LG Würzburg entscheidet mit lesenswertem Berufungsurteil vom 1.2.2012 – 43 S 1748/11 – zur Erstattung der UPE-Aufschläge.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

aufgrund der durch den Nationalfeiertag und dem Brückentg und den Herbstferien  bedingten Kurzurlaubszeit, die auch der Autor nutzte,  musste die geneigte Leserschaft auf Urteilslektüre durch mich verzichten. Erst ab heute geht der Betrieb für mich wieder los. Heute geben wir Euch neben dem bereits eingestellten Urteil des AG Andernach auch noch ein 9-seitiges Berufungsurteil zu den UPE-Aufschlägen aus Würzburg bekannt. Es handelt sich dabei zwar um ein etwas älteres Urteil aus dem Jahre 2012. Da aber seitens der Versicherungen bisher ein Revisionsurteil des VI. Zivilsenates des BGH zu den UPE-Aufschlägen gescheut wurde, haben Berufungsurteile nach wie vor große Bedeutung. Lest daher das nachfolgend veröffenlichte Urteil der Berufungskammer des LG Würzburg und gebt anschließend Eure Kommentare ab. 

Viele Grüße und noch einen schönen Sonntag.
Willi Wacker

Landgericht Würzburg

Az.:    43 S 1748/11
.         18 C 1258/11 AG Würzburg

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

– Klägerin und Berufungsbeklagte –

gegen

– Beklagte und Berufungsklägerin –

wegen Forderung

erlässt das Landgericht Würzburg – 4. Zivilkammer – durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht T. , die Richterin am Landgericht Z. und den Richter am Landgericht Dr. K. am 01.02.2012 auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 26.01.2012 folgendes

Endurteil

1.               Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Würzburg vom 29.08.2011, Az. 18 C 1258/11, wird zurückgewiesen.

2.               Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu
tragen.

3.               Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts  Würzburg   ist  ohne  Sicherheitsleistung   vorläufig vollstreckbar.

4.               Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um restlichen Schadensersatz wegen sogennanter UPE-Aufschläge nach einem Verkehrsunfall vom 22.01.2011.

Die Klägerin erlitt an ihrem am 02.02,2009 erstmals zugelassenen Pkw Ford Focus, amtliches Kennzeichen K – … , einen Heckschaden, den sie in der Folgezeit auf der Grundlage eines Haftpflichtschadensgutachtens vom 26.01.2011 gegenüber der Beklagten abrechnete. Die Beklagte ist die Haftpflichtversicherung des damaligen Unfallgegners. Ihre 100%ige Einstandspflicht dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.

Das Schadensgutachten vom 26.01.2011 kommt auf der Grundlage der unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller zu Ersatzteilkosten von insgesamt 1.750,75 Euro und weist darauf einen Aufschlag von 10% – mithin einen Aufschlag von 175,08 Euro – aus. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schadensgutachten vom 26.01.2011 Bezug genommen.

Die Beklagte hat die errechneten Ersatzteilkosten mit Ausnahme des Aufschlags in Höhe von 175,08 Euro reguliert. Wegen des Aufschlags wurde sie von der Klägerin unter dem 02.03.2011 schriftsätzlich mit Fristsetzung bis zum 15.03.2011 erfolglos zur Zahlung aufgefordert. Auch auf einen ihr am 06.04.2011 zugestellten Mahnbescheid zahlte sie nicht.

Die Klägerin ist der Auffassung, von der Beklagten auch den im Schadensgutachten vom 26.01.2011 ausgewiesenen 10%igen Aufschlag auf die unverbindlichen Preisempfehlungen de Ersatzteilhersteller verlangen zu können, den sie bei Klageerhebung mit 178,58 Euro bezifferte Die Erhebung dieser Kosten sei am Wohnsitz der Klägerin üblich und gehöre auch bei einer fikti ven Abrechnung zum ersatzfähigen Schaden.

Die Klägerin hat daher in erster Instanz beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 178,58 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.04.2011 zu zahlen.

Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Meinung, sog. UPE-Aufschläge seien bei fiktiver Abrechnung nicht erstattungsfähig. Eine Erstattung sei mit dem schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbot nicht zu vereinbaren. Die Klägerin würde im Falle einer Erstattung den Aufschlag erhalten, obwohl sie insoweit mangels Reparatur keinen Schaden habe.

Außerdem fehle es generell an einer betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung für UPE-Aufschläge, da die als Begründung regelmäßig herangezogenen Lagerkosten tatsächlich nicht entstehen würden, weil markengebundene Fachwerkstätten heutzutage keine nennenswerten Lager mehr unterhielten sondern Ersatzteile computergestützt direkt beim Hersteller bestellen würden mit der Folge, dass die Ersatzteile am nächsten Tag auch ohne Lagerhaltung bereitstehen würden.

