AG Berlin-Mitte sieht zu Recht das Prognose- und Werkstattrisiko bei dem Schädiger und verurteilt im Schadensersatzprozess die Allianz Vers. AG zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten nach Verkehrsunfall mit lesenswertem Urteil vom 15.11.2017 – 18 C 3041/17 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

hier und heute stellen wir Euch noch ein hochinteressantes Urteil aus Berlin zu den nach § 398 BGB abgetretenen Mietwagenkosten gegen die Allianz Versicherungs-AG vor. Völlig zu Recht hat das erkennende Gericht festgestellt, dass das Werkstatt- und Prognoserisiko zu Lasten des Schädigers geht. Das ist auch logisch, denn die Werkstatt ist nicht der Erfüllungsgehilfe des Geschädigten, sondern vielmehr des Schädigers. Eventuelle Fehler der Werkstatt gehen daher zu Lasten des Schädigers, § 278 BGB. Ebenso zutreffend wurden die  Kosten aufgrund der Zahlungsverzögerung bei den Reparaturkosten durch die Allianz derselben auferlegt. So ist es richtig! Dass die außergerichtlichen Anwaltskosten nicht zugesprochen wurden, halten wir für fehlerhaft, denn auch die Kosten des beauftragten Rechtsanwaltes (ohne Anwalt ist eine ordentliche Regulierung heute nicht mehr möglich!) sind unmittelbar mit dem Unfallschaden verbundene Vermögensnachteile, die von dem Schädiger gemäß § 249 I BGB grundsätzlich zu erstatten sind. Unabhängig davon haben die Prozessbevollmächtigten der Allianz Versicherungs AG, die Anwälte mit den 3 Buchstaben, wieder einmal eine Schlappe erlitten. Interessant sind auch die Feststellungen des erkennenden Gerichts zu dem angeblichen DEKRA-Gutachten. Da erstellt die DEKRA nur aufgrund einer Inaugenscheinnahme, ohne das Fahrzeug untersucht zu haben, ein „Gutachten“. Was man von derartigen Gutachten halten soll, kann jeder selbst entscheiden. Das Urteil wurde erstritten durch die Kanzlei Handschuhmacher Limbeck in Berlin. Lest selbst das Urteil des AG Mitte in Berlin vom 15.11.2017 und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

Amtsgericht Mitte

Im Namen des Volkes

Urteil

Geschäftsnummer: 18 C 3041/17                                                      verkündet am: 15.11.2017

In dem Rechtsstreit

der … GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer

Klägerin,

gegen

die Allianz Versicherungs-AG, vertreten durch d. Vorstand, An den Treptowers 3, 12435 Berlin,

Beklagte,

hat das Amtsgericht Mitte, Zivilprozessabteilung 18, Littenstraße 12 – 17, 10179 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 09.10.2017 durch die Richterin S.

f ü r    R e c h t    e r k a n n t :

1.  Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1204,28 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 7,91 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 03.02.2017 zu zahlen.

2.  Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.  Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

4.  Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

A.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten aus abgetretenem Recht weiteren Schadensersatz in Form von Mietwagenkosten aus einem Verkehrsunfall vom 31.03.2014 in Berlin, in welches das Fahrzeug des Geschädigten R. , Marke BMW 318 i, mit dem amtlichen Kennzeichen … und das unfallgegnerische Fahrzeug, welches bei der Beklagten haftpflichtversichert ist, verwickelt waren.

Die Haftung dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig. Ausweislich des Mietvertrages vom 10.04.2014 nahm der Geschädigte R. bei der Klägerin ein Fahrzeug der Marke BMW 116d, welches der Mietwagengruppe 6 angehört, vom 10.4.2014 bis zum 23.04.2014 in Anspruch. Hierfür berechnete die Klägerin dem Geschädigten Mietwagenkosten in Höhe von 1.423,24 € brutto. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Rechnung zur Nummer … vom 28.04.2014, Blatt 9 verwiesen und inhaltlich Bezug genommen. Der benannte Zeuge R. trat seine Forderung aus dem Verkehrsunfall vom 31.03.2014 auf Ersatz der Mietwagenkosten in Höhe der Mietwagenkosten an die Klägerin am 10.04.2014 ab, welche die Abtretung annahm. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Abtretungserklärung vom 10.04.2014, Blatt 17 der Akte, verwiesen und inhaltlich Bezug genommen. Die Klägerin nimmt Kredit in einer die Klageforderung ständig übersteigenden Höhe in Anspruch. Hierfür werden Zinsen in Höhe von 7,91 % p. a. seitens der kreditierenden …bank berechnet. Die Klägerin ist ferner zum
Vorsteuerabzug berechtigt.

