LG Arnsberg bestätigt in der Berufung vom Grundsatz her die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten (I-5 S 146/09 vom 16.06.2010)

Mit Urteil vom 16.06.2010 (I-5 S 146/09) hat das Landgericht Arnsberg in der Berufung die erstinstanzlichen Verurteilung des Beklagten (Halter?/ Fahrer?) zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten durch das AG Meschede vom 26.10.2009 (6 C 251/09) vom Grundsatz her bestätigt. Das Urteil des AG wurde neu gefasst und der Beklagte zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten i. H. v. 1.218,73 € zzgl. Zinsen sowie weiterer vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Das LG Arnsberg bestätigt die Anwendung der Schwacke-Liste, die Fraunhofer Tabelle kommt nicht zur Anwendung.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Berufung hat insoweit teilweise Erfolg, als dass der Beklagte nicht zu einer Zahlung von 1.620,43 €, sondern lediglich in Höhe von 1.218,73 € zu verurteilen war.

1.

Die Klägerin ist auf Grundlage der vorgelegten Abtretungserklärung des Geschädigten vom 09.01.2009, deren Annahme von dem Beklagten nicht in Frage gestellt wird, aktiv legitimiert; insbesondere verstößt die Abtretung nicht gegen die Bestimmungen des Rechtsdienstleistungsgesetzes.

Die einschlägigen Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetzes sind seit dem 01.07.2008 in Kraft und erfassen hiernach auch die hier vorgelegte zeitlich spätere Erklärung.

Dahin stehen kann insoweit, ob die hier streitgegenständliche Tätigkeit der Klägerin überhaupt unter den Begriff der Rechtsdienstleistung nach § 2 des Gesetzes fällt, jedenfalls stellt sich der konkrete Fall als für einen Mietwagenunternehmer erlaubte Nebenleistung im Sinne von § 5 Abs. 1 RDG dar. Die Grenzlinie zwischen einer erlaubnispflichtigen Rechtsdienstleistung und einer erlaubten Nebenleistung verläuft dort, wo durch die Vertragsgestaltung dem Geschädigten der Eindruck vermittelt wird, das Mietwagenunternehmen übernehme im Auftrag des Geschädigten einen Teil der Unfallregulierung. Dann nämlich ist nicht mehr gesichert, dass der Geschädigte sich über seine Ansprüche von einem unabhängigen und unparteiischen Rechtsanwalt beraten lässt. Geht es aber nur darum, dem vom Bundesgerichtshof schon in der Vergangenheit für relevant gehaltenen praktischen Bedürfnis nach einer gewissen Mitwirkung des Fahrzeugvermieters bei der Geltendmachung der Schadensersatzansprüche des Geschädigten gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Schädigers Rechnung zu tragen, ohne dass die Gefahr einer Rechtsverkürzung auf Seiten des Geschädigten besteht, dann steht der innere Zusammenhang mit der Haupttätigkeit „Angebot eines Mietwagens aus Anlass eines Unfalls“ so im Vordergrund, dass eine erlaubte Nebenleistung im Sinne von § 5 Abs. 1 RDG anzunehmen ist (Vergl. Grunewald/Römermann, Rechtsdienstleistungsgesetz, 2008, § 5, Rd.-Nr. 144). Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin sich allein die Ersatzansprüche beschränkt auf die Mietwagenkosten hat abtreten lassen – bei einem in Hinblick auf den Haftungsgrund unstreitigen Unfall – und der Tatsache, dass die hier vorliegende Abtretung an Erfüllungs Statt gerade zu einer Befreiung des Geschädigten von Ansprüchen im Hinblick auf diesbezügliche Kosten führte, ist eine Rechtsverkürzung auf seiner Seite gerade nicht zu besorgen.

2.

Die Klägerin hat über den vorgerichtlich gezahlten Betrag in Höhe von 1.123,01 € hinaus Anspruch auf Ersatz weiterer Mietwagenkosten, allerdings nur in Höhe von 1.218,73 € gemäß §§ 7, 17 StVG, 249, 251 Abs. 2, 398 BGB.