Schließlich spreche gegen die Zuerkennung von UPE-Aufschlägen, dass diese nur in solchen Fällen von den Werkstätten geltend gemacht würden, in denen klar sei, dass die Kosten letztlich auf eine Haftpflicht- oder Kaskoversicherung abgewälzt werden könnten. Bei einer privat zu bezahlenden Reparatur würden UPE-Aufschläge dagegen nicht erhoben.

Das Amtsgericht Würzburg hat im Verfahren nach billigem Ermessen gemäß § 495a ZPO eine mündliche Verhandlung nicht durchgeführt und den Parteien Gelegenheit gegeben, bis zum 17.08.2011 schriftsätzlich zum Sach- und Streitstand vorzutragen.

Mit Endurteil vom 29.08.2011, auf dessen Tatbestand einschließlich der Verweisungen wegen des erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht unter Abweisung im Übrigen der Klage in einer Höhe von 175,08 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.04.2011 stattgegeben.

Zur Begründung führt das Amtsgericht aus, dass die Erstattungsfähigkeit von UPE-Aufschlägen bei fiktiver Abrechnung in der Rechtsprechung zwar umstritten sei. Nach zutreffender Ansicht würden UPE-Aufschläge jedoch zu den erstattungsfähigen Schadensbehebungskosten gehören, wenn und soweit sie regional üblich seien. Davon, dass sie im konkreten Fall in einer Höhe von 10% regional üblich seien, geht das Amtsgericht deshalb aus, weil das Haftpflichtgutachten vom 26.01.2011 unter Zugundelegung einer Reparatur im Wohnortbereich der Klägerin einen UPE-Aufschlag in Höhe von 10% ausweise. Die Höhe des restlichen Schadensersatzanspruchs ergebe sich mit 175,08 Euro minimal unterhalb der Klageforderung ebenfalls aus dem Gutachten vom 26.01.2011.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Endurteils des Amtsgerichts Würzburg vom 29.08.2011 Bezug genommen.

Gegen dieses dem Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten am 31.08.2011 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil richtet sich die am 12.09.2011 eingelegte und mit Schriftsatz vom 06.10.2011  – und ergänzend auf die Replik vom 25.10.2011 hin mit Schriftsatz vom 03.11.2011 – begründete Berufung.

Darin trägt die Beklagte unter Wiederholung ihres bisherigen Vortrags vor, dass UPE-Aufschläge im Fall der fiktiven Schadensabrechnung mangels Erforderlichkeit im Sinne des § 249 BGB nicht erstattungsfähig seien und gegen das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot verstossen würden.

Im Übrigen fehle es mangels umfangreicher Lagerhaltung markengebundener Fachwerkstätten an einer Rechtfertigung für die Berechnung eines Aufschlags auf die unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller. Ersatzteile würden computergestützt bestellt und am Folgetag vom Hersteller geliefert, ohne dass Zusatzkosten anfielen. Ferner sei es so, dass UPE-Aufschläge in der Praxis nur.bei solchen Reparaturen berechnet würden, bei denen der Ausgleich letztlich durch eine Versicherung zu leisten sei, was ebenfalls gegen deren Erforderlichkeit spreche.

Die Beklagte hat außerdem – wie in erster Instanz – zunächst bestritten, dass in der Region der Klägerin bei markengebundenen Fachwerkstätten üblicherweise UPE-Aufschläge erhoben würden. Mit Schriftsatz vom 01.12.2011 und unter Präzisierung in der mündlichen Verhandlung vom
25.01.2012  hat die Beklagte dann jedoch unstreitig gestellt, dass UPE-Aufschläge in Höhe von 10% in markengebundenen Fachwerkstätten in der Region der Klägerin üblicherweise anfallen und zwar auch dann, wenn die Reparatur tatsächlich durchgeführt wird.

Die Beklagte beantragt in zweiter Instanz:

1.  Das Endurteil des Amtsgerichts Würzburg vom 29.08.2011, Az.: 18 C 1258/11, wird aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt wurde, an die Klägerin 175,08 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 06.04.2011 zu bezahlen.

2.  Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin beantragt in zweiter Instanz:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil. UPE-Aufschläge seien im Rahmen der Ersetzungsbefugnis nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zu erstatten. Sie würden zum erforderlichen Wiederherstellungsaufwand in einer markengebundenen Fachwerkstatt gehören. Die Klägerin könne aufgrund des geringen Alters des unfallbeschädigten Fahrzeugs verlangen, auch bei fiktiver Abrechnung so gestellt zu werden wie bei einer entsprechenden Reparatur. Insbesondere sei ein Aufschlag von 10% auf die unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller in der Region der Klägerin üblich.

