Hier nun die Berufungsentscheidung des LG Köln zu dem vorveröffentlichten Urteil des AG Kerpen (Beschlüsse des LG Köln vom 19.10. und 8.11.2010 -13 S 185/10-).

Hallo Leute,

hier die versprochene Entscheidung des LG Köln in der Berufungsinstanz zum angefochtenen Urteil des AG Kerpen (104 C 477/09 vom 06.07.2010).

Zuerst ein Hinweisbeschluss der Berufungskammer des LG Köln vom 19.10.2010 und dann der einstimmige Urteilsbeschluss vom 08.11.2010.

Und nun Eure Meinungen.

13 S 185/10
104 C 477/09 Amtsgericht Kerpen

Landgericht Köln

Beschluss

In dem (Berufungs-)Rechtsstreit

K gegen K

hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts Köln
durch den Präsidenten des Landgerichts … , die Richterin … und den Richter am Landgericht …
am 19.10.2010
b e s c h l o s s e n:

Die Kammer weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO einstimmig durch Beschluss zurückzuweisen.

Dem Berufungskläger wird Gelegenheit gegeben, binnen 2 Wochen nach Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

Gründe

Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 6.7.2010 (Bl. 101 ff. d.A.) zu Recht der Klage stattgegeben. Das Berufungsvorbringen vom 13.10.2010 (Bl. 143 ff. d.A.) führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

Die Kammer lässt dabei ausdrücklich offen, ob der – gut begründeten – Grundsatzkritik des Amtsgerichts an den neuerlichen „Konkretisierungen“ der sog. „Porsche“-Entscheidung in der jüngeren Rspr. des BGH (zuletzt BGH v. 13.7.2010 –VI ZR 259/09, NJ W2010, 2941 m.w.N.) zu folgen ist.

Denn jedenfalls ist Voraussetzung für einen Verweis des Geschädigten auf eine nicht markengebundene Fachwerkstatt im Rahmen des § 254 Abs. 1 BGB zum einen, dass dort kein Sondertarif für den Versicherer, sondern der marktübliche Stundenverrechnungssatz in Ansatz gebracht wird (vgl. etwa BGH v. 22.6.2010 – VI ZR 337/09, NJW 2010, 2725). Schon dazu ist der Vortrag der – für die tatsächlichen Voraussetzungen des § 254 Abs. 1 BGB darlegungsbelasteten – Beklagten im Schriftsatz vom 11.3.2010 (Bl. 83 f. d.A.) sehr vage.

Doch selbst wenn man dies noch so akzeptiert – zumal dies auch klägerseits nicht mehr angegriffen worden ist -, ist ein Verweis auf eine „ohne weiteres zugängliche“ nicht markengebundene Fachwerkstatt nach Auffassung der Kammer jedenfalls nicht allein davon abhängig, dass die Versicherung im (späteren) Prozess die „Gleichwertigkeit“ und Zumutbarkeit darlegen und beweisen kann. Insofern weist das Amtsgericht zutreffend darauf hin, dass damit nur Prozesse des Geschädigten „ins Blaue hinein“ gefördert würden, wenn er sich gegen die aus seiner Warte beliebigen Kürzungen durch die Versicherung zur Wehr setzen will.

