LG Amberg verurteilt Allianz Versicherung AG zur Zahlung restlichen Schadensersatzes und stellt fest, dass die Allianz auch die Gerichtskostenzinsen über § 104 ZPO hinaus zu zahlen hat, mit Urteil vom 19.5.2015 – 11 O 899/14 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

während schon der eine oder der andere im Liegestuhl oder Strandkorb liegt oder die Beine im Wasser abkühlt, sitzt die Redaktion am Schreibtisch und bereitet Eure Urlaubslektüre vor. Heute veröffentlichen wir zur Abwechslung hier noch ein Urteil aus Amberg zur fiktiven Schadensabrechnung, zur merkantilen Wertminderung und zur Forderung der Allianz zur Gegenüberstellung der Unfallfahrzeuge sowie zu den Gerichtskostenzinsen ab Eingang bei der Gerichtskasse gegen die Allianz Versicherung. Die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung hat natürlich wieder alles bestritten, und das  natürlich immer nur zum Wohle der Versichertengemeinschaft. Dabei hat sie aber nicht bemerkt, dass das Bestreiten unsubtantiiert war. Das bloße Bestreiten genügt eben nicht. Lest bitte selbst das gut begründete Urteil des Landgerichts Amberg. Gebt dann bitte anschließend Eure Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

Landgericht Amberg

Az.: 11 0 899/14

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

– Kläger –

gegen

Allianz Versicherungs-AG …

– Beklagte –

wegen Schadensersatz

erlässt das Landgericht Amberg – 1. Zivilkammer – durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht … als Einzelrichterin auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28.04.2015 folgendes

Endurteil

1.        Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.460,71 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03.10.2014 zu bezahlen.

2.        Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die klägerseits verauslagten Gerichtskosten Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins für die Zeit vom 14.10.2015 bis zum Eingang des Kostenfestsetzungsantrages nach Maßgabe der ausgeurteilten Kostenquote zu bezahlen.

3.        Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4.        Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 8.460,71 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall.

Am 14.08.2014 gegen 10.42 Uhr fuhr der Kläger in … auf der Rosenberger Straße in stadtauswärtiger Richtung mit seinem Fahrzeuggespann, bestehend aus einem Pkw mit amtlichen Kennzeichen … und dem Wohnanhänger Typ Knauss mit dem amtlichen Kennzeichen … . Gleichgerichtet vor ihm fuhr Herr … mit dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw. Er ordnete sich auf der gesonderten Linksabbiegerspur unter Betätigung des linken Fahrtrichtungsanzeigers ein und verringerte seine Geschwindigkeit, um nach links abzubiegen. Plötzlich zog er jedoch wieder ohne jegliche Vorwarnung nach rechts an und nahm einen abrupten Fahrspurwechsel vor. Dabei stieß er mit der vorderen rechen Ecke seines Pkw’s in den linken Eckbereich / Seitenbereich des klägerischen Wohnanhängers.

Die 100%ige Haftung der Beklagten ist zwischen den Parteien unstreitig.

Mit Schreiben vom 29.08.2014 machte der Kläger folgende Schadenspositionen geltend und setze eine Frist bis zum 09.09.2014:

–    Reparaturkosten netto                                             7.927,56 €
–    Sachverständigenkosten Nettobetrag                         816,81 €
–    Sachverständigen Umsteuer,   50%iger Anteil               77,60 €
–    merkantiler Minderwert                                             1.200,00 €
–    allgemeine Unkostenpauschale                                     30,00 €
Gesamtschaden:                                                           10.051,97 €

Mit Schreiben vom 16.09.2014 wurde eine weitere Nachfrist bis 19.09.2014 gesetzt und zudem vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von insgesamt 881,69 € geltend gemacht.

in der Folgezeit leistete die Beklagte eine pauschale Vorauszahlung in Höhe von insgesamt 2.500,00 € ohne nähere Zahlungsbestimmung. Dieser Betrag wurde auf die vorgerichtlichen Kosten und auf einen Teil der Zinsen verrechnet sowie ein Betrag in Höhe von 1.591,26 € auf die geltend gemachten Schadensersatzansprüche, so dass noch ein Differenzbetrag von 8.460,71 € zur Zahlung offen ist.

Mit Schreiben vom 30.09.2014 teilte die Beklagte unter Bezugnahme auf ein Telefonat mit, dass sie eine Gegenüberstellung der Fahrzeuge wünschen würde.

Mit Schreiben vom 09.10.2014 teilte der Klägervertreter Folgendes mit:

„… Am 23.09.2014 haben Sie sich mit meinem Sekretariat telefonisch in Verbindung gesetzt und angefragt, ob eine Gegenüberstellung der beiden Fahrzeuge möglich sei. Ein solches Ansehen ist nicht nachvollziehbar.

