Prozessvollmacht der Versicherungsanwälte entspricht in vielen Fällen nicht den gesetzlichen Vorgaben.

Folgender Bericht wurde uns zur Veröffentlichung zugeleitet:

Ich wurde kürzlich von Kollegen in einem Seminar gebeten, meine folgenden Erfahrungen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, was hiermit erfolgen soll.

In letzter Zeit kommt es wieder verstärkt zu typisiertem Bestreiten der Aktivlegitimation durch die inzwischen für nahezu alle Versicherer auftretende Großkanzlei mit drei Buchstaben aus Köln.

Es lohnt sich daher, diese oft unsinnige Förmelei einmal umzudrehen und die ordnungsgemäße Bevollmächtigung und damit Vertretungsberechtigung der Kollegen zu bestreiten – mit überraschender Folge:

In weit über 12 Verfahren vor dem Amtsgericht Frankfurt ist es den Kollegen nicht gelungen, eine solche, den gesetzlichen Voraussetzungen genügende Vollmacht, vorzulegen. Im Gegenteil: es werden stets nichtssagende Blätter mit unleserlicher Unterschrift von nur einer (unbekannten) Person vorgelegt und anschließend immer wieder Fristverlängerungen mit diversen Ausreden beantragt! Die Kollegen tun sich mit der Vorlage einer Vollmacht derart schwer, dass es nahezu nicht zu glauben ist.

Fakt ist: Alle Versicherer müssen durch 2 Prokuristen oder Vorstandsmitglieder vertreten werden.

Diese sind namentlich auf der Vollmacht zu benennen – UND durch Vorlage eines HR-Auszuges aktuellen Datums der Nachweis zu erbringen, dass die bezogenen Personen tatsächlich vertretungsbefugt sind.
Das bedeutet, die „Vollmachten“ von den Kollegen auf Beklagtenseite so lange bestreiten, bis ein umfassender HR-Auszug mit allen Belegen und Nachweisen vorliegt.

Die Anwälte der Kölner Kanzlei haben teilweise mehrere Monate (!!!) benötigt, um auch nur ansatzweise irgendein Papier vorzulegen, was nicht nur äußerst peinlich ist, sondern deutlich macht, dass man dort wesentlicher lascher mit Formalien umgeht, die umgekehrt von den Kollegen auf Geschädigtenseite aber vehement verlangt und verfolgt werden.

Ebenfalls nahezu unbekannt, aber äußerst hilfreich ist dabei der Hinweis auf § 89 ZPO, nach dem die Kollegen selbst in die Kosten des Verfahrens verurteilt werden können, wenn sie eine Vollmacht nicht binnen zu setzender Frist vorlegen können! Dies eröffnet einige Möglichkeiten, den Spieß einmal umzudrehen.

Wenn also seitens der Geschädigtenvertreter häufiger diese oft als sinnlose Förmelei angesehene Einwendung vorgebracht wird, zwingt man die rein mit Textbausteinen ohne besondere Arbeit tätigen Kollegen auf Beklagtenseite dazu, selbst einmal aus dem Trott zu geraten und den von ihnen selbst stets geforderten Formalia nachzugehen – und dabei zu erkennen, dass dies teilweise gar nicht einfach ist.

Unter dem Strich führt dies letztendlich hoffentlich dazu, dass man sich auf Seiten der Beklagtenvertreter wieder darauf besinnt, sich in Streitverfahren auf die Sache zu fokussieren.

Anmerkung der Redaktion:

Diese Vorgehensweise betrifft nicht nur die beschrieben Kanzlei in Köln, sondern beobachten wir auch bei Prozessen anderer Anwaltskanzleien, die für Versicherer tätig sind. Auch bei Klageverfahren gegen den Versicherungsnehmer liegt oftmals keine ordnungsgemäße Prozesvollmacht durch den VN vor. Hier wird häufig mit einer Vollmacht der Versicherung des VN operiert, die jedoch in vielen Fällen nicht einmal den gesetzlichen Vorgaben genügt (s.o.).

Deshalb sollte man stets die ordnungsgemäße Bevollmächtigung der Schädiger-/Versicherungsanwälte bestreiten – auch, oder gerade weil dies einige Richtern nicht so genau nehmen (wollen).

Das führt oftmals zu überraschenden Erkenntnissen und ggf. Ergebnissen => § 89 ZPO.

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9 Antworten zu Prozessvollmacht der Versicherungsanwälte entspricht in vielen Fällen nicht den gesetzlichen Vorgaben.

  1. Urteilsbeobachter sagt:

    Die Versicherer sollten aufmerken: Wie du mir, so ich dir!

  2. virus sagt:

    Die aus Köln werden wohl über Gebühr bezahlt, kochen aber auch nur mit Wasser.

    Und aus Sicht der beklagten Versicherungsnehmer, nach § 127 VVG zwingend den Rechtsanwalt eigener Wahl beauftragen und grundsätzlich mit zum Termin gehen. Die so gemachten Erfahrungen werden im umgekehrten Fall – Durchsetzung eigener Ansprüche – blankes Geld wert sein.

