LG Stendal verurteilt Fahrerin des HUK-versicherten Fahrzeugs durch Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils zur Zahlung restlichen Schadensersatzes mit Berufungsurteil vom 8.5.2013 – 22 S 122/12 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

die Urteilsreise geht weiter nach Sachsen-Anhalt. Nachdem das Amtsgericht in Salzwedel entschieden hatte, wurde seitens der Klägerin gegen das Urteil des AG Salzwedel Berufung eingelegt. Nachdem zunächst die Berufungskammer auf ihre bisherige Rechtsprechung verwiesen hatte, änderte die Berufungskammer ihre Rechtsansicht auch im Hinblick auf die Sachverständigenkosten. Zwar kann das Urteil noch nicht ganz überzeugen, aber hinsichtlich der bisherigen festen Rechtsprechung ist eine Änderung in richtiger Richtung zu erkennen. Rom ist auch nicht an einem Tage erbaut worden. Hinsichtlich der Mietwagenkosten hat die Berufungskammer einen besonderen Mittelweg eingeschlagen, den allerdings der BGH durchaus für zulässig erachtet hat. So ist es dem Tatrichter freigestellt, die erforderlicfhen Mietwagenkosten auch an einem arithmetischen Mittel von Schwacke und Fraunhofer zu messen. Die Begründung bei der Vollkaskoversicherung überzeugt nicht unbedingt. Bei den Sachverständigenkosten ist lobend zu erwähnen, dass das LG Stendal an der Nebenkostenenrscheidung des LG Saarbrücken nicht festhält, wie noch das angefochtene Urteil des AG Salzwedel. Angemessenheitsgesichtspunkte werden bei der Erforderlichkeit i.S.d. § 249 BGB – leider – geprüft.  Lest aber bitte selbst und gebt Eure Kommentare ab. Das Urteil wurde erstritten und dem Autor zugesandt durch Herrn RA. Lutz Imhof aus der Kanzlei Dr. Imhof und Partner, Aschaffenburg.

Viele Grüße
Willi Wacker

Geschäfts-Nr.: 22 S 122/12                                                 Verkündet am: 8. Mai 2013
(Amtsgericht Salzwedel 31 C 509/11)

Landgericht Stendal

Urteil

Im Namen des Volkes!

In dem Rechtsstreit

der Frau G. B.,  aus  H. S.

-Klägerin und Berufungsklägerin-

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte D. I. & P. aus  A.

gegen

Frau S. B. aus  B.

-Beklagte und Berufungsbekiagte-

Prozessbevoilmächtigte: Rechtsanwälte M. & M. aus M.

hat die Zivilkammer 2 des Landgerichts Stendal durch

den Richter am Landgericht … als Vorsitzenden,
die Richterin am Landgericht … und
die Richterin am Landgericht …

auf die mündliche Verhandlung vom 18. April 2013

für  R e c h t  erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Salzwedel vom 24. Juli 2012 – 31 C 509/11 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 501,07 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf einen Betrag von 448,75 Euro seit dem 13. April 2011 sowie auf einen weiteren Betrag von 52,32 Euro seit dem 08. Januar 2012 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 23 % und die Beklagte 77 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

und  b e s c h l o s s e n:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 185,36 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO; 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen, weil ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung unzweifelhaft nicht gegeben ist.

II.

A/ Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und auch begründet worden (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO). Sie hat auch in der Sache teilweise Erfolg und führt zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

Die Beklagte haftet der Klägerin aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall vom 07. März 2011 gemäß § 7 Abs.1, 823 Abs.1 BGB unstreitig dem Grunde nach zu 100%.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung weiterer Kosten in Höhe von 501,07 Euro.

1. Mietwagenkosten

Die Klägerin kann von der Beklagten weitere Mietwagenkosten in Höhe von 52,32 Euro verlangen. Mietaufwendungen für ein Ersatzfahrzeug bis zur Schadensbehebung sind, wie bereits das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat für angemessene Zeit zu ersetzen (vgl. König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht 41. Aufl., § 12 StVG Rn 33). Die Klägerin hat durch Vorlage einer Mietwagenrechnung des Autohauses … , bei dem das Fahrzeug der Klägerin unstreitig auch repariert worden ist, belegt, dass ihr für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges für 6 Tage Mietwagenkosten in Höhe von 357,- Euro brutto entstanden sind. Es handelte sich ausweislich der Rechnung um einen Mietwagen und nicht um einen Werkstattersatz- oder Vorführwagen. Die Beklagte hat die Erforderlichkeit der Mietdauer von 6 Tagen weder vorprozessual noch erstinstanzüch in Abrede gestellt. Das diesbezügliche Bestreiten in zweiter Instanz unterliegt dem sog. Novenausschluss gemäß §§ 529, 531 ZPO.

Die geltend gemachten Kosten sind auch angemessen.

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann der Geschädigte von Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 Abs. 2 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Aufwand derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann. Der Geschädigte verstößt allerdings noch nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, weil er ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber dem Normaltarif teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2008, Az,: VI ZR 234/07, zitiert nach Juris). Der Richter kann in Ausübung seines Ermessens nach § 287 ZPO den für die Herstellung erforderlichen Betrag schätzen. Die Art der Schätzungsgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und ferner dürfen wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht bleiben. Auch darf das Gericht nicht in für die Sachentscheidung zentralen Fragen auf nach Sachlage unerlässliche Kenntnisse verzichten. In geeigneten Fällen können Listen und Tabellen bei der Schadensschätzung Verwendung finden. Sie müssen es aber nicht. Insbesondere wenn das Gericht berechtigte Zweifel an ihrer Eignung hat, kann es die Heranziehung einer bestimmten Liste ablehnen (vgl. BGH, Urteil vom 18.05.2010, Az.: VI ZR 293/08 zitiert nach Juris). Im Rahmen des gemäß § 287 ZPO eigenständig auszuübenden Ermessens hat das Berufungsgericht die Frage der Eignung einer Schätzgrundiage ebenfalls eigenständig zu beurteilen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 9.10.2007, Az 15 U 105/07, zitiert nach Juris).

