AG Nettetal verurteilt DBV-WinSelect Versicherung AG zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten

Mit Urteil vom 09.07.2010 (17 C 109/10) hat das AG Nettetal die DBV-WinSelect Versicherung AG  zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 271,74 € zzgl. Zinsen verurteilt. Das Gericht legt den Normaltarif der Schwacke-Liste zugrunde.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im übrigen unbegründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht ein Anspruch auf Erstattung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 271,74 Euro zu.

Die Beklagte ist nach den §§ 7 Abs. 1, 17 StVG, 115 VVG zum Ersatz des aus dem streitgegenständlichen Unfallgeschehen vom xx.xx.2008 folgenden Schadens verpflichtet. Die alleinige Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht zwischen den Parteien außer Streit.

Danach kann die Klägerin von der Beklagten Ersatz hinsichtlich eines auf die Mietwagenrechnung vom 16.06.2008 (Bl. 9 d.A.) entfallenden Betrages von insgesamt 1.326,85 Euro, unter Berücksichtigung der bereits erstatteten 1.055,11 Euro, also den zugesprochenen Betrag, verlangen.

Grundsätzlich kann der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz solcher Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf. Er ist dabei ebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren Möglichkeiten den wirtschaftlicheren Weg zur Schadensbehebung zu wählen (vergl. BGH NJW 2006,  1508).  Da er insoweit Ersatz nur der objektiv erforderlichen Mietwagenkosten verlangen kann, verstößt er bei der Anmietung eines Kraftfahrzeugs zu einem gegenüberdem Normaltarif erhöhten (Unfallersatztarif) nur dannnicht gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, wenn Besonderheiten mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen und Ähnliches) einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis aus betriebswirtschaftlicher Sicht rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere  Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind, so der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vergl. etwa BGH, Urteil vom 14.10.2008, Aktenzeichen VI ZR 308/07, zitiert nach juris). Abzustellen ist insoweit als Anknüpfungspunkt auf den Normaltarif, also denjenigen Tarif, welcher für Selbstzahler Anwendung findet und in Bezug auf diese Zielgruppe unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten gebildet wird. Denn das ist der Betrag, den ein wirtschaftlich vernünftig denkender Kunde zu zahlen bereit wäre, wenn er ihn aus dem eigenen Vermögen aufzubringen hätte. ohne dafür anderweitig  Regress nehmen zu können.  Eine Erhöhung des sich hiernach ergebenden Betrages ist gerechtfertigt, wenn und soweit sie nach den vorstehenden Ausführungen unfallbedingt ist. Inwieweit dies der Fall ist, hat der bei der Schadensberechnung nach § 287 ZPO besonders frei gestellte Tatrichter zu schätzen, wobei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich auch ein pauschaler Aufschlag auf den Normalpreis – wie ihn hier auch die Klägerin bei der Berechnung der Klageforderung veranschlagt hat – in Betracht kommt. Erst wenn diese vorrangige Prüfung ergibt, dass der vom Geschädigten gewählte Tarif auch mit Rücksicht auf die Unfallsituation nicht oder zumindest nicht im geltend gemachten Umfang zur Herstellung erforderlich war, ist im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung (vergl. BGH NJW 1996, 1958) seitens des Gerichts zu prüfen, ob der Geschädigte den übersteigenden Betrag gleichwohl ersetzt verlangen kann, weil ihm ein wesentlich günstigerer Normaltarif nicht ohne weiteres zugänglich war (BGH, a.a.O.).

Unabhängig davon, ob im Streitfall ein wesentlich günstigerer Tarif tatsächlich in der konkreten Anmietsituation nicht zugänglich war, die von der Beklagten vorgelegten Internetangebote lassen angesichts des Umstandes, dass diese von April 2010 stammen, während sich der Unfall im Jahre 2008 ereignet hat jedenfalls keinen Rückschluss auf die Verfügbarkeit der aufgeführten Fahrzeuge zu den dort ausgewiesenen Konditionen im hier maßgeblichen Zeitpunkt unmittelbar nach dem Unfall zu, ist der von der Klägerin in Rechnung gestellte Betrag im zugesprochenen Umfang bereits deshalb von der Beklagten zu tragen, weil es sich nach den vorgenannten Kriterien um den zur Herstellung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlichen Betrag handelt. Soweit der von Klägerseite begehrte Betrag über den hier zugrunde zu legenden Normaltarif hinausgeht, ist dieser Betrag zumindest teilweise unfallbedingt und in eben diesem Umfang von der Beklagten zu ersetzen.

Nach Auffassung des Gerichts kann im Streitfall der in der Schwacke-Liste 2007 für das Postleitzahlengebiet veranschlagte Grundmietpreis von 518,96 Euro für eine Woche bzw. 276,85 Euro für 3 Tage sowie 94,45 Euro für einen Tag der Anmietung eines Fahrzeugs der Gruppe 5 für die Ermittlung des vorgenannten Normaltarifs herangezogen werden und insoweit als Ausgangspunkt der Schadensberechnung dienen (§ 287 ZPO). Denn auch unter Berücksichtigung der von der Beklagten erhobenen Einwände sind keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die im Mietpreisspiegel nach Schwacke enthaltenen Preisänderungen nicht an der tatsächlichen Marktentwicklung orientiert sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es auch nicht Aufgabe des Tatrichters lediglich allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine Schatzgrundlage nachzugehen. Solche Einwendungen sind vielmehr nur dann erheblich, wenn sie auf den konkreten Fall bezogen sind, so dass die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, nur dann der Klärung bedarf, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass sich die geltend gemachten Mängel auf den zur Entscheidung gestellten Fall ausgewirkt haben. Dies ist hier nach Auffassung des Gerichts nicht anzunehmen.

