AG Otterndorf entscheidet mit mäßiger Begründung zu den restlichen Mietwagenkosten und mit vorzüglicher Begründung zu den restlichen Reparaturkosten mit Urteil vom 30.1.2017 – 2 C 451/16 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

zum Wochenende stellen wir Euch hier noch ein Urteil aus Otterndorf zu den restlichen Reparaturkosten und zu den Mietwagenkosten vor. Die Beurteilung der restlichen Mietwagenkosten ist nur mittelmäßig ausgefallen, da das erkennende Gericht die nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall erforderlichen Mietwagenkosten, weil das verunfallte Fahrzeug repariert wurde, auf der Basis eines Mittelwertes bestimmte. Woher sollte der Geschädigte bei Vertragsabschluss – auf diesen Zeitpunkt kommt es beim Schadensersatzrecht entscheidend an – wissen, ob Schwacke oder Fraunhofer oder der Mittelwert maßgeblich sein soll? Darüber hinaus hatte sich der Geschädigte vernünftig verhalten, als er zum Schwacke-Tarif anmietete, denn immerhin hatte der BGH den Schwacke-Mietpreisspiegel als geeignete Schätzgrundlage für die erforderlichen Mietwagenkosten anerkannt. Die Ex-post-Betrachtung ist auf den Ex-ante-Zeitpunkt vorzunehmen (vgl. BGH VI ZR 67/06). Insoweit leidet das Urteil an Mängeln. Bei den Reparaturkosten erfolgt dann ein Feuerwerk an juristischer Kompetenz durch das erkennende Gericht:

„Die Reparatur ist der Klägerin durch die Werkstatt in Rechnung gestellt worden und die Kosten hierfür sind ihr gegenüber mit der Rechnung vom 22.7.2016 geltend gemacht worden. Die Klägerin ist mit dem Betrag also tatsächlich belastet. Die Beklagte hat damit die in Rechnung gestellten Reparaturkosten im Rahmen der konkreten Schadensabrechnung zu erstatten. Selbst wenn die in der Rechnung geltend gemachten Fremdlackierkosten der Werkstatt gegenüber nicht geltend gemacht worden wären, so hätte die Beklagte die Kosten hierfür zu ersetzen. Denn die Klägerin ist auch mit dieser Forderung belastet. Sie hat keine Möglichkeit, den Anfall dieser Kosten zu überprüfen. Die Ersatzpflicht des Schädigers erstreckt sich auch auf Mehrkosten, die ohne Schuld des Geschädigten durch unsachgemäße Maßnahmen der von ihm beauftragten Werkstatt verursacht worden sind (Palandt/Grüneberg, BGB, § 249, Rn. 13; OLG Hamm, Urteil vom 31.01.1995, Az. 9 U 168/94; BGH, Urteil vom 29.10.1974, Az. VI ZR 42/73, Rz. 12 = BGHZ 63, 182 ff.). Dem Schädiger wird ein eventuelles Fehlverhalten Dritter, die der Geschädigte zur Schadensbeseitigung hinzuzieht, zugerechnet; dieses unterbricht namentlich nicht den Zurechnungszusammenhang (Palandt/Grüneberg, BGB, Vorb v § 249, Rn. 47). Maßgeblich sind die tatsächlich angefallenen Reparaturkosten, wenn der Geschädigte insoweit seine Obliegenheiten zur Schadensminderung berücksichtigt hat (BGH, Urteil vom 29.10.1974, Az. VI ZR 42/73). … Denn zur Schadensregulierung muss der Geschädigte das Fahrzeug in die Hände von Fachleuten übergeben, denen er den Reparaturauftrag erteilt hat. Die Schadensbeseitigung muss damit in einer fremden, vom Geschädigten nicht kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden, so dass kein Grund ersichtlich ist, dem Schädiger im Rahmen des § 249 BGB das Werkstattrisiko abzunehmen (BGH, Urteil vom 29.10.1974, Az. VI ZR 42/73, Rz. 10). Dem Schädiger ist damit die Möglichkeit entzogen, den Geschädigten darauf zu verweisen, einer übersetzten Forderung seine Einwände entgegen zu halten, vielmehr ist er durch die Möglichkeit der Abtretung möglicher Ausgleichsansprüche gegen die Reparaturwerkstatt ausreichend geschützt (BGH, Urteil vom 29.10.1974, Az. VI ZR 42/73, Rz. 13).“