Die Kammer legt in ständiger Rechtsprechung (begründet durch die Entscheidung 22 S 49/10, 43ff; weiterhin auch 22 S 143/11, Urteil vom 06. September 2012 und 22 S 164/11, Urteil vom 11. Oktober 2012) ihrer Schätzung den arithmetischen Mittelwert der Schwackeliste und der Internetrecherche des Fraunhofer-Instituts zugrunde.

Dies führt im zu entscheidenden Fall zu folgendem Ergebnis:

Bruttobetrag für Ersatz-Kfz der Fahrzeugsklasse 3 (nach Schwacke Liste, Nutzungsentschädigung, 2011) bzw. Economy (nach Acriss) für 6 Tage im PLZ Gebiet 29(4) nach

Schwacke 2011      Fraunhofer 2011      Summe      arithmetisches Mittel
480,50 €                 297,58 €                  758,08 €    379,04 €

Kosten für eine Vollkaskoabsicherung sind daneben nicht erstattungsfähig, denn insofern mangelt es an Vortrag der Klägerin, ob und in welcher Höhe Vollkaskokosten angefallen sind. Dies lässt sich auch der Rechnung vom 11. März 2011 nicht entnehmen.

Demgegenüber erscheint vorliegend ein Zuschlag von 20% für unfalltypische Risiken, mithin in Höhe von 75,81 Euro gerechtfertigt. Unfalltypische Risiken wie z. B. der Verzieht auf Vorfinanzierung durch den Geschädigten und somit ein erhebliches Ausfallrisiko für den Vermieter können durch einen pauschalen Aufschlag auf den als Mittelwert zugrunde gelegten Normaltarif in Höhe von 20% abgedeckt werden. Denn nach höchstrichterlicher Rechtsprechung können spezifische Leistungen bei unfallbedingten Vermietungen einen – pauschalen – Aufschlag zu einem Normaltarif rechtfertigen, um mit der Vermietung gerade an Unfallgeschädigte verbundene Mehrleistungen und Risiken abzugelten (vgl. BGH Urteil vom 14. Februar 2008 – VI ZR 126/05 – zitiert nach Juris).

Die Anmietung des Ersatzfahrzeuges erfolgte hier noch am Tage des Unfalls. Es bestand mithin ein enger zeitlicher Zusammenhang mit dem Unfall. Dies indiziert eine Not- und Eilsituation, in der prima facie davon auszugehen ist, dass ersatzfähige Mehrkosten angefallen sind. Ein pauschaler Aufschlag ist deshalb wegen der typischerweise bei der Anmietung in einer Not- und Eilsituation anfallenden Mehrkosten sowie der Risikoerhöhung für den Vermieter gerechtfertigt. Dabei muss nach der Rspr. des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 24, Juni 2008, VI ZR 234/07 – zitiert nach Juris) für die Prüfung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung eines „Unfallersatztarifs“ die Kalkulation des konkreten Unternehmens nicht nachvollzogen werden. Vielmehr kann sich die Prüfung darauf beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein einen Aufschlag rechtfertigen. Dies ist im Hinblick auf das Betrugs- und Forderungsausfallrisiko, das Auslastungsrisiko, die notwendige Vorfinanzierung und die Notdienstkosten grundsätzlich der Fall. Es wäre Sache der Beklagten gewesen, dazulegen und ggf. zu beweisen, dass im vorliegenden Fall solche Mehrkosten ausnahmsweise nicht angefallen sind (vgl. auch LG Bonn, Beschluss vom 30. Juli 2012, 5 S 94/12- zitiert nach Juris).

Allerdings ist nach überwiegender Meinung von dem so ermittelten Betrag des gemittelten Normaltarifs ein prozentualer Abschlag in Höhe von 10%, mithin von 37,90 Euro wegen ersparter Aufwendungen vorzunehmen (vgl. LG Stendal, Urteil vom 10. Februar 2011, 22 S 49/10; OLG Hamm, Urteil vom 19.02.2010, Az 9 U 147/09 – zitiert nach Juris; Heinrichs in Palandt, BGB, 71. Aufl., § 249 Rz 36).

Insgesamt ist somit als erforderlicher Herstellungsaufwand folgender Betrag zu ersetzen:

.   379,04 €            gemittelter Normaltarif
+    75,81 €            20 % – Zuschlag für unfalltypische Risiken
–     37,90 €           10 %-Abzug für ersparte Aufwendungen
.    416,95 €

Der von der Klägerin geltend gemachte Betrag in Höhe von 357,– Euro ist daher vollumfänglich erstattungsfähig. Unter Berücksichtigung der bereits geleisteten Zahlung in Höhe von 304,68 Euro verbleibt damit der geltend gemachte Differenzbetrag in Höhe von 52,32 Euro. Da die objektiv erforderlichen Mietwagenkosten – unter Berücksichtigung eines Eigenersparnisanteils von 10% – höher sind als die tatsächlich aufgewendeten Kosten, ist von letzteren kein weiterer Abzug im Hinblick auf die von der Beklagten eingewandten Eigenersparnis vorzunehmen. Die Vornahme eines Vortelisausgleichs ist in einer solchen Konstellation nach Treu und Glauben nicht (mehr) geboten (vgl. auch LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 29. September 2011, 2 S 185/11; Grüneberg in Palandt, BGB, 71. Aufl., § 249 Rn 36).

Die hierauf geltend gemachten Zinsen rechtfertigen sich aus §§ 288 Abs.1, 291 BGB i.V.m. § 187 Abs.1 BGB analog.

Das amtsgerichtliche Urteil, dass die Klage hinsichtlich der Mietwagenkosten nebst hierauf entfallender Zinsen abgewiesen hatte, war entsprechend abzuändern.