Erhöhungen des sich bei der Anknüpfung an den vorstehend bezeichneten Normaltarifs ergebenden Betrages von 984,71 Euro (518,96 Euro + 276,85 Euro t 188,90 Euro) sind gerechtfertigt, soweit sie unter Zugrundelegung des eingangs aufgezeigten Maßstabs unfallbedingt sind. Im Streitfall geht das Gericht von einer Erhöhung des Normalmietzinses um 15 % aufgrund der Anmietung in der Unfallsituation – das Mietfahrzeug wurde unstreitig noch am 23.05.2008 angemietet – aus, wobei die Erhöhung aufgrund folgender Umstände gerechtfertigt ist:

–      nicht feststehende Mietzeit

–      Zahlungsverzögerung

–      fehlende Sicherheit.

–      Zur nicht feststehenden Mietdauer.

Dieser Umstand ist jedenfalls unfallbedingt, da im Normalfall einer Anmietung die Mietzeitdauer bei Vertragsschluss bereits fest steht, während es sich hier aufgrund der erforderlichen Reparatur, deren konkrete Zeitdauer nicht vorhersehbar war, bei der im Mietvertragsformular ausgewiesenen Mietzeit nur um eine ungefähr geschätzte handeln konnte.

Zur Zahlungsverzögerung:

Da der Mietzins erst nach Rückgabe, gegebenenfalls erst durch die Abtretung von Ersatzansprüchen gezahlt wird, hatte das Mietwagenunternehmen einen Zinsnachteil gegenüber einer normalen Anmietung.

Zur fehlenden Sicherheit:

Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass der Geschädigte nicht über eine Kreditkarte verfügte und auch finanziell nicht in der Lage war, eine Kaution zu hinterlegen.

Es ergeben sich unter Berücksichtigung eines Aufschlags von 15 % erstattungsfähige Mietwagenkosten von 1.019,18 Euro (886,24 Euro + 132.94 Euro).

Für die durch das Gericht nach § 287 ZPO geschätzten ersparten Eigenaufwendungen von 10 % (vergl. OLG Düsseldorf vom 11.03.1996, Aktenzeichen 1 U 84/95. zitiert nach juris) ist ein Betrag in Höhe von 98,47 Euro in Abzug zu bringen, so dass ein Betrag von 886.24 Euro (984,71 Euro – 98,47 Euro) verbleibt.

Ebenfalls ist das arithmetische Mittel der Vollkaskokosten für die Dauer der Mietzeit zu erstatten, hier mithin ein weiterer Betrag in Höhe von insgesamt 261,73 Euro (148,22 Euro + 67,85 Euro + 45,66 Euro). Dies gilt unabhängig davon, ob das beschädigte Fahrzeug entsprechend versichert war oder nicht. Denn der durch den Unfall Geschädigte ist während der Mietzeit einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt, so dass er regelmäßig ein schutzwürdiges Interesse daran hat, für die Kosten einer eventuellen Beschädigung des Mietfahrzeugs nicht selbst aufkommen zu müssen. Die konkrete Höhe der zu erstattenden Beträge errechnet sich ebenfalls anhand der Schwacke-Liste 2007.

Ersatzfähig sind dem Grunde nach ferner die geltend gemachten Kosten für die Zustellung und Rückholung des beschädigten Fahrzeugs. Es ergibt sich anhand der Nebenkostentabelle der Schwacke-Liste für das Jahr 2007 auf der Grundlage des arithmetischen Mittels ein ersatzfähiger Betrag in Höhe von 45,94 Euro (2 x 22,97 Euro).

Abzüglich des von der Beklagten bereits geleisteten Betrages in Höhe von 1 055.11 Euro errechnet sich nach alledem zugunsten der Klägerin ein weiterer Zahlungsanspruch in Höhe von 271,74 Euro.

Die geltend gemachten Zinsen kann die Klägerin nach den §§ 280 Abs. 1 und Abs. 2, 286 Abs. 2, 288 Abs 1 Satz 2 BGB unter dem Gesichtspunkt des Verzuges verlangen. Unwidersprochen hat die Klägerin vorgetragen, dass die Beklagte weitere Zahlungen zum fraglichen Zeitpunkt ernsthaft verweigert habe, so dass diese aufgrund der hierin zu sehenden Zahlungsverweigerung in Verzug geriet, ohne dass es einer weiteren Mahnung seitens der Klägerin bedurft hätte. Die Höhe der Zinsforderung folgt aus dem Gesetz

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Ein Grund die Berufung separat zuzulassen bestand nicht, § 511 Abs 4 ZPO.

Soweit das AG Nettetal.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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