Auf die Mietwagenrechnung der Klägerin leistete die Beklagte unter dem 15.08.2014 eine Zahlung in Höhe von 218,96 € und lehnte eine weitere Zahlung ab, da die Klägerin ihr keinen Reparaturablaufplan zur Verfügung stellte.

Mit anwaltlichen Schriftsatz vom 19.01.2017 forderte die Klägerin die Beklagte, unter Fristsetzung bis zum 2. 2. 2017, zur Zahlung des Differenzbetrages in Höhe von 1204,28 € auf.

Mit der vorliegenden Klage vom 9.03.2017 verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Die Klägerin behauptet, dass die Anmietung des Fahrzeuges über einen Zeitraum von 13 Tagen erforderlich gewesen sei, da das Fahrzeug nach den Angaben des benannten Zeugen S. nicht mehr verkehrssicher gewesen sei. Zwar sei das Fahrzeug am 17.04.2014 fertiggestellt worden, jedoch sei der Geschädigte R. nicht in der Lage gewesen, den Repararaturkosten vorzufinanzieren. Der Geschädigte habe die Beklagte telefonisch darauf hingewiesen, dass er zur Vorleistung nicht in der Lage gewesen sei und daher hohe Mietwagen kosten drohen würden, da er auf ein Mietfahrzeug angewiesen sei. Am 23.4.2014 habe der Geschädigte überobligatorisch nach Gehaltseingang Gelder freimachen können, um in Vorkasse treten zu können, woraufhin ihm das Fahrzeug übergeben worden sei.

Die Klägerin beantragt,

1.  Die Beklagte wird verurteilt, an sie 1204,28 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 7,91 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 15.08.2014 zu zahlen.
2.  Die Beklagte wird verurteilt, an sie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 169,50 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 7,91 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 03.02.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint im Wesentlichen, dass dem Geschädigten lediglich Mietwagenkosten für eine Dauer von 2 Tagen zustünden, da dieser gegen seine Schadensminderungsobliegenheit aus § 254 Abs. 2 BGB verstoßen habe, indem er nicht frühzeitig auf die Möglichkeit eines höheren Schadenseintritts hingewiesen habe. Überdies sei sein Fahrzeug – ausweislich des DEKRA Gutachtens vom 15.04.2014 – noch verkehrssicher gewesen und als Reparaturdauer seien lediglich zwei Tage ermittelt worden.

Ergänzend wird für den Sach- und Streitstand auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen R. und S. . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 09.10.2017, Blatt 95 bis 97 der Akte, verwiesen.

B.

Entscheidungsgründe

I.   Die zulässige Klage ist weit überwiegend begründet.
Die Klägerin kann von der Beklagten aus abgetretenem Recht Ersatz restlicher Mietwagenkosten in Höhe von 1.204,28 € gem. §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 823 Abs. 1 BGB, 249 Abs. 2 Satz 1, 398 BGB verlangen, da nach dem Ergebnis des Beweisaufnahme zur sicheren Überzeugung des Gerichts gem. § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO feststeht, dass die Anmietung über eine Dauer von 13 Tagen erforderlich war. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten kann sie hingegen nicht verlangen.

1)  Die Klägerin ist aktivlegitimiert, da die von dem Geschädigten R. erklärte Abtretung vom 10.04.2014 wirksam ist und die Klägerin diese angenommen hat.

2)  Die Haftung dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.