Der Geschädigte, bzw. hier die Zessionarin, kann nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz der Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf. Er ist dabei ebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen.

Die Klägerin selbst verweist als Basis der Abrechnung auf die Schwackeliste, Automietpreisspiegel, „Normaltarif“ und verlangt vor diesem Hintergrund ihre eigenen Kosten, die sich unterhalb dieser Schwackeberechnung halten (sollen). Die erforderlichen Kosten können grundsätzlich im Wege der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ermittelt werden mit der Folge, dass der weitere geforderte Betrag nur zu zahlen ist, wenn sich dieser unterhalb einer Schätzung auf „Schwacke-Grundlage“ beläuft. § 287 ZPO gibt insoweit die Art der Schätzungsgrundlage nicht vor; auch nach Auffassung der Kammer kann der zu ersetzende Normaltarif durchaus anhand des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ ermittelt werden. Die Anwendung des Mietpreisspiegels – hierfür das entsprechende Jahr 2009 – ist nicht zu beanstanden. Denn aus dem Editorial zum Mietpreisspiegel 2009 ergibt sich, dass die Erhebung einer repräsentativen, wissenschaftlichen und grundsätzlichen Marktforschung entspricht. Bei dem Mietpreisspiegel 2009 wurden mehr als 7.800 Vermieterstationen befragt. Warum diese Erhebung nicht ausreichend sein sollte, wird von Beklagtenseite nicht substantiiert dargelegt. Es fehlt an einem hinreichend konkreten Tatsachenvortrag betreffend Mängel der Schätzungsgrundlage. Im Übrigen ist es nicht Sinn und Zweck des § 287 ZPO, eine mathematisch exakte Ermittlung zu ermöglichen. Vielmehr soll die Schätzung „der Wahrheit möglichst nahe kommen“. Solange keine genauere Schätzungsgrundlage vorhanden ist, bestehen daher gegen die Anwendung des Schwacke Mietpreisspiegels aus juristischer Sicht keine durchgreifenden Bedenken.

Soweit der Beklagte die Anwendung der sogenannten Fraunhofer-Erhebung in den Raum stellt, finden sich auch insoweit keine hinreichenden Anhaltspunkte an der Zuverlässigkeit der vorgenannten Schätzungsgrundlage nach Schwacke zu zweifeln.

Die Klägerin kann auf dieser Grundlage unter Berücksichtigung der von ihr verlangten Zuschläge für Vollkasko, Zweitfahrer, Winterreifen und Zustellung bzw. Abholung noch Zahlung eines Betrages in Höhe von 1.218,73 € verlangen.

Soweit das Amtsgericht allerdings einen 20 prozentigen Aufschlag auf die in der Schwackeliste vorgegebenen Werte als gerechtfertigt angesehen hat, findet sich hierfür keine tragfähige Grundlage.

Insoweit trägt der Geschädigte bzw. hier die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast für die Frage, ob der Aufschlag auf den Normaltarif wegen konkreter unfallbedingter Mehrleistungen des Vermieters objektiv zur Wiederherstellung im Sinne des § 249 BGB erforderlich war; nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kommt ein pauschaler Aufschlag zum Normaltarif aber ohnehin außer in Eil- oder Notsituation nur in Betracht, wenn der Geschädigte darlegt und beweist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt keine wesentlich günstigeren Tarife zugänglich waren. Ein entsprechender Vortrag der Klägerin fehlt hierzu, sodass dahin stehen kann, ob sie ansonsten hinreichend zu unfallbedingten Mehraufwendungen vorgetragen hat: Eine Eilsituation hat sie nicht dargelegt, sich in der Berufungsinstanz lediglich unsubstantiiert auf dienstliche Termine des Geschädigten berufen. Soweit sie als unfallbedingte Mehraufwendungen auf eine notwendige Vorfinanzierung verweist, ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in erster Instanz weiterhin auch anhand der eigenen Angaben des Geschädigten davon auszugehen, dass dieser über eine Kreditkarte als Sicherheit verfügte. Im Übrigen kann auch aufgrund der Tatsache der Abtretung an Erfüllungs Statt von einer Vorfinanzierungsnotwendigkeit nicht mehr die Rede sein.

