AG Wolfach verurteilt HUK-Coburg zur Erstattung des vollständigen Sachverständigenhonorars – auch bei der Schadensquotelung (Az.: 1 C 122/10 vom 12.11.2010)

Mit Urteil vom 12.11.2010 wurde die HUK Coburg Versicherung und deren VN durch das Amtsgericht Wolfach zur Erstattung des vollständigen Sachverständigenhonorars – trotz Quotenschaden – verurteilt. Das Gericht erkennt in den Kosten für das Sachverständigengutachten eine Position der Rechtsverfolgung und hat demzufolge die Sachverständigenkosten in voller Höhe zugesprochen (siehe hierzu auch AG Siegburg, Az.: 111 C 10/10 vom 31.03.2010).

Aktenzeichen:
1 C 122/10

Verkündet am
12.11.2010

Amtsgericht Wolfach

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

– Klägerin –

gegen

1) HUK Coburg Versicherung, vertreten durch d. Vorstand Stefan Gronbach und Klaus-Jürgen Heitmann, Willi-Hussong-Str. 2, 96442 Coburg,

– Beklagte –

2) Schädiger

– Beklagter –

wegen Schadensersatz aus Verkehrsunfall

hat das Amtsgericht Wolfach

durch die Direktorin des Amtsgerichts …

am 12.11.2010 auf die mündliche Verhandlung vom 11.10.2010

für Recht erkannt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 433,64 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03.02.2010 sowie weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 49,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 28.05.2010 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 53,5 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 46,5 % zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls.

Am 14.09.2009 befuhr der Geschäftsführer der Klägerin … mit dem PKW FIAT 500, amtliches Kennzeichen … , in Oberwolfach den Parkplatz des EDEKA-Supermarktes. Als er vorwärts in eine Parktasche einbiegen wollte, fuhr der Beklagte Ziff. 2 mit seinem bei der Beklagten Ziff. 1 haftpflichtversicherten PKW Audi TT auf dem Parkplatz rückwärts, um in die gleiche Parktasche einzuparken. Es kam zu einer Kollision beider Fahrzeuge, wobei das Beklagtenfahrzeug mit dem linken Heck gegen das linke Vorderrad des klägerischen Fahrzeugs stieß.

Die Beklagte Ziff. 1 zahlte auf den von der Klägerin bezifferten Schaden, nämlich

EUR 2.033,02 Reparaturkosten netto
EUR    304,50 Kosten des Sachverständigengutachtens netto
EUR      30,00 Unfallpauschale
EUR    200,00 Wertminderung
EUR    228,99 Mietwagenkosten,

EUR 1.863,68. Die Klägerin begehrt mit der Klage den Restbetrag. Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 25.01.2010 ließ die Klägerin die Beklagte Ziff. 1 auffordern, diesen bis 02.02.2010 auszugleichen. Wegen der Zusammensetzung der eingeklagten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten wird auf den klägerischen Schriftsatz vom 10.06.2010 verwiesen.

Die Klägerin trägt vor,

der Unfall sei allein auf das Verschulden des Beklagten Ziff. 2 zurückzuführen. Die Sachverständigenkosten seien in voller Höhe – unabhängig von einer Schadensquote – zu zahlen. Es handle sich dabei um Rechtsverfolgungskosten.

Die Klägerin beantragt – nachdem sie vor der mündlichen Verhandlung u.a. nicht erstattungsfähige Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von EUR 265,70 geltend gemacht – zuletzt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie EUR 931,84 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 03.02.2010 sowie nicht erstattungsfähige Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von EUR 84,80 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten tragen vor,

mit der regulierten Haftungsquote von 2/3 sei schon mehr als notwendig reguliert worden. Der Beklagte Ziff. 2 habe sich vor dem Rückwärtsfahren nach allen Seiten über weitere Fahrzeuge vergewissert. Zu diesem Zeitpunkt habe sich das klägerische Fahrzeug noch nicht auf dem Parkplatz befunden. Als der Zweitbeklagte seinen Rückwärtsfahrvorgang mit nach rechts hinten gedrehten Kopf begonnen habe, sei das flott heranfahrende klägerische Fahrzeug auf den PKW des Beklagten Ziff. 2 aufgefahren. Der Geschäftsführer der Klägerin habe den Unfall durch einen Verstoß gegen das auf öffentlichen Parkplätzen bestehende Rücksichtnahmegebot verursacht. Vor dem Rückwärtsfahren habe das Beklagtenfahrzeug quer zu den Parkbuchten gestanden. Der Geschäftsführer der Klägerin hätte zuwarten müssen, ob das Fahrzeug bewegt werde.

