LG Frankfurt (Oder) entscheidet zu der Mehrwertsteuererstattung bei der Wiederbeschaffung eines Ersatzfahrzeuges mit lesenswertem Beschluss vom 25.8.2015 – 15 S 129/15 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

heute veröffentlichen wir für Euch noch einen Beschluss des LG Frankfurt/Oder im Berufungsverfahren nebst AG-Entscheidung aus Fürstenwalde/Spree zur Mehrwertsteuererstattung bei Wiederbeschaffung eines Ersatzfahrzeuges. Nach diesem an Deutlichkeit nicht zu überbietenden Beschluss wurde seitens der Allianz die Berufung zurückgenommen. Also hat die Allianz sich wieder vor einer Entscheidung zu ihren Lasten gedrückt, vermutlich auf Weisung des GDV, der ohnehin keine negativen Urteile zulasten der Versicherer wünscht? Vergleiche zu diesem Themengebiet auch die Entscheidungen  des AG Eisenhüttenstadt 6 C 105/12 vom 28.05.2013, des LG Frankfurt/Oder 15 S 103/13 vom 06.02.2014 und des LG Magdeburg 2 S 7/14 vom 07.03.2014. Beklagte Versicherung war dort auch jeweils die Allianz-Versicherung AG. Lest selbst und gebt dann anschließend bitte Eure Kommentare bekannt. 

Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker

15 S 129/15
15 C 131/14 (2) Amtsgericht
Fürstenwalde/Spree

Landgericht Frankfurt (Oder)

Beschluss

In dem Berufungsverfahren

Allianz Versicherungs AG, vertreten durch den Vorstand, An den Treptowers 3, 12435 Berlin,

– Beklagte und Berufungsklägerin –

gegen

… ,
– Klägerin und Berufungsbeklagte –

hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder)
durch
dm Richter am Landgericht S. ,
den Richter am Landgericht K. und
die Richterin am Amtsgericht G.

am 25.08.2015 beschlossen:

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass die Kammer beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das am 8.7.2015 verkündete Urteil des Amtsgerichts Fürstenwalde/Spree auf ihre Kosten als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Die Berufungsklägerseite erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen.

Gründe

1. Die Voraussetzungen von § 522 Abs. 2 ZPO liegen vor, die Berufung ist offensichtlich unbegründet, die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine aufgrund mündlicher Verhandlung ergehende Entscheidung der Kammer ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich oder aus sonstigen Gründen geboten.

Das Rechtsmittel hat nach vorläufiger Ansicht der Kammer aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidimg offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das Urteil des Amtsgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO noch rechtfertigen die der zweitinstanzlichen Entscheidung nach Maßgabe von § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung:

Zutreffend hat das Amtsgericht der Klägerin auch die verlangte Mehrwertsteuer zugesprochen. Im vorliegenden Fall geht es nicht um den Ersatz fiktiver Umsatzsteuer, sondern um den Ersatz des tatsächlich für die Ersatzbeschaffung aufgewendeten Betrages, begrenzt auf den Wiederbeschaffungswert des unfallbeschädigten Fahrzeugs. In einem solchen Fall kann der Geschädigte nach § 249 BGB den tatsächlich aufgewendeten Betrag unabhängig davon ersetzt verlangen, ob in ihm die Regelumsatzsteuer i.S.d. § 10 UStG, eine Differenzsteuer i.S.d. § 25a UStG oder gar keine Umsatzsteuer enthalten ist. Auf die Frage, ob und in welcher Höhe in dem im Gutachten ausgewiesenen Wiederbeschaffungswert Umsatzsteuer enthalten ist, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die hier dargelegte Rechtsauffassung hat der BGH gerade in dem Urteil (v. 13.2005, VI ZR 91/04, VersR 2005, 994) näher dargelegt, von dem die Beklagte meint, für sich Günstiges ableiten zu können. Zwar entstammt das Zitat im Schriftsatz vom 3.12.2014 der Beklagten aus dem angegebenen Urteil (Abschnitt II. I. 2. Absatz). Allerdings ergibt die weitere Lektüre des Urteils, dass die dargelegten Grundsätze für die fiktive Abrechnung in dem vom BGH entschiedenen Fall – wie auch hier – gar nicht einschlägig sind (s. Folgeabsatz; II. 2. „Hiervon unterscheidet sich der vorliegende Fall…“).

2. Es wird vorsorglich darauf hingewiesen, dass eine Rücknahme der Berufung gegenüber einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO zu einer Reduzierung der Gerichtskosten um zwei Gebühren führen würde (vgl. Ziffern 1220, 1222 des Kostenverzeichnisses zu § 3 Abs. 2 GKG).