3)  Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshof kann der Geschädigte vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand grundsätzlich den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2016 – VI ZR 563/15 -, Rn. 6, juris). Ein Geschädigter, welcher das Fahrzeug als Privatperson nutzt, ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder gar Kredit zur Schadensbehebung aufzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2005 – IV ZR 120/04 -, Rn. 37, juris; vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 24. Mai 2011 – I-1 U 220/10 -, Rn. 22, juris). Eine solche Pflicht kann im Rahmen des § 254 BGB allenfalls dann und auch nur ausnahmsweise bejaht werden, wenn der Geschädigte sich den Kredit ohne Schwierigkeiten beschaffen kann und er durch die Rückzahlung nicht über seine wirtschaftlichen Verhältnisse hinaus belastet wird. Auch für die Möglichkeit und Zumutbarkeit einer derartigen Kreditaufnahme ist primär der Schädiger darlegungspflichtig (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2005 – IV ZR 120/04 -, Rn. 37, juris).

4)  Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zunächst zur sicheren Überzeugung des Gerichts gem. § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO fest, dass einer Reparaturdauer von 7 Tagen, im Zeitraum vom 10.04.2014 bis 17.04.2014 erforderlich war, da insbseondere das Fahrzeug als nicht verkehrssicher eingestuft worden ist. Der Zeuge S. , welcher das Fahrzeug des Geschädigten R. zur Reparatur annahm, schilderte anschaulich, plausibel und auch im Randgeschehen detailreich, dass das Fahrzeug, trotz seiner nur äußerlich erkennbaren Beschädigung von Fachleuten, welche Unfallschäden und nicht nur Bagatellschäden begutachten, untersucht worden sei und als nicht mehr verkehrssicher eingestuft worden sei. Insbesondere bekundete er nachvollziehbar, dass sie auf Grund der vorrangigen Sicherheit des Straßenverkehrs dazu gehalten seien, den Unfallschäden nachzugehen, um verdeckt liegende Schäden zu ermitteln. Hierzu seien sie auch insbesondere auf Grund der Herstellervorgaben verpflichtet (vgl. Protokoll, Bl. 95 d.A.). Diese Aussage wurde ebenfalls durch den Zeugen R. bestätigt, welcher ausführte, dass ihm bei der Raparaturannahme mitgeteilt worden sei, dass die Frontschürze des Fahrzeugs herunterfallen könne und es daher nicht verkehrssicher sei (vgl. Protokoll Bl. 96 d.A.). Der Zeuge S. bekundete weiterhin glaubhaft, unter Bezugnahme auf ein von ihm gefertigtes Protokoll und einen Reparaturablaufplan (vgl. Bl. 98 d.A.), dass das Fahrzeug zunächst zur Untersuchung und Zerlegung nach T. verbracht worden sei. Sodann habe die Reparatur vom 14.04.2014 bis zum 16.04.2014 gedauert. Daraufhin sei es am 17.04.2017 zu der Klägerin verbracht worden. Das Gericht erachtet sowohl die Aussage des Zeugen S. als auch des Zeugen R. als in jeder Hinsicht glaubhaft. Beide Zeugen bekundeten sachlich, nachvollziehbar und plausibel. Es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zeugen zum Nachteil der Beklagten aussagen würden. Dass sich die Reparaturdauer, auf Grund der Untersuchung und Zerlegung in T. und wegen der Bestellung von Ersatzteilen verlängerte, fällt in den Verantwortungsbereich der Beklagten, weswegen der Ersatz der Mietwagenkosten für diesen Zeitraum als erforderlich i. S. d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB anzusehen ist. Denn das Werkstatt-und Prognoserisiko trägt grundsätzlich der Schädiger: Verzögerungen, die etwa durch fehlerhafte Organisation des Reparaturbetriebes, Ausfall von Arbeitskräften, unwirtschaftliche oder fehlerhafte Handhabung der Reparatur entstehen, also dem Einfluss und der Kontrolle des Geschädigten entzogen sind, gehen im Verhältnis zum Schädiger grundsätzlich nicht zu Lasten des Geschädigten, denn die Werkstatt ist nicht der Erfüllungsgehilfe des Geschädigten (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 1974 – VI ZR 42/73 -, BGHZ 63, 182-189, Rn. 10). (Hervorhebung durch Fettschrift erfolgte durch den Autor!) Überdies kann ein Fehler der Werkstatt nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zur sicheren Überzeugung des Gerichts gem. § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO festgestellt werden. Denn der Zeuge S. bekundete nachvollziehbar, warum das Fahrzeug zunächst fachmännisch untersucht werden musste, um eine Gefährdung des Straßenverkehrs auszuschließen. Hierzu bedurfte es einer Zerlegung des Fahrzeugs, denn die Feststellungen des Sachverständigen der DEKRA zu den Schäden beruhten lediglich auf Inaugenscheinnahme.

