Die Berufungskammer des LG Berlin entscheidet über Fiktivabrechner mit Urteil vom 18.7.2011 – 43 S 41/11 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

wir setzen die Serie der Berliner Fiktivurteile fort. Hier nun das Urteil  Nr. 3 aus Berlin. Das datiert zwar schon deutlich nach der VW-Entscheidung des BGH, gleichwohl erfolgt  aber keine Bezugnahme auf die neuere Rechtsprechung. Lest selbst das Berufungsurteil der 43. Zivilkammer des LG Berlin und gebt bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße
Euer Willi Wacker

 

Landgericht Berlin

Im Namen des Volkes

Urteil

 

Geschäftsnummer.: 43 S 41/11                verkündet am: 18.07.2011
.                              111 C 3413/09
.                              Amtsgericht Mitte

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 1. Februar 2011 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte – 111 C 3413/09 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des angefochtenen Urteils wie folgt lautet:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.151,22 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30. Januar 2010 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger im Falle der Reparatur seines bei dem Verkehrsunfall vom 17. August 2009 in 10369 Berlin (Lichtenberg) beschädigten Pkw BMW 530 i (amtliches Kennzeichen: …) die anfallende Umsatzsteuer zu ersetzen und eine Entschädigung für einen unfallbedingten Nutzungsausfall bzw. die etwaig anfallenden erforderlichen Mietwagenkosten zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Forderung der Partnerschaft “ …”, gemäß der Honorarnote vom 5. November 2009 zur Rechnungsnummer … über 155,30 € freizustellen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % hiervon abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % hiervon leistet.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % hiervon abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % hiervon leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte mit der dieser am 29. Januar 2010 zugestellten Klage – die am 6. November 2009 bei Gericht eingereicht worden ist – wegen der Folgen eines Verkehrsunfalls vom 17. August 2009 in 10369 Berlin (Lichtenberg) auf Schadensersatz sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht für künftige materielle Schäden in Anspruch. Die Parteien streiten in erster Linie über die Höhe der bei einer Schadensabrechnung auf der Grundlage geschätzter Reparaturkosten anzusetzenden Stundenlöhne.

Bei dem Verkehrsunfall wurde der zum Unfallzeitpunkt im Eigentum des Klägers stehende Pkw BMW 530 i (amtliches Kennzeichen: …; KBA-Schlüsselnummern: …; Aufbauart: Limousine; Hubraum: 2.979 cm3; Leistung: 170 kW <231 PS>; Erstzulassung: 14. Januar 2004; Kilometerstand: 100.122 km) beschädigt. An dem Unfall war das bei der Beklagten krafthaftpflichtversicherte Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … beteiligt. – Die volle Eintrittspflicht der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig.

Der Kläger verlangt Schadensersatz auf der Grundlage eines von ihm eingeholten privaten Sachverständigengutachtens über die voraussichtlichen Reparaturkosten, dem die Preise und Stundenlöhne der “BMW Niederlassung Berlin, Filiale Marzahn” zugrunde liegen. Bei einem Wiederbeschaffungswert des Pkw von 16.500 € liegt unstreitig ein Reparaturschaden vor, der merkantile Minderwert ist mit 300 € ausgeglichen.

Der Kläger macht als Schaden, soweit noch von Interesse, geltend:

voraussichtliche Reparaturkosten (netto) laut
Gutachten Kfz-Sachverständigenbüro …
vom 20. August 2009

restliche Forderung des Klägers                1.151,22 €

Ersatzteile einschl. 2 % Kleinersatzteile  2.573,73 €
Dichtmaterial                                                15,00 €
Unterbodenschutz-Material                            18,00 €
Hohlraumschutzmaterial                              15,00 €

Nebenkosten gesamt                                     48,00 €

Arbeitslohn Karosserie
(9,00 €/AW = 108,00 €/h) 95 AW/12 * 108,00 € =  855,00 €
Arbeitslohn Mechanik
(8,36 €/AW = 100,32 €/h) 65 AW/12 * 100,32 € =  543,40 €
Arbeitslohn Elektrik
(9,19 €/AW = 110,28 €/h) 4 AW/12 * 110,28 € =     36,76 €

Arbeitslohn gesamt                                                  1.435,16 €

Lackierung Lohn
(9,19 €/AW = 110,28 €/h) 151 AW/12 * 110,28 € = 1.387,69 €
Lackierung Material
(35 % der Lohnkosten)                                             485,69 €

Lackierung gesamt                                                1.873,38 €

gesamt                                                                    5.930,27 €

abzüglich der Zahlungen der Beklagten von  – 4.779,05 €

Die Beklagte rechnete mit ihrem Schreiben vom 18. September 2009 (Anlage K 2 zur Klageschrift, Bl. 24 f. d. A.) ab, wobei sie die Reparaturkosten “laut Prüfbericht” mit lediglich 4.779,05 € berücksichtigte.