3.  Die Kammer beabsichtigt, den Streitwert für den Berufungsrechtszug auf 890,50 € festzusetzen.

S.                                                 C.                                            K.

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Az.: 15 C 131/14 (2)

Amtsgericht Fürstenwalde/Spree

Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstrelt

– Klägerin –

gegen
Allianz Verslcherungs AG, vertreten durch den Vorstand, An den Treptowers 3, 12435 Berlin

– Beklagte –

hat das Amtegericht Fürstenwalde/Spree durch den Richter am Amtsgericht S. auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 20.062015 für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 890,50 € nebst Zinsen In Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.09.2014 sowie weitere 78,89 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.11.2014 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreite werden der Beklagten auferlegt.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Streitwert: bis zum 10.11.2014: 1.190,50 €
.                  seit dem 11.11.2014:  890,50 €

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 23.07.2014 in Fürstenwalde/Spree ereignete. Hierbei wurde der Pkw der Klägerin vom Typ Nissan, amtliches Kennzeichen … durch das bei der Beklagten versicherte Kraftfahrzeug erheblich beschädigt. Am klägerischen Fahrzeug entstand wirtschaftlicher Totalschaden. Die Parteien streiten ausschließlich zur Schadenshöhe, nämlich zur Erstettungspflicht der Beklagten hinsichtlich der auf den Wiederbeschaffungsaufwand entfallenden Mehrwertsteuer. Der von der Kägerin beauftragte Sachverständige … kalkulierte den Wiederbeschaffungswert auf 6.084,45 € netto, den Restwert auf 2.170 €. Die vom Sachverständigen kalkulierten Reparaturkosten übersteigen den Wiederbeschaffungsaufwand. Die Klägerin verkaufte den beschädigten Pkw zu einem Preis von 2.170 € und erwarb mit Kaufvertrag vom 21.08.2014 ein Ersatzfahrzeug zum Preis von 24.990 €. Darin enthalten war ein Mehrwertsteuerbetrag von 3.990 €. Die Beklagte regulierte gegenüber der Klägerin auf den Wiederbeschafiungsaufwand 3.880 € gemäß Schreiben vom 19.09.2014 und ließ hierbei die Mehrwertsteuer unberücksichtigt. Der Klägerin entstanden zur außergerichtlichen Rechtsverfolgung Rechteanwaltskosten in Höhe von 650,33 €, worauf die Beklagte 571,44 € regulierte. Nach Anhängigkeit zahlte die Beklagte auf den Wiederbeschaffungsaufwand einen weiteren Betrag in Höhe von 300 € an die Klägerin.

Die Klägerin meint, nach der Beschaffung eines Ersatzfahrzeuges habe die Beklagte auch die auf den Wiederbeschaffungsaufwand entfallende Mehrwertsteuer in Höhe von 19 % zu erstatten. Bei einem Wiederbeschaffungswert von 6.084,45 € netto betrage der Wiederbeschaffungswert brutto 7.240,50 €. Nach Abzug des Restwertes verbleibe ein Wederbeschaffungsaufwand in Höhe von 5.070,50 €.

Die Klägerin hat zunächst Klage auf Zahlung von 1.190,50 € nebst Verzugszinsen und außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten erhoben. Unter anteiliger Klagerücknahme beantragt die Klägerin nunmehr,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 890,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten ober dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2014 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 78,89 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit der Rechtshängigkeit zu zahlen, hilfsweise die Klägerin von den vorbezeichneten Kosten der Rechtsanwälte … freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet die Erstattungsfähigkeit der auf den Wiederbeschaffungswert entfallenden Mehrwertsteuer. Erstattungsfähig sei nur die Umsatzdifferenzsteuer von 2,5 Prozentpunkten.

Die Klageschrift ist der Beklagten am 11.11.2014 zugestellt worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Terminsprotokoll vom 20.05.2015 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist im zuerkannten Umfang auch begründet. Nur wegen eines Teils der geltend gemachten Zinsen ist sie unbegründet.