Damit hat der VI. Zivilsenat des BGH ausdrücklich den Reparateur als Erfüllungsgehilfen des Schädigers anerkannt. Diese Überlegungen zur Reparaturwerkstatt als Erfüllungsgehilfen gelten selbstverständlich auch für die Mietwagenfirmen und die Sachverständigen sowie die Abschlepper, denn sämtliche sind Erfüllungsgehilfen des Schädigers bei der Wiederherstellung des vor dem Unfall bestehenden Zustandes. Für den Mietwagenunternehmer, den Sachverständigen und den Abschlepper kann daher nichts anderes gelten als das, was der BGH bereits für den Reparateur entschieden hat (vgl. BGH VI ZR 42/73 = BGHZ 63, 182 ff.; vgl. auch Imhof/Wortmann DS 2011, 149 ff. ). Man muss nur statt Werkstatt, die Worte Sachverständiger, Mietwagenfirma oder Abschleppfirma einsetzen. Warum die erkennende Amtsrichterin des AG Otterndorf allerdings die Miewtwagenkosten und die Reparaturkosten unterschiedlich beurteilt, bleibt ihr Geheimnis. Es wäre interessant zu erfahren, weshalb die Amtsrichterin bei den Mietwagenkosten die Angemessenheit nach irgendwelchen Listen dezidiert „überprüft“ und dann bei den Reparaturkosten auf das Nichtwissen des Geschädigten nebst vollständiger Begleichung der (möglicherweise fehlerhaften) Reparaturrechnung sowie auf den Forderungsausgleich verweist. Schadensposition ist doch Schadensposition bei konkreter Schadensabrechnung, oder? Was denkt Ihr? Lest selbst das zur Reparatur ausgezeichnet begründete Urteil und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Viele Grüße und ein schönes Wochenende.
Willi Wacker

Amtsgericht
Otterndorf

2 C 451/16                                                                                            Verkündet am 30.01.2017

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

Klägerin

gegen

Allianz Versicherungs-AG diese vertreten durch den Vorstand Dr. A.Vollert, K. Crede, Dr. M. Hofmann u.a., Königinstraße 28, 80802 München

Beklagte

hat das Amtsgericht Otterndorf auf die mündliche Verhandlung vom 09.01.2017 durch die Richterin am Amtsgericht Dr. B. für Recht erkannt:

1.     Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 898,73 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 02.12.2016 zu zahlen.

2.     Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3.     Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls, der sich am xx.07.2016 gegen 10:00 Uhr auf dem Parkplatz der Weser-Elbe-Sparkasse in Otterndorf ereignete. Die alleinige Haftung der Beklagten für die durch den Unfall entstandenen Schäden der Klägerin ist zwischen den Parteien unstreitig. Im Streit steht lediglich die Höhe des geltend gemachten Schadensersatzes.

Die Klägerin ließ ihr Fahrzeug vom Kfz-Sachverständigenbüro … begutachten. Nach diesem Gutachten belaufen sich die Reparaturkosten auf netto 2.532,34 EUR (Anlage K1, Bl. 6ff. d.A.). Die Klägerin ließ ihr Fahrzeug reparieren. Das Reparaturunternehmen Autohaus … stellte der Klägerin die Reparaturkosten in Höhe von 3.004,18 EUR in Rechnung (Anlage K2, Bl. 22f. d.A.). Für den Reparaturzeitraum mietete die Klägerin ein Fahrzeug von der Reparaturwerkstatt Autohaus … . Für die Anmietung über den Zeitraum von 5 Tagen stellte das Autohaus der Klägerin Mietwagenkosten in Höhe von 541,86 EUR in Rechnung (Anlage K3, Bl. 24 d.A.).

Die Beklagte leistete Zahlung in Höhe von 2.200,00 EUR auf die Reparaturkosten sowie 447,31 EUR auf die Mietwagenkosten.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Ersatz weiterer Reparaturkosten in Höhe von noch 804,18 EUR sowie weiterer Mietwagenkosten in Höhe von noch 94,55 EUR.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 898,73 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die Mietwagenkosten seien überhöht. Der von dem Autohaus … in Rechnung gestellte Tarif entspreche nicht dem ortsüblichen Vergleichspreis. Es handele sich vielmehr um einen überteuerten Unfallersatztarif. Die Beklagte bestreitet außerdem mit Nichtwissen, dass dem Reparaturbetrieb Autohaus … die in der Rechnung geltend gemachten Lackierkosten von dem Lackierbetrieb tatsächlich in Rechnung gestellt wurden. Zur Überprüfung der geltend gemachten Fremdlackierkosten habe die Klägerin die Fremdlackierrechnung vorzulegen.

Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.

I.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 7 Abs. 1, 17, 18 StVG, 823 BGB bzw. §§ 7 Abs. 1, 17, 18 StVG, 115 Abs. 1 VVG zu.

Die Haftung der Beklagten für den Schaden der Klägerin ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig. Die Parteien streiten über die Höhe des zu leistenden Schadensersatzes.

Nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB hat der Schädiger den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen (BGH, Urteil vom 23.01.2007, Az. VI ZR 67/06, Rz. 13). Er hat hierzu den Finanzierungsbedarf des Geschädigten in Form des zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrags zu befriedigen (BGH, Urteil vom 23.01.2007, Az. VI ZR 67/06, Rz. 13).

1.

Zur Wiederherstellung des Zustandes vor dem Unfallgeschehen hat die Beklagte dem Kläger weitere Mietwagenkosten in Höhe von 94,55 EUR zu ersetzen.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung kann der Geschädigte eines Verkehrsunfalls vom Schädiger und seiner Haftpflichtversicherung gemäß § 249 BGB Ersatz derjenigen Mietwagenkosten als erforderlichen Herstellungsaufwand verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig erachten darf, wobei er nach dem Grundsatz der Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit gehalten ist, im Rahmen des ihm zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlichen Weg zur Schadensbehebung zu wählen (BGH, Urteil vom 12.04.2011, Az. VI ZR 300/09, Rz. 10).
Den Anforderungen an die Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit hält der von der Klägerin verlangte Tarif stand.

Das Gericht macht von seiner Möglichkeit der Schätzung gemäß § 287 Abs. 1 ZPO Gebrauch. Mit der Schwacke-Liste und dem Fraunhofer-Mietpreisspiegel stehen Schätzgrundlagen zur Verfügung, auf deren Basis die Schadenschätzung erfolgen kann und die ein Sachverständigengutachten über die Frage der Angemessenheit der Mietwagenkosten entbehrlich machen.

Beide Schätzgrundlagen sind zur Schadensschätzung als generell geeignet anzusehen (BGH, Urteil vom 12.04.2011, Az. VI ZR 300/09, Rz. 18). Die Kombination aus beiden Schätzgrundlagen erachtet das Gericht in Anlehnung an die obergerichtliche Rechtsprechung des OLG Celle (Urteil vom 29.02.2012, Az. 14 U 49/11, Rz. 14ff.) als adäquate Schätzgrundlage.

Sofern die Beklagte die Kritik an der Schwackeliste auf von ihr beigebrachte Angebote stützt und damit die Ungeeignetheit dieser Liste zu begründen versucht, sind diese nicht berücksichtigungsfähig. Es handelt sich um Angebote, die als sogenannte „screen-shots“ dem Internet entnommen wurden. Dem Geschädigten kann aber nicht zugemutet werden, im Internet nach einem besonders günstigen Anbieter zu forschen. Auch ist nicht erkennbar, dass diese Angebote dem Geschädigten zum tatsächlichen Anmietzeitraum zur Verfügung gestanden hätten und unter welchen besonderen Bedingungen diese Angebote bestanden. An der Vergleichbarkeit der von der Beklagten vorgelegten Internetangebote mangelt es schon deshalb, da sich aus diesen Angeboten mangels konkreter Angaben zum Fahrzeugmodell kein Vergleich mit einer bestimmten Fahrzeuggruppe der Schwacke-Liste bzw. Fraunhofer-Tabelle ziehen lässt. Das Angebot bezieht sich jeweils nur auf eine bestimmte Fahrzeugklasse und benennt dazu dann Beispielfahrzeuge („VW Touran oder ähnlich“; „VW Passat Variant oder ähnlich“). Damit ist aber nicht sichergestellt, dass das beispielhaft angebotene Fahrzeug dem Mieter auch zur Verfügung gestellt wird und damit dem vom jeweiligen Geschädigten tatsächlich angemieteten Fahrzeug sowie dem jeweiligen Unfallwagen vergleichbar ist, die die Klägerin anhand der Schwacke-Liste in die Gruppe 7 eingruppiert hat. Dass Fahrzeuge unterschiedlicher Hersteller selbst dann, wenn sie derselben Fahrzeugklasse angehören und vergleichbar motorisiert sind in der Schwacke-Liste (und in der entsprechenden Tabellenspalte der Fraunhofer-Tabelle) in unterschiedlichen Fahrzeuggruppen eingruppiert sein können, erklärt sich nachvollziehbar und sachgerecht, wenn die zum Teil erheblichen Divergenzen in den Anschaffungspreisen berücksichtigt werden (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.08.2011, Az. 7 U 109/11, Rz. 61 f). Soweit die Beklagte behauptet, die von ihr angegebenen Fahrzeuge seien zu den von ihr recherchierten Preisen zum hier streitgegenständlichen Zeitpunkt unter den vorliegend gegebenen Umständen zugänglich gewesen und dies unter Beweis gestellt hat durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens, war diesen Beweisangeboten nicht nachzugehen. Die Internet-Angebote sind nämlich mit den konkreten Anmietbedingungen nicht vergleichbar. Das vorgelegte Internetangebot der Beklagten betrifft einen anderen Anmietzeitraum als den tatsächlichen Anmietzeitraum (nämlich Dezember statt Juli 2016). Die Behauptung der Beklagten, trotzdem entspreche der sich aus den Internetangeboten ergebende Preis dem im Juli 2016 geforderten Preis, erfolgt ersichtlich ins Blaue hinein (ebenso OLG Celle, Urteil vom 29.02.2012, Az. 14 U 49/11, Rz. 25). Je nach Mietzeitraum und Klassenkategorie ergeben sich ständig Preissenkungen oder Erhöhungen. Dem von der Beklagten angebotenen Sachverständigenbeweis für die Behauptung, das Preisniveau sei gleich geblieben, war deshalb nicht nachzugehen. Schließlich scheitert eine Vergleichbarkeit auch bereits daran, als nicht ersichtlich ist, in welcher Höhe hinsichtlich der Vollkaskoversicherung ein Selbstbehalt eingepreist ist. Das von der Klägerin genutzte Leihfahrzeug verfügte über eine Vollkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung.

