AG Recklinghausen verurteilt mit nicht überzeugender Begründung die HUK 24 AG zur Zahlung restlicher, abgetretener Sachverstänsdigenkosten mit Urteil vom 18.4.2016 – 19 C 201/15 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

nachstehend veröffentlichen wir für Euch hier und heute ein Urteil aus Recklinghausen zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die HUK-COBURG. In diesem Fall war es die HUK 24 AG, die nicht vollständigen Schadensersatz leistete. Da der Geschädigte Anspruch auf vollen Schadensersatz hat, wurde der Restschadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht rechtshängig gemacht. Leider begab sich das erkennende Gericht bei der Prüfung der Erforderlichkeit im Sinne des § 249 BGB in werkvertragliche Bereiche, indem die Angemessenheit der Sachverständigenkosten nach der BVSK-Umfrage geprüft wurde. Dies ist ein eklatanter Widerspruch zur BGH-Rechtsprechung. Im Verfahren VI ZR 225/13 hat der BGH eindeutig entschieden, dass der Geschädigte die Ergebnisse der Honorarumfrage des BVSK nicht kennen muss. Mithin können diese Werte auch nicht Gegenstand einer gerichtlichen Schadenshöhenschätzung nach § 287 ZPO sein. Lest selbst das Urteil und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.  

Viele Grüße
Willi Wacker

19 C 201/15

Amtsgericht Recklinghausen

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

des … ,

Klägers,

gegen

die HUK 24 AG, vertr. d. d. Vorstand, Willi-Hussong-Str. 2, 96440 Coburg,

Beklagte,

hat das Amtsgericht Recklinghausen
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am
18.04.2016
durch die Richterin S.

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 145,12 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.09.2013 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtiichen Rechtsverfolgungskosten des Rechtsanwalts S. in Höhe von 70,20 EUR netto freizustellen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Ohne Tatbestand (gemäß § 313a Abs-1 ZPO).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten, die dem Grunde nach unstreitig regulierungspflichtig ist, einen Anspruch auf Ersatz restlicher Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht in Höhe von 145,12 EUR gern, §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 1 PflVG, 398 BGB.

1.
Der originäre Anspruch des Geschädigten gegen die Beklagte ist gegeben. Der Einwand die Sachverständigenkosten seien für den Geschädigten erkennbar überhöht und daher nicht zu ersetzen, bleibt ohne Erfolg.

a.
Die Kosten eines Sachverständigengutachtens gehören anerkanntermaßen zu den vom Schädiger gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zu ersetzenden Positionen, wenn die Einholung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war. Das ist bei Verkehrsunfällen regelmäßig der Fall und wird hier als solches durch die Beklagte auch nicht in Zweifel gezogen.

Der Höhe nach ist der Ersatzanspruch allerdings auf den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag beschränkt Maßgebend ist daher, ob sich die Sachverständigenkosten nach den anzuwendenden schadensrechtlichen Gesichtspunkten im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen halten (vgl. BGH, NJW  2007, 1450). Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung erforderlichen, so ist weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen (BGH, NJW 2007, 1450, 1451).

Erforderlich sind solche Kosten, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten aus gesehen als zweckmäßig und angemessen erscheinen (BGH NJW 2005, 1108 f.; BGH NJW 2007, 1450, 1451 m.w.N.). Zur Marktforschung ist der Geschädigte nicht verpflichtet (vgl. dazu BGH NJW 2005, 3134 f.; NJW 2007, 1450, 1452 m.w.N.; BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13 m.w.N.). Zu Lasten des Geschädigten selbst geht eine Überhöhung der Kosten jedoch nur bei einem Auswahlverschulden des Geschädigten oder wenn er als verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch diese Kostenüberhöhung erkennen konnte. Ist Letzteres nicht der Fall und durften die Kosten einem verständigen, wirtschaftlich denkenden Geschadigten angemessen erscheinen, sind sie selbst dann erforderlich und vom Schädiger zu ersetzen, wenn sie nicht (voll) der objektiven Erforderlichkeit entsprechen (OLG Köln NZV 1999, 88, 90; OLG Hamm NZV 2001, 433, 434; OLG Nürnberg VRS 103, 321, 325; OLG Naumburg NZV 2006, 546, 548 ausdrücklich Geigel/Knerr, Der Haftpflichtprozess, 26. Auflage, Kap. 3 Rn. 120: fehlende Erforderüchkeit nur, wenn für den Geschädigten erkennbar ist, dass die Kosten geradezu willkürlich angesetzt sind“, ebenso LG Saarbrücken, Urt v. 10.02.2011, 13 S 109/10, Bl. 53 ff, dA, dort 5. 4/5 m.w.N.).