Auf der Grundlage des – anders aufgebauten – beigefügten Prüfberichts vom 25. August 2009 (Anlage K 2 zur Klageschrift, Bl. 26 ff. d. A.) ergibt sich folgendes Zahlenwerk:

voraussichtliche Reparaturkosten (netto) laut
Gutachten Kfz-Sachverständigenbüro …
vom 20. August 2009

Differenz zur Klage gesamt                       4.775,73 €
.                                                    – 4.779,05 €
.                                                                 3,32 €
.                                                      – 1.154,54 €
.                                                              + 3,32 €
.                                                       – 1.151,22 €
Ersatzteile einschl. 2 % Kleinersatzteile  2.573,73 €
Dichtmaterial                                                  15,00 €
Unterbodenschutz-Material                           15,00 €
.                                                              – 3,00 €
Hohlraumschutzmaterial                                15,00 €

Nebenkosten

Arbeitslohn Karosserie “Stufe K” 95 AW/12 * 70,00 € =  554,17 €
.                                                         – 300,83 €
Arbeitslohn Mechanik “Stufe M”
65 AW/12 * 50,00 € =                                          270,83 €
.                                                                              – 272,57 €
Arbeitslohn Elektrik “Stufe E”
4 AW/12 * 70,00 € =                                             23,33 €
.                                                               – 3,32 €
.                                                             – 10,11 €

Arbeitslohn

Lackierung Lohn
151 AW/12 * 80,00 € =                             1.006,67 €
.                                                           – 381,02 €
Lackierung Material
(30 % der Lohnkosten)                                302,00 €
.                                                            – 183,69 €

Lackierung

In dem Prüfbericht heißt es u. a.:

“… Die Reparatur im vorauskalkulierten Umfang kann von folgenden Meisterbetrieben aus der Region durchgeführt werden. Bei diesen Werkstätten ist eine fachgerechte und qualitativ hochwertige Reparatur gewährleistet.

Für die Korrekturberechnung haben wir den Reparaturbetrieb … Karosserie Lackiererei GmbH …

Reparaturkosten (Netto): 4.779,05 EUR

Lohn Mechanik:             50,00 EUR/Stunde

Lohn Karosserie:            70,00 EUR/Stunde

Lohn Lackierung:            80,00 EUR/Stunde

berücksichtigt.

Ferner stehen Ihnen weitere Reparaturbetriebe zur Auswahl:
(Es folgen zwei weitere Betriebe in 10713 Berlin und 12099 Berlin, wobei jeweils Name, Anschrift, Telefonnummer sowie in analoger Weise die Reparaturkosten und die Stundenverrechnungssätze angegeben sind.) …”

Der Kläger ist der Ansicht, er könne auf der Grundlage der in einer BMW-Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten abrechnen. Im übrigen verfolgt er die Freistellung von den nach einem Gegenstandswert von 1.151,22 € und unter Zugrundelegung eines Gebührensatzes von 1,3 berechneten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 155,30 € (Rechnung vom 5. November 2009, Anlage K 3 zur Klageschrift) beziehungsweise die Freistellung von den nach einem Gegenstandswert von 1.718,34 € berechneten Rechtsanwaltskosten für die Einholung einer Deckungszusage seiner Rechtsschutzversicherung in Höhe von 229,55 € (Rechnung vom 5. November 2009, Anlage K 4 zur Klageschrift).

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.151,22 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm sämtliche künftigen materiellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 17. August 2009 zu ersetzen;

3. die Beklagte zu verurteilen, ihn von Gebührenansprüchen der Rechtsanwälte “D und W Partner” in Höhe von 155,30 € freizustellen;

4. die Beklagte zu verurteilen, ihn von weiteren Gebührenansprüchen der Rechtsanwälte “D und W Partner” in Höhe von 229,55 € freizustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertritt unter näherer Darlegung die Ansicht, der Kläger müsse sich auf die genannten, nicht markengebundenen freien Werkstätten verweisen lassen, deren Reparaturqualität derjenigen von Markenwerkstätten entspreche; wegen der näheren Einzelheiten wird insbesondere auf die Klageerwiderung vom 12. März 2010 (Bl. 43 ff. der Akte) Bezug genommen. – Den näheren Vortrag der Beklagten zu diesen Werkstätten hat der Kläger im wesentlichen mit Nichtwissen bestritten.

Mit dem am 1. Februar 2011 verkündeten Urteil hat das Amtsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an den Kläger 1.151,22 € nebst Zinsen zu zahlen und ihn von den Vergütungsansprüchen seiner Prozessbevollmächtigten aus der vorgerichtlichen Tätigkeit freizustellen, sowie die Verpflichtung der Beklagten festgestellt, dem Kläger auch künftige Schäden aus dem Unfall zu ersetzen; hinsichtlich der darüber hinaus begehrten Freistellung von den Rechtsanwaltskosten für die Einholung einer Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung hat es die Klage abgewiesen. Die Kostenentscheidung, wonach der Kläger ein Fünftel und die Beklagte vier Fünftel der Kosten des Rechtsstreits zu tragen haben, hat es auf § 91 Abs. 1 ZPO gestützt.

Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:

Der Kläger habe auch bei fiktiver Schadensberechnung einen Anspruch auf Ersatz der Kosten, die bei einer Reparatur des Fahrzeuges in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallen. Auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne weiteres zugänglichen freien Werkstatt müsse er sich nicht verweisen lassen; das gelte unabhängig vom Alter und der Laufleistung des Fahrzeuges.

Der Auffassung des Bundesgerichtshofs sei nicht zu folgen; sie höhle die Grundsätze der Totalreparation und der Dispositionsfreiheit des Geschädigten aus, sei weder bei der außergerichtlichen Schadensregulierung noch prozessual praktikabel. Wenn nach geltendem Recht der Geschädigte bei tatsächlicher Reparatur in einer Markenwerkstatt Anspruch auf Ersatz der tatsächlichen Reparaturkosten habe, vom Schädiger nicht auf eine freie Werkstatt verwiesen werden dürfe, könne bei fiktiver Abrechnung nichts anderes gelten.

Außerdem sei nicht ersichtlich, wie überhaupt Beweis über die behauptete Gleichwertigkeit der günstigeren Reparaturmöglichkeit erhoben werden könnte (etwa durch ein “Wett-Reparieren”?). Im übrigen sei die Reparatur in einer freien Werkstatt ohnehin nicht mit der Reparatur in einer Vertragswerkstatt gleichwertig (§ 287 Abs. 1 ZPO), wie etwa die Untersuchung der Stiftung Warentest (test 9/2010 betr. “Inspektion in Autowerkstätten”) gezeigt habe.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 4. Februar 2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit dem am 3. März 2011 bei dem Landgericht Berlin eingegangenen Schriftsatz vom selben Tage Berufung eingelegt und diese mit dem am 4. April 2011 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte setzt sich eingehend mit der Begründung des angefochtenen Urteils auseinander und verweist auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur grundsätzlichen Möglichkeit eines Verweises auf eine gleichwertige Reparaturmöglichkeit. Die Ausführungen des Amtsgerichts zu anderen Fahrzeugherstellern und anderen Fahrzeugversicherern seien im vorliegenden Fall ohne Bedeutung. Ein verbindliches Angebot der Referenzwerkstatt müsse nicht vorgelegt werden. Die Argumente, die gegen die fiktive Abrechnung von Kraftfahrzeughaftpflichtschäden sprächen, wolle sie nicht aufzählen.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil des Amtsgerichts, verweist darauf, dass er mit den Angaben in dem Prüfbericht vom 25. August 2009 nicht zu einer Überprüfung der Gleichwertigkeit der Reparatur in die Lage versetzt worden sei, und vertieft seinen Vortrag zur mangelnden Gleichwertigkeit der von der Beklagten benannten Werkstätten.

Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und der zum Beleg des entsprechenden Vortrages beigefügten Anlagen Bezug genommen.

Die Parteien haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt. Die Kammer hat gemäß § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO den Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können und der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, auf den 4. Juli 2011 und den Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 18. Juli 2011 bestimmt.

II.

Die Kammer kann im schriftlichen Verfahren entscheiden, nachdem die Parteien einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt haben und seit dem Eingang der letzten Zustimmung am 3. Juni 2011 noch nicht mehr als drei Monate verstrichen sind (vgl. § 128 Abs. 2 ZPO).

III.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet, weil die Klage insgesamt zulässig und – soweit nunmehr angefochten auch – begründet ist.

IV.

Die Feststellungsklage ist nur zulässig, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Beklagte ihm im Reparaturfalle die anfallende Umsatzsteuer zu ersetzen und eine Entschädigung für einen unfallbedingten Nutzungsausfall bzw. die etwaig anfallenden erforderlichen Mietwagenkosten zu zahlen habe. Nur insoweit hat der Kläger das von § 256 Abs. 1 ZPO geforderte schutzwürdige Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für aus dem hier streitigen Vorfall resultierende weitere materielle Schäden dargelegt.

Das Feststellungsinteresse besteht bereits dann, wenn dem Recht oder der Rechtslage des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass die Beklagte ein Recht des Klägers ernstlich bestreitet, und wenn das von dem Kläger erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen. Die Beklagte bestreitet nicht nur künftige Ansprüche des Klägers, es droht auch der Ablauf der kurzen Verjährung der Ansprüche aus Gefährdungshaftung nach § 14 StVG i. V. m. §§ 195, 199 BGB bzw. der Ansprüche aus Delikt nach den §§ 195, 199 BGB (neues Verjährungsrecht in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung – vgl. Artikel 229 § 6 EGBGB).

Im übrigen genügt es, wenn künftige Schadensfolgen möglich, Art, Umfang oder sogar ihr Eintritt ungewiss sind. Hier ist es u. a. möglich, dass bei einer Reparatur des Fahrzeugs Umsatzsteuer anfällt und ein Anspruch auf Nutzungsausfallsentschädigung oder Ersatz von Mietwagenkosten entsteht.