2. Sachverständigenkosten

Die Klägerin kann von der Beklagten weitere Sachverständigenkosten in Höhe von insgesamt 448,75 Euro beanspruchen.

a) Die Gutachterkosten gehören zum Herstellungsaufwand, wenn aus der Sicht des verständig und wirtschaftlich denkenden Geschädigten ein Bedürfnis für die Einholung eines Gutachtens zur Erreichung des Wiederherstellungszweckes anzuerkennen ist (vgl. BGH NJW 2005, 356; BGH NJW 2007, 1450). Bei Bagatellschäden (unter 500,– Euro) ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens in der Regel nicht erforderlich und verstößt gegen die Schadensminderungspflicht (vgl. König in Hentschel/Dauer/König, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 12 StVG, Rn 50 m.w.N.). Ein solcher Fall liegt hier jedoch ersichtlich nicht vor, da die Reparaturkosten fast 4.000,- Euro betrugen.

Nach § 249 Abs, 2 Satz 1 BGB hat der Schädiger den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen. Er hat hierzu den Finanzierungsbedarf des Geschädigten in Form des zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrags zu befriedigen und nicht etwa vom Geschädigten bezahlte Rechnungsbeträge zu erstatten (vgl. BGHZ 61, 56, 58; 61, 348, 347 f.; 63, 182, 184; BGH NJW 2007, 1450). Der tatsächliche Aufwand bildet freilich (ex post gesehen) bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO oft einen Anhalt zur Bestimmung des zur Herstellung eforderlichen“ (ex ante zu bemessenden) Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Indes ist der tatsächlich aufgewendete Betrag nicht notwendig mit dem zu ersetzenden Schaden identisch. Insbesondere deshalb kann die Berechnung des Schadens grundsätzlich nicht von etwaigen rechtlichen Mängeln der zu seiner Beseitigung tatsächlich eingegangenen Verbindlichkeiten (z.B. einer überhöhten Honorarforderung des Sachverständigen) abhängig gemacht werden (vgl. BGHZ 61, 346, 348; BGH NJW 2007, 1450). Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen, sind weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 2004, VI ZR 211/03, zitiert nach Juris). Dies gilt auch für die Höhe des Sachverständigenhonorars (vgl BGH NJW 2007, 1450).

Im Regelfall darf der Geschädigte einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen (vgl. BGH NJW 2007, 1450 ff). Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot jedoch gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Dabei ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (vgl. BGHZ 115, 364, 368 f.; 132, 373, 376 f.; 155, 1, 4 f.; 162s 161, 164 f.; 163, 382, 365; BGH NJW 2007, 1450). Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen, wobei für ihn allerdings das Risiko verbleibt, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich Später im Prozess als zu teuer erweist (vgl. BGHZ 163, 362, 367 f.; BGH NJW 2007, 1450). Wenn für den Geschädigten als Laie erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar quasi willkürlich festsetzt und Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt oder er offensichtliche Unrichtigkeiten in der Honorarrechnung missachtet, kann er von dem Schädiger nicht mehr vollständigen Ausgleich gezahlter Aufwendungen bzw. Freistellung verlangen (vgl. OLG Hamm NZV 2001, 433; DAR 1997, 275; OLG Nürnberg OLGR 20023 471; LG Berlin NZV 2004s 835 (637); König in Hentschel/Dauer/König, Straßenverkehrsrecht 41. Aufl., § 12 StVG, Rn 50 m.w.N.).

b) Unter Beachtung dieser Grundsätze steht der Klägerin überwiegend ein Anspruch auf Ersatz der restlichen streitgegenständlichen Sachverständigenkosten zu.

Das geltend gemachte Sachverständigen-Honorar setzt sich hier wie folgt zusammen:

– 445,– Euro Grundhonorar zzgl. Mwst
– 211,80 Euro Nebenkosten zzgl. Mwst

Das Amtsgericht hat die 445,– Euro Grundhonorar zzgl. MwSt vollständig anerkannt. Da nur die Klägerin Berufung eingelegt hat, stehen diese Kosten mithin nicht im Streit.

Von den Nebenkosten hat das Amtsgericht unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Landgerichts Saarbrücken (vgl. Urteil vom 10. Februar 2011, 13 S 28/11 – zitiert nach Juris) lediglich einen Betrag von 100,- Euro zzgl. MwSt anerkannt, so dass weitere Nebenkosten in Höhe von 111,80 Euro netto, mithin 133,04 Euro brutto, Gegenstand des Berufungsverfahrens sind.

Die Kammer hält eine Übertragung der Entscheidung des Landgerichts Saarbrücken dergestalt, dass bei der Erstellung eines routinemäßigen Sachverständigengutachtens neben dem Grundhonorar Nebenkosten grundsätzlich nur bis zu einem Betrag von 100,– Euro erstattungsfähig sein sollen, auf den vorliegenden Fall schon deshalb für nicht gangbar, weil das Landgericht Saarbrücken – teilweise nach Beweisaufnahme – auf eigene Erkenntnisse und den örtlichen Markt abgestellt hat. Unabhängig davon teilt die Kammer teilweise die Einschätzung des Landgerichts Saarbrücken hinsichtlich der Frage der Erkennbarkeit der Unangemessenheit der Kosten für den geschädigten Laien – auf die es nach den obigen Ausführungen auch ankommt – nicht. Erforderlich ist hier vielmehr eine Einzelfallprüfung (vgl. auch König in Hentschel/Dauer/König, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 12 StVG; Rn 50 m.w.N.).

