Fahrzeugmerkmale war dieses von Klasse G in Klasse F (50 €/Tag) herabzustufen.

Die teilweise Klagerücknahme steht vorliegend der Anwendung von § 92 II Ziffer 1 ZPO auch in der Berufungsinstanz nicht entgegen.

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

IV. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, daß die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Urteilsliste “130%-Regelung” zum Download >>>>>

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2 Antworten zu Das OLG München zu einem interessanten 130%-Fall (Az.: 10 U 3258/08 vom 13.11.2009)

  1. Willi Wacker sagt:

    Hallo Hans Dampf,
    in der Tat ein interessantes Berufungsurteil des OLG München.
    In diesem Fall ist es dem Geschädigten tatsächlich gelungen seinen vom Sachverständigen kalkulierten Fahrzeugschaden (über 130%) durch geschickte Reparaturweisen auf knapp unter 130% zu drücken. In diesem Fall versuchte (vergeblich) die Versicherung über die Wertminderung die 130%-Grenze zu kommen. Die OLG-Richter haben sauber die bestehende BGH-Rechtsprechung zum 130%-Abrechnungsbereich umgesetzt. Lob nach München.
    Das wäre auch ein Urteil, das einer breiteren Leserschaft zugänglich gemacht werden müsste.
    Mit freundlichen Grüßen
    Willi Wacker

  2. Schwarzkittel sagt:

    Schönes Urteil, das hoffentlich sich so mancher Amtsrichter im OLG-Bezirk hinter die Ohren schreibt.

    Grüße aus der Suhle

    Schwarzkittel

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