Darüber hinaus aber ist ein Feststellungsinteresse nicht erkennbar. Dass und ggf. warum dem Kläger eine Bezifferung etwaiger weiterer materieller Schäden bisher nicht möglich (gewesen) ist, ist nicht ersichtlich und wird vor allem von dem Kläger auch nicht dargelegt. Die Kammer geht davon aus, dass der Kläger seinen Feststellungsantrag lediglich zu weitgehend formuliert hat, weitere Ansprüche nicht verfolgen wollte, und hat dies entsprechend berücksichtigt.

Soweit die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige materielle Schäden ab Anhängigkeit der Klage, hier also ab dem 6. November 2009, begehrt wird, bedarf es einer Änderung des Feststellungsantrages in einen Leistungsantrag (Aktualisierung der Klageanträge) auch nicht etwa deshalb, weil aufgrund der Schadensentwicklung im Lauf des Rechtsstreites der Übergang zur Leistungsklage möglich gewesen wäre (vgl. etwa BGH, BGHZ Bd. 70 S. 39 = NJW 1978 S. 210). – War also die Feststellungsklage bei Anhängigmachung zulässig, so wird sie nicht durch bloßen Zeitablauf unzulässig; das gilt im übrigen entsprechend für die Frage der Begründetheit.

V.

Die Klage ist begründet.

Der Kläger kann von der Beklagten wegen des Verkehrsunfalls vom 17. August 2009 in 10369 Berlin (Lichtenberg) vollen Ersatz seines unfallbedingten Schadens und damit unter Berücksichtigung der von der Beklagten erbrachten Leistungen Zahlung von weiteren 1.151,22 € gemäß § 115 Abs. 1 VVG (n. F.) und § 7 Abs. 1, § 18 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes bzw. § 823 Abs. 1 bzw. 2 BGB jeweils i. V. m. den §§ 249 ff. BGB verlangen. Zugleich ist die Verpflichtung der Beklagten festzustellen, dem Kläger infolge des hier streitigen Vorfalls nach Einreichung der Klage am 6. November 2009 weiter entstandene und entstehende materielle Schäden zu ersetzen.

Der Kläger kann Schadensersatz auf der Grundlage des von ihm eingeholten privaten Sachverständigengutachtens über die voraussichtlichen Reparaturkosten, dem die Preise und Stundenlöhne der “BMW Niederlassung Berlin, Filiale Marzahn” zugrunde liegen, verlangen.

Mit dem Amtsgericht ist im Ergebnis auch das Berufungsgericht der Auffassung, dass hier die Stundenverrechnungssätze der markengebundenen Fachwerkstatt anzusetzen sind.

Das liegt allerdings nicht daran, dass die Kammer die Auffassung des Amtsgerichts teilte, der Geschädigte müsse sich ohnehin nicht auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit etwa in einer mühelos und ohne weiteres zugänglichen freien Werkstatt verweisen lassen, sondern habe immer Anspruch auf Ersatz der Kosten, die bei einer Reparatur in einer Markenwerkstatt anfielen, der abweichenden Auffassung des Bundesgerichtshofs sei nicht zu folgen.

Die Kammer ist vielmehr der Ansicht, dass die Beklagte “eine andere, kostengünstigere Werkstatt” in zumutbarer Nähe, die eine gleichwertige Reparatur ermöglicht hätte, zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht konkret nachgewiesen hat. Dabei kommt es entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf den Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung, sondern im Grundsatz auf den Zeitpunkt der Disposition des Geschädigten an (vgl. Landgericht Berlin, Urteil vom 23. Juni 2008 – 58 S 1/08 – und Urteil vom 15. Dezember 2008 – 58 S 169/08 -, beide bei juris abrufbar; OLG Düsseldorf, Urteil vom 16. Juni 2008 – 1 U 246/07 -, NJW 2008, S. 3366 (LS) = NZV 2009, S. 42 (LS) = BeckRS 2008, 12379; LG Krefeld, Urteil vom 18. März 2010 – 3 S 30/09 -, NJW 2010, S. 3040).

Nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der zum Schadensersatz berechtigte Geschädigte statt der (Wieder-) Herstellung der beschädigten Sache den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. “Erforderlich” sind diejenigen Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Als “erforderliche Kosten” in diesem Sinne sind die typischerweise bei einer Reparatur in einer Fachwerkstatt anfallenden Kosten zu verstehen. Der Nachweis dieser Kosten obliegt dem Geschädigten; er kann durch Vorlage der Reparaturrechnung über die tatsächlich entstandenen Kosten oder durch das Schadensgutachten eines qualifizierten Kfz-Sachverständigen über die voraussichtlich bei einer Reparatur entstehenden Kosten geführt werden.