Die konkrete Berechnung der zu erstattenden Mietwagenkosten hat auf Grundlage der Gruppe 5 zu erfolgen. Entscheidend ist hier, dass der Geschädigte tatsächlich nur einen Pkw der niedrigeren Gruppe angemietet hat. An dieser Wahl hat er bzw. die Klägerin sich festhalten zu lassen, zumal es um den Ersatz tatsächlich angefallener Mietwagenkosten, nicht um eine  unzulässige fiktive Abrechnung der erstattungsfähigen Mietwagenkosten geht.

Soweit die Anzahl der abrechnungsfähigen Tage zwischen den Parteien streitig ist, kommt es nach Ansicht der Kammer unabhängig davon, ob die Klägerin den Pkw an den „angebrochenen“ Tagen anderweitig vermieten konnte und unabhängig von einer eventuellen Üblichkeit, allein darauf an, dass hier unstreitig die Anmietung um 15:45 Uhr erfolgte und die Rückgabe bis 13:40 Uhr, also rechnerisch insoweit lediglich ein Zeitraum von weniger als 24 Stunden bzw. 1 Tag beansprucht wurde. Insgesamt sind hiernach lediglich 18 Tage als erstattungsfähig anzusehen.

Auf Grundlage des Schwacke Mietpreisspiegels 2009, Normaltarif „arithmetisches Mittel“ ergibt sich für die Mietwagengruppe 5 für das hier streitgegenständliche Postleitzahlengebiet 598.. folgende Aufstellung, wobei es sich nach den der Schwackeliste entnommenen Preisen bereits um Automietpreise in Euro inclusive Mehrwertsteuer handelt:

2  Wochen á                                                  583,09 €

3  Tage pauschal                                           280,21 €

1  Tag á                                                           94,47 €

2  Wochen Vollkasko á                                  151,40 €

3  Tage Vollkasko pauschal                             68,13 €

1 Tag Vollkasko                                               22,95 €

Zweitfahrergebühr für 18 Tage á                     12,— €

Winterreifen für 18 Tage á                                8,50 €

Zustellung                                                        19,— €

Abholung                                                          19,— €

Aus den vorgenannten Beträgen errechnet sich der ausgeurteilte Gesamtbetrag unter Berücksichtigung der bereits geleisteten Zahlung in Höhe von 1.123,01 €. Es verbleibt ein Restbetrag von 1.218,73 €.

Soweit die Kammer im Hinblick auf die Positionen Zweitfahrergebühr, Winterreifen, Zustellung und Abholung, die dem Grunde nach sowohl vor dem Hintergrund der anerkannten Nebenkostentabelle zu der Schwackeliste als auch auf Grund der sich aus der Beweisaufnahme vor dem Amtsgericht ergebenen Notwendigkeit zu erstatten sind, geringere Beträge als die in der vorgenannten Nebenkostentabelle vermerkten berücksichtigt hat, hat die Klägerin selbst entsprechend niedrigere Preise in ihre Rechnung vom 29.01.2009 eingestellt. Warum sie nunmehr demgegenüber höhere Beträge abrechnen können sollte, ist für die Kammer nicht ersichtlich.

Zinsanspruch sowie Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten folgen aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 288 BGB. Der zuerkannte Umfang wird in der Berufung nicht angegriffen. Die Höhe der Rechtsanwaltskosten war im Hinblick auf die Herabsetzung der begründeten Hauptforderung entsprechend zu reduzieren.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 ZPO.

Soweit das LG Arnsberg.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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