a) Danach ergibt sich folgende Berechnung:

396,11 EUR (Schwacke-Mittel für 3 Tage; It. OLG Celle, Urteil vom 30.09.2009, Az. 14 U 63/09, Rz. 41 ist eine Rückstufung auch bei älteren Fahrzeugen grundsätzlich nicht vorzunehmen und gemäß Rz. 45 ist das in der Schwacke-Liste angegebene arithmetische Mittel heranzuziehen) + 225,13 EUR (Fraunhofer-Mittel für 3 Tage) = 621,24 EUR : 2 = 310,62 EUR (= Mittel Fraunhofer/Schwacke) : 3 = 103,54 EUR x 5 (Tage) = 517,70 EUR – 5 % (entsprechend OLG Celle, Urteil vom 30.09.2009, Az. 14 U 63/09, Rz. 31; OLG Celle, Urteil vom 29.02.2012, Az. 14 U 49/11, Rz. 42; = 25,89 EUR) = 491,81 EUR.

b)  Darüber hinaus sind auch die geltend gemachten Nebenkosten in Höhe von 252,85 EUR erstattungsfähig.

Abzurechnen sind die Nebenkosten im Falle der hier vorgenommenen abstrakten Berechnung der erstattungsfähigen Mietwagenkosten anhand des arithmetischen Mittels der Schwackeliste ebenfalls abstrakt und nicht nach der tatsächlich in Rechnung gestellten Höhe (vgl. OLG Celle, Urteil vom 29.02.2012, Az. 14 U 49/11, Rz. 62).

Die Beklagte hat den Anfall der Nebenkosten nicht bestritten.

Demnach hat die Klägerin zunächst Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Vollkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung. Im Falle der Einpreisung einer Vollkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung unter 500,00 EUR sieht die Schwackeliste für die Fahrzeugklasse 7 ein arithmetisches Mittel in Höhe von 22,08 EUR vor. Für den Fall der Reduzierung der Selbstbeteiligung auf 0 EUR sieht die Schwacke-Nebenkosten-Liste nichts vor. In Anlehnung an die Rechtsprechung des OLG Celle (Urteil vom 29.02.2012, Az. 14 U 49/11, Rz. 86), wo eine 50 %ige Erhöhung der Preise aus der Schwacke-Nebenkostentabelle für eine Reduzierung der Selbstbeteiligung auf 300,00 EUR bis 350,00 EUR vorgenommen wurde, erhöht das Gericht die Preise aus der Nebenkostentabelle um 75 %, sodass sich ein zugrunde zu legender Wert von 38,64 EUR täglich und für 5 Tage ein Wert von 193,20 EUR ergibt.