Einerseits ist Ziel des Schadensersatzes die Totalreparation, andererseits ist der Geschädigte nach schadensrechtlichen Grundsätzen sowohl in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung als auch in der Verwendung des vom Schädiger zu leistenden Schadensersatzes frei. Dementsprechend steht dem Geschädigten dem Grunde nach ein Anspruch auf Ersatz der objektiv erforderlichen Reparaturkosten nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB unabhängig davon zu, ob der Geschädigte den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt (vgl. etwa BGH, Urteil vom 29. April 2003 – VI ZR 398/02 – “Porsche-Urteil”, BGHZ Bd. 155, S. 1 = NJW 2003, S. 2086 = MDR 2003, S. 1046 = VersR 2003, S. 920 m. w. N.).

Der Geschädigte ist allerdings unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Doch genügt im Allgemeinen, dass er den Schaden auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens berechnet, sofern das Gutachten hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, dem konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden (vgl. etwa BGH, Urteil vom 29. April 2003 – VI ZR 398/02 -, a. a. O., m. w. N.).

Bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs im Rahmen von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB darf nicht das Grundanliegen dieser Vorschrift aus den Augen verloren werden, dass dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll: Ziel des Schadensersatzes ist die Totalreparation.

Deshalb müssen die nach § 249 BGB zur Verfügung zu stellenden Mittel so bemessen sein, dass sich die Vermögenslage des Geschädigten, sofern er nur wirtschaftlich vernünftig verfährt, nicht besser, aber auch nicht schlechter darstellt, als wenn der Schadensfall nicht eingetreten wäre.

Bei der Prüfung, ob sich der Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen hält, ist eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen. Der “erforderliche” Herstellungsaufwand wird nicht nur durch Art und Ausmaß des Schadens sowie die örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten für seine Beseitigung, sondern auch von den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten sowie die gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten bestimmt. In diesem Sinne ist der Schaden nicht “normativ” zu bestimmen, sondern “subjektbezogen”, weshalb Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten zu nehmen ist (vgl. etwa BGH, Urteil vom 29. April 2003 – VI ZR 398/02 -, a. a. O., m. w. N.; BGH, Urteil vom 18. Januar 2005 – VI ZR 73/04 -, NJW 2005, S. 1112, 1113 mit umfangreichen Nachweisen).

Dem steht zwar nicht grundsätzlich entgegen, dass sich der Geschädigte, der mühelos eine ohne weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, auf diese verweisen lassen muss (vgl. etwa BGH, Urteil vom 29. April 2003 – VI ZR 398/02 -, a. a. O., m. w. N.).

Die Beklagte, die weder gravierende Mängel des Sachverständigengutachtens gerügt noch bestritten hat, dass die vom Sachverständigen in seinem Gutachten vom 20. August 2009 angesetzten Stundenverrechnungssätze bei einer Reparatur in der “BMW Niederlassung Berlin, Filiale Marzahn” tatsächlich anfielen, hat indes dem Kläger eine konkrete “mühelos ohne weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit” zum danach maßgeblichen Zeitpunkt nicht aufgezeigt.

Ob aus heutiger Sicht – oder später nach ggf. umfangreicher Beweisaufnahme insbesondere zu der zwischen den Parteien streitigen Frage der Gleichwertigkeit – etwas anderes festzustellen wäre, ist unerheblich.

Die Beklagte hat dem Kläger mit dem dem Schreiben vom 18. September 2009 beigefügten Prüfbericht vom 25. August 2009 zwar drei Reparaturbetriebe mit den üblichen Kontaktdaten (Name, Anschrift, Telefonnummer) benannt, ansonsten jedoch lediglich die günstigeren Stundenverrechnungssätze und die sich daraus ergebenden Reparaturgesamtkosten sowie ihre Auffassung angegeben, “die Reparatur im vorauskalkulierten Umfang kann von folgenden Meisterbetrieben aus der Region durchgeführt werden. Bei diesen Werkstätten ist eine fachgerechte und qualitativ hochwertige Reparatur gewährleistet.”

Mit der bloßen Bekanntgabe einer postalischen Anschrift ist eine gleichwertige Reparaturmöglichkeit, auf die sich der Kläger hätte einlassen müssen, ersichtlich nicht nachgewiesen worden. Ein “konkretes” Angebot, auf dass der Kläger “mühelos” hätte zugreifen können, lag – und liegt – nicht vor. Im Gegenteil: Der Kläger hätte hier erst einmal umfangreich eigene Initiative entfalten müssen, um festzustellen, ob in den genannten Werkstätten tatsächlich eine günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit besteht.

So im übrigen auch Figgener, NJW 2008 S. 1349, 1352: “Der pauschale Hinweis auf eine konkrete Reparaturwerkstatt reicht nicht aus. Es ist durchaus zu verlangen, dass der Ersatzpflichtige dem Geschädigten gegenüber konkrete Angaben, die die Gleichwertigkeit betreffen (z. B. Meisterwerkstatt, Zertifizierung, Verwendung von Originalersatzteilen etc.), an die Hand gibt. Eine Eigeninitiative muss der Geschädigte nicht entfalten.”

