AG Germersheim zur Anwendung der Schwacke-Liste bei Mietwagenkosten (3 C 629/08 vom 19.02.2009)

In einem Beschluss vom 19.02.2009 (3 C 629/08) hat das AG Germersheim in einem Verfahren gegen die Mecklenburgische Versicherung a. G. wegen Zahlung weiterer Mietwagenkosten Stellung zur Frage der Verwendung der Schwacke-Liste bezogen. Mit Nachdruck wird die Anwendung der Fraunhofer Tabelle abgelehnt. Wegen der Besonderheit und Ausführlichkeit der Beschluss nachfolgend im Wortlaut:

Das Gericht weist die Beklagte darauf hin, dass es inzwischen angesichts einer Bestä­tigung der bisherigen Rechtsprechung des Landgerichts Landau zu seiner Rechtspre­chung in Bezug auf die Angemessenheit der so genannten Schwacke-Liste zu seiner bisherigen Rechtsprechung zurückgekehrt ist, die diesen Grundsätzen folgte.

In dem Verfahren mit dem Aktenzeichen 3 C 519/08 hat das erkennende Gericht dazu ausgeführt:

„Die Berufungskammern des übergeordneten Landgerichts Landau in der Pfalz halten die so genannte Schwacke-Liste für eine geeignete Schätzgrundlage.

Die erste Zivilkammer des Landgerichts Landau führt dazu beispielsweise aus (aus LG Landau 1 S 79/06, Urteil vom 12.2.2008):

Nach der mittlerweite gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichts­hofs (grundlegend Versicherungsrecht 2005, 850) kann auch ein Unfall­ersatztarif als erforderlicher – und damit auch von der gegnerischen Haft­pflichtversicherung zu erstattender -Aufwand zur Schadensbeseitigung zu qualifizieren sein, wenn die Besonderheiten dieses Tarifs einen ge­genüber dem Normaltarif höheren Preis aus betriebswirtschaftlicher Sicht rechtfertigen. Ob ein vom Geschädigten beanspruchter Unfallersatztarif aufgrund unfallspezifischer Kostenfaktoren erforderlich ist kann zwar of­fen bleiben, wenn feststeht, dass dem Geschädigten die Anmietung zum Normaltarif nach den konkreten Umständen nicht zugänglich gewesen ist. Dafür gibt der vorliegende Sachverhalt jedoch keinerlei Anhaltspunk­te.

Im Rahmen der Prüfung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung ei­nes Unfallersatztarifes ist es nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2007, 2758) nicht erforderlich, im Einzelfall die Kalkulationen des konkre­ten Unternehmens nachzuvollziehen. Vielmehr kann sich die Prüfung im Lichte des § 287 ZPO auf die Frage beschränken, ob spezifische Leis­tungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein einen Auf­schlag rechtfertigen, wobei auch ein pauschaler Aufschlag auf den Nor­maltarifin Betracht kommt. Als Berechnungsgrundlage kann hierbei nach der genannten Rechtsprechung des BGH der Schwacke-Mietpreisspiegel hinsichtlich des Postleitzahlengebietes des Geschädigten herangezogen werden. Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung der Kammer (ver­gleiche etwa Urteile vom 2.7.2007, Aktenzeichen 1 S 246/06 sowie vom 12.11.2007, Aktenzeichen 1 S 232/06) ist es sachgerecht, in Bezug auf Verkehrsunfälle, die sich wie hier im Jahr 2005 ereignet haben, den Automietpreisspiegel für das Jahr 2006 heranzuziehen und der Berech­nung des angemessenen Mietpreises den für den einschlägigen Postleit­zahlenbereich festgelegten Modus (früher: gewichtetes Mittel) zugrunde zu legen. Nach der Rechtsprechung der Kammer (in diesem Sinne auch das OLG Köln OLGR Köln 2007, 471) ist es gerechtfertigt, den auf der Grundlage des Automietpreisspiegels errechneten Betrag um eine Pau­schale von 20% zu erhöhen, um den besonderen betriebswirtschaftlichen Anforderungen an den Unfallersatztarif Rechnung zu tragen.