Die Geltendmachung von Nebenkosten neben dem Grundhonorar ist nicht von vorneherein ausgeschlossen (so auch zutreffend das LG Saarbrücken aaO). Es besteht kein Regelwerk zur Bemessung der Nebenkosten. Die Grenze der Erforderlichkeit ist daher mit sachverständiger Hilfe oder im Wege der Schadensschätzung nach § 287 ZPO zu klären. Es sind die Nebenkosten als nicht erstattungsfähig anzusehen, deren Unangemessenheil von dem Geschädigten entweder bei Abschluss der Honorarvereinbarung oder jedenfalls bei Erhalt der Honorarabrechnung erkannt werden konnten.

Im Einzelnen:

1) Zerlegungsarbeiten, 22,50 Euro netto
Die mit 22,50 Euro netto geltend gemachten Zerlegungskosten sind erstattungsfähig.

Insofern ist in der Honorarvereinbarung bestimmt das Zerlegungsarbeiten nicht im Grundhonorar enthalten sind und ferner, dass der Stundensatz für Zerlegungsarbeiten 90,-Euro beträgt. Damit ist die Geltendmachung dieser Kosten dem Grunde nach durch die Honorarvereinbarung gedeckt, für den Laien ist etwaige Unangemessenheit auch nicht erkennbar. Die Beklagte vermag auch nicht mit ihrem Einwand durchzudringen, es sei fraglich, dass diese Arbeiten von dem Sachverständigen durchgeführt worden seien. Es ist nicht ersichtlich, dass für die Geschädigte eine etwaige Nichtdurchführung der Zerlegung durch den Sachverständigen bei Erhalt der Honorarrechnung (diese datiert vom 08. März 2011) erkennbar gewesen wäre. Das Gutachten erhält Fotos von demontierten Teilen, so dass die Geschädigte davon ausgehen konnte, dass der Sachverständige derartige Arbeiten durchgeführt hat. Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass entsprechende Zerlegungsarbeiten in der Rechnung des Autohauses … enthalten gewesen und von der Beklagten erstattet worden seien. Die Reparaturrechnung datiert nach der Honorarabrechnung, so dass für die Geschädigte ersichtlich auch keine Doppelabrechnung vorlag. Unabhängig davon musste ihr selbst bei Kenntnis der Reparaturrechnung vor Bezahlung der Sachverständigenrechnung eine vermeintliche Doppelberechnung nicht ins Auge springen. Die Reparaturrechnung unter diesem Aspekt eingehend zu prüfen kann von einem Laien ohne konkrete Anhaltspunkte nicht verlangt werden.

2) Fahrtkosten, 51,- Euro netto

Die geltend gemachten Fahrtkosten sind dem Grunde nach erstattungsfähig. Die Beklagte kann hier nicht mit Erfolg einwenden, die Geschädigte habe einen ortsansässigen Sachverständigen beauftragen können. Zwar ist ein Geschädigter grundsätzlich im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht gehalten, einen ortsansässigen oder jedenfalls ortsnahen Sachverständigen zu beauftragen (vgl. auch AG Magdeburg, Urteil vom 28. Januar 2008, 103 C 2302/07 – zitiert nach Juris). Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass dem Geschädigten ein gewisses Auswahlermessen zusteht und er im Falle nur eines ortsansässigen Sachverständigen nicht auf diesen verwiesen werden kann, da sonst von dem Auswahlermessen nichts übrig bliebe. In Salzwedel selbst gibt es – soweit ersichtlich – kein Kfz- Sachverständigenbüro, lediglich die Dekra ist vor Ort ansässig. Auf diese kann die Geschädigte nach oben Gesagtem nicht verwiesen werden. Der Sachverständige … liegt mit einer einfachen Fahrtstrecke von 15 km noch im unteren Entfernungsbereich der Sachverständigen im Umfeld von Salzwedel, so dass die Geschädigte ihr Auswahlermessen vorliegend ordnungsgemäß ausgeübt hat.

Da die Fahrtkosten in der Honorarvereinbarung explizit vom Grundhonorar ausgenommen worden sind, sind sie grundsätzlich erstattungsfähig.

Die Kammer erachtet jedoch die geltend gemachten Fahrzeugkosten in Höhe von 1,20 Euro pro km für – auch dem Laien – erkennbar unangemessen.

Einen sachlich begründeten aussagekräftigen Anhaltspunkt für die Höhe der tatsächlichen Fahrtkosten einschließlich der Kosten für Betrieb und Unterhalt kann sich auch der Laie ohne weiteres anhand der von verschiedenen Anbietern erstellten Autokostentabellen, etwa der ADAC-Autokostentabelle gewinnen (vgl. auch LG Saarbrücken aaO). Wegen der berufsbedingt intensiven Fahrzeugnutzung durch die meisten Sachverständigen dürfen jedenfalls keine höheren Kosten anfallen, als diese Tabellen unter Zugrundelegung einer Nutzungszeit von 4 Jahren und einer jährlichen Laufleistung von 15.000 km ermitteln. Unter Zugrundelegung eines Fahrzeuges der (oberen) Mittelklasse (z. Bsp. A 6 Avant 2.0 TDI (DPF), BMW 520 d (DPF), Ford S Max 2S0 TDCi, Skoda Superb Combi 2,0 TDI Elegance (DPF), Passat Variant 230 TDI BMT Exclusive (DPF)) ergeben sich dann durchschnittliche Fahrtkosten von ca. 0,70 Euro/km. Dieser Ansatz liegt bei dem doppelten dessen, was als Wegstreckenentschädigung bei dienstlich anerkannten Fahrzeugen im öffentlichen Dienst geltend gemacht werden kann (0,35 Euro). Auch vor dem Hintergrund der geringen Kilometerpauschalen, die steuerlich bei beruflich veranlassten Auswärtstätigkeiten mit einem eigenen Fahrzeug geltend gemacht werden können (derzeit 0,30 Euro/km), ist für einen Laien erkennbar, dass eine Pauschale von 1,20 Euro/km unangemessen hoch ist.