Ob die genannten Werkstätten zu einer BMW-Fachwerkstatt “gleichwertig” sind, lässt sich der bloßen Angabe von Anschrift, Telefonnummer und der Aufzählung der (günstigeren, jedenfalls billigeren im Sinne von niedrigeren) Stundenverrechnungssätze nicht entnehmen.

Ebenfalls offen ist, ob diese Werkstätten den konkreten Schaden unter Zugrundelegung des eingeholten Sachverständigengutachtens des Kfz-Sachverständigenbüro … vom 20. August 2009 und des darin vorgegebenen Reparaturweges tatsächlich zu den in dem Prüfbericht berechneten Kosten beheben würden. Die Beklagte räumt nämlich ein, dass sie – wenn auch durch ein möglicherweise unabhängiges “Institut” – Ermittlungen nicht im Hinblick auf den konkreten Schadensfall, sondern ganz allgemein geführt hat bzw. führt, wobei die Werkstattinhaber in Erfassungsbögen Selbstauskunft über die Einrichtung ihrer Werkstatt und die in Rechnung gestellten Preise geben.

Abgesehen davon, dass in dem hier zu beurteilenden Prüfbericht jegliche Angaben zur Einrichtung der Werkstätten fehlen, ist das im Ergebnis auch nur ein abstraktes Aufzeigen von geringeren Stundenlöhnen ohne jeden Bezug zum konkreten Schadenfall. Das aber kann der Bundesgerichtshof kaum gemeint haben, sonst hätte er insoweit sicherlich klipp und klar ausgeführt: “Anschrift und Höhe der Stundenverrechnungssätze genügt”.

Die mögliche Realisierung einer Reparatur zu den von der Beklagten vorgetragenen Preisen hätte hier zunächst die Entfaltung erheblicher eigener Initiative durch den Kläger erfordert, wozu dieser nicht verpflichtet war.

Nach Auffassung der Kammer muss das Angebot vielmehr so konkret sein, dass der Geschädigte, ähnlich der Lage bei abweichenden (höheren) Restwertgeboten, tatsächlich nur noch zugreifen muss; nur dann kann von einer “mühelos” zugänglichen Alternative gesprochen werden. Hierfür wird es grundsätzlich eines verbindlichen Reparaturangebotes der aufgezeigten Werkstatt bedürfen (so Landgericht Berlin, Urteil vom 15. Dezember 2008 – 58 S 169/08 -, noch offen gelassen im Urteil vom 23. Juni 2008 – 58 S 1/08 -, dort Rdnr. 39).

Jedenfalls aber bedarf es neben der Darlegung einer günstigeren (“billigeren”) Reparaturmöglichkeit der ausreichenden und prüfbaren Darlegung der Werkstatterfahrung für die Reparatur der entsprechenden Fahrzeugmarke. Der Geschädigte muss bereits anhand der vorgelegten Unterlagen und ohne jede weitere Nachforschung “die Qualität” der Werkstatt beurteilen können. – Mit den spärlichen Angaben in der hier vorliegenden Abrechnung bzw. dem Prüfbericht hat der Kläger, was unstreitig sein dürfte, die Gleichwertigkeit der aufgezeigten Werkstätten nicht prüfen können.

Die erforderlichen Angaben können grundsätzlich im Prozess nicht mehr nachgeholt werden, sonst wäre im Ergebnis die Dispositionsfreiheit des Geschädigten gefährdet oder sogar verletzt.

Rechnet der Geschädigte die Kosten der Instandsetzung als Schaden ab und weist er die Erforderlichkeit der Mittel durch ein ordnungsgemäßes Gutachten eines Sachverständigen nach, hat der Schädiger die konkreten Tatsachen darzulegen und zu beweisen, aus denen sich die (für den Geschädigten erkennbare) Unwirtschaftlichkeit der Abrechnung und damit ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht ergibt.

Dem Geschädigten muss vorgeworfen werden können, zum Zeitpunkt seiner Disposition schuldhaft von unzutreffenden Grundlagen, hier insbesondere zur Höhe der Reparaturkosten, ausgegangen zu sein (anderer Ansicht Figgener, NJW 2008, S. 1349, 1352: Der Geschädigte sei “gerade auf Grund der gewählten fiktiven Abrechnung in zeitlicher Hinsicht nicht schützenswert”, auch unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 17. Oktober 2006 – VI ZR 249/05 -, NJW 2007, S. 67, wonach der zunächst auf Grundlage geschätzter Reparaturkosten abrechnende Geschädigte grundsätzlich später die höheren Kosten einer nunmehr tatsächlich durchgeführten Reparatur unter Vorlage der Reparaturrechnung verlangen könne.). Dies setzt ersichtlich voraus, dass der Geschädigte entsprechende Kenntnis hatte, was nach dem oben Ausgeführten wiederum erfordert, dass der Schädiger dem Geschädigten eine günstigere gleichwertige Reparaturmöglichkeit konkret und prüfbar innerhalb angemessener Frist nachgewiesen hat. – Insoweit mag die Dreimonatsfrist in § 3 a Abs. 1 PflVersG n. F. (§ 3 a PflVersG a. F.) einen Anhalt bieten. Die Angaben erst in der Klageerwiderung vom 12. März 2010 sind danach jedenfalls nicht mehr fristgerecht.