Die Beklagte ist der Klägerin gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, 115 VVG, 249 Abs. 2 BGB zur Erstattung der vollen, auf den Wiederbeschaffungsaufwand entfallenden Mehrwertsteuer verpflichtet. Auch bei fiktiver Schadensberechnung auf Gutachtenbasis ist die auf den Wiederbeschaffungswert entfallende Mehrwertsteuer zv erstatten, wenn der Geschädigte ein (hier teureres) Ersatzfahrzeug erwirbt (vgl. Palandt-Grüneberg § 248 BGB Rz. 26 m. w. N.). Der Geschädigte ist bei der Ersatzbeschaffung auch nicht gehalten, im Interesse des Schädigers nach Fahrzeugen zu suchen, die etwa einem günstigeren Mehrwertsteuersatz unterliegen. Der Netto-Wiederbeschaffumgswert für das beschädigte Fahrzeug liegt unstreitig nicht unter 6.084,45 €. Selbst die Beklagte kalkuliert den Wiederbesohaftungswert netto auf 6.191,25 € (6.350 € abzgl. 168,75€ Umsatzdifferenzsteuer). Die Klägerin hat ebenso unstreitig ein teureres Ersatzfahrzeug erworben und hierfür 3.990 € Mehrwertsteuer (19 %) bezahlt. Demnach hat die Beklagte auch den auf den Netto-Wiederbeschaffungswert des beschädigten Fahrzeuges entfallenden Mehrwerteteueranteil zu erstatten. Der Wiederbeschaffungsaufwand inkl. 19 % Mehrwertsteuer beträgt danach 5.070,50 € (6.084,45 € +19 % MwSt – 2.170 € Restwert). Hierauf hat die Beklagte vorgerichtlich nur 3.880 € und nach Anhängigkeit weitere 300 € gezahlt. Sie schuldet der Klägerin mithin den tenorierten Restbetrag. Zinsen hierauf sind seit der mit dem Regulierungsschreiben vom 19.09.2014 konkludent verbundenen Zahlungsverweigerung gemäß §§ 266, 288 BGB geschuldet. Ein vorheriger Verzugseintritt ist nicht ersichtlich. Das Schreiben der Klägerin vom 25.08.2014 war nicht zur Verzugsbegründung geeignet.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die restlichen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in geltend gemachter Höhe zu erstatten, welche der Höhe nach unstreitig sind. Eine Verzinsung erfolgt nach §§ 291, 288 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen gründen auf §§ 92 Abs. 2, 269 Abs. 3 Satz 3, 708 Nr. 11 und 711 ZPO. Soweit die Klage anteilig wegen der Zahlung zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit zurückgenommen wurde, trifft die Kostenlast die Beklagte, da sie aus den vorbezeichneten Gründen Anlass zur Klage gegeben hatte.

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8 Antworten zu LG Frankfurt (Oder) entscheidet zu der Mehrwertsteuererstattung bei der Wiederbeschaffung eines Ersatzfahrzeuges mit lesenswertem Beschluss vom 25.8.2015 – 15 S 129/15 -.

  1. falsch im neuen palant sagt:

    Seit 1.8.2002 wird laut Gesetz (zumindest zunächst) der Nettowert vom Schaden benötigt, so auch ein Nettowiderbeschaffungswert in einem ordungsgemäßen Schadengutachten – woran die Versicherungswirtschaft jedoch keinerlei Interesse hat, wie die gängige Praxis seit 13 Jahren hierzu zeigt. Daneben muss seither das ordnungsgemäße Gutachten auch die Mwst in der Händlerhandelsspanne ausweisen, weil lt Ustg grundsätzlich 2 verschiedene Sätze im Falle der Ersatzbeschaffung bei einem Händler in Frage kommen (vgl § 25a und 10 ) und niemand anderes in der Lage ist, diese korrekt zu bestimmen (im Gegensatz zur Regelbesteuerung mit derzeit 19%). Erfüllt ein Gutachten diese Voraussetzungen, kommt es im Streitfall zu solchen gesetzeskonformen Rechtssprechungen, wie die Allianz hier in den letzten 2 Jahren bei 5 verschiedenen Gerichten, gleich in zwei Bundesländern, feststellen mußte. Das Gesetz stellt allein auf nachzuweisende Mwst Aufwendungen nach dem Schadenereignis ab. Bei soviel versicherungsgesteuertem Lobbyismus verwundert es auch nicht, das die neueste Palantkommentierung hierzu in sich widersprüchlich und teilweise offensichtlich falsch ist (was sich bereits anhand der dort genannten Zahlen gut vorrechnen läßt). Der verantwortliche Redakteur, BGH Richter Dr. Grünberg, verspricht in seinem Antwortschreiben hierzu, der Kritik nachzugehen und stellt selbst hierzu fest: „Die … beigefügten Gerichtsurteile besagen dazu nichts anderes, weil dort jeweils unstreitig ein regelbesteuertes Ersatzfahrzeug angeschafft wurde.“ ( Vgl hierzu auch die Verlinkten in der Einführung von Willi). Also ist es nach dem Gesetz und dieser Rechtssprechung wirklich auch jedem möglich, nach einer Totalschadenabrechnung (auch für ein altes Fahrzeug) auf Nachweis auch 19 % Mwst anteilig auf den Nettowert seines Unfallfahrzeuges zu erlangen.