Um nähere Darlegungen darf insoweit gebeten werden. Wünschen Sie eine Nachbesichtigung des Unfallfahrzeuges ggf. mit welchem Zweck?“

Eine weitere Darlegung erfolgte durch die Beklagte nicht mehr.

Der Kläger trägt vor, die Reparaturkosten in Höhe von 7.927,96 € seien durch das vorgelegte Gutachten ausreichend beschrieben und nachgewiesen. Gleiches gelte für die vom Sachverständigen festgestellte Wertminderung. Beide Positionen seien von der Beklagten nur unsubstantiiert bestritten worden, dieses Bestreiten sei unbeachtlich.

Die vom Beklagtenvertreter vorgenommene Verrechnung auf vorgerichtliche Kosten und Zinsen sei, da eine nähere Zahlungsbestimmung nicht vorgenommen worden sei, nicht zu beanstanden. Die vorgerichtlichen Kosten seien mit Schreiben vom 16.09.2014 geltend gemacht worden. Diese seien zwischenzeitlich auch vom Kläger dem Klägervertreter gegenüber beglichen worden. Der Feststellungsantrag sei zulässig, da ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vorliege. Die Gerichtskosten seien Teil des infolge des Verzuges mit der Hauptforderung entstandenen Schadens und deshalb zu verzinsen. Auf die Fälligkeit der einbezahlten Gerichtskosten komme es dabei nicht an.

Er beantragt daher:

1.        Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.460,71 € nebst Zinsen hieraus in Höhe 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03.10.2014 zu bezahlen.

2.        Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die klägerischerseits verauslagten Gerichtskosten in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Zeit vom Eingang der eingezahlten Gerichtskosten bis zum Eingang des Kostenfestsetzungsantrages nach Maßgabe der ausgeurteilten Kostenquote zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, die Höhe der Reparaturkosten werde bestritten, ebenso der merkantile Minderwert. Im Schreiben vom 30.09.2014 sei um die Möglichkeit einer Gegenüberstellung des klägerischen Wohnanhängers mit dem Fahrzeug des Versicherungsnehmers gebeten worden. Dies sei jedoch nicht ermöglicht worden. Bezüglich des merkantilen Minderwertes werde bestritten, dass ein solcher im Fall einer fachgerechten Reparatur in Höhe von 1.200,00 € verbleiben würde. Die vorgenommene Verrechnung auf die vorgerichtlichen Anwaltskosten sei nicht gerechtfertigt, zudem sei von einem zu hohen Gegenstandswert ausgegangen worden, da die erstattungsfähigen Reparaturkosten ja bestritten worden seien.

Für den Feststellungsantrag fehle das Rechtsschutzbedürfnis.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst übergebener Anlagen Bezug genommen.

Im Termin vom 28.04.2015 trug die Beklagtenvertreterin darüber hinaus vor, dass nach den Ausführungen des internen Sachverständigen die Anstoßstelle fraglich sei, weil die Anstoßhöhen voneinander abweichen würden. Deshalb sei eine Gegenüberstellung erforderlich, um klären zu können, ob die Schäden unfallbedingt entstanden seien. Die Kosten für die Erneuerung der Seitenwand seien ebenfalls nicht nachvollziehbar. Dieser Sachvortrag wurde vom Klägervertreter als verspätet gerügt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Dem Kläger steht noch ein Anspruch auf Zahlung von 8.460,71 € zu.

Die 100%ige Haftung der Beklagten ist zwischen den Parteien unstreitig.

Dem Kläger steht noch ein Anspruch auf Ersatz folgender Schäden zu:

a) Reparaturkosten 7.927,56 €

Nach demGutachten des Sachverständigen … vom 28.08.2014 entstanden aufgrund des streitgegenständlichen Unfalls Reparaturkosten in Höhe von 7.927,56 €.

In dem Gutachten ist dezitiert aufgeführt, welcher Arbeitsaufwand anfällt, welche Kosten für welche Ersatzteile entstehen würden.

Ein pauschales Bestreiten der Höhe der Reparaturkosten genügt deshalb nicht. Soweit die Beklagte vorträgt, sie sei wegen der fehlenden Gegenüberstellung nach Verweigerung durch den Kläger nicht in der Lage gewesen, die Reparaturkosten substantiiert zu bestreiten, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung.

Der Kläger hat entgegen der Behauptung der Beklagten die Gegenüberstellung nämlich gerade nicht abgelehnt, sondern hat um nähere Erläuterung gebeten (vgl. Schriftsatz vom 09.10.2014). Auf diesen Schriftsatz hat sich die Beklagte nicht mehr gemeldet, keine weitere Erläuterung abgegeben, insbesondere nicht den Hinweis abgegeben, dass möglicherweise die Höhen der Beschädigung nicht übereinstimmen.

Zwar hat die Beklagtenvertreterin im Termin vom 28.04.2015 nunmehr entsprechend vorgetragen, dieser Vortrag ist jedoch verspätet.