Das Gericht hat zum Unfallhergang und zu der Frage der Vermeidbarkeit Beweis erhoben durch Einholung eines mündlichen Sachverständigengutachtens des Dipl.lng. … . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoli vom 11.10.2010 (AS. 141 ff.) verwiesen.

Die Klage ist der Beklagten Ziff. 1 am 28.05.2010, dem Beklagten Ziff. 2 am 01.06.2010 zugestellt worden.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist zum Teil begründet.

Die Klägerin hat gem. §§ 7 Abs. 1 StVG, 1 PflVersG, 115 VVG, 823, 249 BGB Anspruch auf Zahlung weiteren Schadensersatzes in Höhe von EUR 433,64.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zu der Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte Ziff. 2 den Verkehrsunfall dadurch schuldhaft verursacht hat, dass er die beim Rückwärtsfahren auch auf öffentlichen Parkplätzen gebotene besondere Sorgfaltspflicht gem. § 9 Abs. 5 StVO verletzt hat. Unstreitig hat der Geschäftsführer der Klägerin mit dem klägerischen Fahrzeug die Parkplatzeinfahrt benutzt, die zunächst an dem Supermarktgebäude vorbeiführt und dann rechtwinklig in die Parkplatzzufahrtsstraße einmündet. Ebenso unstreitig hat er vor dieser Einmündung zunächst gehalten und dann seine Fahrt über 10 bis 12 m bis zur Kollisionsstelle fortgesetzt. Der Sachverständige … hat anhand der Fahrzeugschäden zudem nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass der klägerische PKW zum Kollisionszeitpunkt stand und er von der Einmündung bis zur Kollisionsstelle rund 3 bis 3,5 sec. benötigte. Hätte sich der Zweitbeklagte bei der Rückwärtsfahrt ordnungsgemäß und sorgfältig nach allen Richtungen und insbesondere nach hinten vergewissert, hätte er das klägerische Fahrzeug wahrnehmen und rechtzeitig vor einer Kollision bremsen müssen. Zu dieser umfassenden Rückschau war der Zweitbeklagte verpflichtet, weil auf Parkplätzen ständig damit zu rechnen ist, dass andere Verkehrsteilnehmer sich hinter dem Fahrzeug befinden.

II.

Ein Mitverschulden des klägerischen Fahrzeugführers haben die Beklagten nicht nachgewiesen.

Grundsätzlich gilt auf öffentlichen Parkplätzen zwar, dass gem. § 1 Abs, 2 StVO besondere Rücksicht auf ein- und ausparkende Fahrzeuge zu nehmen ist und deshalb besonders umsichtig gefahren werden muss. Die Beklagten haben aber im vorliegenden Fall nicht bewiesen, dass der Geschäftsführer der Klägerin diese besondere Vorsicht hat vermissen lassen. So hat der Sachverständige … nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass … nur dann die Möglichkeit gehabt hätte, das Unfallgeschehen zu vermeiden, wenn er rechtzeitig bemerken konnte, dass das Beklagtenfahrzeug rückwärts in die Parktasche einbiegen wollte. Anhand objektiver Fakten lässt sich jedoch nicht sicher feststellen, dass dies der Fall war. Hier kommt es u. a. auf die Dauer der Rückwärtsfahrt des Zweitbeklagten und die Annäherungsgeschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs an, die letztlich beide nicht sicher zu bestimmen sind. Nicht nachgewiesen haben die Beklagten auch eine unklare Verkehrslage, die es erfordert hätte, das weitere Verhalten des Beklagtenfahrzeugs abzuwarten. Das Beklagtenfahrzeug stand nicht unmittelbar an der Parktasche, in die der Zweitbeklagte einbiegen wollte, sondern einige Fahrzeuge davon entfernt. Der Führer des klägerischen PKW musste bei dieser Sachlage nicht damit rechnen, dass sich das Beklagtenfahrzeug sogleich rückwärts in Bewegung setzen würde.

