LG Stuttgart verurteilt beteiligte Versicherung in der Berufungsinstanz zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten

Mit Urteil vom 11.03.2009 (5 S 240/08) hat das LG Stuttgart die beteiligte Versicherung zur Zahlung von Mietwagenkosten in Höhe von 3.301,35 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Das AG Stuttgart hatte erstinstanzlich die Mietwagenkosten allein aufgrund eigener Internetrecherche (!) geschätzt. Diesem Weg hat das Berufungsgericht eine Absage erteilt und auf der Basis der Schwacke-Liste die Mietwagenkosten geschätzt. Die Fraunhofer Tabelle findet ausdrücklich keine Anwendung, dies unter Hinweis auf das Urteil des OLG München.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Berufung der Klägerin hat größtenteils Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz der Mietwagenkosten gem. §§ 7 Abs. 1, 823, 249 BGB, 3 PflVersG in Höhe von 3.301,35 Euro.

Das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart war im Hinblick auf den zuerkannten Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten abzuändern. Grundsätzlich unterliegt die Ermittlung der Schadenshöhe gem. § 287 ZPO dem Ermessen des erkennenden Richters, der im We­ge der freien Beweiswürdigung unter Würdigung aller Umstände entscheidet. In der Be­rufungsinstanz überprüfbar ist nur, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadenbe­messung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer acht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (BGH, NJW-RR 1993, 795).

Das Amtsgericht Stuttgart hat den Schaden in Form von Mietwagenkosten allein auf­grund einer eigenen Internet-Recherche geschätzt. Dabei wurde nicht offengelegt, wann diese Recherche stattgefunden hat und keine Stellung dazu genommen, ob die Preise sich seit dem Zeitpunkt der streitgegenständlichen Reparatur bis zur richterlichen Re­cherche geändert haben könnten. Offen bleibt auch, von wie vielen Tagen der Mietwagenanmietung ausgegangen wurde. Damit wurden jedenfalls wesentliche Bemessungs­faktoren nicht offengelegt und sind für das Berufungsgericht nicht nachvollziehbar.

Das Berufungsgericht nimmt daher eine eigene Schätzung der Höhe der ersatzfähigen Mietwagenkosten vor. Dabei bestehen keine Bedenken, dieser Schätzung die aktuelle Schwacke-Liste zugrunde zu legen (so auch BGH, NJW2006, 2106; 2007, 1449, 3782, NJW 2008, 1519; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2008, 1113). Einwände gegen diese Liste sind nur zu berücksichtigen, wenn konkret aufgezeigt wird, dass sich etwaige geltend gemachte Mängel auf den zu entscheidenden Fall auswirken (BGH, NJW 2008, 1519; BGH, Urteil vom 24.06.2008, VI ZR 234/07). Die Fraunhofer-Liste bietet keinen Anlass, die Schwacke-Liste in Zweifel zu ziehen (anders OLG München, Urteil vom 25.07.2008, 10 U 2539/08). Nach dem BGH ist grundsätzlich das Preisniveau an dem Ort maßge­bend, an dem das Fahrzeug angemietet und übernommen wird, weil dort der Bedarf für ein Mietfahrzeug entsteht (BGH, NJW 2008, 1519, Juris Rz. 11). Die Fraunhofer-Liste erfasst aber lediglich einen zweistelligen Postleitzahlenbereich und ist damit örtlich we­sentlich unbestimmter als die Schwacke-Liste, die einen dreistelligen Postleitzahlenbe­reich abdeckt.

Das Gericht hält eine Dauer von 50 Tagen für die Anmietung des Mietwagens für erfor­derlich. Zwar hat die Klägerin zwischen Eingang des Sachverständigengutachtens betreffend die Schadenshöhe und Erteilung des Reparaturauftrags 8 Tage verstreichen lassen. Diese Verzögerung ist allerdings darauf zurückzuführen, dass es nach dem -unverzüglichen – Übersenden des Gutachtens an die Beklagte Schriftverkehr zwischen beiden Parteien sowie mit der Leasingfirma betreffend Vorschusszahlungen und Rest­wertberechnung gab und die Klägerin bis zur Klärung der offenen Fragen die Reparatur noch nicht in Auftrag geben wollte. Dies wurde beklagtenseits nicht bestritten. Insoweit ist der leicht verzögerte Beginn der Reparatur nicht auf ein Verschulden der Klägerin zurückzuführen, so dass ihr Mietwagenkosten für 50 Tage zugesprochen werden kön­nen. Unerheblich ist, dass es sich bei der Klägerin um eine Firma handelt. Dieser stehen unstreitig nur zwei Fahrzeuge, jeweils eines für jeden Inhaber, zur Verfügung. Die An­mietung eines Ersatzfahrzeuges für das verunfallte Fahrzeug war erforderlich, da der weitere Firmenwagen nicht etwa für diesen Zweck sozusagen vorgehalten, sondern eben von dem anderen Firmeninhaber benutzt wurde.