Unzutreffend seien die Behauptungen der Beklagten, wonach UPE-Aufschläge nur in einem Haftpflicht- bzw. Kaskofall berechnet würden und wonach Reparaturwerkstätten keine Ersatzteillager unterhalten würden.

Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf den Inhalt der im Berufungsrechtsstreit gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Am 25.01.2012 hat die mündliche Verhandlung vor der Berufungskammer stattgefunden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 25.01.2012 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung weiteren Schadensersatzes in Höhe von 175,08 Euro aus den §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG, 115 VVG. Das Berufungsgericht schließt sich der zutreffenden Würdigung des Amtsgerichts Würzburg an. Im Sinne des § 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist ergänzend auf das Nachfolgende hinzuweisen.

1. Ausgangspunkt

Der Geschädigte kann im Falle einer Sachbeschädigung gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB vom Schädiger den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen. Was bei Unfallschäden im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlich gilt, richtet sich danach, wie sich ein verständiger, wirtschaftlich denkender Fahrzeugeigentümer in der Lage des Geschädigten verhalten darf (BGH Urteil vom 20.10.2009, Az.: VI ZR 53/09, Rn. 8 m. w. N.). Die Ersatzfähigkeit sog. UPE-Aufschläge ist in diesem Zusammenhang streitig.

a) In der Rechtsprechung herrscht die Auffassung vor, dass UPE-Aufschläge ersatzfähig sind, wenn und soweit sie regional üblich sind (so OLG Düsseldorf, Az.: 1 U 246/07 vom 16.06.2008, Rn. 59 ff. m. w. N. zum Meinungsstand; dem folgend LG Dortmund, Az.: 17 S 68/08; LG Bochum, Az.: 5 S 168/07; LG Köln, Az.: 13 S 4/06; LG Aachen, Az.: 6 S 200/04; LG Dortmund, Az.: 17 S 68/08; ebenso KG Berlin, Beschluss vom 07.01.2010, Az.: 12 U 20/09; auch LG Köln, Az.: 15 O 301/08; LG Münster, Az.: 8 S 10/09; ausführlich LG Hanau, Az.: 2 S 281/09 m. w. N.).

In der Literatur wird die Ersatzfähigkeit von UPE-Aufschlägen ebenfalls überwiegend bejaht (Fischer, NZV 2003, 262 ff. m. w. N.; Wortmann, NZV 1999, 503 ff. m. w. N.; MüKo-Oetker, 5. Auflage 2006, § 249 Rn. 350 m. w. N.; Geigel/Knerr, Haftpflichtprozess, 25. Auflage 2007, 3. Kapitel, Rn. 33; Palandt-Grüneberg, BGB, 71. Aufl., 2012, § 249 Rn. 14).

Soweit die Erstattungsfähigkeit bejaht wird, ist außerdem anerkannt, dass sich der Geschädigte grundsätzlich auf das der fiktiven Schadensberechnung zu Grunde liegende Gutachten beziehen kann (MüKo-Oetker, § 249 Rn. 350; OLG Düsseldorf, Az.: 1 U 246/07 Rn. 64; LG Bonn, Az.: 8 S 195/07; LG Köln, Az.: 13 S 4/06). Führe der Sachverständige darin aus, dass in der Region und bei dem entsprechenden Fabrikat typischerweise Ersatzteilzuschläge erhoben würden, so sei aufgrund dieses Gutachtens prima facie die Ersatzfähigkeit der Aufschläge zu bejahen (Fischer, NZV 2003, 262, 263; OLG Düsseldorf, Az.: 1 U 246/07 Rn. 64; LG Köln, Az.: 13 S 4/06; ähnlich Wortmann, NZV 1999, 503 im Hinblick auf qualifizierte Gutachten). Das Gutachten sei in Bezug auf die UPE-Aufschläge nicht anders zu beurteilen als bezüglich sonstiger Schadensposten (LG Bochum, Az.: 5 S 168/07).