5)  Des Weiteren sind die Kosten des Mietfahrzeugs für den Zeitraum nach der Fertigstellung des Fahrzeugs bis zur Freigabe an den Geschädigten, mithin vom 17.04.2014 bis zum 23.04.2014, als erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB anzusehen. Zwar ist der Geschädigte mit Blick auf § 254 Abs. 2 BGB gehalten, die Schadensbehebung in angemessener Frist durchzuführen. Es ist jedoch grundsätzlich Sache des Schädigers, die vom Geschädigten zu veranlassende Schadensbeseitigung zu finanzieren. Wie bereits dargestellt war der Geschädigte R. nicht gehalten, einen Kredit aufzunehmen. Unter Zugrundelegung der eingangs dargestellten Grundsätze der Rechsprechung hat der Geschädigte R. nicht gegen seine Schadensminderungsobliegenheit verstoßen.

6)  Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur sicheren Überzeugung des Gerichts gem. § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO fest, dass der Geschädigte R. nicht dazu in der Lage gewesen ist, sowohl die Reparaturkosten, als auch die Mietwagenkosten zu begleichen, da er kurz zuvor seine Wohnung renoviert hatte (vgl. Protokoll, Bl. 96 d.A.). Insbesondere war hierzu auch sein monatliches Einkommen in Höhe von 1.900,00 € bis 2.000,00 € nicht ausreichend gewesen, da er hiervon sowohl für die Miete, als auch andere nicht unerhebliche Kosten aufkommen musste (vgl. Protokoll, Bl. 97 d.A.). Insoweit kann daher auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Geschädigte sich einen Kredit ohne Schwierigkeiten hätte beschaffen können und er durch die Rückzahlung nicht über seine wirtschaftlichen Verhältnisse hinaus belastet werden würde.

7)  Der Anspruch des Geschädigten ist ferner nicht zu kürzen, da der Geschädigte R. nicht gegen seine Schadensminderungsobliegenheit im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB verstoßen hat, da die Beklagte auf die Möglichkeit des Eintritts eines höheren Schadens hingewiesen worden ist. Der Zeuge S. schilderte anschaulich das Procedere der Reparaturannahme, insbesondere, dass stets vermerkt werde, wenn ein Kunde nicht dazu in der Lage sei, die Kosten vorzufinanzieren, damit dies der Versicherung mitgeteilt werde, damit diese eine Reparaturkostenübernahmeerklärung oder einen Vorschuss – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht – leisten könne (vgl. Protokoll Bl. 96 d.A.). Auch in dem vorliegenden Fall steht zur sicheren Überzeugung des Gerichts gem. § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO fest, dass der Zeuge S. die Beklagte auf die fehlende Vorfinanzierungsmöglichkeit des Geschädigten R. hingewiesen hat (vgl. Protokoll, Bl. 96 d.A.). Dementsprechend ist auch der Zeitraum vom 17.04.2014 bis zum 23.04.2014, als erforderlich anzusehen.

8)  Die der Klägerin zustehenden Mietwagenkosten schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO auf 1.423,24 €. Grundlage für diese richterliche Schätzung ist die Rechnung der Klägerin vom 28.04.2014. Abzüglich der Zahlung in Höhe von 218,96 € kann die Klägerin mithin noch 1.204,28 € beanspruchen.

