AG Karlsruhe entscheidet zur fiktiven Abrechnung bei UPE-Aufschlägen und Verbringungskosten sowie zu den Kosten der Vorarbeit zur Begutachtung mit Urteil vom 28.2.2012 -7 C 121/11-.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

weil es mit der fiktiven Schadensabrechnung so gut klappte, geht die Reise von Kerpen weiter nach Karlsruhe. Nachstehend gebe ich Euch hier ein prima Urteil aus Karlsruhe zur fiktiven Abrechnung bekannt. Insbesondere ging es um fiktive Ersatzteilpreisaufschläge und Verbringungskosten. Zutreffend hat die erkennende Amtsrichterin der 7. Zivilabteilung des AG Karlsruhe diese Frage entschieden. Dies gilt auch für die Kosten der Vorbereitung zur Gutachtenerstellung. Die Kosten der Hebebühne und der Demontage der Heckstoßfängerverkleidung sind schadensursächlich und daher vom Schädiger zu erstatten, denn ohne das schädigende Ereignis wären auch diese Kosten nicht angefallen. Lest aber selbst und gebt Eure Meinungen kund.

Viele Grüße
Euer Willi Wacker

Aktenzeichen:
7 C 121/11

Verkündet am
28.02.2012

Amtsgericht Karlsruhe

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

– Kläger –

gegen

1)

– Beklagte –

2)

– Beklagte –

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Karlsruhe
durch die Richterin am Amtsgericht …
auf die mündliche Verhandlung vom 28.02.2012

für Recht erkannt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1,734,09 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.12.2010 sowie weitere 160,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 23.03.2011 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Der Kläger beansprucht von den Beklagten Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich im November 2010 auf der Linkenheimer Landstraße Richtung Eggenstein ereignete. An dem Unfall beteiligt waren der Kläger mit dem ihm gehörenden und von ihm geführten PKW mit dem amtlichen Kennzeichen … und die Beklagte Ziff. 1 mit dem von ihr geführten, bei der Beklagten Ziff. 2 haftpflichtversicherten Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … .

Die Linkenheimer Landstraße Fahrtrichtung Eggenstein bzw. Neureut ist zunächst einspurig mit einer ausschließlich Bussen vorbehaltenen linken Fahrspur, die dem Omnibusvertcehr die Möglichkeit eröffnet, vor dem Gebäude „Rock-Shop“ nach links abzubiegen. Nach der Abbiegung befindet sich auf dieser linken Fahrspur eine schraffierte Sperrfläche bevor die Straße dann auch für den allgemeinen Verkehr zweispurig wird. Auf die Lichtbilder AS 97/99 wird verwiesen. Die Beklagte Ziff. 1, die beabsichtigte, an der ca. 160 – 200 m entfernten Abfahrt nach Neureut links abzubiegen, wechselte von der rechten Fahrspur auf die linke. Dabei kam es zur Kollision mit dem Fahrzeug des Klägers, der im Begriff war, die Beklagte Ziff. 1 auf der linken Fahrspur zu überholen, wodurch das Fahrzeug des Klägers beschädigt wurde. Die Kollisionsstelle ist zwischen den Parteien streitig.

In dem im Auftrag des Klägers erstatteten Gutachten des KFZ-Sachverständigenbüros … vom 18.11.2010 (AS 15 ff) werden die zur Schadensbeseitigung erforderlichen Reparaturkosten auf der Grundlage der Herstellerempfehlungen und Herstellerrichtpreise inklusive Ersatzteilaufschlägen und Verbringungskosten mit netto EUR 2.029,79 kalkuliert. An Sachverstandigenkosten wurden dem Kläger EUR 554,54 in Rechnung gestellt. Für die Erstellung des Gutachtens hat die Fa. … das Fahrzeug zerlegt und ihre Hebebühne zur Verfügung gestellt. Zudem hat der Kläger für die Dauer der Begutachtung ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung gestellt bekommen. Die Fa. … hat dem Kläger dafür insgesamt EUR 326,46 in Rechnung gestellt (Anlage K4, AS 51). In Eggenstein-Leopoldshafen verfügt keine Werkstatt über eine eigene Lackieranlage. Bei der Fa. … , einer Fachwerkstatt, fallen UPE-Aufschläge an. Außerdem beansprucht der Kläger eine Auslagenpauschale in Höhe von EUR 30,00. Die Höhe der Auslagenpauschale, die Notwendigkeit, durch die Fa. … das Fahrzeug für das Gutachten zu zerlegen und dem Sachverständigen eine Hebebühne zur Verfügung zu stellen, sowie die Erstattungsfähigkeit der Verbringungskosten und Ersatzteilaufschläge ist streitig.