Dieser Rechtsprechung hat sich neben der weiteren Berufungskammer des Landgerichts Landau auch das erkennende Amtsgericht in ständiger Recht­sprechung angeschlossen.

Wie nicht anders zu erwarten war, hat die Versicherungswirtschaft in der Folge­zeit versucht, die Eignung der so genannten Schwacke-Liste grundlegend in Abrede zu stellen. So mehren sich in der letzten Zeit die Fälle, in denen die Versicherer auf der Grundlage der – nach ihrer Darstellung auf einer objektive­ren Erhebung beruhenden – Fraunhofer-Liste zu geringeren Entschädigungs­leistungen gelangen.

Nachdem die Beklagte im vorliegenden Falle die Ansätze der Schwacke-Liste einzelfallbezogen in Frage gestellt hatte, hatte das Gericht mit Beschluss vom 28. Oktober 2008 die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Über­prüfung der jeweiligen Ansätze auf Grundlage der Schwacke-Lists beziehungs­weise der Fraunhofer-Liste angeordnet. Dabei hat das Gericht bewusst von beiden Parteien einen Vorschuss für die Auslagen des Sachverständigen ange­fordert. Zwar ist es grundsätzlich richtig, dass der Geschädigte die Beweislast für die Angemessenheit der Mietwagenkosten trägt (vergleiche OLG Köln, Urteil vom 10.10.2008, Aktenzeichen 6 U 115/08, abgedruckt DAR 2009, 33; ähn­lich OLG München, Urteil vom 25.7.2008, Aktenzeichen 10 U 2539/08, abge­druckt DAR 2009, 36), das Gericht hält es im vorliegenden Falle gleichwohl wei­ter für angemessen, auch die Beklagte am Auslagenvorschuss zu beteiligen, weil die Geeignetheit der Schwacke-Liste als Schätzgrundlage nach § 287 ZPO, die nach den obigen Ausführungen von der übergeordneten Berufungsin­stanz anerkannt ist, von der Beklagten zumindest gegenbeweislich erschüttert werden sollte.

Die Beklagte hat den auferlegten Vorschuss allerdings letztlich mit der Begrün­dung nicht eingezahlt, dass die vom Gericht angeordnete Beweiserhebung auf die Ermittlung eines so genannten Unfallersatztarifes hinausliefe. Das Gericht verbleibt allerdings bei seiner Einschätzung, dass im Falle der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges wegen eines erlittenen Unfalles der Geschädigte nicht auf Ta­rife verwiesen werden darf, die von der Erfüllung weiterer Voraussetzungen ab­hängig sind und die beispielsweise nur über das Internet zur Verfügung stehen.

In Ermangelung der Zahlung des Auslagenvorschusses hatte die angeordnete Beweisaufnahme zu unterbleiben.

Die genannte Fraunhofer-Liste begegnet allerdings auch ihrerseits methodi­schen Bedenken.

Die dritte Zivilkammer des Landgerichts Landau hat dazu unter Aufrechterhaltung ihrer bisherigen Rechtsprechung zur Schwacke-Liste in einer neueren Ent­scheidung (Aktenzeichen 3 S 18/08, Urteil vom 28. November 2008) ausgeführt:

Zur Berechnung des Normaltarif kann nach der Rechtsprechung des BGH der Schwacke-Mietpreisspiegel hinsichtlich des Postleitzahlenge­bietes des Geschädigten herangezogen werden (BGH NJW2008, 1519). Soweit die Beklagten darauf hinweisen, dass weitere Marktbetrachtun­gen neben der Schwacke-Liste erschienen sind insbesondere eine sol­che des Fraunhofer Instituts – ist ihr Vorbringen nicht geeignet, die An­wendbarkeit des Schwacke-Mietpreisspiegets in Frage zu stellen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, lediglich allgemein gehaltenen Angriffen ge­gen eine Schätzgrundlage nachzugehen. Einwendungen gegen die Grundlagen der Schadensbemessung sind nur dann erheblich, wenn sie auf den konkreten Fall bezogen sind. Deshalb bedarf die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der betreffenden Schätzungsgrund­lage sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (BGH NJW 2008, 1519). An einem dahingehenden konkreten Sachvortrag der Beklagten fehlt es hier; der Hinweis der Beklagten, dass nach der Erhebung des Fraunhofer Instituts einer Anmietung für vier Tage für einen Mietpreis von 334,69 möglich gewesen sei, ist unbehelflich, da nicht nur die einzel­nen Konditionen der Anmietung ungeklärt bleiben, sondern sich das An­gebot ersichtlich nicht auf ein Fahrzeug der hier maßgeblichen Gruppe 8 bezieht

Auch das Amtsgericht Kandel (Urteil vom 22.10.2008, Aktenzeichen  1  C 171/08) hält die so genannte Fraunhofer-Liste für ungeeignet:

Im vorliegenden Fall kann auch eine Ermittlung des „Normaltarifs“ nach der Schwacke-Liste erfolgen. Soweit die Beklagte den Marktpreisspiegel Deutschland 2008 des privatwirtschaftlich agierenden Fraunhofer-Institut Arbeitswirtschaft und Organisation vorliegt, ist dieser Erhebung nicht zu folgen. Diese Erhebung ist für den vorliegenden Fall ungeeignet. Im Gegensatz zur Schwacke-Erhebung bezieht sich die Untersuchung des Fraunhofer Instituts lediglich auf ein- beziehungsweise zweistellige PLZ-Gebiete. Auf diese Art und Weise ist eine regionale Marktbetrachtungen nicht möglich. Allein unter Berücksichtigung des für den Bereich des Geschädigten anzusetzenden PLZ-Bezirks „76“ ergäbe sich ein Ein­zugsbereich auf der Unken Rheinseite mit dem Landkreis Germersheim und dem südlichen Teil des Landkreises Südliche Weinstraße. Auf dem Gebiet der rechten Rheinseite erstreckt sich der PLZ-Bezirk „76“ von Ba­den-Baden bis Bruchsaf einschließlich der Stadt Karlsruhe. Dies ist ein so großer Einzugsbereich, das von einem regionalen Mietmarkt nicht mehr ausgegangen werden kann.

Darüber hinaus wurden in der Erhebung des Fraunhofer Instituts insge­samt 86.783 Datensätze erfasst 76.457 stammen aus dem Internet. Hierbei handelt es sich um 88% der Datensätze. Diese wiederum stam­men von sechs bundesweit beziehungsweise weltweit agierenden Ver­mietungsunternehmen. Insoweit ist davon auszugehen, dass die Erhe­bung des Fraunhofer Instituts ganz überwiegend Bezug nimmt auf Inter­netangebote großer Vermieter. Die Erhebung des Fraunhofer Instituts berücksichtigt deshalb gerade nicht für die große Anzahl lokaler Anbieter, die gerade das lokale Marktgeschehen prägen. Von Letzteren wurden jedoch in der Schwacke-Mietpreiserhebung konkrete Daten erhoben. Ge­rade auf dem Markt der Anmietung von Fahrzeugen im Unfällersatzge­schäft erfolgt die überwiegende Anmietung bei lokalen Unternehmen. Deren Preise finden jedoch in der Erhebung des Fraunhofer Instituts bes­tenfalls eine Beachtung am Rande. Aufgrund dieser Erkenntnis zieht das Gericht die repräsentativere Schwacke-Erhebung der Erhebung des Fraunhofer Instituts vor.

Dem schließt sich auch das erkennende Gericht nunmehr ausdrücklich an.

Folglich beabsichtigt das erkennende Gericht, auch im vorliegenden Falle auf der Grundlage der so genannten Schwacke-Liste zu entscheiden.

Soweit das AG Germersheim.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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