Die gesondert berechneten Kosten für die Winterreifen sind jedoch nicht erstattungsfä­hig. Der Mietwagen wurde im Januar angemietet. Zu dieser Jahreszeit gehört es zur standardmäßigen und im übrigen auch straßenverkehrsordnungsgemäßen Grundaus­stattung eines Pkw, dass dieser mit Winterreifen ausgestattet ist. Die Kosten hierfür können nicht gesondert berechnet werden (ebenso LG Detmold, Urteil vom 28.02.2007, 10 S 236/06; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 19.10.2006, 8 O 2865/06; anders: LG Landshut, Urteil vom 24.11.2008, 13 S 1261/08; LG Münster, Urteil vom 30.09.2008, 6 S 39/08). Hinzu kommt, dass vorliegend die in Rechnung gestellten 512,00 Euro für das Zur-Verfügung-Stellen von Winterreifen für 50 Tage den Preis von einem Satz neue Winterreifen übersteigen und diese Kosten daher völlig überhöht sind.

Damit setzt sich der Ersatzanspruch des Klägers aus den nach Schwacke-Liste 2007 errechneten Kosten in Höhe von 6.652,26 Euro, abzüglich der hierauf bereits bezahlten 2.838,91 und abzüglich der nicht erstattungsfähigen Kosten für Winterreifen in Höhe von 512,00 Euro zusammen. Dies ergibt den Anspruch gegen die Beklagte in Höhe von 3.301,35 Euro.

Der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten beruht auf § 249 BGB. Hierbei wurde ein Gegenstandswert in der durch dieses Urteil zuerkannten Höhe zugrunde gelegt.

Der Berufung war daher im genannten Umfang stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97, 91, 92, 101 ZPO, diejenige über die vor­läufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeu­tung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung der einheitlichen Recht­sprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.

Soweit das LG Stuttgart.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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5 Antworten zu LG Stuttgart verurteilt beteiligte Versicherung in der Berufungsinstanz zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten

  1. Willi Wacker sagt:

    Hallo Babelfisch,
    jetzt auch in der baden-württembergischen Hauptstadt. Auch dort gilt Schwacke und nicht Fraunhofer. Ich bin nach wie vor der Ansicht, dass Fraunhofer ein Versuch war, die Mietpreise zu diktieren. Dieser Versuch ist jedoch kläglich gescheitert. Captain-Huk sei Dank! Die Urteilsliste pro Schwacke und contra Fraunhofer beweist dies eindrucksvoll.

  2. Gottlob Häberle sagt:

    Hallo Babelfisch,

    schön das auch die Stuttgarter Gerichte der i. d. R. bundesweit einheitlichen Rechtssprechung folgen.
    Offensichtlich versteht man langsam auch in Stuttgart das Vorgehen der Versicherer. Schwabenpower lässt grüßen.

    Um welche Versicherung handelte es sich in vorliegendem Fall?

    Grüße aus dem „Wilden Süden“
    Gottlob Häberle

  3. Babelfisch sagt:

    Hallo Herr Häberle,

    vom Namen der beklagten Versicherung ist mir nur der Anfangsbuchstabe „W“ bekannt. Vielleicht weiß jemand mehr?

    MfG
    Babelfisch

  4. Informant sagt:

    bei der beklagten Versicherung handelte es sich um die Württembergische Versicherung

  5. Interessierter sagt:

    Hallo Informant,
    gut zu wissen, um welche Versicherung es sich handelt. Hatte ich mir aber auch schon gedacht.

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