AG Werl spricht gegen den Versicherungsnehmer der Allianz- Versicherung AG die restlichen Sachverständigenkosten sowie die Gerichtkostenzinsen zu mit Urteil vom 12.6.2015 – 4 C 143/14 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

von Koblenz geht es weiter nach Werl. Nachstehend veröffentlichen wir hier für Euch ein Urteil des Amtsgerichts Werl zu den Sachverständigenkosten und Gerichtskostenzinsen gegen die VN der Allianz Versicherung. Ob die Beklagte nach diesem Urteil wohl noch Kunde bei der Allianz ist? Das kann man mit Fug und Recht durchaus fragen, denn wer ist schon mit einer Kfz-Haftpflichtversicherung zufrieden, die die berechtigten Schadensersatzansprüche des Unfallopfers kürzt und wegen des Restbetrages dann auch noch den Versicherten vor den Kadi ziehen läßt? Die Antwort kann unserer Meinung nach nur sein: Kein vernünftig denkender Mensch! Lest selbst das Urteil des AG Werl und gebt dann anschließend bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

4 C 143/14

Amtsgericht Werl

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

der Frau B. G. aus D.,

Klägerin,

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte D. I. & P. aus A.,

gegen

die J. S. GmbH & Co. KG, gesetzl. vertr. d. d. M. und E. VerwaltungsmbH, d. gesetzl. vertr. d. d. Geschäftsführer M-P. D. aus G.,

Beklagte,

hat das Amtsgericht Werl
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am 12.06.2015
durch die Richterin H.

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 113,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.07.2013 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die Klägerseits verauslagten Gerichtskosten Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz für die Zeit vom Eingang der gezahlten Gerichtskosten ist zum Eingang des Kostenfestsetzungsantrags nach Maßgabe der auszuurteilenden Kostenquote zu bezahlen hat.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Ohne Tatbestand (gemäß § 313a Abs. 1 ZPO).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, § 115 VVG zu.

Die Klägerin ist aktiv legitimiert. Sie hat zwar zunächst die Forderung hinsichtlich der Gutachterkosten an den Sachverständigen abgetreten. Der Sachverständige hat jedoch die Ansprüche gemäß Rückabtretungserklärung vom 08.05.2014 an die Klägerin rückabgetreten.

Der Klägerin stehen die restlichen Sachverständigenkosten in Höhe von 113,50 € zu. Der Bundesgerichtshof hat nunmehr in seinem Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13 – klargestellt, dass der Geschädigte einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten PKW beauftragen darf und von dem Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen kann. Als erforderlich sind nach der ständigen Rechtssprechung des Senats diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Wenn der Geschädigte die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, so ist er nach dem Begriff des Schadens und dem Zweck des Schadensersatzes wie auch nach dem letztlich auf § 242 BGB zurückgehenden Rechtsgedanken des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Schadenminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt jedoch vom Geschädigten nicht, zugunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte. Denn in dem letzteren Fall wird der Geschädigte nicht selten Verzichte üben oder Anstregungen machen, die sich im Verhältnis zum Schädiger als überobligationsmäßig darstellen und die dieser dann vom Geschädigten nicht verlangen kann. Bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs darf auch im Rahmen von Absatz 2 Satz 1 des § 249 BGB nicht das Grundanliegen dieser Vorschrift aus den Augen verloren werden, dass nämlich dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädiger ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll. Deshalb ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, das heißt, Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflußmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muß nicht zuvor eine Markforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben.

Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenhöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Letztlich sind   allerdings nicht die rechtlich geschuldeten, sondern die im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB tatsächlich erforderlichen Kosten entscheidend. Ein Indiz für die Erforderlichkeit bildet aber die Übereinstimmung des vom Geschädigten erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden getroffenen Freiheitvereinbarung, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt. Wissensstand und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten spielen mithin bereits bei der Prüfung der Erforderlichkeit des Schadensaufwandes gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB eine maßgebende Rolle. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht allerdings grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Vielmehr müssen Umstände offenkundig oder vom Schädiger dargelegt werden, nach denen der Geschädigte von vorne herein erkennen konnte, dass der Sachverständige ein überhöhtes Honorar oder überhöhte Nebenkosten in Rechnung stellen würde. Das ist im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Die Geschädigte konnte nicht von vorne herein erkennen, ob die Abrechnung nach VKS-Honorarumfrage 2011 überhöht sein würde, dies auch nicht nach Einsichtnahme. Es kann auch nicht verlangt werden, dass sich der Geschädigte einen Kostenvoranschlag beziehungsweise eine genaue Aufstellung der Kosten bei Auftragserteilung vorlegen läßt. Da die Sachverständigen grundsätzlich nach der Höhe des Schadens ihr Honorar bestimmen und auch die Aufwendungen und Nebenkosten nicht vor Begutachung des Fahrzeugs bekannt sind, lassen sich die genauen Kosten im vorhinein nicht berechnen.

Die Beklagte hat auch keine Tatsachen vorgetragen, die auf eine Verletzung gegen die Schadensminderungpflicht aus § 254 Abs. 2 BGB von Seiten der Geschädigten schließen ließe. Es ist nicht ersichtlich, dass die Geschädigte Maßnahmen unterlassen hat, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergriffen hätte. Der BGH hat hier insoweit klargestellt, dass der Geschädigte nicht verpflichtet ist zu einer Recherche nach einem günstigeren Honorarangebot und das ihm auch Ergebnisse von Umfragen bei den Mitgliedern des Sachverständigenverbandes über die Höhe der üblichen Honorare nicht bekannt sein müssen.

Die Beklagte ist daher verpflichtet, die unstreitig noch offenen Gutachterkosten in Höhe der Klageforderung zu zahlen.

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286, 288 BGB.

Der Feststellungsantrag ist ebenfalls zulässig und begründet. Das Feststellungsinteresse der Klägerin ergibt sich daraus, das die Dauer des vorliegenden Verfahrens und damit auch die Dauer der Zinszahlungpflicht der Beklagten nicht bekannt ist. Eine Verzinsung kann jedoch erst ab Eingang des Kostenfestsetzungsantrages erfolgen (Verleich § 104 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Der Antrag ist auch begründet. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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