Der Versicherer könne die Erforderlichkeit der UPE-Aufschläge nur dann qualifiziert bestreiten, wenn er konkret nachweise, dass in der Region, in der die Reparatur durchgeführt würde, für die betreffende Marke jeweils keine Aufschläge erhoben werden. Eine andere Betrachtung führe dazu, dass der Geschädigte letztlich doch konkret statt fiktiv abrechnen müsse (OLG Düsseldorf, Az.: 1 U 254/97, Rn, 64; LG Köln, Az.: 13 S 4/06; LG Aachen, Az.: 6 S 200/04; Fischer, NZV 2003, 262 f.). Stelle der Sachverständige UPE-Aufschläge fest, so könne das Gericht hiervon nur abweichen, wenn es aufgrund eigener, im Urteil besonders zu begründender Sachkunde zu einem anderen Ergebnis komme (Fischer, NZV 2003, 262, 264). Die Ersatzfähigkeit wird auch bejaht, wenn gerichtsbekannt ist, dass markengebundene Werkstätten diese Zuschläge erheben (OLG Düsseldorf, Az.: 1 U 246/07, Rn. 62, zitiert nach LG Hanau, Az.: 2 S 281/09).

b) Nach der (zumindest in den Beweisanforderungen) gegenteiligen Auffassung, sind UPE-Aufschläge nur dann ersatzfähig, wenn sie tatsächlich angefallen sind oder nachgewiesen wurde, dass diese bei der Reparatur zwingend anfallen würden (so im Fall OLG Düsseldorf, Az.: 1 U 126/00, Rn. 21, wo als ausreichend erachtet wurde, dass die konkrete Werkstatt den Aufschlag stets berechnet). Diesen Nachweis könne der Geschädigte – anders als hinsichtlich der reinen Reparaturkosten – nicht schon mit einem Sachverständigengutachten erbringen, sondern es müsse konkret der Beweis für die Unausweichlichkeit der Ausgaben erbracht werden (Wagner, NZV 1999, 358 ff.; LG Osnabrück, Az.: 3 S 413/08; LG Hannover, Az.: 14 S 83/07).

2. Erforderlichkeit im konkreten Fall

In der Berufungsinstanz hat die Beklagte unstreitig gestellt, dass eine Fachwerkstatt in der Region der Klägerin im Falle einer tatsächlich durchgeführten Reparatur UPE-Aufschläge in Höhe von 10% üblicherweise erhoben hätte. Es kann daher vorliegend dahinstehen, ob es im Allgemeinen ausreicht, wenn ein Geschädigter insoweit lediglich ein privates Haftpflichtgutachten vorlegt. Im konkreten Fall steht gemäß § 288 Abs. 1 ZPO fest, dass im Falle einer Reparatur in einer Fachwerkstatt am Heimatort der Klägerin UPE-Aufschläge in Höhe von 175,08 Euro anfallen würden.

Die Berufungskammer bejaht für diesen Fall die Ersatzfähigkeit von UPE-Aufschlägen, auch wenn der Anspruchsteller seinen Schaden fiktiv abrechnet. Den Anknüpfungspunkt für diese rechtliche Beurteilung bildet die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Ersatz von Stundenverrechnungssätzen einer markengebundenen Fachwerkstatt. Danach leistet der Geschädigte bei einer fiktiven Abrechnung dem Gebot zur Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt (BGH, Urteil vom 20.10.2009, Az.: VI ZR 53/09). Dies gilt jedenfalls dann, wenn das reparaturbedürftige Fahrzeug – wie vorliegend – im Unfallzeitpunkt nicht älter als drei Jahre ist. Nichts anderes kann für UPE-Aufschläge gelten:

a)  Wenn in der Heimatregion des Geschädigten bei einer tatsächlich durchgeführten Reparatur UPE-Aufschläge anfallen, dann handelt es sich insoweit um den wirklichen Marktpreis. Der Geschädigte müsste im Falle einer Reparatur den gegenüber der unverbindlichen Preisempfehlung erhöhten Betrag bezahlen. Damit korrespondiert, dass der Schädiger bzw. seine Haftpflichtversicherung zum Zwecke einer vollständigen Restitution gemäß § 249 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB diesen Betrag zu erstatten hat.

Wenn der Geschädigte nunmehr in Ausübung seiner allgemein anerkannten Ersetzungsbefugnis die Möglichkeit der fiktiven Schadensabrechnung wählt, kann er diesen gegenüber der herstellerseitigen Preisempfehlung erhöhten Betrag ebenfalls geltend macht. Darin liegt entgegen der Auffassung der Berufung nicht der Versuch, sich zu bereichern, sondern lediglich ein Einfordern des für den Geschädigten tatsächlich geltenden Marktpreises.