Von einem schuldhaften Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht kann jedoch nicht ausgegangen werden, wenn der Schädiger die Angaben erst im Prozess nachholt, die er bereits zum Zeitpunkt der Schadensabrechnung hätte machen müssen. Bei seiner damaligen Entscheidung, auf welcher Grundlage er die Schadensbehebung vornimmt (oder unterlässt), hatte der Kläger keine im Vergleich zum Schadensgutachten günstigere gleichwertige Reparaturmöglichkeit in seine Überlegungen einzubeziehen. Auf der Grundlage der damaligen Angaben der Beklagten gab es für den Kläger schlicht nichts zu prüfen.

Selbst wenn sich später, etwa nach umfangreicher Beweisaufnahme und mehreren Jahren, ggf. herausstellen würde, dass zum damaligen Zeitpunkt – nicht dagegen zum Zeitpunkt der Beweiserhebung – eine günstigere gleichwertige Reparaturmöglichkeit bestanden hätte, kann dies eine schuldhafte Verletzung der Schadensminderungspflicht offensichtlich nicht mehr begründen.

Würde man es zulassen, dass der Schädiger die erforderlichen Angaben erst im Prozess nachholen und dann nach Jahren, im Extremfall eventuell sogar nach mehr als einem Jahrzehnt im Rahmen einer gerichtlichen Beweisaufnahme den Nachweis der Gleichwertigkeit erbringen darf, griffe man ersichtlich in die Dispositionsfreiheit des Geschädigten ein. Dieser wäre dann eben gerade nicht “sowohl in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung als auch in der Verwendung des vom Schädiger zu leistenden Schadensersatzes frei”.

Der Hinweis darauf, dass der Geschädigte nach der neueren Rechtsprechung des BGH jederzeit von der fiktiven zur konkreten Schadensabrechnung wechseln könne, weshalb er auch in dem hier vorliegenden Fall “gerade aufgrund der gewählten fiktiven Abrechnung in zeitlicher Hinsicht nicht schützenswert” sei, übersieht die oben genannten Grundsätze des Schadensersatzrechts: Totalreparation und Dispositionsfreiheit des Geschädigten.

Gerade wegen dieser Grundsätze soll es dem Geschädigten möglich sein, seinen tatsächlichen höheren Schaden auch nach zunächst fiktiver Schadensabrechnung später noch konkret darzulegen und ersetzt zu verlangen. Der Schädiger ist durch die Verjährungsvorschriften hinreichend geschützt.

Anders stellt sich die Lage bei der Frage der Gleichwertigkeit dar. Wenn der Geschädigte in bestimmter Weise aufgrund der ihm zu diesem Zeitpunkt zugänglichen Informationen disponiert hat, ohne zu diesem Zeitpunkt gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen zu haben, kann man ihm nicht Jahre später aufgrund neuen Vortrages und ggf. des Ergebnisses einer Beweisaufnahme vorwerfen, schuldhaft gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen zu haben, und damit in seine Dispositionsfreiheit eingreifen.

Dann wäre es sicherlich auch dogmatisch ehrlicher, sich von der Dispositionsfreiheit des Geschädigten und der fiktiven Schadensabrechnung zu verabschieden.

Soweit die Beklagte über die Stundenverrechnungssätze hinaus Abzüge bei den Materialkosten vorgenommen hat (Unterbodenschutz-Material: 15 € statt 18 €; Lackierung Material: 30 % der Lohnkosten statt 35 % der Lohnkosten), hat die Beklagte nicht dargelegt, dass das Sachverständigengutachten falsch ist; sie hat lediglich andere Werte eingesetzt, die ihrer Ansicht nach ausreichen.

Der Anspruch auf Prozesszinsen ergibt sich aus § 291 Satz 1 BGB, wonach der Schuldner eine fällige Geldschuld von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen hat, auch wenn er nicht im Verzug ist. Die Rechtshängigkeit tritt gemäß § 261 Abs. 1, § 253 Abs. 1 ZPO durch Erhebung, d. h. Zustellung der Klageschrift, ein. Die Verzinsungspflicht beginnt gemäß § 187 Abs. 1 BGB analog mit dem Tag nach der, hier am 29. Januar 2010 erfolgten, Zustellung der Klageschrift (vgl. BGH, NJW-RR, 1990 S. 519), d. h. mit dem 30. Januar 2010.

Der Zinsfuß ergibt sich aus § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

VI.