Die „mühelose Zugänglichkeit“ betrifft richtigerweise nämlich gerade auch Inhalt, Art und Anzahl der unterbreiteten Alternativangebote. Es kann dahinstehen, ob der Schädiger sogar ein ganz verbindliches Angebot oder einen Kostenvoranschlag der günstigeren Werkstatt nebst weiteren Informationen zu deren Qualität vorlegen muss (dahingehend LG Duisburg, SP 2008, 154). Jedenfalls hat die anderweitige Reparaturmöglichkeit so hinreichend bestimmt zu sein, dass der Geschädigte – ohne ergänzende eigene Ermittlungen vornehmen zu müssen – nur noch zuzustimmen brauchte, wenn er sich für die vom Schädiger vorgeschlagene Werkstatt entscheiden würde. Dementsprechend muss der Schädiger dem Geschädigten also unter Angabe der Adresse und Erreichbarkeit der Werkstatt auch diejenigen Umstände konkret mitteilen, aus denen sich die Gleichwertigkeit der Alternative ergibt (OLG Düsseldorf, BeckRS 2008, 12379; Metz, NZM 2010, 119, 121 m.w.N.). Insbesondere genügt der pauschale Hinweis auf eine konkrete – kostengünstige – freie Reparaturwerkstatt zur Überprüfung der fachlichen Gleichwertigkeit durch den Geschädigten nicht. Zu fordern ist zumindest, dass der Ersatzpflichtige dem Geschädigten konkrete, die Gleichwertigkeit betreffende Angaben zukommen lässt (vgl. auch Figgener, NJW 2008, 1349, 1352). Maßgeblich sind Kriterien, ob es sich etwa um eine Meisterwerkstatt handelt, ob diese zertifiziert ist, ob dort Originalersatzteile Verwendung finden, über welche Erfahrung man bei der Reparatur von Unfallfahrzeugen gerade der betroffenen Marke und des konkreten Typs verfügt und dergleichen. Dem genügt das „Gutachten“ der Firma … Bl. 22 f. d.A. ersichtlich nicht, das noch nicht einmal eine Telefonnummer der Werkstätten enthält, um den angeblichen „Hol- und Bringservice“ für die 20 km entfernten Werkstätten in Anspruch zu nehmen.

Streitwert (vorläufig): 261,31 (= 294,26 EUR minus 32,95 EUR) EUR

————————–

13 S 185/10
104 C 477/09
Amtsgericht Kerpen

Landgericht Köln

Beschluss

In dem Rechtsstreit

der

Beklagten und Berufungsklägerin,

gegen

Herrn

Kläger und Berufungsbeklagten,

hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts Köln

durch den Präsidenten des Landgerichts Z , den Richter Dr. T und den Richter am Landgericht D
am 08.11.2010
e i n s t i m m i g  b e s c h l o s s e n:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Kerpen vom 06.07.2010 (104 C 477/09) wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens .

Gründe

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, worauf mit Beschluss vom 19.10.2010 hingewiesen worden ist (§ 522 Abs. 2 S. 2 ZPO).

An dieser Beurteilung vermögen auch die Ausführungen im Schriftsatz vom 4.11.2011 nichts zu ändern. Selbst wenn man den pauschalen Vortrag zu den fehlenden Sonderkondiktionen so als ausreichend anerkennen wollte, sind jedenfalls bis zuletzt von Seiten der Versicherung die Vergleichswerkstätten nicht ausreichend konkret benannt.

Will man den Geschädigten – u.U. mit gutem Grund – auf nicht markengebundene Fachwerkstätten verweisen und dies über § 254 BGB rechtfertigen, kann man ihm jedenfalls nicht zumuten, sich die Vergleichsbasis selbst – etwa durch Internetrecherchen – „zusammenzusuchen“. Der im o.a. Schriftsatz zu den Mühen einer Eigenreparatur gezogene Vergleich trägt insofern ersichtlich nicht. Im Gegenzug kann vielmehr der Versicherer einfach auch solche Angaben in seine Datenbanken einpflegen, um künftige Musterschreiben ausreichend aussagekräftig zu gestalten. Erst wenn dies geschehen ist, kommt es auf die vom Amtsgericht aufgeworfenen Grundsatzfragen und die aktuelle Rechtsprechung des BGH an; derzeit aus den dargelegten Gründen nicht.

Die Rechtssache hat – entgegen dem Schriftsatz vom 4.11.2010 – keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO), und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO), so dass die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen werden konnte (§ 522 Abs. 2 S. 3 ZPO). Sofern eine angebliche Abweichung von der Rspr. des BGH gerügt wird, wird dies nicht näher dargelegt; eine Auseinandersetzung mit den von der Kammer zitierten Judikaten erfolgt nicht. Der BGH hat sich bisher – soweit ersichtlich – gerade noch nicht mit den hier aufgeworfenen Fragen befasst: in den Grundsatzentscheidungen waren die Werkstätten offenbar zumindest im Prozess ausreichend konkret benannt worden – was hier gerade fehlt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Streitwert für das Berufunasverfahren: 261.31 EUR

So, und nun warte ich auf Eure Kommentare.