Die Klägerin haftet jedoch unter dem Gesichtspunkt der Betriebsgefahr gem. § 7 Abs. 1 StVG. Den ihr obliegenden Nachweis einer Unvermeidbarkeit des Unfalls konnte sie ihrerseits – wie oben dargelegt – auch nicht führen.

Bei Abwägung der gegenseitigen Verursachungsbeitrage gem. §§ 17,18 StVG hält das Gericht eine Haftungsquote von 80 zu 20 zu Lasten der Beklagten für sachgerecht. Die Betriebsgefahr auf der Klägerseite tritt nicht gänzlich hinter dem Verschulden des Zweitbeklagten zurück, weil dieses hier nicht als grob fahrlässig einzustufen ist.

III.

Die Beklagten haben daher 80 % des der Klägerin entstandenen Schaden zu tragen. Die von der Klägerin verauslagten Sachverständigenkosten sind dagegen in voller Höhe zu erstatten. Die Begutachtung des unfallgeschädigten Fahrzeugs diente dem Nachweis der Schadenshöhe gegenüber dem Unfallgegner. Es handelt sich damit um Rechtsverfolgungskosten, die nicht zu quoteln sind (Amtsgericht Siegburg, Urt. v. 31.03.2010 – 111 C 10/10 – NJW 2010, 2289). Auf den insoweit zu erstattenden Gesamtbetrag von EUR 2.297,32 hat die Erstbeklagte bereits EUR 1.863,68 geleistet, so dass die Beklagten als Gesamtschuldner noch restliche EUR 433,64 schulden.

IV.

Erstattungsfähig sind gem. §249 BGB auch die vorgerichttichen Rechtsanwaltskosten. Dabei bemisst sich der Gegenstandswert nach der Höhe der berechtigten Schadensersatzforderungen, welche hier EUR 2.297,32 betragen. Unter Berücksichtigung einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr, der Telekommunikationspauschale von EUR 20,00 sowie der Aktenversendungspauschale von EUR 12,00 ergibt sich damit ein Betrag von EUR 241,30. Hierauf haben die Beklagten EUR 192,20 geleistet, so dass noch weitere EUR 49,10 geschuldet sind.

Die zuerkannten Zinsen haben ihren Rechtsgrund in §§ 280, 286, 288 BGB.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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4 Antworten zu AG Wolfach verurteilt HUK-Coburg zur Erstattung des vollständigen Sachverständigenhonorars – auch bei der Schadensquotelung (Az.: 1 C 122/10 vom 12.11.2010)

  1. Franz511 sagt:

    Ich wünsche mir, dass der BGH diese Konstellation von Rechtsverfolgungskosten bei einer Schadenquotelung einmal überprüft und eventuell bestätigt. Dann wäre endlich Klarheit geschaffen.
    Viele Unfallverursacher versuchen sich dadurch aus der Haftung zu winden, indem sie einfach behaupten, sie seien nicht alleine schuld. Der andere habe auch nicht aufgepasst.
    Es ist dann immer wieder schwierig dem Geschädigten zu erzählen, dass er eventuell auf einem Teil der Sachverständigenkosten sitzen bleibt.

    Gruß Franz511

  2. Willi Wacker sagt:

    Hallo Hans Dampf,
    das Urteil des AG Wolfach hatte der Autor Andreas bereits am 20.1.2011 hier eingestellt.
    Mit freundlichen Grüßen
    Willi

  3. Willi Wacker sagt:

    Hallo Franz 511,
    sicherlich wäre es hilfreich, wenn der BGH diese Rechtsfrage einmal entschieden hätte. Soviel mir bekannt ist, ist das Urteil des AG Siegburg, auf das hier verwiesen wird, und das Urteil des AG Wolfach rechtskräftig. Diesen Urteilen stehen die Urteile der Amtsgerichte Recklinghausen und Landshut gegenüber. Nach mir erteilter Information soll demnächst zu diesem Thema „Sind die Sachverständigenkosten beim Mitverschulden des Geschädigten zu quoteln?“ ein Beitrag in der Zeitschrift „Der Sachverständige“ erscheinen.
    Mit freundlichen Grüßen
    Willi

  4. Andreas sagt:

    Hallo Willi,

    das stimmt, ich hatte das Urteil auszugsweise eingestellt, jetzt liegt aber der gesamte Urteilstext vor.

    Viele Grüße

    Andreas

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