9)  Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 S. 1 Abs. IV BGB. Die Beklagte befand sich jedenfalls seit dem 03.02.2017 in Verzug, da in dem Schreiben der Klägerin vom 19.01.2017, mit dem diese der Beklagten eine Frist zur Leistung bis 02.02.2017 gesetzt hat, eine verzugsbegründende Mahnung im Sinne des § 286 Abs. 1 BGB zu sehen ist. Der Beginn des Eintritts des Verzugs war – entgegen der Auffassung der Klägerin – hingegen nicht schon der 15.08.2014, da die Beklagte die Leistung nicht ernsthaft und endgültig verweigert hat im Sinne des § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Die Erfüllungsweigerung muss das letzte Wort des Schuldners zu seiner Leistungsbereitschaft sein (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 – VII ZR 148/10, zitiert nach Juris). Dass die Beklagte die Erfüllung des Vertrags gegenüber der Klägerin unmissverständlich, endgültig und ernsthaft abgelehnt hätte, so dass jenseits vernünftiger Zweifel feststand, dass sie unter keinen Umständen mehr zur freiwilligen Erfüllung bereit ist, lässt sich den von der Klägerin dargelegten Umständen nicht entnehmen. Denn die Beklagte monierte berechtigterweise, dass ihr kein Reparaturablaufplan zur Verfügung gestellt worden sei, um nachzuvollziehen, aus welchen Gründen sich die Reparatur länger, als in dem Gutachten der DEKRA prognostiziert, gestaltete.

10) Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten stehen der Klägerin aus Rechtsgründen nicht aus § 280 BGB zu, da nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur diejenigen Rechtsverfolgungskosten nach § 249 Abs. 1 BGB zu ersetzen sind, die aus Sicht des Schadensersatzgläubigers zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig sind (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 23. Januar 2017 – 3 U 139/15 -, Rn. 5, juris). Erforderlich ist die Einschaltung eines Rechtsanwalts für die berechtigte Geltendmachung eines Schadens, wenn der Geschädigte die nötige Expertise für die erste Anforderung des Schadensersatzes selbst nicht hat (vgl. AG Berlin Mitte, 7 C 3020/16). Dies war vorliegend nicht der Fall. Die Klägerin hatte ausreichende Kenntnis und Erfahrung, die anwaltliche Mahnung selbst zu verfassen. Die Klägerin ist eine professionelle Vermieterin von Fahrzeugen und hat eine erhebliche Unternehmensgröße. Es ist daher davon auszugehen, dass auf Seiten der Klägerin die notwendige Kenntnis zur Verfassung von einfachen Mahnschreiben vorhanden ist. Allein der von der Klägerin vorgetragene Umstand, dass in der Vergangenheit eine anwaltliche Mahnung teilweise erfolgsversprechend war, führt nicht dazu, dass dieses Schreiben als erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB anzusehen wäre.

11. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11 Alt. 1, 711 S. 2 ZPO i.V.m. § 709 S. 2 ZPO.

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2 Antworten zu AG Berlin-Mitte sieht zu Recht das Prognose- und Werkstattrisiko bei dem Schädiger und verurteilt im Schadensersatzprozess die Allianz Vers. AG zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten nach Verkehrsunfall mit lesenswertem Urteil vom 15.11.2017 – 18 C 3041/17 -.

  1. Zeuge S. sagt:

    Dieses Urteil ist ganz wesentlich das Ergebnis der Tätigkeit der Captain-HUK Redaktion.
    Ihre messerscharfen Kommentierungen und Analysen haben mir hier entscheidend geholfen.
    Grundvoraussetzung ist natürlich eine brilliante Klageschrift der Kanzlei Handschumacher.
    Mein darauf folgender Sachvortrag in der mündlichen Verhandlung konnte aufgrund Ihrer Tätigkeit mit den zutreffenden Eckpunkten in der Sprache der Juristen gewürzt werden, so dass der Brückenschlag zwischen der Realität und der Welt der Juristen offenbar gelungen ist. Selbstredend ist das ein schmaler Grat, der doch eine gewisse Devotheit erfordert.
    Vielen Dank an alle Beteiligten, weiter so!
    Dieser Erfolg ist zweifelsohne auch Ihr Erfolg.
    BG

  2. Willi Wacker sagt:

    @ Zeuge S.

    Es freut uns, wenn wir als Captain-Huk-Redaktion mit unseren Beiträgen, Kommentaren und Analysen dazu beitragen können, dass Urteile nach Recht und Gesetz ergehen. Selbstverständlich ist auch ein gutes Vorbringen in der Klageschrift und den folgenden Schriftsätzen durch qualifizierte Anwälte erforderlich, damit Erfolg erreicht werden kann. Wir wünschen Ihnen auch weiterhin Erfolg.

    Mit freundlichen Grüßen
    willi Wacker

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