b)  Eine sachliche Rechtfertigung für das Verlangen der Fachwerkstätten nach einem Aufschlag auf die unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller findet sich in deren zusätzlichen Vorhaltekosten. Die mit der Reparatur nach einem Unfall beauftragte Werkstatt hat – schon weil der Fahrzeuginhaber ggf. wegen zwischenzeitlich auflaufender Mietwagenkosten darauf drängen wird – in der Regel für eine möglichst zügige Reparatur Sorge zu tragen. Dies setzt voraus, dass die Werkstatt entweder ein ausreichendes Ersatzteillager unterhält oder, wie von der Beklagtenseite vorgetragen, an einem sehr kurzfristig leistungsfähigen Liefersystem des Herstellers oder eines Großhändlers partizipiert (sog. just-in-time-Lieferung). Dies gilt um so mehr, als durch Unfälle oftmals Fahrzeugteile beschädigt werden, die nicht im regulären Turnus der Erneuerung von Verschleißteilen ohnehin bereit zu halten sind (z. B. Stoßstangen).

Wenn die Fachwerkstätten in einer Region unter diesen Umständen typischerweise einen betriebswirtschaftlich bedingten und von den Gerichten nicht im Einzelnen nachzuprüfenden Aufschlag auf die Herstellerpreisempfehlungen fordern, so ist dies nicht zu beanstanden, solange sich der Aufschlag in einem angemessenen Verhältnis zur Herstellerpreisempfehlung und zum Zusatznutzen der schnellen Ersatzteilbereitstellung hält. Aus Sicht der Berufungskammer ist ein Aufschlag von 10% auf die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers, wie er im vorliegenden Fall vorgenommen wurde, als angemessen anzusehen.

c)  Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch dann nicht, wenn die Behauptung der Beklagten zutreffen sollte, dass UPE-Aufschläge nur dann erhoben würden, wenn klar sei, dass die Kosten letztlich von einer Versicherung zu tragen sind. Anders als diese Behauptung suggeriert, würde die Unterscheidung zwischen Fällen mit Versicherungsbeteiligung und Fällen ohne Versicherungsbeteiligung nämlich keine willkürliche und mißbilligenswerte Differenzierung darstellen.

Bei der Einstandspflicht einer Versicherung handelt es sich um den typischen Sachverhalt nach einem Verkehrsunfall. Diese Fälle sind – auch im Interesse der Versicherungen – wegen auflaufender Mietwagenkosten bzw. Nutzungsausfallentschädigungen regelmäßig auf eine rasche und gleichzeitig so weit wie möglich werterhaltende Fahrzeugreparatur angelegt.

Fälle einer Reparatur ohne Versicherungsdeckung sind demgegenüber regelmäßig anders gelagert. Ihnen liegen Sachverhalte zu Grunde, bei denen üblicherweise eine Fremdbeteiligung nicht gegeben ist, sondern der Fahrzeugführer sein Fahrzeug durch eigene Unachtsamkeit selbst beschädigt hat. In diesen Fällen ist der Reparaturwillige regelmäßig bestrebt, eine möglichst günstige Reparatur durchführen zu lassen und ist daher auch bereit, größere Wartezeiten hinzunehmen mit der Folge, dass (entsprechend oben 2. b) UPE-Aufschläge nicht gerechtfertigt wären. Es liegen mithin zwei unterschiedliche Sachverhalte vor, die eine unterschiedliche Preisgestaltung rechtfertigen.

d) Schließlich ist zu sehen, dass sich kaum zu erklärende Friktionen mit der vom Bundesgerichtshof anerkannten Abrechenbarkeit der Stundenverrechnungssätze markengebundener Fachwerkstätten ergeben würden, wollte man die Ersetzbarkeit von UPE-Aufschlägen bei der fiktiven Abrechnung verneinen. Es wäre für die Unfallbeteiligten kaum plausibel, warum bei einer fiktiven Unfallregulierung einerseits die Stundenverrechnungssätze einer Fachwerkstatt zuerkannt werden, andererseits aber die in der Fachwerkstatt regional üblicherweise ebenfalls anfallenden und im selben Haftpflichtgutachten ausgewiesenen UPE-Aufschläge nicht abgerechnet werden können.

Nach dem Gesagten hat die Beklagte auch die eingeforderten UPE-Aufschläge zu ersetzen. Der Klägerin steht mithin restlicher Schadensersatz in Höhe von 175,08 Euro zu.

Der klägerische Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Die Klägerin hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 02.03.2011 zur Zahlung bis spätestens zum 15.03.2011 gemahnt. Die Beklagte befand sich daher seit dem 16.03.2011 in Verzug. Zutreffend hat der Erstrichter Verzugszinsen allerdings erst ab dem 06.04.2011 zuerkannt, da er insoweit an den klägerischen Antrag gebunden war, § 308 Abs. 1 ZPO.

Nach alledem ist der Berufung der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Und jetzt bitte Eure Kommentare.

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