Zum Nachweis der Erforderlichkeit gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB genügt es für den Geschädigten, die Rechnung des Sachverständigen vorzulegen; diese trägt die Vermutung der Angemessenheit in sich (BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13 m.w.N.). Diese Regelwirkung ist nicht auf Fälle beschränkt, in denen die Rechnung durch den Geschädigten tatsächlich beglichen wurde. Zwar kann jedenfalls von der nachträglichen tatsächlichen Begleichung einer Rechnung darauf geschlossen werden, dass in der Regel die in Rechnung gestellten Kosten an die Preisvereinbarung im Vorfeld anlehnen, welche -ex ante- subjektiv für erforderlich gehalten wurden (vgl. BGH, Urt. v. 22.07.2014, VI ZR 357/13). Tritt der Geschädigte seinen Anspruch gegen den Schädiger erfüllungshalber für die ihm in Rechnung gestellten Kosten des Sachverständigen an diesen ab und begleicht die Rechnung des Sachverständigen in der Folge selbst nicht, entfällt mit der Nichtbegleichung nicht die Regelwirkung, dass er die Kosten auch im Vorfeld ex ante für erforderlich gehalten hat. Denn der Geschädigte wird auch im vorliegenden Falle der Abtretung seiner Ansprüche gegen den Schädiger entsprechend der Abtretungsvereinbarung vom 21.10.2014 weiterer Schuldner für die ihm in Rechnung gestellten Kosten des Sachverständigen. Schon wenn dem Geschädigten die Kosten des Sachverständigen nur in Rechnung gestellt werden, schlagen sich insoweit mit der Schuldnerstellung die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder, auch wenn die Rechnung nicht beglichen wird.

Dem Schadensersalzschuldner verbleibt die Möglichkeit darzulegen und ggf. zu beweisen, dass der Geschädigte gegen seine Pflicht zur Schadensminderung aus § 254 Abs. 2 S. 1 Fall 2 BGB verstoßen hat, indem er bei der Schadensbeseitigung Maßnahmen unterlassen hat, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergriffen hätte (BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13).

b.
Ausgehend von diesen Grundsätzen steht dem Geschädigten ein Anspruch auf Ersatz weiterer Sachverständigenkosten in der nunmehr vom Kläger geltend gemachten Höhe zu. Das berechnete Honorar hält sich im Rahmen des Erforderlichen und Üblichen. Es konnte insbesondere nicht festgestellt werden, dass das berechnete Honorar willkürlich festgesetzt oder erkennbar überhöht ist.

Das Gericht zieht vorliegend zur Beurteilung der Erforderlichkeit der angesetzten Sachverständigenkosten die Honorarbefragung der Mitgliederbefragung des Bundesverbands der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V. (BVSK) als Anhaltspunkt heran. Diese wird als geeignete Schätzgrundiage im Rahmen des § 287 ZPO angesehen (s. aktuell insbesondere AG Hattingen, Beschiuss vom 24.02.2016 – 16 C 99/14).

Es kann von der Erforderlichkeit i.S.v. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB eines von einem Sachverständigen in Rechnung gestellten Grundhonorars ausgegangen werden, wenn es sich innerhalb dieses Korridors bewegt (so auch LG Saarbrücken, NJW 2012, 3658).