Die Kammer hält die daneben geltend gemachten 0,50 Euro/km für die Fahrzeit jedenfalls derzeit noch für erstattungsfähig. Diese Kosten sind in der Honorarvereinbarung gesondert ausgewiesen. Ob sie neben berechtigten Fahrzeugkosten von 0,70 Euro/km unangemessen sind, kann dahin stehen. Jedenfalls ist eine etwaige Unangemessenheit für den Laien nicht erkennbar. Die 0,50 Euro/km für die Fahrtzeit sind im Grundhonorar, welches sich in Abhängigkeit von der Brutto-Schadenshöhe bemisst, nicht enthalten. Während der Fahrtzeit kann der Sachverständige keinerlei andere produktive Tätigkeiten verrichten. Gerade im ländlichen Raum ist es daher nachvollziehbar, dass ein Kfz-Sachverständiger nicht nur die reinen Fahrzeugkosten berechnet, sondern auch einen Fahrtzeitanteil.

Eine Pauschale von insgesamt 1,20 Euro für Fahrzeugkosten und Fahrzeit steht auch noch annähernd im Einklang mit dem BVSK-Korridor, welcher bei 0,84 Euro bis 1,08 Euro liegt

Mithin ergibt sich ein gerechtfertigter Betrag von 36,- Euro netto (30 km x 1,20 Euro).

3) Schreibkosten, 42,– Euro netto

Nach der Honorarvereinbarung sind insofern 3,– Euro pro Originalseite geschuldet. Die Anzahl der Schreibseiten soll sich dabei nach der Gesamtgutachtenseitenzahl (incl. der beschrifteten Bildanlagenseitenzahl) richten. Eine für den Laien erkennbare Unangemessenheit liegt hinsichtlich der Höhe der geltend gemachten Kosten, die sich im BVSK-Korridor bewegt (2,14 Euro bis 3,75 Euro), nicht vor. Auch für den Laien in wertender Gesamtschau des Kostengefüges erkennbar unangemessen erscheint jedoch, dass ein Betrag von 3,– Euro pro Originalseite gleichfalls für die Bildanlagen veranschlagt wird. Der diesbezügliche reine Schreibaufwand ist zu vernachlässigen. Die entsprechende Arbeitsleistung des Sachverständigen ist durch das Grundhonorar mit abgegolten. Die Lichtbilder werden mit 2,50 Euro/pro Stück (erster Lichtbildsatz) gesondert vergütet.

Mithin sind lediglich 21,- Euro netto (7 x 3,-Euro) erstattungsfähig.

4) Die übrigen Kosten, nämlich Lichtbilder, 35,- Euro netto, 28,50 Euro netto für Kopien, Fremdleistung Audatex 12,80 Euro netto, Büromaterial, 5,- Euro netto und Kommunikationskosten 15,- Euro netto sind erstattungsfähig. Sie sind von der Honorarvereinbarung gedeckt. Bereits eine objektive Unangemessenheit ist nicht ersichtlich (zu diesem Ergebnis ist auch ein Gutachten in einem Verfahren vor dem Amtsgericht Haldensleben, Az: 17 C 750/09, gelangt), erst recht mangelt es an der Erkennbarkeit einer etwaigen Unangemessenheit für den Laien. Erhebliche Einwendungen sind von der Beklagten insofern nicht vorgebracht worden.

Folglich ergeben sich insgesamt erstattungsfähige Nebenkosten in Höhe von 175,80 Euro netto, mithin 209,20 Euro brutto. Es errechnet sich demzufolge ein ersatzfähiges Sachverständigenhonorar von 620,80 Euro netto, mithin 738,75 Euro brutto. Abzüglich der geleisteten Zahlung von 290,- Euro verbleibt ein offener Betrag von 448,75 Euro. Insoweit war das Urteil des Amtsgerichts, durch welches insofern lediglich 358,55 Euro zugesprochen worden sind, abzuändern und der Klage stattzugeben.

Die geltend gemachten Zinsen rechtfertigen sich aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

B/ Die Kostenentscheidung richtet sich nach §§ 92 Abs.2 Nr.1, 92 Abs.1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Diese Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 43 Abs. 1, 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG i.v.m. § 3 ZPO.

Urteilsliste “Mietwagenkosten u. SV-Honorar” zum Download >>>>>

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  1. A.L. sagt:

    Guten Tag, Herr Wacker,
    wie aus den Entscheidungsgründen dieses Urteils deutlich zu ersehen, führt über den Weg des § 287 ZPO eine ex post Betrachtung wiederum zu einer „Berechnung“, die der BGH gerade nicht stützt. Wenn eine Rechnung vorliegt, was gibt es denn dann noch zu schätzen vor dem Hintergrund, daß der Geschädigte die erforderlichen Kosten eines Gutachtens eh nicht beeinflussen kann. aber selbst einmal angenommen, daß er es könnte und das HUK-COBURG-Tableau kennen würde, wäre eine „Schadengeringhaltungspflicht“ nicht ernsthaft in Betracht zu ziehen, es sei denn, er wäre im beurteilungsrelevanten Zusammenhang schadenersatzrechtlich verpflichtet, einen Sachverständigen zu beauftragen, mit dem die HUK-Coburg keinen Ärger hat und der in vorauseilendem Gehorsam auch nur das berechnet, was sich die HUK-Coburg vorstellt. Aber ob das dann auch ein qualifizierter und unabhängiger Sachverständiger wäre, wage ich zu bezweifeln.
    Zumindest theoretisch denkbar wäre auch, daß ein Geschädigter zunächst einmal im Branchenbuch vor Ort nachschaut, welche Dienstleistungsanbieter für die Erstattung von solchen Gutachten zur Verfügung stehen und sich zunächst bei jedem über die individuellen Abrechnungsmodalitäten erkundigt. Aber auch das hilft ihm letztlich nicht viel weiter, denn einen Vergleich mit den Maßstäben des HUK-COBURG-Tableaus kann er auch so nicht anstellen, weil
    1. die Schadenhöhe überhaupt noch nicht feststeht und damit auch nicht das Grundhonorar
    2. der Nebenkostenanfall nach den Erfordernissen des Einzelfalls deutlich unterschiedlich ausfallen könnte
    3. die Qualität der Beweissicherung nicht normiert werden kann
    4. das HUK-COBURG-Tableau pauschal zusammengefaßt und das auch noch inklusive MwSt. überhaupt keine Vergleichsmöglichkeit bietet
    5. die HUK-COBURG ein sog. „Routinegutachten“ als Maßstab unterstellt, ohne die quantitativen und qualitativen Randbedingungen aufzudecken.
    Der Denkfehler liegt letztlich aber auch in der Unterstellung begründet, daß im „Vergleich“ beispielsweise alle Sachverständigen vor Ort am Schadensobjekt eine nicht nur qualitativ vergleichbare Beweissicherung erarbeiten würden, sondern ebenso alle Sachverständigen hinsichtlich der Schadenbeurteilung zu gleichen Ergebnissen finden würden. Eine solche Annahme ist bekanntlich lebensfremd und da muß man nicht einmal weit greifen, um dies praxisorientiert zu verdeutlichen. Da schätzt der Sachverständige den Merkantilen Minderwert auf 600,00 € und der DEKRA-Sachverständige für die HUK-COBURG auf 150,00 € und man kann trefflich darüber spekulieren, nach welcher Schadenhöhe er sein Honorar zugebilligt bekommt (s. Gebührenhandbuch der DEKRA !).
    Was soll vor diesem Hintergrund der Geschädigte bezüglich der Erforderlichkeit eigentlich beweisen müssen, wenn dies Bedingung sein soll, für eine korrekte und vollständige Regulierung der ihm tatsächlich entstandenen Gutachterkosten ? Die HUK-Coburg weiß sehr genau, daß ein solcher von ihr geforderter Beweis überhaupt nicht möglich ist und deshalb auch nicht erwartet wird. Die angebliche Möglichkeit eines Beweise ist also nicht mehr als eine Fiktion und da stellt sich die Frage nach der ernsthaften Beschäftigungsnotwendigkeit mit dieser und anderen Fiktionen.

    A.L.

  2. Ra Imhof sagt:

    Man kann mit diesem Urteil gut „leben“,auch wenn es bei den Fahrtkosten noch einen diskussionsbedürftigen Ansatz wählt.
    Man muss bedenken,dass die Kammer noch vor wenigen Wochen die Auffassung des LG Saarbrücken zu den Nebenkosten teilte und dass deshalb hier eine vollständige Abweisung der Berufung im Raume stand.
    Die Kammer war allerdings-wie sonst leider nur wenige-in der Lage,eine von ihr zunächst eingenommene Rechtsansicht nochmals zu überdenken.Das ist es,was den guten Juristen auszeichnet!
    Dass beispielsweise nach der ADAC Autokostentabelle die Betriebskosten für einen PKW der oberen Mittelklasse je km schon bei fast einem Euro gelegen sind und dass es daher dem Laien nicht als überteuert auffallen muss,wenn sein SV Fahrtkosten von 1,20€ verrechnet, hätte die Kammer allerdings sehen können,zumal die Honorarumfragen des VKS und auch die des BVSK bei den Fahrtkosten Bandbreiten ergeben haben, die die hier verlangte Höhe abdecken.
    Dass der SV hier in einem ländlichen Umfeld tätig ist mit der Folge weiter Strecken und höherer Fahrleistungen als in den Durschnittswerten der ADAC-Tabelle angenommen,ist von der Kammer vielleicht noch nicht ausreichend gewichtet worden.
    Wie immer in der Rechtsfindung wird auch hier um das bessere Argument gerungen.
    Weitere Verfahren sind anhängig,in denen zu diesem Punkt nun ausführlich und dezidiert weiter vorgetragen werden kann.
    Bedenkt man,dass das AG Gardelegen durch seine falsche Rechtsprechung in nicht berufungsfähigen Streitsachen über lange Zeit erheblichen Schaden anzurichten vermochte,ist es einem korrekten Richter des AG Salzwedel zu verdanken,dass hier die Berufung zugelassen wurde und jetzt ein grosses Stück weit Rechtsklarheit und Rechtsanwendungssicherheit geschaffen werden konnte.
    Es bleibt nun zu hoffen,dass die HUK ihre Schadensabwicklungspraxis zu den Gutachterkosten im Zuständigkeitsbereich des LG Stendal dieser Rechtsprechung der Berufungskammer nun anpasst,damit die Gerichte von weiteren socher Verfahren künftig verschont bleiben.

  3. Christoph sagt:

    @ Ola, A.L.,

    da legst Du einen Finger in die offene Wunde, denn zu welcher Einholung „näherer Erkundigungen“ und dem insoweit angeblich zu erbringenden Nachweis soll der Geschädigte denn darlegungs- und beweispflichtig sein ?
    Nicht nur der BGH hat eine solche Verpflichtung und Beweislast dem Unfallopfer gerade nicht auferlegt und das auch in der Gesamtschau mit einer guten und schadenersatzrechtlich tragfähigen Begründung. Hier blufft die HUK-Coburg in Falschspielermanier und erstaunlicherweise ist dies bisher wohl nie so richtig zur Sprache gekommen, jedenfalls nicht in Urteilen.

    Unter angeblicher Bezugnahme auf die BVSK-Honorarbefragung 2010/2011 (wir sind jetzt schon längst im Jahr 2013) als „Maßstab“ liest man in einer 6-seitigen Stellungnahme (Textbausteinsammlung) aus der Zentrale in Coburg an eine Anwaltskanzlei u.a. folgende „Erklärung“:

    „Mit diesen Werten erfolgt eine Regulierung von Sachverständigenhonoraren an allen Schadenaußenstellen und in der Gesamtabrechnung.

