AG Nürnberg Urteil vom 27.10.2010 – 31 C 6151/10 -: Das Risiko überteuerter Gutachten trägt der Schädiger Az.: 31 C 6151/10 vom 27.10.2010

Die Amtsrichterin der 31. Zivilabteilung des AG Nürnberg hat es der HUK-Coburg wieder einmal in ihr Versicherungsstammbuch geschrieben: Das Risiko eines überteuerten Gutachtens trägt der Schädiger und seine Kfz-Haftpflichtversicherung. Dieser Satz aus der Urteilsbegründung kann nur dick unterstrichen werden. HUK verliert den Prozess auf ganzer Linie. Lest selbst!

Amtsgericht Nürnberg
Az.: 31 C 6151/10
vom 27.10.2010

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

Geschädigter
– Kläger –

gegen

HUK-COBURG-Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand Dr. Wolfgang Weiler, Bahnhofsplatz 1, 96405 Coburg,
-Beklagte-

wegen Schadensersatz

erlässt das Amtsgericht Nürnberg durch die Richterin am Amtsgericht … am 27.10.2010 auf Grund des Sachstands vom 12.10.2010 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes

Endurteil

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 115,71 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.7.2010 zu bezahlen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 115,71 € festgesetzt.

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wurde gemäß § 313 a ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist in der Hauptsache begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf restlichen Schadensersatz gemäß §§ 823, 249 BGB, 7,18 StVG i.V.m. § 115 VVG in Höhe von noch 115,71 EUR.

Gegenstand der Klage sind restliche Schadensersatzansprüche aus einem Unfallereignis vom 9.7.2010, für dessen Folge die Beklagte zu 100 % eintrittspflichtig ist. Der Kläger ließ vom Sachverständigenbüro … ein Schadensgutachten erstellen, wofür ihm ein Betrag, in Höhe von 517,71 EUR in Rechnung gestellt worden ist. In dem Gutachten des Sachverständigen … vom 14.7.2010 wurden die Nettoreparaturkosten des klägerischen Fahrzeugs auf 1.840,75 EUR sowie einen Wiederbeschaffungswert von netto 5.462,18 EUR kalkuliert. Die Beklagte zahlte auf das Sachverständigenhonorar einen Betrag von 402,00 EUR.

Die Beklagte hat dem Kläger auch den Differenzbetrag in Höhe von 115,71 EUR zu erstatten. Die Kosten für ein Sachverständigengutachten sind gemäß § 249 BGB grundsätzlich erstattungsfähig. Dabei hat der Schädiger dem Geschädigten die Kosten für ein Sachverständigengutachten auch dann zu erstatten, wenn seine Kosten übersetzt sind (vgl. Palandt, § 249 Rn, 40 m.w.N.). Der vom Geschädigten hinzugezogene Sachverständige ist nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten. Eine andere Beurteilung käme nur dann in Betracht, wenn ein Auswahlverschulden oder eine offenkundige Erkennbarkeit der Unrichtigkeit der Rechnung vorliegen würde. Hierfür fehlt es jedoch an entsprechenden Anhaltspunkten. Der Kläger hat bei einem Gesamtschaden von 1.840,75 EUR ein Grundhonorar in Höhe von 311,00 EUR sowie diverse Auslagen-und Kostenpositionen in Rechnung gestellt. Diese Beträge erscheinen nicht unangemessen überhöht. Insbesondere musste der Kläger insoweit keine Preisvergleiche anstellen oder gar den günstigsten Sachverständigen vor Auftragserteilung ermitteln. Das Risiko eines überteuerten Gutachtens tragen der Schädiger und dessen Versicherung, jedoch nicht der Geschädigte. Auch auf die Gesprächsergebnisse des Berufsverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen oder auf die BVSK-Honorarbefragung 2005/2006 muss sich der Kläger nicht verweisen lassen. Angesichts der streitgegenständlichen Rechnung musste ein Geschädigter, der in der Regel nicht über gesonderte Kenntnisse über durchschnittliche Sachverständigenhonorare verfügt, keine Zweifel an der Richtigkeit bzw. Angemessenheit der gestellten Rechnung anbringen.

Insgesamt bestehen auch nach Ansicht des Gerichts keine Bedenken gegen die Angemessenheit der vorliegenden Berechnungshöhe.

Auch die geltend gemachten Nebenkostenpositionen waren zu erstatten. Weder die Pauschalen für Lichtbilder, Fotokopien und Schreibgebühren scheinen unangemessen hoch. Dass diese Kostenpositionen tatsächlich angefallen sind, bestreitet die Beklagte nicht. Das Gericht weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nach seiner Ansicht es nicht darauf ankommt, in welcher Höhe diese Kosten in betriebswirtschaftlicher Hinsicht zu beziffern wären. Denn es geht hier bei der Frage, ob diese Kosten vom Schädiger zu erstatten sind, darum, ob der Geschädigte vernünftigerweise Zweifel an der Richtigkeit der Rechnung hätte haben müssen. Dies wird selbst dann nicht der Fall sein, wenn die Kosten im Einzelfall überhöht erscheinen. Denn ein durchschnittlicher Geschädigter wird kaum Einblicke oder Erfahrungswerte bezüglich der Preisgestaltung und -kalkulation eines Sachverständigen haben. Im Übrigen ist es nach Auffassung des Gerichts einem Geschädigten nicht zumutbar, die Kosten eines von ihm in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens auch nur teilweise nicht zu begleichen und es insoweit auf einen Rechtsstreit gegen ihn ankommen zu lassen. Dies dürfte allenfalls bei eklatant überhöhten Sachverständigenhonoraren im Einzelfall in Frage kommen. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286, 288 BGB.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 711, 71.3 ZPO.

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2 Antworten zu AG Nürnberg Urteil vom 27.10.2010 – 31 C 6151/10 -: Das Risiko überteuerter Gutachten trägt der Schädiger Az.: 31 C 6151/10 vom 27.10.2010

  1. Andreas sagt:

    Auch bei diesem Urteil gilt, dass hiermit

    „Die Beklagte hat dem Kläger auch den Differenzbetrag in Höhe von 115,71 EUR zu erstatten. Die Kosten für ein Sachverständigengutachten sind gemäß § 249 BGB grundsätzlich erstattungsfähig. Dabei hat der Schädiger dem Geschädigten die Kosten für ein Sachverständigengutachten auch dann zu erstatten, wenn seine Kosten übersetzt sind (vgl. Palandt, § 249 Rn, 40 m.w.N.). Der vom Geschädigten hinzugezogene Sachverständige ist nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten. Eine andere Beurteilung käme nur dann in Betracht, wenn ein Auswahlverschulden oder eine offenkundige Erkennbarkeit der Unrichtigkeit der Rechnung vorliegen würde. Hierfür fehlt es jedoch an entsprechenden Anhaltspunkten.“

    alles Wichtige gesagt ist.

    Danke für das Einstellen des Urteils, Willi!

    Viele Grüße

    Andreas

  2. Willi Wacker sagt:

    Hallo Andreas,
    aber gerne geschehen.
    Mit freundlichen Grüßen
    Dein Willi

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