Maßgeblich ist vorliegend die Honorarbefragung des Jahres 2013, da sich der schadensbegründende Verkehrsunfall Mitte 2013 ereignete.

Der HB V Korridor der BVSK 2013 für die hier einschlägige Nettoschadenshöhe von bis zu 7.000,00 EUR liegt bei 636,00 EUR bis 690,00 EUR. Die vom Sachverständigen für das Grundhonorar angesetzten 725,00 EUR liegen nur geringfügig oberhalb des Korridors.

Auf der Grundlage der vorliegenden Überschreitung der BVSK-Sätze zum Grundhonorar kann vorliegend ein schuldhafter Verstoß des Geschädigten gegen seine Schadenaminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 BGB nicht festgestellt werden. Es ist nicht ersichtlich, dass das Übersteigen der üblichen Kosten für den Geschädigten erkennbar war.

Zudem erscheint eine Überschreitung des Korridors für das Grundhonorar weniger gewichtig, wenn Positionen, welche bei den Befragten als Nebenkosten abgerechnet werden, beim Kläger als Teil des pauschalierten Grundhonorars abgerechnet werden.

Weder musste der Geschädigte die Preiskalkulation des Sachverständigen im Einzelnen oder musste diese in Erfahrung bringen, noch musste ihm das Ergebnis der Honorarbefragung bekannt sein (s. etwa BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13).

Die hier vorliegende Überschreitung des Grundhonorars bietet der Höhe nach noch keinen Anhaltpunkt dafür, dass der Geschädigte eine etwaige Geltendmachung eines tatsächlich nicht erforderlichen Aufwands durch den Sachverständigen hätte erkennen müssen.

c.
Die abgerechneten Nebenkosten (Fotokosten von jeweils 2,00 EUR und 7,50 EUR als pauschale Kosten für Porto) halten sich innerhalb des aus der BVSK-Honorarbefragung ersichtlichen HB V-Korridors. Eine fehlende Erforderlichkeit war auch nicht für den Geschädigten erkennbar. Die Preisliste des Klägers ist in seinem Büro sichtbar in der Nähe der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgehangen, welche auf den Anfall von Nebenkosten ausdrücklich hinweisen.

2.
Auch der dolo-agit- Einwand gem. § 242 BGB, der Kläger habe selbst gegen eine Hinweispflicht verstoßen, kann dem Anspruch des Klägers nicht mit Erfolg entgegengehalten werden.

Die Beklagte kann keine Ansprüche aus einem etwaigen Vertrag mit Schutzwrrkung zu Gunsten Dritter herleiten. Ein solcher Anspruch setzt nämlich voraus, dass der Sachverständige eine Pflicht im Verhältnis zum Geschädigten verletzt hat. Eine solche Pflichtverletzung in Form einer missachteten Hinweispflicht liegt aber nicht vor. Eine Hinweispflicht auf eine etwaige „Überhöhung“ seiner Kosten aus Sicht der Versicherungen liegt nur dann vor, wenn dem Geschädigten ein Rechtsverlust droht. Dies ist unter Bezugnahme auf obige Ausführungen unter Ziffer 1. nicht der Fall, nachdem der Geschädigte mangels Erkennbarkeit einer etwaigen Überhöhung jedenfalls einen Anspruch auf Erstattung der gesamten in Rechnung gestellten Kosten des Sachverständigen hat.

3.
Die Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten folgt aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 398 BGB.

Die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts war aus Sicht des Klägers zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig. Der Sachverständige musste trotz der Teilzahlung und der Ablehnung einer weiteren Zahlung nicht einen unbedingten Klageantrag erteilen und auf eine vorgerichtliche rechtliche Auseinandersetzung unter Zuhilfenahme eines Anwalts verzichten. Eine vorgerichtliche Hinzuziehung eines Anwalts war auch für den Kläger erforderlich, welcher zwar über rechtliche Grundkenntnisse im Zusammenhang mit der Sachverständigenrestvergütung verfügt, sich mit diesen aber nicht begnügen muss.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Der Streitwert wird auf 145,12 EUR festgesetzt.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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