    § 127
    Freie Anwaltswahl

    (1) Der Versicherungsnehmer ist berechtigt, zu seiner Vertretung in Gerichts- und Verwaltungsverfahren den Rechtsanwalt, der seine Interessen wahrnehmen soll, aus dem Kreis der Rechtsanwälte, deren Vergütung der Versicherer nach dem Versicherungsvertrag trägt, frei zu wählen. Dies gilt auch, wenn der Versicherungsnehmer Rechtsschutz für die sonstige Wahrnehmung rechtlicher Interessen in Anspruch nehmen kann.

    (2) Rechtsanwalt ist auch, wer berechtigt ist, unter einer der in der Anlage zu § 1 des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland vom 9. März 2000 (BGBl. I S. 182, 1349), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Oktober 2003 (BGBl. I S. 2074) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung genannten Bezeichnungen beruflich tätig zu werden.

  3. Zweite Chefin sagt:

    Und was passierte mit den mehr als 12 Verfahren während der Monate, in denen die Beklagtenanwälte nicht in die Pötte kamen ?
    Wurden deren Schriftsätze ignoriert ? Wurden ergebnislos abgelaufene Fristen sanktioniert ?
    Ich bezweifel ernsthaft, dass sich „unsere“ Richter von solchem Bestreiten beeindrucken, geschweige denn im Verfahrensgang ausbremsen lassen, wenn es „hier“ nicht einmal gelingt, § 79 ZPO zur Anwendung zu verhelfen …

  4. Wilm Bartmann sagt:

    Lob an die Redaktion!
    Ein hervorragender Beitrag!

  5. RA Leif Hermann Kroll sagt:

    @Zweite Chefin:
    Interessant wird es ja im sog. Anwalsprozeß vor dem Landgericht. Wenn die Beklagtenvertreter nicht bevollmächtigt sind, liegt eine – dann unwirksame – Verteidigungsanzeige eines nicht postualationsfähigen Vertreters vor und das Gericht sollte auf den bereits gestellten Antrag auf Erlaß eines Versäumnisurteils hingewiesen werden. Wenn das Gericht dieses über Gebühr verweigert, dürfte die Besorgnis der Befangenheit begründet sein.

  6. RA Schepers sagt:

    @ virus
    § 127 VVG gilt für Rechtsschutzversicherungen. Sie sprechen den Fall an, daß der Versicherungsnehmer verklagt wird. Für die Abwehr von Ansprüchen ist die Haftpflichtversicherung zuständig, nicht die Rechtsschutzversicherung. Da hilft § 127 VVG nicht weiter.

  7. virus sagt:

    Herr Schepers, da sind Sie aber ein wenig auf dem Holzweg. VVG 127 Satz 1) – „Der Versicherungsnehmer ist berechtigt, zu seiner Vertretung in Gerichts- und Verwaltungsverfahren den Rechtsanwalt, der seine Interessen wahrnehmen soll, ….“ und „Dies gilt auch, wenn der Versicherungsnehmer Rechtsschutz …..“

    Also „seine Interessen“ – weil die Interessen des Versicherers nicht immer identisch mit den Interessen des Versicherten sind. Und. „AUCH“ wenn der Rechtsschutz-Versicherte diese in Anspruch nimmt, hat er das Recht der freien Anwaltswahl.

    Siehe auch: „EuGH entscheidet zur freien Anwaltswahl im Rahmen eines Rechtschutzversicherungsverhältnisses mit Urteil vom 7.11.2013 – C-442/12 – unter Bezugnahme auf das Unionsrecht

    Der elfte Erwägungsgrund der Richtlinie 87/344 lautet:

    „Das Interesse des Rechtsschutzversicherten setzt voraus, dass Letzterer selbst seinen Rechtsanwalt oder eine andere Person wählen kann, die die nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften im Rahmen von Gerichts- und Verwaltungsverfahren anerkannten Qualifikationen besitzt, und zwar immer, wenn es zu einer Interessenkollision kommt.“

    Quelle: CH: EuGH entscheidet zur freien Anwaltswahl im Rahmen eines Rechtschutzversicherungsverhältnisses mit Urteil vom 7.11.2013 – C-442/12 -.

    Wollte man, dass für Haftpflichtversicherte anderes gilt als für Rechtsschutzversicherte läge eine Missachtung des GG, Artikel 3 vor: (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

    Danach sind aus meiner Sicht sämtliche Anwaltskosten vom Kläger zu tragen, wenn er meint, Versicherer, Schädiger und, und …. den Streit verkünden zu müssen, aber den Rechtsstreit nicht bzw. nur teilweise gewinnt. Bzw., hat der Versicherer auch die Kosten für den Anwalt seines Versicherten zu tragen, weil er (gerichtlich festgestellt) unberechtigt Schadensersatzansprüche nicht gezahlt hat.

  8. RA Schepers sagt:

    @ virus

    Wenn Sie hier so was verbreiten, dann stellen Sie doch bitte klar, daß das Ihre höchstpersönliche Meinung ist, die Sie weder durch den Gesetzestext noch durch Urteile belegen können…

  9. virus sagt:

    @ Schepers „… so was …“?

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