  2. Ra Imhof sagt:

    Weshalb wurde der WBW im Schadensgutachten netto und nicht brutto angegeben?
    Bei einer gleich-oder höherwertigen Ersatzbeschaffung muss der Geschädigte-auch jeder vorsteuerabzugsberechtigte Geschädigte- den Kaufpreis doch brutto und nicht lediglich netto bezahlen?
    Niemanden,weder den Geschädigten noch den Schädiger,interessiert hier der Netto-WBW.

  3. Ra Imhof sagt:

    Die Rechtslage ist anschaulich dargelegt in BGH VI ZR 363/11

  4. virus sagt:

    Es ist an der Zeit, dass dem Verfassungsgericht Gelegenheit zur Überprüfung von § 249 BGB, Abs. 2 nach Art. 3 Abs. 1 GG gegeben wird. Insbesondere die Schätzung des Schadensersatzanspruchs im Schadensersatzprozess nach § 287 ZPO auf das Sachverständigen-Honorar bzw. Mietwagenrechnung bedarf zwingend der Überprüfung durch das Verfassungsgericht. Die Anwendung von § 287 ZPO bei Vorlage einer konkreten Rechnung (außer für den Geschädigten erkennbarem Wucher) stellt einen unzulässigen Willkürakt dar – Schätzung ins Blaue.
    Wie auch insgesamt die „Neue Rechtsprechung“ des BGH bezüglich der Verweisung bei fiktiver Schadensersatzabrechnung auf alternative (billigere) Werkstätten der verfassungsrechtlichen Überprüfung hinsichtlich § 249 BGB bedarf.

  5. virus sagt:

    NACHTRAG!

    Das Verfassungsgericht zum Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG

    BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

    – 1 BvR 666/00

    b) Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung sind nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, die durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt wird. Die aus Gründen des Gemeinwohls unumgänglichen Beschränkungen des Grundrechts stehen unter dem Gebot der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Eingriffe in die Berufsfreiheit dürfen deshalb nicht weiter gehen, als es die sie rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern. Eingriffszweck und Eingriffsintensität müssen in einem angemessen Verhältnis stehen (vgl. BVerfGE 54, 301 ; 101, 331 ).

    Quelle bzw. Urteil: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2001/08/rk20010801_1bvr066600.html

  6. BORIS sagt:

    Hallo, virus,

    Du legst mal wieder einen Finger in die offene Wunde.
    Natürlich ist die Anwendung des § 287 ZPO in der immer wieder festzustellenden Art und Weise ein Unding.
    Die Toleranz muss deshalb auf Erstaunen stoßen,denn es wäre zu beachten, was u.a. auch das AG Leverkusen und das AG Köln hierzu ausgefürt haben:

    „Eine Kürzung der vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Kosten allein auf Grundlage einer Honorarumfrage eines Sachverständigenverbandes ist im Rahmen einer Schadensbemessung nach § 287 Abs. 1 ZPO nicht zulässig. Sie würde die besondere Bedeutung der vorgelegten Rechnung für den konkreten Einzelfall und die Lage der Geschädigten bei der Beauftragung des Sachverständigen verkennen.“

    ag-leverkusen-verurteilt-huk-coburg-haftpflichtunterstuetzungskasse-zur-zahlung-der-vorgerichtlich-gekuerzten-sachverstaendigenkosten-bei-voller-haftung-der-huk-coburg-mit-urteil-vom-14-7-2015-24-

    ag-koeln-verurteilt-mit-lesenswertem-urteil-den-versicherungsnehmer-der-allianz-versicherung-ag-zur-zahlung-der-von-der-allianz-gekuerzten-sachverstaendigenkosten-mit-urteil-vom-30-10-2015-269-c-97
    ——————————————–
    A.) Richtpreise einer Interessengruppe sind keine im Verkehr geltenden Wertmaßstäbe bzw. im Verkehr anerkannten Bewertungsmaßstäbe. Der Versuch, über § 287 ZPO den Schadenersatz unabhängig vom individuellen Schaden des Geschädigten zu bestimmen, verstößt nicht nur gegen § 249 S.1 BGB, sondern ist logisch und damit auch sachlich unmöglich. Einen vom Schaden unabhängigen Schadenersatz und einen anderen „Wertungsmaßstab“ oder „Bewertungsmaßstab“ des Schadenersatzes als den des eingetretenen Schadens gibt es nicht. Eine solche Handhabung widerspricht dem Gesetz, nach dem der Schadenersatzpflichtige „verpflichtet“ ist, den tatsächlichen Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 S 1 BGB).