    Nach den Grundzügen der Gewerbefreiheit und der allgemeinen Handlungsfreiheit kann ein Unternehmen Richtlinien zur „Behandlung“ von Differenzen bei Sachverständigenhonoraren oder auch bei Entschädigungssätzen aufstellen und verwenden.

    Damit werden Sachverständigenhonorare an verschiedenen Orten bei „gleichem“ Sachverhalt nicht unterschiedlich abgerechnet.

    Zugleich wird die „Entscheidungsfindung“für die Sachbearbeiter bundeseinheitlich vereinfacht.“

    Und dann wird noch auf einen Aufsatz von Elmar Fuchs in der Schwacke-Schadenpraxis (SP 01/2012,26) wie folgt verwiesen:

    „Dort vertritt der Geschäftsführer des B V S K selbst die Nachvollziehbarkeit der Auffassung, daß Liquidationen, die oberhalb des „Prüfungstableaus“ liegen, nicht „ohne weiteres“ als üblich bezeichnet werden können.“

    Es gäbe noch viele interessante weitere Überlegungen aus der Stellungnahme der HUK-Coburg-Zentrale hier darzubieten, aber das will ich mir zunächst einmal aufsparen, um Euch nicht gänzlich zu verwirren.

    Es sollte mich schon wundern , wenn diese Offenlegung die Wettbewerbszentrale nicht weiter interessieren würde und auch ein Boykott – wie hier schon einmal angesprochen – unter Ausnutzung wirtschaftlicher Marktmacht wäre keine abwegige Einschätzung.

    Mal sehen, was sich aus diesem zarten Keim als Pflanze entwickelt.-

    Mit freundlichem Gruß

    Christoph

  4. G.v.H. sagt:

    @ Hallo, Christoph,
    das sind in der Tat interessante Informationen.
    Insbesondere folgende Passage hat mich fasziniert:

    „Damit werden Sachverständigenhonorare an verschiedenen Orten bei “gleichem” Sachverhalt nicht unterschiedlich abgerechnet.“
    Hallo ?

    Also soll so doch nach der Rasenmähermethode eine Quasi“gebührenordnung“ mit Hilfe der Gerichte durchgesetzt werden. Ein rechtlich fragwürdiges Diktat in Reinkultur bei Unterstellung eines „Routinegutachtens“, was man sich immer darunter vorstellen mag.

    Mit freundlichem Gruß
    G.v.H.

  5. virus sagt:

    Anstatt sich mit BVSK zu quälen und nach ADAC zu schielen wäre es für das LG Stendal angezeigt gewesen, im Urteil VI ZR 67/06 nachzulesen.

    Ebenso können diese Kosten zu dem nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand gehören, wenn eine vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. Senatsurteile vom 6. November 1973 – VI ZR 27/73 – VersR 1974, 90, insoweit in BGHZ 61, 346 nicht abgedruckt; vom 29. Januar 1985 – VI ZR 59/84 – VersR 1985, 441, 442; vom 30. November 2004 – VI ZR 365/03 – aaO; Wortmann, VersR 1998.

    (…….)

    Indes ist der tatsächlich aufgewendete Betrag nicht notwendig mit
    dem zu ersetzenden Schaden identisch.
    Insbesondere deshalb kann die Berechnung des Schadens grundsätzlich nicht
    von etwaigen rechtlichen Mängeln der zu seiner Beseitigung tatsächlich einge-
    gangenen Verbindlichkeiten (z.B. einer überhöhten Honorarforderung des
    Sachverständigen) abhängig gemacht werden (vgl. Senatsurteil BGHZ 61, 346,
    348). Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforder-
    lichen, sind weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess
    berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen
    (vgl. Senatsurteil vom 29. Juni
    2004 – VI ZR 211/03 – VersR 2004, 1189, 1190 f.). Dies gilt auch für die Höhe des Sachverständigenhonorars (vgl. AG Essen VersR 2000, 68, 69; AG Siegburg ZfS 2003, 237, 238; Roß NZV 2001, 321,

    Das nächst höhere Gericht ist zudem das OLG-Naumburg.
    Hier führten die Richter ja bekanntlich in ihrem Urteil 4 U 49/05 aus:

    bbb) Im Rahmen der Prüfung, ob dem Geschädigten ein Anspruch auf Ersatz der Sachverständigenkosten zusteht, kommt es auf die Frage, ob der Sachverständige in zulässiger Weise nach der Schadenshöhe abrechnen konnte oder aber ob er seinen Zeitaufwand hätte darlegen müssen, ebenfalls nicht an.
    Denn es ist der Beklagten im Verhältnis zum Geschädigten und damit auch im Verhältnis zum Kläger, der aus abgetretenem Recht vorgeht, verwehrt, sich auf die vermeintliche Überhöhung der Sachverständigengebühren zu berufen.

    (….)
    cc) Die Beklagte ist insoweit nicht rechtlos gestellt, da sie sich gegebenenfalls die Rechte des Geschädigten gemäß §§ 315 Abs. 3 bzw. 280, 631 Abs. l, 812 BGB analog § 255 BGB hätte abtreten lassen und z. B. im Wege der Aufrechnung geltend machen können (vgl. hierzu Grunsky, a. a. 0.; Geigel, a. a. 0., Rziff. 113; Staudinger, a. a. 0., § 251 Rziff. 122; OLG Nürnberg, OLG-R 2002, 471). Dann wäre es jedoch Sache der Beklagten gewesen, darzulegen und zu beweisen, dass und aus welchen Gründen das Honorar tatsächlich zu hoch bemessen ist.
    Die Beklagte hat daher die Gutachtenkosten auch in der vom Kläger abgerechneten Art und Weise auszugleichen.

  6. K.-L.H. sagt:

    Vereinfachung der „Entscheidungsfindung“ für die HUK-Coburg-Sachbearbeiter zu Lasten der Unfallopfer und mit Verunglimpfung der Sachverständigen ? So kann man es auch umschreiben, aber nicht rechtfertigen.
    K.-L.H.