Bereits in der Replik vom 10.12.2014 wurde von Seiten des Klägervertreters daraufhingewiesen, dass das Bestreiten unsubstantiiert sei. Weiterer Sachvortrag hätte rechtzeitig vor dem Termin erfolgen können und müssen. Die Begründung für die Verspätung, weil sowieso ein Sachverständigengutachten benötigt werde, ist nicht nachvollziehbar, da bei nicht substantiiertem Bestreiten die Höhe als zugestanden gilt.

b)
Die vom Sachverständigen im Gutachten vom 10.09.2014 bezifferte Wertminderung in Höhe von 1.200,00 € steht dem Kläger ebenfalls zu, da bis zum heutigen Tag kein substantiiertes Bestreiten dieses Betrages vorliegt.

c)
Die übrigen geltend gemachten Kosten wie Sachverständigenkosten und allgemeine Unkostenpauschale wurden von der Beklagten nicht bestritten, so dass sich folgende Schadensberechnung ergibt:

–    Reparaturkosten                                                      7.927,56 €
–    Sachverständigenkosten                                             894,41 €
–    merkantiler Minderwert                                            1.200,00 €
–    allgemeine Unkostenpauschale                                     30,00 €
ergibt                                                                            10.051,97 €

Auf diesen Schaden wurden durch die Beklagte 1.591,26 € bezahlt.

Unter Zugrundelegung einer Geschäftsgebühr von 1,3, einer Postpauschale und der Mehrwertsteuer ergeben sich bei einem Gegenstandswert von 10.051,97 € Anwaltskosten in Höhe von 881,69 €. Eine Verrechnung insoweit war auch zulässig, da unbestritten eine Rechnung über die verfahrensgegenständliche Geschäftsgebühr erteilt wurde und diese auch beglichen wurde.

Es ist damit lediglich ein Betrag von 1.591,26 € auf die noch geltend gemachten Schadenspositionen in Abzug zu bringen.

Damit steht dem Kläger noch ein Anspruch auf Zahlung von 8.460,71 € zu.

Der Antrag auf Feststellung, dass die Beklagte zur Zahlung von Zinsen auf die verauslagten Gerichtskosten seit dem Zeitpunkt der Einzahlung bis zum Eingang des Kostenfestsetzungsantrages verpflichtet ist, ist ebenfalls zulässig und begründet. Es besteht insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis für den Kläger, weil es für ihn keine andere Möglichkeit gibt, auf einem einfacheren Weg einen Titel über den dem Feststellungsantrag zugrundeliegenden Anspruch zu bekommen. Im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens können im Hinblick auf § 104 ZPO lediglich die Zinsen ab Eingang des Feststellungsantrages festgesetzt werden.

Das erforderliche Feststellungsinteresse ist ebenfalls gegeben, da die Beklagte mit der Erfüllung der klageweise geltend gemachten Forderung in Verzug war und die Gerichtskosten Teil des Schadens der infolge des Verzuges mit der der Klage zugrundeliegenden Hauptforderung entstanden ist und als solcher auch erstattungsfähig ist.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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  1. Zweite Chefin sagt:

    Typisches Allianz-Verhalten (ebenso in der RSV):
    Erstmal gar nicht reagieren, dann fehlende Unterlagen monieren (die natürlich nachweisbar übermittelt wurden), danach mit Wünschen aus der Klamottenkiste weitere Zeit schinden, dann mit einer kleinen Vorschusszahlung vermeintlich ruhigstellen.
    Wenn der Geschädigte nicht schon von Anfang anwaltlich vertreten wurde, vergehen nochmal 2-3 Monate, bis der Geschädigte endlich den Weg dorthin findet, „weil es nicht weitergeht“.
    Zur Klage ist es dann nicht mehr weit.

  2. Iven Hanske sagt:

    Neu ist GK Zinsen erst ab Antrag, denn wie sollte vor Klageschrift diese Position, bei notwendiger Einzahlung, geltend gemacht werden? Trotzdem handelt es sich hier um eine sehr gute Entscheidung, da realistisch erklärt und ohne Beachtung des einfachen Bestreiten ins Blaue. Was auch zeigt, dass sich die Richterin nicht auf Tricksereien einlässt. Ist ja auch witzlos bei einem ca. 9000 Euro Schaden mit der Anstosshöhe zu argumentieren. Werte Allianz, der ehemals gut Ruf wird so sinnlos immer schlechter, oder?

  3. albert sagt:

    Allianz versicherung und ihr Nazi hobby.
    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-8719979.html

  4. RA Markus M. Dilg sagt:

    @ Iven Hanske: Der Zinsbeginn zu den Gerichtskosten ist der Tag der tatsächlichen Einzahlung der Gerichtskosten bei Gericht – 14.10.2014.
    Der ursprüngliche Klageantrag – Verzinsung ab Zahlung der Gerichtskosten- wurde im Laufe des Rechtsstreites konkretisiert auf den tatsächlichen Einzahlungstag.

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