Der Feststellungsantrag ist hinsichtlich der künftigen materiellen Schäden begründet.

Der Kläger kann von der Beklagten auch Ersatz weiter entstehender Schäden aus dem Verkehrsunfallgeschehen vom 17. August 2009 in 10369 Berlin (Lichtenberg) ersetzt verlangen.

Die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 7 Abs. 1 StVG bzw. § 823 i. V. m. den §§ 249 ff. BGB liegen vor, die Beklagte ist eintrittspflichtig (s. o.). Für die Begründetheit von Feststellungsklagen ist es nicht notwendig, dass zum für die Entscheidung relevanten Zeitpunkt bereits ein Schaden feststeht. Es ist ausreichend, wenn die Entstehung eines zu ersetzenden Schadens wahrscheinlich ist. Dies ist im Hinblick auf die genannten Positionen Umsatzsteuer, Nutzungsausfallentschädigung bzw. Mietwagenkosten der Fall.

VII.

Dementsprechend hat der Kläger auch Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Für die außergerichtliche Tätigkeit seiner Prozessbevollmächtigten sind ersatzfähig:

1,3 Geschäftsgebühr gemäß §§ 2, 13, 14 RVG i. V. m. Nr. 2300 VV zum RVG nach einem Gegenstandswert von 1.151,22 € bei einer Gebühr von 85 € 110,50 €

Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen gemäß Nr. 7002 VV zum RVG (20 % der Gebühren, höchstens 20 €) 20,00 €

ergibt brutto 155,30 €

ergibt netto 130,50 €

nebst 19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV zum RVG 24,80 €

VIII.

Soweit die Kammer den Tenor des erstinstanzlichen Urteils in der Hauptsache neugefasst hat, erfolgt dies im wesentlichen zur Herstellung einer ausreichenden Bestimmtheit bzw. Vollstreckungsfähigkeit des Tenors, soweit es sich nicht um bloße redaktionelle Änderungen handelt.

Hinsichtlich der Kostenentscheidung hat es gemäß § 308 Abs. 2 ZPO einer amtswegigen Änderung bedurft, die sich unter Berücksichtigung der Begründung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung im angefochtenen Urteil, das ausdrücklich § 91 Abs. 1 ZPO nennt, auch auf § 319 Abs. 1 ZPO stützen kann.

Das Amtsgericht hat die Klage lediglich in bezug auf die vom Kläger begehrte Freistellung von den Rechtsanwaltskosten für die Einholung der Deckungszusage seiner eigenen Rechtsschutzversicherung abgewiesen. Diese Kosten sind hier jedoch nicht streitwertrelevant, weil sie von den konkreten Kosten des vorliegenden Rechtsstreits abhängen und damit bloße Nebenforderungen sind (vgl. hierzu auch KG, Beschluss vom 26. August 2010 – 22 W 32/10 -). Sie sind deshalb auch nicht für die Kostenentscheidung relevant.

Eine unzulässige Verschlechterung zulasten der Beklagten liegt nicht vor. Das Rechtsmittelgericht ist bei einer Änderung des Kostenausspruchs der unteren Instanz an das Verbot der “reformatio in peius” nicht gebunden (vgl. Musielak/Musielak, Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. <2008>, § 308 ZPO Rdnr. 24 m. w. N.).

IX.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind im Hinblick darauf gegeben, dass die Frage, unter welchen Bedingungen sich der auf Gutachtenbasis abrechnende Geschädigte auf eine anderweitige – billigere – Reparaturmöglichkeit verweisen lassen muss, in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung – und auch in der Literatur – weiterhin durchaus unterschiedlich beantwortet wird. Soweit ersichtlich, hat der Bundesgerichtshof weder konkrete Aussagen dazu getroffen, ob die bloße Benennung von Reparaturbetrieben, die zu den angegebenen Preisen arbeiten sollen, ausreichend ist, noch dazu, ob und ggf. welche Angaben zur “Gleichwertigkeit” bereits zum Zeitpunkt der Schadensabrechnung – jedenfalls aber vorprozessual – gemacht werden müssen oder auch erst im Prozess nachgeholt werden dürfen.

Urteilsliste “Fiktive Abrechnung” zum Download >>>>>

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1 Antwort zu Die Berufungskammer des LG Berlin entscheidet über Fiktivabrechner mit Urteil vom 18.7.2011 – 43 S 41/11 -.

  1. hans olg sagt:

    Als ob der Richter selbst schonmal Betroffener einer ungerechtfertigten Kürzung war. Wurde Revision eingelegt oder hat die Versicherung die hier vorgenommene Auslegung der für die Revision durch das Gericht am Schluß nochmals formulierten Fragen so akzeptiert? Da hat sich die Konzentration der Verkehrsunfallsachen am Gericht in Berlin Mitte nun endlich auch mal zum Positiven für die breite Masse der Geschädigten ,aber ohne Lobby, ausgezahlt.
    SCHNAFTE !!!

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