Amtsrichterin des AG Frankfurt am Main verurteilt Zurich Versicherung zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten mit Urteil vom 29.6.2012 – 30 C 805/12 (68) -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

nachstehend gebe ich Euch ein Sachverständigenkostenurteil aus Frankfurt am Main bekannt. Die Klage der Geschädigten richtet sich gegen die  Zurich Versicherung, die offenbar in die gleichen Fußstapfen wie die HUK-Coburg tritt, und auf die Nase fällt. Mit erfreulicher Klarheit hat die Amtsrichterin aus Frankfurt die Erforderlichkeit der berechneten Sachverständigenkosten begründet. Eine Vergleichspflicht ist nicht gegeben ebenso wenig wie eine Markterforschungspflicht. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.

Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker

Amtsgericht Frankfurt am Main                       verkündet – lt. Protokoll – am:
Aktenzeichen: 30 C 805/12 (68)                    29.06.2012

Im Namen des Volkes

Urteil

in dem Rechtsstreit

Klägerin

gegen

Zürich Insurance plc, Niederlassung f. Deutschl. Hauptbev. Axel Schmitz, Solmsstr. 27-37, 60486 Frankfurt am Main

Beklagte

hat das Amtsgericht Frankfurt am Main durch die Richterin am Amtsgericht … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22.06.2012 für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 120,67 Eyro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.03.2012 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 46,41 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.04.2012 zu zahlen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Berufung wird zugelassen.

Entscheidungsgründe:

(Von der Abfassung des Tatbestands wird gem. § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.)

Die Klage ist zulässig und begründet.

I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen weiteren Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der restlichen Sachverständigenkosten von 120,67 Euro aus §§ 7 StVG, 115 VVG, 249 BGB.

1. Die Klägerin ist Eigentümerin des PKW mit dem amtlichen Kennzeichen … , der bei dem Unfall am 13.12.2011 durch den PKW des Versicherungsnehmers der Beklagten mit dem amtlichen Kennzeichen … beschädigt wurde. Die Beklagte haftet der Klägerin zu 100%.

2. Nach Regulierung von nur 595,- Euro der der Klägerin durch den Unfall entstandenen Sachverständigenkosten von insgesamt brutto 715,67 Euro schuldet die Beklagte die Zahlung auch der weiteren 120,67 Euro.

a) Die mit Rechnung vom 20.12.2011 geltend gemachten Sachverständigenkosten von insgesamt brutto 715,67 Euro gehen nicht über den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen hinaus (§ 249 Abs. 2 BGB). Denn insgesamt 715,67 Euro brutto überschreiten nicht offensichtlich den Rahmen der angemessenen Vergütung.

Bei der Ermittlung des zur Wiederherstellung erforderlichen Betrags ist zu prüfen, ob die in Rechnung gestellte Vergütung im Rahmen der angemessenen und üblichen Vergütung liegt, da gem. § 632 Abs. 2 BGB aus dem Werkvertrag die übliche Vergütung geschuldet ist und die Klägerin als Geschädigte diesen Einwand einer offensichtlich überhöhten Vergütungsforderung des Sachverständigen hätte entgegensetzen können.

Zwar sind auch bei Schätzung des zur Wiederherstellung Erforderlichen gem. § 287 Abs. 2 ZPO Vereinbarungen über die Vergütungshöhe oder feste Taxen zu berücksichtigen, soweit diese den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen nicht sprengen. Denn diese bestimmen den tatsächlichen Finanzierungsaufwand des Geschädigten (BGH Urteil vom 23.01.2007, Az. VI ZR 67/06, NJW 2007 S. 1450 Tz. 13). Zwischen Klägerin und Sachverständigen wurde jedoch keine Vereinbarung über die Höhe der geschuldeten Vergütung getroffen; auch eine Taxe besteht nicht.

Die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten der geschädigten Klägerin sind zu berücksichtigen, indem man einen weiten Honorarkorridor zugrunde legt und nur die 5 % höchsten Preise als nicht mehr angemessen erachtet. Denn die Klägerin konnte bei Beauftragung des Sachverständigengutachtens nicht einschätzen, welchen Preis der Sachverständige in Rechnung stellen würde. Der Sachverständige hat – wie üblich – nicht nach Arbeitsaufwand, sondern nach Schadenshöhe abgerechnet. Die Schadenshöhe stand zum Zeitpunkt seiner Beauftragung noch nicht fest, sondern war gerade durch ihn zu ermitteln.

Geeignete Grundlage für die Schätzung des Rahmens der noch angemessenen Vergütung gem. § 287 Abs. 2 ZPO sind die berufsständischen Informationen. Heranzuziehen ist dabei die Befragung zur Höhe des üblichen Kfz-Sachverständigenhonorars durch den Berufsverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V. (BVSK 2010/2011).

Danach liegen die in Rechnung gestellten Sachverständigenkosten noch deutlich unter dem Wert in Spalte HB III der Tabelle BVSK zuzüglich der Nebenkosten, unterhalb dem 95 % der Mitglieder des BVSK ihr Honorar berechnen:

Reparaturkosten + Wertminderung: netto 3.218,61 Euro.
Honorarwert nach HB III (Schaden bis netto 3.250,- Euro)       446,- Euro.

Bei Beurteilung der üblichen Vergütung für die Nebenkosten sind nur die Positionen zu berücksichtigen, die in der Honorartabelle aufgeführt sind. Etwaige weitere vom Kläger berechnete Nebenkosten zur Ermittlung der Schadenshöhe sind bereits mit dem Grundhonorar abgegolten. Für die abrechnungsfähigen Positionen ist dabei wieder der Wert in der Spalte HB III zu wählen.

Schreibkosten 48 Seiten x 3,75 Euro                         180,00 Euro
20 Fotos 1. Satz x 2,57 Euro                                       51,40 Euro
20 Fotos 2. Satz x 1,80 Euro                                       36,00 Euro
Fahrtkosten pauschal                                                  28,99 Euro
Porto/Telefon pauschal                                                18,88 Euro

.                                                                                  315,27 Euro

Damit ergibt sich insgesamt folgende Obergrenze der üblichen Vergütung;

Grundhonorar                                                             446,00 Euro
Nebenkosten                                                              315,27 Euro
.                                                                                  761,27 Euro
+ 19% Mehrwertsteuer                                              144,64 Euro

.                                                                                  905,91 Euro

b) Der Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von zunächst 715,67 Euro ist durch die Teilzahlung der Beklagten von 595,- Euro bis auf 120,67 Euro durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB).

II. Die Klägerin kann weiter die Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 10.03.2012 fordern, da sie die Beklagte mit Schreiben vom 01.03.2012 unter Fristsetzung bis 09.03.2012 zur Zahlung aufgefordert hat (§§ 286 Abs. 2 Ziff. 1, 288 Abs. 1 BGB). Zudem hat die Klägerin Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten in Höhe von 46,41 Euro (1,3 Rechtsanwaltsgebühr aus Streitwert bis 300 Euro nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer) aus §§ 286 Abs. 2 Ziff. 1, 280 Abs. 2 BGB). Der Zinsanspruch folgt insoweit aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO. Die Berufung war gem. § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat und die Zulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

Streitwert: 120,67 Euro

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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