    B.) Richtpreise eines Berufsverbandes sind weder objektiv noch haben sie etwas mit einem zu ersetzenden Schaden zu tun.

    Wenn Gerichte solche Listen wie Gesetze anwenden, ohne die dagegenstehenden rechtlichen Bedenken auch nur mit einem Wort zu erwähnen, muss das auf Erstaunen stoßen.

    C.) Der Verstoß gegen § 249 S. 1 BGB und gegen die begrifflichen Merkmale eines jeden Schadenersatzes kann nicht damit gerechtfertigt werden, dass nach § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO „das Gericht unter Würdigung aller Umstände“ nach freier Überzeugung darüber „entscheidet“, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufen.

    D.) Sie bedeutet entgegen einer fehlerhaften Auffassung jedoch nicht, dass das Gericht ohne strenge Gebundenheit an die Tatsachen (z.B. Honorarvereinbarung/ Geschäftsbedingungen) oder die Regeln der allgemeinen Erfahrung und der Gesetze der Logik, eine „freie Schadensregulierung“ vornehmen und sich dadurch der Mühen einer sorgfältigen Beweiserhebung und objektiv begründeten Beweiswürdigung entheben darf.

    E.) § 287 ZPO ändert als rein beweisrechtliche Bestimmung nichts an der sachlich rechtlichen Lage, dass der Schädiger vollen Schadenersatz vollen Schadenersatz schuldet und diese Rechtspflicht den in § 249 S.1 BGB bestimmten Inhalt hat. Diesen hat das Gericht in jedem einzelnen Fall individuell zu erkennen. Es kann damit nicht gemäß § 287 ZPO über den Schadenersatzanspruch des Geschädigten verfügen, weil sich damit erkennbar die tatsächliche Schadenersatzverpflichtung des Schädigers reduzieren würde auf eine Zubilligung von Schadenersatz aus einer ex post Sichtweite des Gerichts.

    F.) Schlussendlich muss aber im beurteilungsrelevanten Zusammenhang auch noch folgende Frage untersucht und beantwortet werden: Was gehen einen Geschädigten und damit ein über dessen Schadenersatzanspruch urteilendes Gericht die vermeintlichen „Bewertungsmaßstäbe“ eines versicherungsnahen Berufsverbandes an?

    Mit welcher rechtlichen Begründung sollen die Geschädigten diese zu ihrem Nachteil gegen sich gelten lassen müssen ?

    Damit ist aber diese Thematik noch lange nicht erschöpft und numehr sollten die Herren Juristen mal ihre Sicht der Dinge präsentieren.

    BORIS

  7. virus sagt:

    @ BORIS

    „Natürlich ist die Anwendung des § 287 ZPO in der immer wieder festzustellenden Art und Weise ein Unding.“

    Hallo BORIS,

    nein, es ist kein Unding! Wir haben es schlicht und ergreifend mit einer grundgesetzwidrigen (angestifteten) Arbeitsweise einzelner Richter zu tun. Denn der Anspruchsteller ist mit der Beauftragung des Sachverständigen eine Verpflichtung gegenüber dem Unternehmer eingegangen, die er zu erfüllen hat. Der Schadensersatzanspruch beruht auf dessen konkrete Forderung, den weder der H-Versicherer noch ein Richter „Kraft seiner Wassersuppe“ zu minimieren hat – siehe Art. 12 GG.

    Siehe dazu die Gasanbieter, diese verbuchen in der Gesamtheit, weil die Marktpreise nicht an die Kunden weiter gegeben werden, in der Summe Milliarden-Gewinne. Das einzige was der Kunde tun kann, ist sich für ein Jahr einen neuen Anbieter zu suchen. Es sei denn, ein Kunde kann seinem Versorger Wucher, bzw. kartellwidrige Preisabsprachen unter den Anbietern nachweisen. Wobei, hier ist nach dem Verfassungsgericht – 1 BvR 666/00 – der Gesetzgeber m. E. verpflichtet, regulierend eingreifen. Nur tut er es nicht, denn in jedem Euro verbirgt sich die Umsatzsteuer und letztendlich die Einkommenssteuer.

    Übrigens, nach den Ausführungen des BvG muss jetzt dem Letzten ein Licht aufgegangen sein, warum die Versicherer das JVEG ins Spiel bringen wollen und warum u. a. der BGH 6. Senat mit dem Urteil VI ZR 357/13 die Hosen runter gelassen hat.

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