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5 Antworten zu Hier nun die Berufungsentscheidung des LG Köln zu dem vorveröffentlichten Urteil des AG Kerpen (Beschlüsse des LG Köln vom 19.10. und 8.11.2010 -13 S 185/10-).

  1. Andreas sagt:

    Hier wären deutlichere Ausführungen zur nachzuweisenden Gleichwertigkeit wünschenswert gewesen. Der LG-Richter hat zwar gut erkannt, dass die Ausführungen das AG richtig sind, jedoch das ganze wieder etwas mit laschen Ausführungen zu den notwendigen Voraussetzungen der Gleichwertigkeit verwaschen.

    Schade eigentlich.

    Viele Grüße

    Andreas

  2. Glöckchen sagt:

    Korrektes Urteil!
    Gleiche Akzeptanzvoraussetzungen für Restwerthöchstgebot und freie Werkstatt sind geeignete Mittel,die Fiktivabrechnung nicht noch weiter rechtswidrig einzuschränken.
    Wann kommt in der Rechtsprechung endlich das Argument,dass der Fiktivabrechner,der garnicht reparieren will und sein Auto weiterbenutzt,sich überhaupt nicht auf billigere Werkstätten verweisen lassen muss,weil er nach dem Willen des Gesetzgebers in der Verwendung der Entschädigung völlig frei ist??
    Wieso muss sich ein Fiktivabrechner überhaupt anhören,dass er bei Fa.X billiger reparieren lassen könnte,wenn er doch entschieden hat,sein Auto unrepariert weiterzubenutzen??
    Werden hier nicht mit einer Scheindiskussion unzulässig Grundsätze der konkreten Abrechnung mit Grundsätzen der fiktiven Abrechnung argumentativ vermengt??
    Wieso muss sich eigentlich der Fiktivabrechner immer dann,wenn es ihm zum Nachteil gereicht,bei der Verweisung auf Restwerthöchstgebote,oder auf billigere Stundensätze teilweise so behandeln lassen,als würde er konkret abrechnen??
    Wenn der Grund dafür darin gelegen ist,dass beide Abrechnungsarten absolut gleich zu behandeln sind,dann fragt es sich doch,weshalb der Fiktivabrechner bei Kürzungen nicht mit dem Argument gegenhält,er hätte den Reparaturauftrag an die Markenwerkstatt bei konkreter Abrechnung sogleich noch am Unfalltag erteilt,hätte dann eine Rechnung der Markenwerkstatt erhalten ,die die Versicherung ohne jede Kürzungsmöglichkeit(BGH Z 63,182ff) sofort hätte zahlen müssen?Wegen der Gleichbehandlung von konkreter und fiktiver Abrechnung müsste die Versicherung dann doch fiktiv ebenso kürzungslos regulieren,wie bei konkreter Abrechnung,oder funktioniert die Gleichbehandlung der Abrechnungsalternativen nur dann,wenn es für den Schädiger vorteilhaft ist?
    Das Ringen um das bessere Argument bleibt spannend!
    Klingelingelingelts?

  3. Willi Wacker sagt:

    Hallo Glöckchen,
    wie recht Du doch hast unter Verweis auf BGHZ 63, 182 ff., der hier im Blog auch dargestellt wurde. Der BGH hatte mit dem Urteil vom 29.4.1974 (BGHZ 63, 182 ff.) das Werkstattrisiko dem Schädiger, nicht dem Geschädigten aufgebürdet, denn die Werkstatt ist nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten. Die Werkstattkosten sind im übrigen auch der Einflußsphäre des Geschädigten entzogen. Dieser hat auch keinen Einfluß auf die Preisgestaltung. Alles das, was dem Einfluß des Geschädigten entzogen ist, kann der Geschädigte aus seiner ex-nunc-Betrachtung als Erforderlich i.S.d. § 249 BGB betrachten. Der Ansatzpunkt des Kerpener Richters war schon absolut richtig. Hätte das Land doch mehr von solchen Richtern, auch am BGH! Im Gegensatz zu den älteren BGH-Urteilen, die auch ordentlich begründet sind, warum der Senat dieser oder jener Ansicht ist, ermangelt es das den neueren Entscheidungen gänzlich.
    Hoffentlich hat auch der VI. Zivilsenat das Läuten gehört.
    Mit freundlichen Grüßen
    Willi