Die Klägerin hat darüber hinaus Anspruch auf Ersatz der Kosten für einen Zusatzfahrer in Höhe von 11,93 EUR x 5 = 59,65 EUR.

c) Auf dieser Basis ergeben sich Mietwagenkosten auf Basis der Schwacke-/Fraunhoferliste in Höhe von 491,81 EUR + Nebenkosten in Höhe von 252,85 EUR = 744,66 EUR. Dieser Betrag übersteigt mithin die in Rechnung gestellten 541,86 EUR. Hierauf hat die Beklagte 447,31 EUR geleistet, so dass ein Restbetrag von 94,55 EUR verbleibt.

2.

Der Klägerin stehen die mit Rechnung vom 22.07.2016 durch die Reparaturwerkstatt Autohaus … geltend gemachten Reparaturkosten in voller Höhe zu. Die Beklagte hat die Kürzung der Reparaturkosten zu Unrecht vorgenommen.

Nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB hat der Schädiger den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen (BGH, Urteil vom 23.01.2007, Az. VI ZR 67/06, Rz. 13). Er hat hierzu den Finanzierungsbedarf des Geschädigten in Form des zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrags zu befriedigen (BGH, Urteil vom 23.01.2007, Az. VI ZR 67/06, Rz. 13). Erforderlich in diesem Sinne sind alle Aufwendungen, die „vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen“ (BGH, Urteil vom 15.02.2005, Az. VI ZR 70/04, Rz. 9).

a) Als erforderlich anzusehen sind vorliegend ohne Prüfung ihrer Angemessenheit die der Klägerin von der Reparaturwerkstatt in Rechnung gestellten Instandsetzungskosten.

In der Werkstatt, in die die Klägerin ihr verunfalltes Fahrzeug verbracht hat, ist die Reparatur durchgeführt worden und der Klägerin mit der Rechnung vom 22.07.2016 in Rechnung gestellt worden. Soweit die Beklagte mit Nichtwissen bestreitet, dass der Reparaturwerkstatt die Fremdlackierkosten durch den Lackierbetrieb tatsächlich in Rechnung gestellt wurden und dazu ausführt, sie dürfe die Zahlung verweigern, weil ihr die Fremdlackierrechnung nicht vorgelegt wurde, so steht dies der Erstattungspflicht nicht entgegen. Die Reparatur ist der Klägerin durch die Werkstatt in Rechnung gestellt worden und die Kosten hierfür sind ihr gegenüber mit der Rechnung vom 22.07.2016 geltend gemacht worden. Die Klägerin ist mit dem Betrag also tatsächlich belastet. Die Beklagte hat damit die in Rechnung gestellten Reparaturkosten im Rahmen der konkreten Schadensabrechnung zu erstatten. Selbst wenn die in der Rechnung geltend gemachten Fremdlackierkosten der Werkstatt gegenüber nicht geltend gemacht worden wären, so hätte die Beklagte die Kosten hierfür zu ersetzen. Denn die Klägerin ist auch mit dieser Forderung belastet. Sie hat keine Möglichkeit, den Anfall dieser Kosten zu überprüfen. Die Ersatzpflicht des Schädigers erstreckt sich auch auf Mehrkosten, die ohne Schuld des Geschädigten durch unsachgemäße Maßnahmen der von ihm beauftragten Werkstatt verursacht worden sind (Palandt/Grüneberg, BGB, § 249, Rn. 13; OLG Hamm, Urteil vom 31.01.1995, Az. 9 U 168/94; BGH, Urteil vom 29.10.1974, Az. VI ZR 42/73, Rz. 12 =  BGHZ 63, 182 ff.). Dem Schädiger wird ein eventuelles Fehlverhalten Dritter, die der Geschädigte zur Schadensbeseitigung hinzuzieht, zugerechnet; dieses unterbricht namentlich nicht den Zurechnungszusammenhang (Palandt/Grüneberg, BGB, Vorb v § 249, Rn. 47). Maßgeblich sind die tatsächlich angefallenen Reparaturkosten, wenn der Geschädigte insoweit seine Obliegenheiten zur Schadensminderung berücksichtigt hat (BGH, Urteil vom 29.10.1974, Az. VI ZR 42/73 = BGHZ 63, 182ff.). Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung wird „der danach erforderliche Herstellungsaufwand nicht nur durch Art und Ausmaß des Schadens, die örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten für seine Beseitigung, sondern auch von den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten mitbestimmt, so auch durch seine Abhängigkeit von Fachleuten, die er zur Instandsetzung des Unfallfahrzeugs heranziehen muss“ (BGH, Urteil vom 29.10.1974, Az. VI ZR 42/73, Rz. 9). Denn zur Schadensregulierung muss der Geschädigte das Fahrzeug in die Hände von Fachleuten übergeben, denen er den Reparaturauftrag erteilt hat. Die Schadensbeseitigung muss damit in einer fremden, vom Geschädigten nicht kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden, so dass kein Grund ersichtlich ist, dem Schädiger im Rahmen des § 249 BGB das Werkstattrisiko abzunehmen (BGH, Urteil vom 29.10.1974, Az. VI ZR 42/73, Rz. 10). Dem Schädiger ist damit die Möglichkeit entzogen, den Geschädigten darauf zu verweisen, einer übersetzten Forderung seine Einwände entgegen zu halten, vielmehr ist er durch die Möglichkeit der Abtretung möglicher Ausgleichsansprüche gegen die Reparaturwerkstatt ausreichend geschützt (BGH, Urteil vom 29.10.1974, Az. VI ZR 42/73, Rz. 13).