Auf den mit insgesamt EUR 2.940,79 bezifferten Gesamtschaden hat die Zweitbeklagte außergerichtlich auf der Grundlage einer hälftigen Einstandspflicht EUR 1.196,70 bezahlt. Die restlichen EUR 1.744,09 sind Gegenstand der Klage.

Der Kläger behauptet,

es sei dem Sachverständigen selbst nicht möglich gewesen, das Fahrzeug zu zerlegen; zudem habe er nicht über eine Hebebühne verfügt.

Zum Unfallhergang trägt der Kläger vor,

Die Beklagten behaupten,

die Beklagte Ziff. 1 habe frühzeitig den linken Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt und sei sodann unmittelbar naoh der schraffierten Fläche auf die linke Fahrspur gewechselt. Unmittelbar im Anschluss, also unmittelbar nach der schraffierten Fläche, sei der völlig überraschend auf der linken Fahrspur befindliche klägerische PKW gegen den Beklagten-PKW gestoßen. Demzufolge stehe fest, dass der Kläger unter Ausnutzung der linken Busfahrspur und Oberfahren der schraffierten Fläche den Versuch unternommen habe, an der Beklagten Ziff. 1 links vorbeizuziehen.

Wegen des weiteren Sachvortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Außerdem hat das Gericht den Kläger und die Erstbeklagte informatorisch zum Unfallhergang angehört.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen … vom 11.11.2011 (AS 193 ff) verwiesen und wegen der Angaben der Parteien auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.02.2012.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist bis auf einen geringen Teil der beanspruchten Auslagenpauschale begründet.

Der Kläger kann von den Beklagten als Gesamtschuldner gem. §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit 7 Abs. 5 StVO, 7 Abs. 1, 18 StVG. 249, 421 BGB, 115 VVG die Erstattung des ihm unfallbedingt entstandenen Schadens in vollem Umfang verlangen. Die Beklagte Ziff. 1 hat den Unfall allein verschuldet, indem sie sich beim Fahrstreifenwechsel nicht äußerst sorgfältig verhielt. Die vom Fahrzeug des Klägers ausgehende Betriebsgefahr tritt als Unfallmitursache hinter das alleinige Verschulden der Erstbeklagten zurück.