  7. Dipl.-Ing. Harald Rasche sagt:

    Hallo, Christoph und G.v.H.,

    jetzt ist mir auch klar, wie die Kürzung einer Liquidation von 359,15 € um 3,15 € zu verstehen ist. Danke für die Horizonterweiterung.

    mit freundlichen Grüßen
    aus Bochum&Tangendorf

  8. F-W Wortmann sagt:

    Hallo Virus,

    erwähnenswert ist, dass die Berufungskammer in Stendal ihre bisherige festgefahrene Ansicht geändert hat und mit ihrer obigen Entscheidung gezeigt hat, dass auch Landgerichte, die nicht nur um Saarbrücken herumliegen, die Nebenkostendeckelungsentscheidung des LG Saarbrücken nicht teilen. Damit steht Saarbrücken so ziemlich einsam in der Rechtslandschaft. Gleichwohl wird ständig auf dieses unsinnige Deckelungsurteil verwiesen. Insoweit ist das Urteil aus Stendal schon ein Erfolg.

    In der Tat ist es so, dass die sich im wirtschaftlichen Rahmen haltenden Sachverständigenkosten Wiederherstellungsaufwand sind, wenn eine vorherige Begutachtung zur Wiederherstellung erforderlich ist. Wenn der Schädiger meint, die Sachverständigenkosten seien überhöht, hat er sie, wenn der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen wahrt, gleichwohl in voller Höhe zu ersetzen, kann allerdings dann den Weg beschreiten, dass er sich gemäß § 255 BGB analog den Bereicherungsanspruch des Geschädigten gegen den Sachverständigen aus dem Werkvertrag abtreten lässt.

    Es ist eben schwierig, und das zeigt eben auch das Urteil aus Stendal, zwischen dem Werkvertrag, aufgrund dessen der Sachverständige sein Honorar berechnet (vgl. BGH X ZR 122/05 – = BGHZ 167, 139 = BGH ZfS 2006, 564 = DS 2007, 278) und der schadensrechtlichen Seite im Verhältnis Geschädigter zu Schädiger zu unterscheiden. Im Verhältnis Geschädigter zum Schädiger gilt das grundsätzliche Urteil des BGH vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – ( BGH ZfS 2007, 507 = NJW 2007, 1540 = DS 2007, 144). Danach kann grundsätzlich ein in Relation zur Schadenshöhe berechnetes Sachverständigenhonorar als erforderlicher Herstellungsaufwand gem. § 249 II BGB ersetzt verlangt werden. Dabei sind die Grundsätze des Mietwagenersatzrechts nicht auf die Sachverständigenkosten übertragbar. Häufig wird aber von den eintrittspflichtigen Haftflichtversicherern das Augenmerk gerade auf dies (falsche) Mietwagenschiene gelenkt. Auch der Verweis der Versicherer auf die Regelungen des JVEG direkt oder analog verfangen nicht, denn das JVEG regelt ganz andere Tatbestände.

  9. Vaumann sagt:

    Mich kotzen nur immer die verblödeten Versicherungsrechtsverdreher an,a´la: „Der Beklagte bestreitet,dass keine Rechtsschutzversicherung besteht,die die Anwaltskosten längst bezahlt hat,weshalb dem Kläger insoweit die Aktivlegitimation fehlt,§86 VVG.“
    So einem gehört doch die Zulassung entzogen wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit!

  10. Christoph sagt:

    Hallo, Virus,

    sehr schön und informativ zusammengefaßt. Danke für die damit verbundene Mühe. Das müßte eigentlich jetzt jeder verstehen können. Sehen wir mal, ob es tatsächlich auch ankommt.-
    Scheibchenweise will ich gegenläufige Auslegungen nicht für mich behalten und deshalb noch ein bißchen mehr aus dem schon angesprochenen Schreiben:

    „Es geht vorliegend nicht um Begriffe, wie z.B.Auswahlverschulden oder um einen Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht, welche in § 254 BGB ihre Grundlage fänden, sondern um eine Obliegenheitsverletzung des Geschädigten, die bereits im Rahmen des § 249 BGB berücksichtigt werden muß.

    Die Frage nach einem Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht stellt sich erst, wenn die Frage der Erforderlichkeit schon aufgeklärt ist.“

    ….“nach unserer Auffassung stellen die Werte des Honorartableau 2012-Huk-Coburg ein Honorar für Routinegutachten dar, das man als zweckmäßig und angemessen bezeichnen kann.“

    Na, ist das keine Super-Drohne ?

    Christoph

  11. Franziska sagt:

    Hi, Christoph,
    das ist in meinen Augen auch eine Megadröhnung und – ich will hier nicht obszön werden – eine Riesenverarscherei der Unfallopfer, der unabhängigen Kfz-Sachverständigen, der Rechtsanwälte und last not least der Gerichte in der BRD, letztlich aber auch der Wettbewerbszentrale und des Bundeskartellamtes.
    Offensichtlich versucht man auch noch die Richterinnen und Richter durch immer erneut provozierte Klagen mürbe zu kneten, welche der Auffassung der HUK-COBURG nicht entsprechen (s. AG Leipzig). Da muß jetzt endlich einmal der Blitz einschlagen.
    Franziska

  12. Ein SV sagt:

    Aus gegebenen Anlass, für Allianz-Geschädigte Sachsen-Anhalter:

    Was in diesem Urteil bisher keine Beachtung fand, ist die Rechtsansicht des Richters, ab welcher Schadensgrenze er – in der Regel – von einem Bagatellschaden ausgeht:

    Bei Bagatellschäden (unter 500,– Euro) ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens in der Regel nicht erforderlich und verstößt gegen die Schadensminderungspflicht (vgl. König in Hentschel/Dauer/König, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 12 StVG, Rn 50 m.w.N.).

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