Die von der Reparaturwerkstatt in Rechnung gestellten Kosten sind begrifflich nur ein Anhalt zur Bestimmung des erforderlichen Reparaturaufwands im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB, der sich danach richtet, was zur Instandsetzung des Unfallfahrzeugs von dem Geschädigten bei wirtschaftlich vernünftigem Vorgehen aufgewendet werden muss (BGH, Urteil vom 29.10.1974, Az. VI ZR 42/73, Rz. 10). Deshalb kann die Reparaturkostenrechnung der Werkstatt dem nach § 249 Abs. 2 BGB für die Instandsetzung des Fahrzeugs geschuldeten Betrag nicht ungeprüft gleichgesetzt werden, so dass der Geschädigte nachzuweisen hat, dass er wirtschaftlich vorgegangen ist, also bei der Beauftragung und Überwachung der Reparaturwerkstatt den Interessen des Schädigers an der Geringhaltung des Herstellungsaufwandes Rechnung getragen hat (BGH, Urteil vom 29.10.1974, Az. VI ZR 42/73, Rz. 14).

b) Die Klägerin hat vorliegend die Instandsetzungsarbeiten unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze veranlasst. Insbesondere ist die Klägerin im Rahmen ihrer Erkenntnismöglichkeiten wirtschaftlich vorgegangen. Sie hat bei der Auftragsvergabe das Gebot der Wirtschaftlichkeit beachtet. Dass die Reparaturrechnung möglicherweise überzogen ist, konnte sie bei der Auftragsvergabe nicht erkennen.

Die Beklagte hat vorprozessual gegenüber der Klägerin keine Angaben zu ihren Bedenken und Zweifeln am Reparaturweg bzw. den Reparaturkosten gemacht. Soweit die Beklagte nunmehr im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens einwendet, dass die vom Reparaturbetrieb kalkulierten Lackierkosten überflüssig bzw. überteuert seien, so kann dies nicht mehr dazu führen, der Klägerin als Geschädigter das Risiko möglicherweise überzogener Kosten aufzubürden. Denn der Klägerin kann nicht zugemutet werden, die Rechnung hinsichtlich sämtlicher Positionen auf ihre Richtigkeit und Schlüssigkeit zu überprüfen. Hierfür fehlt dem Geschädigten in der Regel schon allein die fachliche Kenntnis. Darüber hinaus fehlt ihr bei Fremdleistungen die Möglichkeit der Einsicht in deren Rechnungen oder anderen Belege, um die Kosten dem Grunde und der Höhe nach zu überprüfen. Es ist nicht ersichtlich, dass sich der Klägerin Zweifel an der Erforderlichkeit der Reparaturpositionen bzw. der Richtigkeit der Reparaturrechnung hätten aufdrängen müssen. Diese Positionen sind der Klägerin nunmehr in Rechnung gestellt worden und sie ist mit der Forderung belastet. Die Beklagte hat hingegen nichts dazu vorgetragen, dass die Klägerin bei der Beauftragung der Reparaturwerkstatt ihrer Schadensminderungspflicht nicht genügt hätte. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass für die Klägerin zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe Anhaltspunkte dafür bestanden hätten, dass die Reparaturwerkstatt unwirtschaftlich vorgehen würde.

3.

Die Verurteilung zur Zinszahlung gründet sich auf §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

II.

Die Kostentragungspflicht ergibt sich aus § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 11 1. Alt. 711 S. 1, 2 ZPO.

 

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