Die Beklagten haben den gegen die Erstbeklagte sprechenden Anschein eines sorgfaltswidrigen Fahrstreifenwechsels nicht erschüttert. Die Beklagten haben keine Tatsachen nachgewiesen, die auf einen a-typischen Geschehensablauf hinweisen, d. h. keine Umstände, die darauf hindeuten, dass Ursache der Kollision zwischen der den Fahrstreifen wechselnden Beklagten und dem nachfolgenden, sie überholenden Kläger, nicht ein sorgfalts widriges Verhalten der Erstbeklagten war. So ist nicht erwiesen, dass der Kläger verbotswidrig die Busspur nutzend und die Sperrfläche überfahrend mit dem Überholvorgang begonnen hat. Nach der eigenen Darstellung der Erstbeklagten ereignete sich die Kollision – entgegen dem schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten – nicht unmittelbar nach der Sperrfläche, sondern erst, als die Beklagte Ziff. 1, nachdem sie die Busspur hinter sich hatte und zunächst auf der rechten Spur weitergefahren war, und sich dann in die linke Spur orientierte. Hinzu kommt, dass nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen … die Beschädigungen an den unfallbeteiligten Fahrzeugen unter Berücksichtigung der Anknüpfungspunkte dafür sprechen, dass die Erstbeklagte das Fahrzeug auf die linke Spur herübergezogen hat, als der Kläger mit seinem PKW im Überholen begriffen und auf der linken Spur neben dem Beklagtenfahrzeug fuhr. Hätte der Kläger versucht, die Erstbeklagte plötzlich zu überholen, nachdem diese bereits nach links auf die linke Spur gefahren war, wäre an dem Klägerfahrzeug nach den Ausführungen des Sachverständigen ein Schaden im Frontbereich und an dem Beklagtenfahrzeug ein Schaden im Heckbereich zu erwarten gewesen. Der Schaden am Fahrzeug des Klägers hinten rechts sei auf Basis der vorliegenden Anknüpfungspunkte nur dann hinreichend nachvollziehbar, wenn der Kläger bereits im Überholen begriffen war, als die Erstbeklagte die Spur nach links wechselte.

Unfallbedingt ist dem Kläger ein Schaden in Höhe von EUR 2.930,79 entstanden, so dass nach Abzug der vorgerichtlich geleisteten Zahlung gem. § 362 BGB noch EUR 1.734,09 offen sind. Der erstattungsfähige Schadensbetrag setzt sich zusammen aus den Nettoreparaturkosten in Höhe von EUR 2.029,79, den unstreitigen Sachverständigenkosten von EUR 554,54, den von der Fa. … in Rechnung gestellten EUR 326,46 sowie der vom Gericht gem. § 287 ZPO auf EUR 20,00 geschätzten Auslagenpauschale.

Entgegen der Ansicht der Beklagten sind sowohl die Verbringungskosten als auch die Ersatzteilaufschläge erstattungsfähig. Bei einer Reparatur des Fahrzeugs im Wohnbereich des Klägers fallen stets Verbringungskosten an, weil es dort unstreitig keine Reparaturwerkstatt mit eigener Lackiererei gibt. Auch werden bei Reparatur durch die ortsansässige Fachwerkstatt, die Fa. … unstreitig Ersatzteilaufschläge berechnet. Die von der Fa. … berechneten Kosten sind ebenfalls erstattungsfähig. Gegen die Kosten für das Ersatzfahrzeug werden von den Beklagten konkrete Einwendungen nicht vorgebracht. Im übrigen fährt der Sachverständige überzeugend aus, daas zur hinreichend genauen Feststellung des Unfallschadens an dem Klägerfahrzeug eine Hebebühne und die Demontage der Heckstoßfängerverkleidung erforderlich war. Die in Rechnung gestellten Arbeitswerte in Höhe von EUR 169,75 netto seien für eine fachgerechte Gutachtenserstattung erforderlich gewesen.

Als weitere Schadensposition kann der Kläger die ihm außergerichtlich entstandenen, der Höhe nach mit EUR 160,89 unstreitig noch offenen Rechtsanwaltskosten verlangen. Außerdem schulden die Beklagten als Verzugsschaden gem. §§ 286, 288 BGB die Verzinsung der zugesprochenen Beträge mit dem gesetzlichen Zinssatz.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Urteilsliste “Fiktive Abrechnung” zum Download >>>>>

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1 Antwort zu AG Karlsruhe entscheidet zur fiktiven Abrechnung bei UPE-Aufschlägen und Verbringungskosten sowie zu den Kosten der Vorarbeit zur Begutachtung mit Urteil vom 28.2.2012 -7 C 121/11-.

  1. Bernhard Bauerbach sagt:

    Hi Leute,
    zu diesem Urteil kann man doch nur sagen: Was konkret anfällt, kann auch fiktiv abgerechnet werden. Dass das nicht in den Gripskasten der Versicherer hineingeht, ist mir unverständlich. Sonst sind die doch so klever.

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