  4. SV-Mann sagt:

    Der Richter beim AG hat einen Volltreffer mit hervorragenden Begründungen gelandet und dazu die Widersprüchlichkeiten aufgeführt, die der BGH mit dem VW-Urteil und den darauf folgenden Urteilen erst geschaffen haben.

    Zitat: Das Gericht hält vielmehr die Rechtsprechung des BGH zu den sog. Stundenverrechnungssätzen, wie sie zuletzt in den Urteilen des BGH vom 20.10.2009 (im folgenden auch “VW-Urteil”) und im Urteil vom 23.2.2010 (VI ZR 91/09, zitiert nach juris) zum Ausdruck gekommen ist, für verfehlt.

    Dieser Richter verdient meine Hochachtung. Die Richter am BGH sollten sich dieses AG-Urteil mal zu Gemüte führen, bevor sie das nächste Urteil in Sachen Stundenverrechnungssätze sprechen. Es wird langsam Zeit, dass ein zurückrudern seitens des BGH erfolgt. Wie sollen denn die Richter an den Amtsgerichten die zu erwartende Prozeßflut bewerkstelligen.

    Der LG Beschluss ist zwar mit der Zurückweisung der Berufung als positiv anzusehen, aber es wäre besser gewesen es wäre eine Entscheidung getroffen worden. Meines Erachtens ist die Sache in Bezug auf die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung von großer Bedeutung. Vielleicht wäre die Sache bis zum BGH gekommen, der dann die aufgeworfenen Fragen hätte beantworten müssen.

    @Glöckchen:
    Na erinnern Sie sich noch an die Diskussion vom 16.12.2009 nachdem das VW-Urteil hier veröffentlicht wurde. Alles was ich im voraus vermutet habe ist eingetreten. Zwei-Klassen-Gesellschaft, Zertifizierung durch SV-Organisationen oder irgendwelche KFZ-Verbände zur Blendung der Gerichte bzgl. der Gleichwertigkeit. Also ist das Porsche-Urteil doch ausgehebelt (hoffentlich nicht mehr lange).

    Ach so, ein Schmankerl habe ich noch: Eine Firma (ich nenne sie mal „E-GRANATE“) taucht in diversen Streichkonzerten auch immer wieder auf. Nun habe ich folgendes gelesen:

    Die „E-GRANATE“ wurde auf Initiative des Z.. gegründet. Unternehmenszweck ist die Erzeugung wirtschaftlicher Vorteile für die angeschlossenen Mitgliedsbetriebe. Sie ist Dienstleister im Bereich Unfall-/Schadenmanagement für viele Flottenbetreiber und Versicherungen. …..
    ….. Ferner ermöglicht die „E-GRANATE“ den Mitgliedsbetrieben besonders günstige Einkaufskonditionen z. B. bei Original-Ersatzteilen und anderen Gütern.

    Ist doch schön !!!

    Mit freundlichen Grüßen

    SV-Mann

  5. Bruno Reimöller sagt:

    Sicherlich wäre es gut gewesen, wenn der BGH in der Revision auch hier eine eindeutige Entscheidung pro oder contra Rechtsschutzanfragekostenübernahme durch Schädiger getroffen hätte. Die Clearingstelle hat aber vermutlich die klaren und eindeutigen Worte des Amtsrichters gesehen und befürchtet, dass die Karlsruher Richter sich der einen oder anderen Kritik nicht verschliessen können.So wartet man auf einen für die Versicherer günstigeren Fall, der dann bis zum VI. Zivilsenat hochgepusht wird.
    Grüße Bruno

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